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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 30.01.2007
Aktenzeichen: B 2 U 23/05 R
Rechtsgebiete: SGG


Vorschriften:

SGG § 163
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 2 U 23/05 R

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 30. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Steege, die Richter Mütze und Dr. Becker sowie die ehrenamtlichen Richter Senske und Dr. Grieshaber

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.

Der Tenor wird wie folgt gefasst: Es wird festgestellt, dass der Unfall des Klägers am 26. Oktober 1999 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall.

Der im Jahr 1975 geborene Kläger erlitt am 26. Oktober 1999 gegen 22.50 Uhr auf dem Heimweg von der Spätschicht einen Unfall. Er kam mit seinem Pkw auf der Landstraße L 1167 zwischen Hermaringen und Brenz in einer Rechtskurve mit 2 % Gefälle von der Fahrbahn nach rechts ab, überschlug sich mehrmals und ist seitdem querschnittsgelähmt. Die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil die zum Unfallzeitpunkt bestehende alkohol- und drogenbedingte relative Fahruntüchtigkeit des Klägers die rechtlich allein wesentliche Unfallursache gewesen sei, andere Ursachen seien nicht feststellbar (Bescheid vom 28. Mai 2001, Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2001).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. Dezember 2002). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers die Beklagte verurteilt, seinen Unfall am 26. Oktober 1999 als Arbeitsunfall zu entschädigen (Urteil vom 12. Oktober 2004), und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe sich im Unfallzeitpunkt auf seinem grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 8 Abs 2 Nr 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) stehenden Heimweg von der Arbeit befunden. Der Versicherungsschutz sei nicht entfallen, weil er unter Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden habe. Eine alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit werde ab einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,1 Promille angenommen; diesen Wert habe der Kläger, bei dem von einer BAK von 0,44 Promille auszugehen sei, nicht erreicht. Einen wissenschaftlich allgemein anerkannten Grenzwert zur Feststellung einer absoluten Fahruntüchtigkeit nach der Einnahme von Cannabis gebe es derzeit nicht. Allenfalls könne von einer relativen Fahruntüchtigkeit ausgegangen werden, wenn - wie hier - die Konzentration am unteren Rand des Bereichs liege, in dem von einer Wirkung ausgegangen werden könne. Aber auch eine relative Fahruntüchtigkeit habe bei dem Kläger nicht vorgelegen. Eine solche sei bei einer BAK von unter 1,1 Promille anzunehmen, wenn alkoholtypische Ausfallerscheinungen als Beweisanzeichen hinzugekommen seien. Gleiches gelte für eine rauschbedingte relative Fahruntüchtigkeit nach Drogengenuss. Alkoholtypisch seien nur solche Verhaltensweisen, die sich nur durch Alkohol- oder Drogengenuss erklären lassen und bei unter Alkohol- oder Drogeneinfluss fahrenden Personen öfter vorkommen als gewöhnlich. Ein Fehlverhalten oder Fahrfehler lasse nicht den zwingenden Schluss auf alkohol- oder drogenbedingte Fahruntüchtigkeit zu, insbesondere wenn es sich um ein Verhalten handele, das bei einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern in vergleichbaren Situationen vorkommen könne. Als alkoholtypische Beweisanzeichen seien anzusehen, das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit, Fahren in Schlangenlinien, plötzliches Bremsen, Missachten von Vorfahrtszeichen oder einer roten Ampel. Diese Ausfallerscheinungen müssten zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen.

Beim Kläger seien derartige Ausfallerscheinungen nicht nachgewiesen worden. Er sei ohne Zeichen einer Alkohol- oder Drogeneinwirkung gefahren, wie sein als Zeuge gehörter Arbeitskollege K. bestätigt habe, den der Kläger zunächst nach Hause gebracht habe. Welche Geschwindigkeit der Kläger gefahren und um wie viel er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten habe, sei nicht feststellbar, weil weder eine Untersuchung der Unfallstelle noch des Unfallfahrzeugs erfolgt sei. Die vom Kläger angegebene Geschwindigkeit von 100 km/h stelle nur eine geringe Geschwindigkeitsüberschreitung dar und kein besonderes alkoholtypisches Verhalten. Es sei eine täglich zu beobachtende Realität, dass auf gut ausgebauten Straßen bei trockener Fahrbahn die Geschwindigkeitsbegrenzung selbst bei Dunkelheit nicht eingehalten werde. Das Abkommen von der Fahrbahn nach rechts in einer Rechtskurve stelle zwar ein Indiz für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit dar, andere Gründe seien jedoch nicht auszuschließen, wie Einschlafen, Unaufmerksamkeit oder Ablenkung. Auch habe sich möglicherweise ein Tier auf der Fahrbahn befunden, zumal im Unfallbereich das Verkehrszeichen Wildwechsel gestanden habe; die Fahrbahn habe Spurrinnen gehabt und sei an dieser Stelle nicht ungefährlich gewesen; schließlich sei mittlerweile die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h herabgesetzt worden. Damit liege kein zusätzliches Beweisanzeichen für eine relative Fahruntüchtigkeit des Klägers vor. Auf den Straßenzustand und das Wetter zum Unfallzeitpunkt komme es nicht an. Den Hilfsanträgen der Beklagten habe es nicht zu folgen brauchen.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie macht geltend, das LSG habe sein Urteil im Wesentlichen damit begründet, dass es eine Fahruntüchtigkeit des Klägers im Unfallzeitpunkt nicht als erwiesen angesehen habe. Mit der Frage der rechtlich wesentlichen Verursachung habe es sich nicht mehr auseinander gesetzt. Das LSG habe jedoch fehlerhafte Anforderungen an den Nachweis der Fahruntüchtigkeit bei Drogeneinwirkung bzw kombinierter Drogen- und Alkoholeinwirkung gestellt. Es habe die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit auf die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit übertragen, obwohl seitens der im Gerichtsverfahren gehörten Sachverständigen auf die Besonderheiten drogenbedingter Ausfallerscheinungen hingewiesen worden sei. Für Drogen ergebe sich ein gegenüber Alkohol anderes Wirkungsbild, sodass auch andere Anforderungen an die Beweisanzeichen für drogenbedingte Fahruntüchtigkeit zu stellen seien. Ebenso wie das BSG sich für Alkohol an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) orientiere, müsse im Interesse der Rechtseinheit und Rechtssicherheit mit dem BGH auch für die Fahruntüchtigkeit auf ein "rauschmittelbedingtes Leistungsbild" abgestellt werden (Hinweis auf BGH, Urteil vom 3. November 1998 - 4 StR 395/98 - BGHSt 44, 219). Cannabiskonsum führe zu Veränderungen in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Sinneseindrücken, die mit alkoholbedingten Ausfallerscheinungen nicht gleichzusetzen seien. Koordinationsstörungen in der muskulären Feinmotorik könnten Lenkmanöver beeinträchtigen und Halluzinationen sowie Panikattacken könnten zu unnötigen Ausweichmanövern führen. Diese cannabisbedingten Verhaltensbesonderheiten drängten sich angesichts des vorliegend zu beurteilenden Unfallgeschehens geradezu auf: Das Nichteinhalten der Fahrspur, das fehlerhafte Reagieren in der Verkehrssituation seien gerade durch die vorgenannten drogentypischen Einschränkungen ohne weiteres erklärbar, wie auch die Gutachter ausgeführt hätten.

Wegen des gleichzeitigen Alkohol- und Drogengenusses komme eine deutliche Wirkungsverstärkung hinzu, bei der das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 20. Juni 2002 (- 1 BvR 2062/96 - NJW 2002, 2378) von einer Aufhebung der Fahrtüchtigkeit ausgegangen sei. Die BAK des Klägers habe mit 0,44 Promille zwar noch nicht in der Nähe der absoluten Fahruntüchtigkeit gelegen, sei aber durch die nicht unbedeutende Tetrahydrocannabinol-(THC)-Konzentration von 1 ng/ml verstärkt worden.

Die Gründe, warum das LSG dem Hilfsantrag der Beklagten, ein verkehrstechnisches Gutachten einzuholen, nicht gefolgt sei, seien nicht ausreichend, weil das LSG andererseits selbst von einer Gefährlichkeit des Streckenabschnitts ausgegangen sei. Soweit das LSG seine Auffassung, der Kläger habe nicht an Ausfallerscheinungen gelitten, auf die Aussage von dessen Arbeitskollegen K. gestützt habe, werde gerügt, dass es eine Aussage eines Zeugen K. nicht gebe. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast müsse der Kläger als Antragsteller die Nachteile der Ungewissheit über etwaige Wegegefahren tragen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Oktober 2004 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Dezember 2002 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Im Übrigen hat er seine Klage auf die Anerkennung des Ereignisses vom 26. Oktober 1999 als Arbeitsunfall beschränkt.

II

Die Revision der beklagten BG ist unbegründet. Der Tenor des Urteils des LSG vom 12. Oktober 2004 ist jedoch insofern zu ändern, als nur festzustellen ist, dass der Unfall des Klägers am 26. Oktober 1999 ein Arbeitsunfall ist, weil der Kläger seine Klage im Revisionsverfahren hierauf beschränkt hat.

Rechtsgrundlage für die Anerkennung des Unfalls des Klägers als Arbeitsunfall ist § 8 SGB VII. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14 jeweils RdNr 5; BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - RdNr 10, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

Diese Voraussetzungen zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind für den Unfall des Klägers am 26. Oktober 1999 erfüllt. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) tatsächlichen Feststellungen des LSG war der Kläger, als er an diesem Tag gegen 22.50 Uhr verunglückte und sich schwere Verletzungen zuzog, auf dem Heimweg von seiner Arbeit, nachdem er zuvor einen Arbeitskollegen zu Hause abgesetzt hatte. Dieser Weg zur Zeit des Unfalls stand nach § 8 Abs 2 Nr 1, 2b SGB VII im sachlichen Zusammenhang mit seiner bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als Produktionshelfer nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Aufgrund der schweren Verletzungen bestehen am Vorliegen eines Unfalls und der haftungsbegründenden Kausalität keine Zweifel. Aber auch die Unfallkausalität - der Zusammenhang zwischen dem der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Weg als Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis - ist gegeben, obwohl bei dem Kläger zum Unfallzeitpunkt sowohl eine BAK von 0,44 Promille als auch eine THC-Konzentration von 1 ng/ml aufgrund von Cannabiskonsum vorgelegen haben.

Zu diesem Zusammenhang zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis hat der Senat in dem Urteil vom 12. April 2005 (aaO, RdNr 17 f) - noch ohne Verwendung des erst in dem Urteil vom 9. Mai 2006 (aaO, RdNr 10) eingeführten Begriffs der Unfallkausalität - ausgeführt: Für diesen Zusammenhang gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung, nach der auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie aufbauend in einem zweiten wertenden Schritt als rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (stRspr: BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 13; zuletzt zusammenfassend BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, aaO, RdNr 13 ff). Typische Fallgestaltungen, in denen die Unfallkausalität näherer Erörterung bedarf, sind die Fälle einer möglichen inneren Ursache, einer gemischten Tätigkeit, einer unerheblichen Unterbrechung oder einer eingebrachten Gefahr, in denen neben die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine weitere, nicht versicherten Zwecken zuzurechnende Ursache hinzutritt (vgl zur inneren Ursache: BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 11; zur eingebrachten Gefahr: BSG SozR 2200 § 550 Nr 37).

Wie schon diesen Fallgestaltungen zu entnehmen ist, wird die Unfallkausalität zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis vermutet, weil oft kein Grund zu erkennen ist, warum sich der Unfall gerade jetzt und so zugetragen hat, zB bei einem versicherten Weg und dem bekannten "Stolpern über die eigenen Füße" (vgl zu einem derartigen Anscheinsbeweis nur: Bolay in Handkommentar SGG, 2. Aufl 2005, § 128 RdNr 12; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 128 RdNr 9 ff). Deshalb hat der Senat auch in der Vergangenheit wiederholt betont, dass die für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderliche Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis stets gegeben ist, wenn außer dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt sind, die als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein könnten. Kann eine in Betracht zu ziehende Konkurrenzursache in ihrer Grundvoraussetzung nicht festgestellt werden, scheidet sie bereits im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als Ursache aus (BSG, Urteil vom 24. Februar 1988 - 2 RU 30/87; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 11).

Jede andere Betrachtung würde dem Versicherten die objektive Beweislast dafür auferlegen, warum es gerade zu diesem Zeitpunkt aufgrund von Ursachen, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind, zu dem Unfall gekommen ist, und damit den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung und die mit ihm verfolgten Ziele des sozialen Schutzes und des Betriebsfriedens (vgl nur Gitter/von Nunius, Handbuch der Sozialversicherung, Bd 2, Unfallversicherung, 1996, § 5 RdNr 28 ff) in vielen Fällen leerlaufen lassen. Auch die in § 7 Abs 2 SGB VII getroffene Regelung, dass verbotswidriges Verhalten den Versicherungsschutz nicht ausschließt, will eine Ursachenforschung in der Regel vermeiden und würde sonst keinen Sinn ergeben. Letztlich steht einer anderen Auslegung der seit Jahrzehnten angewandte und vom Gesetzgeber in § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII übernommene (BT-Drucks 13/2204 S 77) Begriff des Unfalls entgegen, weil für das zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignis nach völlig einhelliger Auffassung gerade kein besonderes Geschehen gefordert wird, sondern alltägliche Vorgänge genügen und dieser Begriff vor allem der Abgrenzung zur inneren Ursache dienen soll (vgl schon RVA, AN 1914, 411: "Unfälle des täglichen Lebens"; BSGE 9, 222, 224; BSG SozR 2200 § 550 Nr 35; BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 7; zum Dienstunfall: BVerwGE 17, 59, 61 f; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Mai 2006, § 8 SGB VII RdNr 11.2; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2006, § 8 RdNr 11; Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand September 2006, § 8 RdNr 9; Ricke, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand September 2006, § 8 SGB VII RdNr 24). Erfordert ein Unfallereignis aber kein besonderes Geschehen, so würde es die Anforderungen an die Feststellung der Unfallkausalität überspannen, wenn jeweils eine besondere Feststellung der versicherten Ursachen für das Unfallereignis notwendig wäre.

Vielmehr muss, wenn bei Ausübung einer Verrichtung, die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ein Unfallereignis eintritt, vom Vorliegen der Unfallkausalität ausgegangen werden, es sei denn, es ist eine konkurrierende Ursache, wie zB eine innere Ursache, eine eingebrachte Gefahr oder der unversicherte Teil bei einer gemischten Tätigkeit feststellbar. Erst wenn eine solche konkurrierende Ursache neben der versicherten Ursache als naturwissenschaftliche Bedingung für das Unfallereignis festgestellt wurde, ist in einem zweiten Prüfungsschritt wertend zu entscheiden, ob die versicherte Ursache wesentlich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist.

Für die zur Beurteilung der Wesentlichkeit der versicherten Ursache erforderliche Abwägung zwischen der versicherten Ursache und der nichtversicherten Ursache ist zu beachten, dass "wesentlich" nicht gleichzusetzen ist mit "gleichwertig" oder "annähend gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat und als rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen ist. Eine naturwissenschaftliche Ursache, die nicht als wesentlich anzusehen ist und damit keine Ursache iS der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als Gelegenheitsursache bezeichnet werden (vgl die zusammenfassende Darstellung der Theorie der wesentlichen Bedingung in BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, aaO, RdNr 13 ff).

Um eine solche Fallgestaltung handelt es sich auch bei dem Zurücklegen eines versicherten Weges unter einem der versicherten Tätigkeit nicht zuzurechnenden Drogeneinfluss, wie vorliegend. Denn als konkurrierende Ursache für den Unfall des Klägers am 26. Oktober 1999 kommen neben dem Zurücklegen des der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Weges die Folgen seiner vorherigen Drogeneinnahmen - der durch die BAK belegte Alkoholgenuss (s nachfolgend 1.), der durch die THC-Konzentration belegte Cannabiskonsum (2.) sowie deren Kombination (3.) - in Betracht. Ihnen ist jedoch keine derart überragende Bedeutung für den Unfall beizumessen, dass sie als rechtlich allein wesentliche Ursache das Zurücklegen des versicherten Weges zur Gelegenheitsursache werden lassen. Die Verfahrensrügen der Beklagten greifen ebenfalls nicht durch (4.).

1. Bei Alkoholgenuss ist zunächst zu prüfen, ob dieser zu einem Vollrausch geführt hat, der die Ausübung einer dem Unternehmen dienenden Verrichtung ausschließt, sodass eine Lösung vom Betrieb vorliegt, die schon den sachlichen Zusammenhang zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ausschließt (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSGE 48, 224 = SozR 2200 § 548 Nr 45; zuletzt: BSG, Urteil vom 5. September 2006 - B 2 U 24/05 R - vorgesehen für BSGE und SozR). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

Auch wenn der Alkoholgenuss nicht zu einer Lösung vom Betrieb führt, können seine Folgen zu einem Leistungsabfall führen und als konkurrierende Ursache neben die versicherte Ursache treten. Der alkoholbedingte Leistungsabfall kann dann derart stark sein, dass ihm im Vergleich zur versicherten Ursache - der Verrichtung zur Zeit des Unfalls - überragende Bedeutung für das Eintreten des Unfallereignisses beizumessen ist und die versicherte Ursache nicht mehr als wesentlich für das Unfallereignis zu bewerten und die Unfallkausalität zu verneinen ist (stRspr des BSG: BSGE 12, 242 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSGE 38, 127 = SozR 2200 § 548 Nr 4; BSGE 59, 193 = SozR 2200 § 548 Nr 77). Ein typischer Anwendungsfall für die alkoholbedingte Herabsetzung der Leistungsfähigkeit ist die eingeschränkte Fahrtüchtigkeit von Kraftfahrern, weil der Alkoholgenuss ihre Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt.

a) Eine absolute Fahruntüchtigkeit, bei der ohne weitere Beweisanzeichen vermutet wird, dass die Folgen des Alkoholgenusses für die Verursachung des Unfalls von überragender Bedeutung waren, hat der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH zunächst bei einer BAK von 1,3 Promille und höher (BSGE 12, 242, 245) und, nachdem der BGH diesen Wert aufgrund neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse und verbesserter Messmethoden auf 1,1 Promille herabgesetzt hat (BGHSt 37, 89) ab diesem Wert angenommen (BSG, Urteil vom 25. November 1992 - 2 RU 40/91 -). Dem hat sich die Literatur angeschlossen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, aaO, § 8 SGB VII RdNr 9.2 ff, 12.40 ff; Keller, aaO, § 8 RdNr 274 ff, 348; Krasney, aaO, § 8 RdNr 345 ff; Ricke, aaO, § 8 SGB VII RdNr 106 ff). Daran ist mangels anderer neuerer Erkenntnisse festzuhalten. Eine solche absolute Fahruntüchtigkeit allein wegen des Alkoholgenusses lag bei dem Kläger nicht vor, da bei ihm nur eine BAK von 0,44 Promille gemessen wurde.

b) Bei einer relativen Fahruntüchtigkeit mit einer BAK von unter 1,1 Promille kann der Alkoholgenuss zwar auch von überragender Bedeutung für den Eintritt des Unfallereignisses sein, sodass der Unfall nicht als durch die versicherte Zusammenhangskette wesentlich verursacht anzusehen ist. Dies setzt jedoch voraus, dass neben der BAK aus weiteren Beweisanzeichen in Form von alkoholtypischen Ausfallerscheinungen darauf geschlossen werden kann, dass der Versicherte wegen der Folgen des Alkoholgenusses fahruntüchtig und damit der Alkoholgenuss die überragende Ursache für das Unfallereignis war. Als Beweisanzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit hat das BSG angesehen: Die Fahrweise des Versicherten, zB überhöhte Geschwindigkeit, Fahren in Schlangenlinien, plötzliches Bremsen, aber auch sein Verhalten vor, bei und nach dem Unfall (BSGE 45, 285, 289 = SozR 2200 § 548 Nr 38). Weitere Beweisanzeichen wären, worauf das LSG zu Recht hinweist, zB das Missachten von Vorfahrtszeichen oder einer roten Ampel, das Überqueren einer großen Kreuzung ohne Reduzierung der Geschwindigkeit. Zur Würdigung dieser Beweisanzeichen hat das BSG ausgeführt, dass ein Fehlverhalten nur dann eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit beweist, wenn es nicht ebenso gut andere Ursachen haben kann, wie zB Unaufmerksamkeit, Leichtsinn, Übermüdung usw, und dass nicht jedes Beweisanzeichen einzeln, sondern alle zusammen zu betrachten sind (BSG, aaO). Als weitere nicht verkehrsbedingte Beweisanzeichen kommen in Betracht das Benehmen bei Polizeikontrollen, aber auch ein sonstiges Verhalten, das eine alkoholbedingte Enthemmung und Kritiklosigkeit erkennen lässt (BGH, Urteil vom 22. April 1982 - 4 StR 43/82 - BGHSt 31, 42, juris RdNr 9 mwN). Je geringer die festgestellte BAK ist, desto höhere Anforderungen sind an den Beweiswert dieser sonstigen Beweisanzeichen zu stellen, um eine allein wesentliche Verursachung des Unfalls durch eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit zu bejahen (BSGE 43, 110, 113 = SozR 2200 § 548 Nr 27; BSGE 45, 285, 289 = SozR 2200 § 548 Nr 38). Aber selbst bei einer BAK von 0,44 Promille - wie beim Kläger - ist sie nicht ausgeschlossen (BSGE 43, 110, 113, aaO), es müssen jedoch besonders gravierende oder außergewöhnliche Verhaltensweisen bzw Ausfallerscheinungen festgestellt werden (BSGE 45, 285, 290 = SozR 2200 § 548 Nr 38). Dem hat sich die Literatur im Ergebnis ebenfalls angeschlossen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, aaO, § 8 SGB VII RdNr 12.46; Keller, aaO, § 8 RdNr 353; Krasney, aaO, § 8 RdNr 351, 358 f, 364; Ricke, aaO, § 8 SGB VII RdNr 117) und auch daran ist festzuhalten.

Zur praktischen Anwendung im Rahmen der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Hinblick auf das Revisionsvorbringen ist auf Folgendes hinzuweisen: Ebenso wie die der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung zur Zeit des Unfalls müssen die BAK und die weiteren für eine Fahruntüchtigkeit sprechenden Beweisanzeichen mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen und es muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von ihrer naturwissenschaftlichen Mitverursachung des Unfallereignisses auszugehen sein. Darauf aufbauend hat in einem weiteren Schritt die wertende Beurteilung zu erfolgen, ob die versicherte Ursache wesentlich für das Unfallereignis war oder ob die konkurrierenden Ursachen von überragender Bedeutung waren. Diese Beurteilung kann angesichts der anzustellenden Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, der verschiedenen Beweisanzeichen, der Gründe für sie usw nur in einem Schritt im Rahmen einer Gesamtbetrachtung erfolgen (BSGE 45, 285, 289 = SozR 2200 § 548 Nr 38; Keller, aaO, RdNr 353 und Ricke, aaO, RdNr 117: Summationsbeweis). Eine Zerlegung in zwei Stufen - wie anscheinend die Beklagte meint - zunächst Feststellung der Fahruntüchtigkeit und dann deren Abwägung mit der versicherten Ursache - ist aufgrund des Miteinanderverwobenseins der verschiedenen Gesichtspunkte praktisch nicht möglich.

Nach diesen Maßstäben hat das LSG zu Recht und nachvollziehbar eine Fahruntüchtigkeit des Klägers aufgrund des Alkoholgenusses und eine überragende Bedeutung derselben für die Verursachung des Unfallereignisses verneint. Seine BAK war mit 0,44 Promille verhältnismäßig weit von der absoluten Fahruntüchtigkeit entfernt. Die weiteren vom LSG festgestellten Beweisanzeichen für eine Fahruntüchtigkeit sind die vom Kläger selbst eingeräumte überhöhte Geschwindigkeit von 100 km/h im Gegensatz zu den damals in diesem Streckenabschnitt erlaubten 80 km/h sowie das Abkommen von der Straße nach rechts in einer Rechtskurve. Diese sind jedoch, wie das LSG zutreffenderweise ausführt, nicht von derartigem Gewicht, dass sie eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit als allein wesentliche Ursache für den Unfall zu rechtfertigen vermögen. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 20 km/h ist auch vielfach bei nüchternen Kraftfahrern zu beobachten und für das Abkommen von der Straße kommen auch andere Gründe in Betracht, wie Müdigkeit und Unaufmerksamkeit, weil der Unfall sich gegen 22.50 Uhr auf der Heimfahrt von der Spätschicht ereignete (vgl zur entsprechenden Würdigung derartiger Beweisanzeichen zudem das Urteil des BGH vom 3. April 1985 - IVa ZR 111/83 - VersR 1985, 779 und vom 25. September 2002 - IV ZR 212/01 - VersR 2002, 1413).

c) Die so genannte objektive Beweis- und Feststellungslast (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, III RdNr 26 ff; Leitherer in Meyer-Ladewig, aaO, § 103 RdNr 19 ff) für das Vorliegen einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit, die als konkurrierende Ursache die versicherte Ursache verdrängt, und für die sie ggf begründende BAK sowie Beweisanzeichen trägt die Beklagte, weil es für diese günstig ist, wenn die nicht versicherte Ursache gegenüber der versicherten Ursache von überragender Bedeutung ist und kein Arbeitsunfall vorliegt (so schon BSGE 43, 110, 112 = SozR 2200 § 548 Nr 27). Dies entspricht auch der einheitlichen Auffassung in der Literatur (Bereiter-Hahn/Mehrtens, aaO, § 8 SGB VII RdNr 9.2.4, 12.43; Krasney, aaO, § 8 RdNr 368). Soweit die Beklagte meint, Krasney würde etwas anderes vertreten, missversteht sie die entsprechende Passage.

2. Für die Folgen des Cannabis-Konsums des Klägers gilt rechtlich dem Grunde nach nichts anderes. Ebenso wie Alkohol kann jede andere legal, zB als Medikament, oder illegal vom Versicherten aus nicht versicherten Gründen zu sich genommene Substanz den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls beseitigen, wenn sie zu einer Lösung vom Betrieb geführt hat, oder die Unfallkausalität zwischen der versicherten Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis ausschließen, wenn sie die allein wesentliche Bedingung für den Unfall war (so schon BSGE 59, 193 = SozR 2200 § 548 Nr 77; Bereiter-Hahn/Mehrtens, aaO, § 8 SGB VII RdNr 12.45; Keller, aaO, § 8 RdNr 351).

Zur Fahruntüchtigkeit nach Cannabiskonsum hat das BVerfG sich in zwei Kammerbeschlüssen vom 20. Juni 2002 (- 1 BvR 2062/96 - NJW 2002, 2378) und vom 21. Dezember 2004 (- 1 BvR 2652/03 - NJW 2005, 349) in Zusammenfassung zahlreicher Entscheidungen, Literaturstellen und von ihm eingeholter Auskünfte und Stellungnahmen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (zu dessen Bedeutung als Entscheidungsgrundlage s BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - RdNr 17, vorgesehen für BSG und SozR) wie folgt geäußert: Cannabiskonsum könne die Fahreignung ausschließen und die Auffassungsgabe, die Konzentrationsfähigkeit, das Reaktionsvermögen und die Selbstkontrolle so einschränken, dass keine Fahrtüchtigkeit gegeben sei. Die Gefahren für den Straßenverkehr seien jedoch je nach Art und Intensität des Konsums sowie der Konstitution des Konsumenten verschieden. Aufgrund der verbesserten Nachweismethoden sei aber nicht mehr bei jedem Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers von einer eingeschränkten Fahrtüchtigkeit iS des § 24a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) auszugehen, sondern erst ab 1 ng/ml, weil darunter eine Wirkung nicht belegt werden könne. Auch die Verwaltungsgerichte gingen erst ab diesem Wert von einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit aus (kritisch zu den Entscheidungen des BVerfG, aber nur aufgrund einzelner Studien und daher den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht repräsentierend: Drasch ua, Blutalkohol 43/2006, 441 ff; Schreiber, NJW 2005, 1026).

Grundlage dieser Entscheidungen des BVerfG ist die Erkenntnis, dass es für Cannabis ebenso wie für zahlreiche andere Drogen im Unterschied zu Alkohol keine gesicherte Dosis-Wirkungs-Beziehung gibt und von daher auch keinen Wert für eine absolute Fahruntüchtigkeit (vgl Gesetzesbegründung zur Änderung des § 24a StVG: BT-Drucks 13/3764 S 5; BGH, Urteil vom 3. November 1998 - 4 Str 365/98 - BGHSt 44, 219 mwN; aktuell: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. November 2005 - 10 S 2143/05 - NJW 2006, 934 zu einem Modell CIF, das sich (noch) nicht durchgesetzt hat; Maatz, Blutalkohol 43/2006, 451, 457).

Übertragen auf die gesetzliche Unfallversicherung bedeutet dies: Wenn die Unfallkausalität zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Fahrt und dem Unfall umstritten ist, weil der Versicherte Cannabis konsumiert hatte, kann dieser Cannabiskonsum nur dann als allein wesentliche Ursache des Unfalls angesehen werden, wenn ein THC-Wert von mindestens 1 ng/ml festgestellt wurde und weitere Beweisanzeichen die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit des Versicherten - ähnlich wie bei einer relativen Fahruntüchtigkeit mit einer BAK von unter 1,1 Promille - belegen. Derartige Beweisanzeichen sind - wie sich aus der aufgezeigten Wirkung des Cannabiskonsums ergibt - zum Teil dieselben wie nach Alkoholgenuss, teilweise typischerweise auf Cannabiskonsum zurückzuführen: Gangunsicherheiten, Müdigkeit, Apathie, Denk-, Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsstörungen, leichte Ablenkbarkeit (BVerfG vom 20. Juni 2002, aaO, juris RdNr 30 mwN; BGH vom 3. November 1998, aaO, juris RdNr 16). Diese teilweise bestehenden Besonderheiten drogenbedingter Ausfallerscheinungen bewirken aber entgegen insofern missverständlichen Ausführungen der Beklagten kein völlig anderes Bild gegenüber den alkoholbedingten Ausfallerscheinungen, wie schon die von ihr angeführte Entscheidung des BGH vom 3. November 1998 mit den Beispielen lallende, verwaschene Aussprache und leicht unsicherer Gang belegt. Je höher die im Blut festgestellte Wirkstoffkonzentration, zB von THC, ist, umso geringer können die Anforderungen an Art und Ausmaß der drogenbedingten Ausfallerscheinungen bzw Beweisanzeichen sein, um eine drogenbedingte Fahruntüchtigkeit als allein wesentliche Ursache für den Unfall zu bejahen (vgl BGH vom 3. November 1998, aaO, juris RdNr 15; zu der entsprechenden Beurteilung bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit s oben unter 1.b).

Diese Grundsätze hat das LSG entgegen dem Revisionsvorbringen der Beklagten beachtet, indem es für die Prüfung der Unfallkausalität zwischen dem versicherten Weg und dem Unfall von der Rechtsprechung des Senats zur Fahruntüchtigkeit bei Alkohol ausgegangen ist und diese auf Cannabis übertragen hat. Mit welchen weiteren, außer den zwei schon bei der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit erörterten Beweisanzeichen überhöhte Geschwindigkeit und Abkommen von der Straße das LSG sich vorliegend hätte auseinander setzen sollen, hat die Beklagte nicht vorgebracht. Die von ihr angeführten Gesichtspunkte - Nichteinhalten der Fahrspur, fehlerhaftes Reagieren in der Verkehrssituation, Verlieren der Kontrolle über das Fahrzeug - sind alle in dem einen entscheidenden, vom LSG gewürdigten Fahrfehler Abkommen von der Straße enthalten. Dieser Fahrfehler stellt zusammen mit der überhöhten Geschwindigkeit angesichts der konkreten Situation - vom LSG zutreffend gewürdigt - keine derartige Besonderheit dar, dass mit diesen Beweisanzeichen neben einem THC-Wert des Klägers von 1 ng/ml an der unteren wissenschaftlich gesicherten Wirksamkeitsgrenze eine relative Fahruntüchtigkeit bejaht werden kann. Denn gerade die von der Beklagten selbst angeführte Regel, dass je höher die BAK bzw der THC-Wert sind, umso geringere Anforderungen an die Beweisanzeichen für eine Fahruntüchtigkeit zu stellen sind, spricht gegen die Annahme einer solchen. Von daher bestand auch seitens des LSG keine Veranlassung, sich mit weiteren drogenspezifischen Beweisanzeichen für eine Fahruntüchtigkeit des Klägers zu beschäftigen.

3. Hat der Versicherte sowohl Alkohol als auch andere Drogen konsumiert, wie sich dies vorliegend für den Kläger aus einem BAK von 0,44 Promille und dem THC-Wert von 1 ng/ml ergibt, so gilt im Fall einer solchen Kombinationswirkung im Ergebnis das zuvor Gesagte: Ab einer BAK von 1,1 Promille ist von einer absoluten Fahruntüchtigkeit auszugehen, darunter von einer relativen Fahruntüchtigkeit, sodass zum Beweis einer drogenbedingten Fahruntüchtigkeit als gegenüber der versicherten Ursache überragenden Ursache für den Unfall weitere Beweisanzeichen erforderlich sind. Denn aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse über einen anderen Grenzwert für eine absolute Fahruntüchtigkeit bei der Kombination mehrerer Drogen liegen nicht vor, auch wenn das Unfallrisiko bei einer solchen Kombination dramatisch ansteigt (vgl BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002, aaO, RdNr 34; vgl auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. Februar 2006 - 10 S 133/06 - DÖV 2006, 483).

Soweit die Beklagte auf diese Wirkungsverstärkung bei dem gleichzeitigen Alkohol- und Drogenkonsum hinweist, ist ihr zuzustimmen. Nur ergibt sich daraus nichts weiteres für die Entscheidung des vorliegenden Falles. Es fehlt an den trotz dieser Kombinationswirkung, zu der es im Übrigen keine näheren wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, erforderlichen weiteren Beweisanzeichen für eine Fahruntüchtigkeit des Klägers, die gegenüber dem Zurücklegen des versicherten Weges von derart überragender Bedeutung sind, dass dieses Zurücklegen nicht mehr als wesentlich für den Unfall angesehen werden kann. Denn bei der Geschwindigkeitsüberschreitung um 20 km/h und dem Abkommen von der Straße handelt es sich, wie schon ausgeführt, nicht um klare Beweisanzeichen für eine drogenbedingte Fahruntüchtigkeit.

4. Die Verfahrensrügen der Beklagten führen zu keinem anderen Ergebnis. Das LSG brauchte das von der Beklagten beantragte verkehrstechnische Gutachten nicht einzuholen, denn es ist nicht zu erkennen, welche Bedeutung dieses Gutachten für den Ausgang des Rechtsstreits hätte, wenn es zu dem Ergebnis käme, im Bereich der Unfallstelle habe es Spurrinnen auf der Fahrbahn gegeben bzw nicht gegeben. Auf die vom LSG angeführte Aussage des Kollegen K. des Klägers, dieser habe ohne Alkohol- oder Drogeneinwirkung gefahren, kommt es ebenfalls nicht an. Denn es gibt nach dem oben Gesagten keine alkohol- oder drogentypischen Beweisanzeichen, die für eine so begründbare Fahruntüchtigkeit des Klägers sprechen, mit denen eine solche Aussage eines Zeugen oder die Feststellungen zum Zustand der Straße abzuwägen wäre.

Im Übrigen verkennt die Beklagte die oben ausgeführte Rechtslage, wenn sie meint, dass beim Eintreten eines Unfallereignisses während der Ausübung einer Verrichtung, die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, eine weitere Begründung oder Ursachenforschung notwendig sei, um den Ursachenzusammenhang zu bejahen. Von daher sind auch die Ausführungen des LSG zu der zwischenzeitlichen Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit im Unfallbereich oder dem möglichen Wildwechsel nicht entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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