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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 07.11.2000
Aktenzeichen: B 2 U 31/99 R
Rechtsgebiete: RVO


Vorschriften:

RVO § 573 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 2 U 31/99 R

Kläger und Revisionskläger,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Bau-Berufsgenossenschaft Rheinland und Westfalen, Viktoriastraße 21, 42115 Wuppertal,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hhat ohne mündliche Verhandlun am 7. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Burchardt, die Richter Thiele und Mütze sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Grieshaber und die ehrenamtliche Richterin Wilkens

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Mai 1999 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 13. August 1996 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt wird, der dem Kläger gewährten Verletztenrente gemäß § 90 Abs 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch ab 1. Januar 1993 den Jahresarbeitsverdienst nach dem Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das zu diesem Zeitpunkt für einen Journalisten durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich war.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der für die Verletztenrente des Klägers maßgebende Jahresarbeitsverdienst (JAV) unter Zugrundelegung des Berufes eines Journalisten neu zu berechnen ist.

Der im Jahre 1964 geborene Kläger erlitt am 26. August 1983 während einer Aushilfstätigkeit, die er in der Zeit zwischen seiner Schulentlassung und dem Beginn seines Universitätsstudiums seit Juli 1983 bei einem Bauunternehmen ausübte, eine schwere Verletzung am rechten Fuß. Die Verletztenrente, die er hierfür nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um zuletzt 20 vH von der Beklagten bezieht, wird nach einem JAV von 60 vH der Bezugsgröße für das Jahr 1983 berechnet.

Im Oktober 1983 begann der Kläger das Studium der Politikwissenschaften mit den Nebenfächern Soziologie und Geschichte. Der Beklagten teilte er auf Anfrage unter dem 15. Oktober 1984 dies sowie seine Absicht mit, das Studium mit dem Diplom abzuschließen. Gemäß Regelstudienzeit sei sein Studium im September 1988 beendet; Über- bzw Unterschreitungen seien dabei jedoch nicht auszuschließen. Sein Berufsziel sei es, Journalist zu werden. Mit Schreiben vom 10. Januar 1989 teilte er der Beklagten mit, er werde sein Studium der Politikwissenschaften aller Voraussicht nach im Wintersemester 1989/90 abschließen. Die von ihm angestrebte Berufstätigkeit liege im Bereich des Journalismus, gegebenenfalls der wissenschaftlichen Politik- und Verbandsberatung. Angesichts der problematischen Arbeitsmarktlage für Politikwissenschaftler sei dies jedoch ein unverbindlicher Wunsch, der sich nicht oder nicht sofort realisieren lasse. Aufgrund weiterer Nachfragen der Beklagten berichtete der Kläger unter dem 1. Februar 1991, er befinde sich in der Abschlußphase des Hauptstudiums. Für die sich anschließende Diplomarbeit sei, je nach Forschungsorientierung, ein Zeitraum von zwei bis drei Semestern zu veranschlagen. An seinem Berufsziel einer journalistischen Tätigkeit habe sich nichts geändert. Die "extreme Überschwemmung" dieses relativ kleinen Arbeitsmarktes habe ihn veranlaßt, während seines Studiums Zusatzqualifikationen zu erwerben, um so die Berufsaussichten zu verbessern. Im Juli 1993 teilte der Kläger mit, er habe seine Ausbildung an der Universität beendet und sei seit dem 1. Januar 1993 freiberuflich als Fernsehredakteur und Autor bei der Deutschen Welle TV beschäftigt. Sein monatliches Einkommen betrage 4.500 DM. Im August 1993 gab er an, er habe die Universität ohne akademischen Abschluß verlassen, da die Möglichkeit zum Berufseinstieg nur kurzfristig habe erfolgen können und er deshalb seine Diplomarbeit nicht mehr begonnen habe. Studienziel sei die Absolvierung des Diplomstudienganges der Politikwissenschaft gewesen, um darauf aufbauend ein Volontariat möglichst in einem TV-Sender mit Berufsziel Journalist zu absolvieren. Unverhoffterweise sei ihm die Erlangung des Berufszieles ohne Hochschulabschluß und Volontariat gelungen. Neben dem Studium habe er als Öffentlichkeitsreferent der Studentenschaft und als Abgeordnetenmitarbeiter im Hessischen Landtag gearbeitet. So habe er allein durch diese Tätigkeiten ein fachliches Qualifikationsniveau erreicht, das dem Diplomabschluß in Politikwissenschaft bzw einem Volontariat vergleichbar sei.

Mit Bescheid vom 17. August 1993 und Widerspruchsbescheid vom 19. April 1994 lehnte die Beklagte eine Neuberechnung des JAV ab, weil das Studium aus Gründen abgebrochen worden sei, die nicht unfallbedingt seien.

Das Sozialgericht (SG) hat den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, gemäß § 573 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unter Zugrundelegung des Berufes eines Journalisten den JAV ab 1. Januar 1993 neu festzustellen (Urteil vom 13. August 1996). Ob eine begonnene Ausbildung als abgeschlossen anzusehen sei, richte sich nach dem Ausbildungsziel und dem hierfür erforderlichen Abschluß. Da für den Kläger nicht der Abschluß des Studiums, sondern das Erreichen seines Berufszieles als Journalist wesentlich gewesen sei, dieser Beruf ohne formalen Abschluß ausgeübt werden könne und er sein Berufsziel auch konkret erreicht habe, könne bei ihm nicht auf den formalen Abschluß abgestellt werden. Die Neuberechnung des JAV komme bei ihm allerdings erst mit dem Beginn der Berufsausübung als Journalist in Betracht. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Mai 1999). Der Kläger habe den zunächst von ihm erstrebten Studienabschluß nicht erreicht. Damit habe er seine Ausbildung aus Gründen, die nicht unfallbedingt gewesen seien, abgebrochen. Dies ergebe sich aus Wortlaut und Sinn des § 573 Abs 1 RVO und des inhaltlich gleichlautenden § 90 Abs 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die "Beendigung der Ausbildung", dh ein prognostizierbarer Ausbildungsabschluß, gehöre zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift. Dieser könne durch das Ablegen einer Prüfung gekennzeichnet sein oder auch in der Weise, daß ein in seiner Dauer von vornherein bestimmbarer Ausbildungsabschnitt zu absolvieren sei. Würde das Anstreben eines Berufszieles allein genügen, ließe sich der maßgebende Zeitpunkt für die Berechnung des JAV nicht bestimmen, wenn das im Unfallzeitpunkt angestrebte Berufsziel wegen der Unfallfolgen nicht erreicht werden könne oder unfallbedingt sich der Beginn der Berufsausbildung verzögert habe. Fehle es am Erreichen eines Abschlusses oder eines angestrebten Ausbildungsabschlusses, so fehle auch ein Anknüpfungspunkt bei der Neuberechnung des JAV nach § 573 Abs 1 Satz 2 RVO. Der Grundsatz, daß der Abbruch der Ausbildung aus nicht unfallbedingten Gründen einen Anspruch auf Neuberechnung des JAV ausschließe, gelte auch dann, wenn ein Berufsziel angestrebt werde, für das es keinen vorgeschriebenen Ausbildungsgang gebe und der Beruf mit unterschiedlichen "Werdegängen" ausgeübt werden könne. Habe sich ein Versicherter in einem solchen Fall für einen "Werdegang", dh eine Ausbildung entschieden - wie hier der Kläger für einen Diplomstudiengang mit Abschluß -, so sei die voraussichtliche Beendigung dieser Ausbildung bzw die Beendigung dieser Ausbildung für die Neuberechnung des JAV maßgebend. Werde diese im Unfallzeitpunkt gewählte Ausbildung aus nicht unfallbedingten Gründen abgebrochen, so bestehe kein Anspruch auf Neuberechnung des JAV gemäß § 573 Abs 1 RVO.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 573 Abs 1 RVO bzw des § 90 Abs 1 SGB VII. Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Das LSG habe dagegen im angefochtenen Urteil verkannt, daß es für eine Berufsausbildung in einem Bereich, in dem es keine abschließende Ausbildungsordnung gebe, nur auf den Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten ankomme, die für die Ausübung des angestrebten Berufs unverzichtbare Voraussetzungen seien. Auch sei die Ansicht des LSG unrichtig, ein Zeitpunkt für das Ende der Ausbildung ließe sich bei Studienabbruch nicht feststellen. Werde ein Hochschulstudium ohne Prüfung beendet, so sei grundsätzlich der letzte Tag des Semesters als letzter Ausbildungstag anzusehen, sofern die Exmatrikulation nicht bereits früher erfolgt sei oder der Abbruch des Studiums in anderer Weise offenbar werde. Der Abbruch sei hier unschädlich, da Examen oder Diplom nicht Voraussetzung für die Ausbildung zum Journalisten sei. Die Tatsache, daß er eine Stelle als qualifizierter Journalist erhalten habe, belege, daß er die Ausbildung abgeschlossen habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG vom 19. Mai 1999 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 13. August 1996 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>).

II

Die Revision des Klägers ist begründet. Er hat Anspruch auf die beantragte Neufestsetzung des JAV.

Der geltend gemachte Anspruch des Klägers richtet sich gemäß § 214 Abs 2 Satz 1 SGB VII nach den Vorschriften des SGB VII über den JAV (§§ 81 bis 93 SGB VII), weil Streitgegenstand eine Neufestsetzung des JAV nach § 90 SGB VII ist und hierüber nach Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes <UVEG>) noch nicht beendend entschieden worden ist.

Berechnungsgrundlage für die dem Kläger aus Anlaß des Arbeitsunfalls vom 26. August 1983 dem Grunde nach unstreitig zustehende Verletztenrente ist - neben dem Grad der MdE - der JAV des Verletzten. Hierfür ist im Regelfall der Gesamtbetrag aller Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§§ 14, 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch <SGB IV>) des Verletzten in den letzten zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Arbeitsunfall eingetreten ist, maßgebend (§ 82 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Grundsätzlich bleiben diese Verdienstverhältnisse für alle Zukunft die Grundlage der Geldleistungen; spätere Erwerbsaussichten sind in der Regel bei der Feststellung des JAV rechtlich unbeachtlich (so für § 571 Abs 1 Satz 1 RVO: BSG Urteil vom 4. Dezember 1991 - 2 RU 69/90 - HV-Info 1992, 598 mwN; BSG Urteil vom 28. Januar 1993 - 2 RU 15/92 - HV-Info 1993, 972). Eine Ausnahme gilt ua dann, wenn der Versicherungsfall vor Beginn der Schulausbildung oder während einer Schul- oder Berufsausbildung eintritt. In einem solchen Fall wird nach § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII, wenn es für den Versicherten günstiger ist, der JAV von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Der Neufestsetzung wird das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen ist; besteht keine tarifliche Regelung, ist das Arbeitsentgelt maßgebend, das für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort des Versicherten gilt (§ 90 Abs 1 Satz 2 SGB VII).

§ 90 Abs 1 SGB VII entspricht im wesentlichen dem am 1. Januar 1997 außer Kraft getretenen § 573 Abs 1 RVO (vgl Begründung zu Art 1 § 90 des Entwurfs eines UVEG, BT-Drucks 13/2204 S 96), der mit Wirkung vom 1. Juli 1963 durch Art 1 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I 241) in die damals neugefaßte RVO übernommen wurde und dem der in wesentlichen Teilen inhaltsgleiche § 565 RVO vorausging, der durch das Sechste Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942 (RGBl I 107) in die RVO eingefügt worden war. In der Begründung zu Art 1 §§ 570 bis 578 des Entwurfs eines UVNG hieß es dazu: "Auch für Jugendliche und in der Ausbildung befindliche Verletzte sieht bereits § 565 RVO einen Ausgleich für Mindereinnahmen vor. Diese Regelung wird in § 574 (dem späteren § 573 RVO) beibehalten" (BT-Drucks IV/120 S 57).

Nach der Zweckbestimmung des § 90 Abs 1 SGB VII sollen - ebenso wie bei den genannten Vorgängervorschriften - Personen, die schon vor oder während der Zeit der Ausbildung für einen Beruf einen Arbeitsunfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch nicht das volle Arbeitsentgelt erzielt haben, zur Vermeidung von Härten geschützt und so gestellt werden, als hätten sie den Unfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung erlitten (vgl BSG Urteil vom 4. Dezember 1991 - 2 RU 69/90 - HV-Info 1992, 598 mwN). Die zum Unfall führende Tätigkeit muß bei in Ausbildung stehenden Versicherten kein Teil der Ausbildung sein. Insoweit muß also kein innerer Zusammenhang zwischen der Schul- oder Berufsausbildung und der zum Unfall führenden Verrichtung gegeben sein; vielmehr genügt der zeitliche Zusammenhang mit der Ausbildung (BSGE 38, 216, 218, 219 = SozR 2200 § 573 Nr 2; BSGE 47, 137, 140 = SozR 2200 § 573 Nr 9; BSG Urteil vom 24. Juni 1981 - 2 RU 11/80 - EzS 128/79; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 575 f/g; KassKomm-Ricke, § 90 SGB VII RdNr 4; Hauck/Keller, SGB VII, K § 90 RdNr 4).

Der Kläger befand sich im Unfallzeitpunkt in einer Ausbildung iS des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Der Umstand, daß er nach den Feststellungen des LSG im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls seine Schulausbildung beendet, die Universitätsausbildung aber noch nicht begonnen hatte und daß es sich bei der Tätigkeit, bei der er verunglückte, nicht um eine Ausbildung, sondern um eine Aushilfstätigkeit handelte, führt nicht zu einer Verneinung der Ausbildung in dem genannten Sinne. Wie das Bundessozialgericht (BSG) für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden hat, ist als Zeit der Schul- und Berufsausbildung nicht nur die Zeit anzusehen, in der das Kind oder der Jugendliche tatsächlich an Ausbildungsmaßnahmen teilnimmt, sondern auch die Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, sofern sich diese im Rahmen des üblichen hält. In die Schul- oder Berufsausbildung sind solche Unterbrechungen einzubeziehen, die mit ihr notwendigerweise oder regelmäßig verbunden sind (BSGE 56, 148, 150 = SozR 2200 § 1259 Nr 81; BSG SozR 2200 § 1262 Nr 12). Das sind ua solche, die der Ausbildung eigentümlich, also nicht vom Auszubildenden zu vertreten sind und auf schul- bzw hochschulorganisatorischen Ursachen beruhen (vgl BSGE 32, 120, 121 = SozR Nr 42 zu § 1267 RVO; BSGE 56, 154, 156 = SozR 2200 § 1267 Nr 31; BSG SozR 2200 § 1259 Nrn 39, 51). Diese die Ausbildung verzögernden, aber ihr zuzurechnenden Übergangszeiten können in der Regel eine Dauer von bis zu vier Monaten haben. Dies hat die Rechtsprechung des BSG zum Rentenversicherungsrecht in Anlehnung an § 2 Abs 2 Satz 4 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung entschieden (BSG SozR 3-2200 § 1267 Nrn 1 und 3; BSG SozR 3-2600 § 48 Nr 1 mwN). Danach - wie auch nach der zeitlich daran anschließenden Regelung des § 32 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Buchst b des Einkommensteuergesetzes und des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst b BKGG nF- ist die Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten als Ausbildungszeit nur zu berücksichtigen, wenn sie höchstens vier Monate beträgt. Der Senat hält die entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften zum Kindergeld bei der Auslegung des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII jedenfalls dann für geboten, wenn es sich - wie hier den Feststellungen des LSG in Verbindung mit den in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Beklagten zu entnehmen ist - um den Zeitraum zwischen Abitur und Studienbeginn handelt, der innerhalb der Viermonatsfrist liegt und der von der Rechtsprechung des BSG im Rentenversicherungsrecht als Hauptanwendungsfall der Übergangszeiten angesehen wird, für welche die Aufrechterhaltung des Ausbildungsstatus bejaht worden ist (vgl BSG SozR 3-2200 § 1267 Nr 3).

Ob die Übergangszeit zwischen dem Abitur und dem Studienbeginn beim Kläger der Schul- oder der Berufsausbildung zuzuordnen ist, insbesondere ob sich dieser im Unfallzeitpunkt bereits in Berufsausbildung befunden hat, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn auch wenn man unterstellt, die Übergangszeit könne nicht der Studienzeit zugeordnet werden, die der Vorbereitung auf bestimmte berufliche Tätigkeiten dient (vgl § 2 Abs 1 Satz 2 und §§ 7 und 10 des Hochschulrahmengesetzes) und damit als Zeit der Berufsausbildung anzusehen ist (vgl Reich, Hochschulrahmengesetz, 7. Aufl, § 7 RdNr 1), schließt dies die Neufestsetzung des JAV nach § 90 Abs 1 SGB VII nicht aus. Zwar enthält § 90 Abs 4 SGB VII für Versicherungsfälle, die vor Beginn der Berufsausbildung eingetreten sind, eine Sonderregelung, nach deren Maßgabe der JAV nach Altersstufen gestaffelt anhand der Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) neu festzusetzen ist. Die Voraussetzungen dieser Regelung sind hier jedoch nicht erfüllt. Sie setzt nämlich weiter voraus, daß sich auch unter Berücksichtigung der weiteren Schul- und Berufsausbildung nicht feststellen läßt, welches Ausbildungsziel die Versicherten ohne den Versicherungsfall voraussichtlich erreicht hätten. Hier steht aber auch unter Berücksichtigung der weiteren Berufsausbildung des Klägers fest, welches Ausbildungsziel er hatte. Denn den bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG ist zu entnehmen, daß er das bereits im Zeitpunkt des Unfalls angestrebte Berufsziel, Journalist zu werden, durch ein Universitätsstudium der Politologie mit Diplomabschluß und anschließender einjähriger Volontärzeit erreichen wollte und daß er diese Planung unter Beibehaltung seines Berufszieles teilweise auch verwirklicht hat.

Der Neufestsetzung des JAV nach § 90 Abs 1 SGB VII steht auch nicht entgegen, daß beim Kläger die Ausbildung infolge des Arbeitsunfalls weder abgebrochen worden ist noch sich verzögert hat. Wie § 573 Abs 1 RVO stellt auch § 90 Abs 1 SGB VII seinem Wortlaut nach auf eine Ausbildung ab, die infolge des Unfalls abgebrochen worden ist oder sich zumindest verzögert hat; denn die Vorschrift setzt als Zeitpunkt für die Neufestsetzung des JAV einen fiktiven Zeitpunkt fest, nämlich den, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet wäre. Der Fall, daß jemand vor oder während seiner Ausbildung einen Arbeitsunfall erleidet, gleichwohl aber hierdurch seine Ausbildung weder abgebrochen noch verzögert wird, ist nicht ausdrücklich geregelt. Die Auslegung der Vorschrift ergibt aber, daß in diesem Fall die Neufestsetzung des JAV nicht ausgeschlossen ist.

Hierzu ist zunächst von Bedeutung, daß die Verletztenrente eine Entschädigung besonderer Art ist. Sie setzt nicht voraus, daß durch Unfall ein meßbarer wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Vielmehr gleicht sie einen möglichen Schaden aus. Nicht eine Minderung des Erwerbseinkommens, sondern die Minderung der Erwerbsfähigkeit soll entschädigt werden. Diese Beeinträchtigung wird nicht am Beruf des Versicherten, sondern an den Verhältnissen des allgemeinen Erwerbslebens gemessen (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die andere Berechnungsgröße, der JAV, wird indessen grundsätzlich nach Maßgabe des § 82 Abs 1 SGB VII nach dem tatsächlich vor dem Unfall erzielten Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen bestimmt. Die Rente richtet sich nach einem abstrakten Schaden, der allein vom Grad der MdE und vom JAV abhängt, und kann in den Fällen, in denen der Verletzte trotz der Unfallfolgen erwerbstätig ist, zu einer "Überversorgung" führen (BSG SozR 2200 § 573 Nr 11 mwN). Mit § 90 Abs 2 SGB VII und seinen Vorgängervorschriften ist die grundsätzlich abstrakte Schadensberechnung nicht durch eine konkrete ersetzt worden. Vielmehr bestimmt diese Vorschrift allein die eine der beiden Schadensbemessungsgrößen abweichend vom zeitlichen Bezugsrahmen des § 82 Abs 1 SGB VII als maßgeblich. Wenn der Gesetzgeber mithin mit der begrenzten Berücksichtigung einer Berufsentwicklung nach dem Unfall nicht zur konkreten Schadensberechnung übergegangen ist, so hat er in Kauf genommen, daß diese günstigere JAV-Berechnung nach § 90 Abs 1 SGB VII auch demjenigen Versicherten zugute kommt, der das voraussichtliche Ausbildungsziel trotz der Unfallfolgen erreicht hat und ein entsprechendes Einkommen erzielt, also keinen wirtschaftlichen Schaden im Beruf erlitten hat (vgl BSG SozR 2200 § 573 Nr 11).

Dieses Ergebnis kann auch nicht auf die Versicherten beschränkt werden, die ihr Ausbildungsziel erreicht haben, bei denen die Ausbildung sich jedoch unfallbedingt verzögert hat. Ihnen gegenüber würden dann die Versicherten, die dieses Ziel ohne eine solche Verzögerung erreicht haben, in einer mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) kaum noch zu vereinbarenden Weise benachteiligt. Denn da die Versicherten mit verzögerter Ausbildung durch die fiktive Vorverlegung des Ausbildungsendes hinsichtlich der Verletztenrente einen vollen Ausgleich für die Verzögerung erhalten, ist kein rechtfertigender Grund ersichtlich, den Versicherten ohne verzögerte Ausbildung die Neufestsetzung des JAV nach § 90 Abs 1 SGB VII zu verweigern. Dementsprechend hat das BSG bei einem Versicherten, der trotz arbeitsunfallbedingter Querschnittslähmung ohne Verzögerung in der Ausbildung sein Berufsziel als Diplomingenieur erreicht hatte, den Anspruch auf eine Neufestsetzung des JAV unter Zugrundelegung des Entgelts für diesen Beruf anerkannt (BSG SozR 2200 § 573 Nr 11). Ferner hat es im Fall einer trotz schwerer Handverletzung nicht verzögerten abgeschlossenen Berufsausbildung zum Bauingenieur den Anspruch auf eine Neufestsetzung des JAV anerkannt (BSG SozR 3-2200 § 573 Nr 2). Auch in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur wird diesem Ergebnis zugestimmt (vgl KassKomm-Ricke, § 90 SGB VII RdNr 5; Wannagat/Benz, SGB VII, § 90 RdNr 6 mwN; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl, § 90 SGB VII RdNr 8.1; Schmitt, SGB VII, § 90 RdNr 7; Kater/Leube, SGB VII, § 90 RdNr 27). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung (BSG SozR 2200 § 573 Nr 11 und BSG SozR 3-2200 § 573 Nr 2) wird auch in der genannten Literatur die Auffassung vertreten, daß bei nicht verzögerter und erfolgreicher Ausbildung der JAV nicht vom Zeitpunkt des voraussichtlichen, sondern von dem des wirklichen Endes der Ausbildung an neu festzusetzen ist.

Die vom Kläger begehrte Neufestsetzung des JAV scheitert nicht daran, daß er sein Politologiestudium nicht, wie vorgesehen, mit dem Diplomexamen erfolgreich abgeschlossen hat. Er hat vielmehr seine Ausbildung iS des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII beendet; denn er hat die bereits im Zeitpunkt des Versicherungsfalles angestrebte berufliche Stellung eines Journalisten durch die gewählte Ausbildung erreicht.

Zutreffend hat das LSG entschieden, daß Beenden der Ausbildung iS des § 573 Abs 1 Satz 1 RVO und dementsprechend des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII der zum Ausbildungsziel führende Ausbildungsabschluß sein muß. Nur so ist es gerechtfertigt, den JAV nach Maßgabe des § 90 Abs 1 Satz 2 SGB VII an dem Entgelt auszurichten, das dem durch die Ausbildung angestrebten Beruf entspricht. Wird dagegen eine Ausbildung aus Gründen, die unabhängig vom Versicherungsfall sind, endgültig abgebrochen und hierdurch das durch die Ausbildung angestrebte Berufsziel nicht erreicht, so entfällt die Neufestsetzung nach § 90 Abs 1 SGB VII (BSG Urteil vom 28. August 1990 - 2 RU 7/90 - HV-Info 1990, 2093; Brackmann/Burchardt, SGB VII, § 90 RdNr 19; Mehrtens, aaO, § 90 RdNr 8.1; Kater/Leube, aaO, § 90 RdNr 13; aA für den hier nicht einschlägigen Fall des Ausbildungsabbruchs nach dem voraussichtlichen Ende der Ausbildung: Wannagat/Benz, aaO, § 90 RdNr 8).

Ein die Neufestsetzung des JAV ausschließender Abbruch der Ausbildung ist bei Versicherten ohne unfallbedingte Verzögerung der Ausbildung stets gegeben, wenn eine Berufsausbildung abgebrochen wird, die durch Rechtsnormen geregelt ist und bei der das Berufsziel nur durch Absolvierung der vorgeschriebenen Ausbildungsgänge und erfolgreiche Ablegung von Prüfungen erreicht werden kann. Schwieriger ist die Feststellung eines Ausbildungsabbruchs bei Berufen, die einerseits eine qualifizierte Ausbildung erfordern, bei denen diese andererseits aber nicht durch Rechtsnormen geregelt ist. Derartige Berufe werden auch von § 90 Abs 1 SGB VII erfaßt, weil die Vorschrift insoweit keine Einschränkungen vorsieht, solche aber auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG kaum zu vereinbaren wären. Zu diesen Berufen zählt insbesondere der Beruf des Journalisten. Der freie Zugang zum Journalistenberuf wird aus dem Grundrecht des Art 5 Abs 1 Satz 2 GG abgeleitet, wonach die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film gewährleistet werden (vgl BVerfGE 20, 162, 175, 176 - "Spiegelurteil"). In der Praxis haben sich alternativ verschiedene typische Ausbildungswege zum Journalistenberuf entwickelt, die allerdings Abweichungen nicht ausschließen, und zwar 1. Fachstudium und Volontariat, 2. Berufsausbildung und Volontariat, 3. Journalistenschulen und/oder Studium und Volontariat, Journalistikstudiengänge und (verkürztes) Volontariat (so ABC des Journalismus, 8. Aufl, Herausgeberin Claudia Mast, S 114; vgl auch Schneider/Raue, Handbuch des Journalismus, 1998, S 277 ff; Berufskundliche Kurzbeschreibung "Journalist/Journalistin", Herausgeber Bundesanstalt für Arbeit).

Bricht der Versicherte seine Ausbildung - hier zum Journalisten - unter Aufgabe des Berufsziels ab, so ist eine Neufestsetzung des JAV nach § 90 Abs 1 SGB VII ausgeschlossen. Soweit allerdings das LSG im angefochtenen Urteil darüber hinaus entschieden hat, ein solcher Abbruch sei auch dann gegeben, wenn unter Aufrechterhaltung des Berufsziels der einmal aus mehreren Ausbildungswegen ausgewählte Weg aufgegeben werde, kann der Senat dieser Auffassung nicht folgen. Zwar ist der zu Beginn einer Ausbildung zum Journalisten gewählte individuelle Ausbildungsweg, sofern er nach objektiven Gesichtspunkten zur Erreichung des Berufsziels geeignet ist, für eine Neufestsetzung nach § 90 Abs 1 SGB VII entscheidend, wenn der Versicherte infolge des Versicherungsfalls die Ausbildung nicht oder erst nach einer zeitlichen Verzögerung weiter betreiben kann. Dann nämlich ist infolge der vielfältigen Möglichkeiten, das Berufsziel des Journalisten zu erreichen, die Planung des Versicherten die wesentliche Grundlage für die nach § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII erforderliche Feststellung, wann seine Ausbildung voraussichtlich beendet ist. Diese Planung fällt - wie bereits dargelegt - bei der Feststellung der Beendigung der Ausbildung bei denjenigen Versicherten nicht ins Gewicht, die ihr Berufsziel ohne unfallbedingte Verzögerung der Ausbildung erreicht haben, weil dann Fakten, nämlich der tatsächliche Abschluß der Ausbildung, vorliegen und es deshalb der Fiktion nicht bedarf. Auch hier steht als Tatsache fest, daß der Kläger unmittelbar an ein der Ausbildung zum Journalisten dienendes Fachstudium das von vornherein festgelegte Berufsziel des Journalisten erreicht hat.

Daß dies unter Änderung seines ursprünglichen Ausbildungsplanes geschah, schließt die Neufestsetzung des JAV nicht aus. Abgesehen davon, daß Änderungen des Ausbildungsweges unter Beibehaltung des Ausbildungsziels oft wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt, der technischen Entwicklung und Änderungen in den beruflichen Anforderungen nützlich, wenn nicht gar geboten sein können, würde das Festhalten an der einmal getroffenen Planung, auf welchem Weg der erstrebte Beruf erreicht werden kann, zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Hätte zB der Kläger den Weg zum Journalistenberuf, den er tatsächlich beschritten hat, von vornherein so geplant gehabt, wäre bei ihm auch nach der Auffassung des LSG der JAV gemäß § 90 Abs 1 SGB VII neu festzusetzen. Hätte er so geplant, sich später jedoch anders besonnen und unter Beibehaltung des Berufszieles sein Diplomexamen in Politologie abgelegt und möglicherweise noch einen anderen, für den Journalismus nützlichen Studiengang absolviert, wäre nach der vom LSG vertretenen Auffassung der ursprüngliche Ausbildungsplan damit verlassen worden, was in letzter Konsequenz den Abbruch der Ausbildung bedeuten würde und damit die Verneinung eines Anspruchs auf Neufestsetzung des JAV gemäß § 90 Abs 1 SGB VII zur Folge hätte. Derartige Ergebnisse ließen sich nicht mit der Zweckbestimmung des § 90 Abs 1 SGB VII vereinbaren, wonach die Versicherten, die schon vor oder während der Zeit der Ausbildung für einen Beruf einen Arbeitsunfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch nicht das volle Arbeitsentgelt erzielt haben, zur Vermeidung von Härten geschützt und so gestellt werden, als hätten sie den Unfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung erlitten. Entsprechend dieser Zweckbestimmung kommt es bei der Neufestsetzung des JAV im Falle nicht unfallbedingter Verzögerung der Ausbildung allein darauf an, daß das Ausbildungsziel - auch unter Berücksichtigung der weiteren Schul- oder Berufsausbildung (vgl § 90 Abs 4 Satz 1 SGB VII) - im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls feststeht, daß die tatsächlich eingeschlagene Ausbildung objektiv zur Erreichung des Ausbildungsziels geeignet ist und daß durch diese Ausbildung der angestrebte Beruf erreicht wird. Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des LSG beim Kläger gegeben.

Nach alledem war auf die Revision des Klägers das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen, wobei im Tenor neben der Anwendung des SGB VII auch zu berücksichtigen war, daß der nach § 90 Abs 1 Satz 2 SGB VII maßgebende Zeitpunkt der 1. Januar 1993 ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. RVO § 573 Abs 1

Ende der Entscheidung

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