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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 30.03.2000
Aktenzeichen: B 3 KR 11/99 R
Rechtsgebiete: SGB V


Vorschriften:

SGB V § 37 Abs 2
SGB V § 37 Abs 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 3 KR 11/99 R

Klägerin und Revisionsbeklagte,

Bevollmächtigte:

gegen

DIE BKK POST -Hauptverwaltung-, Burgenlandstraße 44a, 70469 Stuttgart,

Beklagte und Revisionsklägerin.

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 30. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage, die Richter Dr. Naujoks und Schriever sowie die ehrenamtlichen Richter Leingärtner und Heithecker

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. März 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I

Mit ihrer Revision wendet sich die beklagte Betriebskrankenkasse gegen ihre Verurteilung durch das Landessozialgericht (LSG) zur Erstattung von 1.600 DM, die die Klägerin in der Zeit vom 2. Mai bis 30. August 1997 an einen Pflegedienst für das Setzen von Insulininjektionen gezahlt hat.

Die Klägerin ist im Jahre 1923 geboren und hat bis 31. August 1997 allein in ihrer Wohnung, danach in einem Krankenhaus und zuletzt in einem Pflegeheim gelebt. Sie ist bei der Beklagten krankenversichert und leidet an Teillähmung, Knie- und Hüftgelenksarthrose, Augenlinsentrübung und -innendruckerhöhung sowie an einer Zuckerkrankheit (mit Polyneuropathie), wegen der ihr vertragsärztlich als häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungspflege zweimal täglich Insulininjektionen verordnet worden sind (zuletzt am 2. Januar 1997). Diese konnten nicht von der Klägerin selbst, zunächst aber noch von ihrem Schwiegersohn vorgenommen werden. Nachdem dieser aus beruflichen Gründen ausfiel, zog die Klägerin einen Pflegedienst heran, dessen Kosten die Beklagte zunächst übernahm.

Ab 1. April 1995 erhielt die Klägerin Pflegegeld gemäß Pflegestufe I aus der sozialen Pflegeversicherung; als Pflegeperson war im Antrag die im selben Ort wohnende Tochter angegeben worden. Mit Bescheid vom 22. Januar 1997 teilte die Beklagte der Klägerin auf die zuletzt vorgelegte Verordnung mit, die Kosten für das Setzen der Injektionen würden nur noch bis 28. Februar 1997 übernommen, weil es sich um Maßnahmen der Grundpflege handele; tatsächlich zahlte die Beklagte jedoch noch bis Ende April 1997 diese Kosten. Durch Widerspruchsbescheid vom 3. April 1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte zur Kostenerstattung iHv 1.600 DM verurteilt (Urteil vom 3. September 1998). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 10. März 1999) und ausgeführt, die Beklagte habe die Leistung zu Unrecht abgelehnt, da die Insulininjektionen Behandlungspflege iS von § 37 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien; auf die Dauer komme es dabei nicht an. Im streitbefangenen Zeitraum habe im Haushalt der Klägerin nach deren glaubhaften Angaben auch keine weitere Person gelebt, die die Maßnahmen hätte durchführen können. Der Anspruch sei auch nicht durch Ansprüche aus der sozialen Pflegeversicherung ausgeschlossen.

Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 37 Abs 2 SGB V. Sie macht geltend, zur Behandlungspflege gehörten nur Leistungen, die auf Krankenpflegefachkräfte delegiert werden müßten. Das sei beim Insulinspritzen nicht der Fall. Leistungen der Grundpflege sehe ihre Satzung nicht vor.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. März 1999 sowie des Sozialgerichts Dessau vom 3. September 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet und war zurückzuweisen. Die Beklagte ist verpflichtet, die von der Klägerin geltend gemachten Kosten zu erstatten. Denn die Klägerin hatte einen Anspruch auf Gewährung von Behandlungspflege als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung, den zu erfüllen sich die Beklagte zu Unrecht geweigert hat.

1. Nach § 13 Abs 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle einer Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit das SGB V dies vorsieht. Nach § 13 Abs 3 SGB V sind Kosten in der tatsächlich entstandenen Höhe zu erstatten, die einem Versicherten für eine selbstbeschaffte, notwendige und unaufschiebbare Leistung erwachsen sind, soweit diese von der Krankenkasse zu Unrecht abgelehnt worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte hat daher die von der Klägerin mit 1.600 DM bezifferten (vgl dazu Urteil des Senats vom 28. Januar 1999, B 3 KR 4/98 = BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1) Kosten zu erstatten. Sollte die Klägerin die Kosten noch nicht beglichen haben - die Feststellungen des LSG lassen dies offen -, so umfaßt § 13 Abs 3 SGB V neben dem dort ausdrücklich geregelten Kostenerstattungsanspruch als dessen Vorstufe auch einen Anspruch auf Freistellung von einer Verbindlichkeit, die bei rechtzeitiger Leistungsgewährung durch die Krankenkasse nicht hätte eingegangen werden müssen (vgl Urteil des Senats vom 30. März 2000 - B 3 KR 23/99 R - und vom 10. Februar 2000 - B 3 KR 26/99 R - beide zur Veröffentlichung vorgesehen; anders BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 5 für den Fall, daß Versicherter und Leistungserbringer gemeinsam von einer Sachleistungserbringung ausgegangen sind).

2. Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, die von der Klägerin begehrten, ordnungsgemäß beantragten und von der Beklagten zunächst bewilligten und erbrachten Sachleistungen auch im streitbefangenen Zeitraum (2. Mai bis 30. August 1997) zu erbringen, so daß die Klägerin gezwungen war, sich diese selbst zu beschaffen. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog Behandlungssicherungspflege, vgl hierzu BSGE 83, 254, 261 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1). Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung häuslicher Krankenpflege ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin zugleich Leistungen bei häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung erhält. Das Verhältnis des Anspruchs aus § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V zu Ansprüchen aus den §§ 36 ff Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) ist in § 13 Abs 2 und § 34 Abs 2 Satz 1 SGB XI geregelt. Nach § 13 Abs 2 SGB XI bleiben die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V beim Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung unberührt; nach § 34 Abs 2 Satz 1 SGB XI kann es nur zu einem Ruhen des Anspruchs aus der sozialen Pflegeversicherung kommen, wenn im Rahmen des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege auch Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung besteht. Letzteres kommt allerdings nur bei der sog Krankenhausvermeidungspflege (§ 37 Abs 1 SGB V) in Betracht; bei der hier betroffenen Behandlungssicherungspflege (§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB V) sind Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach dem Eintritt des Versicherungsfalls der Pflegebedürftigkeit nicht zulässig.

3. Bei den von der Klägerin in Anspruch genommenen Maßnahmen, den Insulininjektionen, handelt es sich - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben - um Behandlungspflege iS des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V. Zwar ist der Inhalt des Begriffs Behandlungspflege im Gesetz nicht definiert; seine Grenzen sind, wie der Senat im Hinblick auf die Abgrenzung zu den Leistungen der Pflegeversicherung deutlich gemacht hat (BSGE 82, 27, 32 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2), auch in der Pflegewissenschaft umstritten. Dies bedarf im Hinblick auf die hier streitigen Maßnahmen jedoch keiner weiteren Erörterung, da sie zum unbestrittenen Kernbereich der Behandlungspflege zählen. Die Subsumtion einer nicht vom Arzt zu erbringenden Maßnahme der Krankenbehandlung unter den Begriff Behandlungspflege hängt nicht davon ab, ob sie ausschließlich von fachlich geschulten Pflegekräften oder auch von Laien erbracht werden kann. Die Beklagte hat die Ablehnung ihrer Leistungspflicht zunächst, wie zahlreiche Krankenkassen bundesweit auch, damit begründet, das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 17. April 1996 (3 RK 28/95 = SozR 3-2500 § 53 Nr 10) zwischen der einfachen Behandlungspflege, die keine Fachkunde voraussetze, und der Behandlungspflege durch fachlich qualifizierte Krankenpflegekräfte unterschieden und die einfache Behandlungspflege den Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit (§§ 53 ff SGB V aF) zugeordnet. Hieraus folge, daß die gesetzliche Krankenversicherung im Rahmen von § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V nur für Maßnahmen der qualifizierten Behandlungspflege zuständig sei. Eine derartige Schlußfolgerung läßt das erwähnte Urteil des erkennenden Senats nicht zu. Es stellt gerade umgekehrt klar, daß Behandlungspflege "nicht nur" als Leistung der Krankenversicherung in Betracht kommt, sondern in bestimmten Fällen auch als Pflegebedarf iS der seinerzeit anzuwendenden Vorschriften über Leistungen der Krankenversicherung bei Schwerpflegebedürftigkeit zu berücksichtigen war. Eine Zuordnung allein zur Krankenversicherung sei nur geboten, wenn die Behandlungspflege ausschließlich von fachlich qualifizierten Krankenpflegekräften zu erbringen sei. Hierin kam somit keineswegs ein Ausschluß sog einfacher Behandlungspflege aus der Leistungspflicht der Krankenversicherung im Rahmen des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V zum Ausdruck. Das Gegenteil ist der Fall. Auch nach geltendem Recht ist Behandlungspflege in jeder Form den Leistungen der Krankenversicherung zuzuordnen; nur ausnahmsweise, beim notwendigen Zusammentreffen mit einer Maßnahme der Grundpflege, ist sie auch beim Pflegebedarf in der Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Es kann deshalb offenbleiben, ob eine Unterscheidung zwischen einfacher und qualifizierter Behandlungspflege überhaupt durchführbar wäre. Im Schrifttum ist als Reaktion auf das Urteil des Senats vom 17. April 1996 betont worden, daß in der Praxis selbst komplizierteste Maßnahmen der Behandlungspflege nach entsprechender Anleitung von Laien durchgeführt werden, insbesondere wenn die Pflege von Familienangehörigen vorgenommen wird (vgl Vogel/Schaaf, SGb 1997, 560, 568).

4. Weil die häusliche Pflege vom behandelnden Arzt verordnet worden ist, hat dieser deutlich gemacht, daß er sie zur Sicherung des Behandlungserfolges bei der Zuckerkrankheit für erforderlich hielt. Das LSG hat - ohne dies besonders herauszuheben - in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Klägerin selbst nicht in der Lage war, sich die Injektionen zu verabreichen. Das wird von der Beklagten nicht gerügt.

5. Dem Anspruch der Klägerin steht auch der Ausschlußtatbestand in § 37 Abs 3 SGB V nicht entgegen. Danach besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken nicht in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Die Beklagte geht zu Recht davon aus, daß es sich hierbei um eine konkrete Ausgestaltung des Vorrangs der Eigenhilfe vor der Inanspruchnahme von Hilfe durch die Solidargemeinschaft der Krankenversicherten handelt. Das Gesetz knüpft hierbei an familienrechtliche Fürsorge- und Unterhaltspflichten sowie an sittliche Beistandspflichten unter zusammenlebenden Haushaltsangehörigen außerhalb des Familienverbundes im engeren Sinne an. Der Senat hat eine Inpflichtnahme von Angehörigen im Bereich der Pflegeversicherung als verfassungsgemäß angesehen (BSGE 84, 1, 7 = SozR 3-3300 § 77 Nr 1), soweit es sich darum handelte, ob tatsächlich erbrachte Pflegeleistungen durch Angehörige von einer Vergütung, wie sie professionelle Pflegekräfte erhalten, ausgeschlossen werden dürfen, so daß nur das geringere Pflegegeld in Anspruch genommen werden kann. Entgegen der Regelung in § 37 Abs 3 SGB V fehlt es hier jedoch schon an einer im Haushalt des Versicherten lebenden Person, die die Pflege durchführen kann. Die Tochter der Klägerin lebt zwar im selben Ort, aber in einem eigenen Haushalt. Hieran ändert die Tatsache nichts, daß sie ihre Mutter in deren Wohnung pflegt. Ein kurzzeitiger Aufenthalt bedeutet nicht, daß sie dort "lebt"; letzteres ist erst bei einem gemeinsamen Wohnen anzunehmen.

§ 37 Abs 3 SGB V kann als Ausnahmevorschrift nicht über seinen Wortlaut hinaus zu Lasten der Klägerin weit ausgelegt werden. Soweit die Beklagte geltend macht, das BSG habe bereits im Urteil vom 14. Juli 1977 (3 RK 60/75 = BSGE 44, 139, 141 = SozR 2200 § 185 Nr 1 = USK 77100) die Subsidiarität des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege allgemein aus familienrechtlichen Unterstützungspflichten abgeleitet, verkennt sie, daß in der seinerzeit maßgeblichen Vorschrift (§ 185 Reichsversicherungsordnung) der hier diskutierte Ausschlußtatbestand der Angehörigenpflege noch nicht enthalten war. Der Gesetzgeber hat den von der Rechtsprechung entwickelten Subsidiaritätsgedanken aufgegriffen und zugleich auf die im Wortlaut der Vorschrift festgelegten Voraussetzungen beschränkt. Dies schließt einen Rückgriff auf die allgemeine familienrechtliche Solidarpflicht zum Zwecke der Ausweitung der in § 37 Abs 3 SGB V enthaltenen Ausnahmeregelung aus. Vorschriften des SGB sind im Zweifel dahin auszulegen, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden (§ 2 Abs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch). Das bedeutet in diesem Zusammenhang, daß die Sicherung des ärztlichen Behandlungsziels den Ausschlag gibt, nicht aber die Entlastung der Solidargemeinschaft durch die kostenlose oder kostengünstige Hilfe Dritter. Deshalb ist § 37 Abs 3 SGB V sogar, hinter seinem Wortlaut zurückbleibend, dahingehend auszulegen, daß der Leistungsausschluß nicht schon dann eingreift, wenn die Hilfe durch Angehörige "zumutbar" geleistet werden könnte, sondern erst dann, wenn tatsächlich auch Hilfe geleistet wird. Ein Leistungsausschluß besteht nur, wenn sowohl der zu Pflegende bereit ist, sich von dem Angehörigen pflegen zu lassen, als auch der pflegende Angehörige mit der Durchführung der Pflege einverstanden ist. Im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs zahlreicher pflegerischer Maßnahmen in Intimbereiche läßt Art 1 Abs 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) ein Einverständnis auf beiden Seiten, also die aktive wie auch die passive Pflegebereitschaft, als unverzichtbar erscheinen. Nur mit dieser Einschränkung wird die Vorschrift auch der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art 3 GG gerecht. Andernfalls enthielte die Regelung nämlich eine Differenzierung zwischen alleinlebenden Pflegebedürftigen, denen ohne weiteres Behandlungspflege zu gewähren wäre, und Pflegebedürftigen mit nicht zur Pflege bereiten Angehörigen, die auch bei zwingender medizinischer Erforderlichkeit ohne pflegerische Versorgung bleiben müßten. Denn selbst bei Bestehen einer unterhaltsrechtlichen Verpflichtung des Angehörigen zur Pflege hätte der Pflegebedürftige keine sicheren rechtlichen Zwangsmittel, dies gegenüber einem böswilligen Angehörigen durchzusetzen (vgl § 888 Abs 1 Zivilprozeßordnung); zudem wäre eine zwangsweise Durchsetzung faktisch nicht geeignet, eine sachgerechte Pflege zu erreichen. Ein genereller Ausschluß von häuslicher Krankenpflege, nur weil Angehörige vorhanden sind, würde für den Fall, daß die Behandlungspflege durch diese nicht geleistet wird, eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung gegenüber alleinstehenden Pflegebedürftigen bedeuten.

Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Versicherte sich ohne nachvollziehbaren Grund weigert, Maßnahmen der Behandlungspflege von ehrenamtlichen Pflegepersonen in Anspruch zu nehmen, insbesondere solchen, die ihn ohnehin zur Sicherstellung der Pflege als Voraussetzung für den Anspruch auf Pflegegeld aus der Pflegeversicherung versorgen, und es sich um einfache Maßnahmen ohne Berührung der Intimsphäre handelt, wie es etwa bei der Medikamentengabe regelmäßig der Fall sein dürfte. Dasselbe gilt, wenn ein kollusives Zusammenwirken von Pflegebedürftigen und Angehörigen angenommen werden muß, wenn etwa beide sich ohne nachvollziehbare Gründe weigern, Pflegemaßnahmen vornehmen zu lassen bzw durchzuführen, die zuvor ohne weiteres erbracht worden sind. Ein solcher Mißbrauch ist aber im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Auch wenn das Insulinspritzen - weil es nicht intravenös erfolgen muß und relativ einfach zu handhaben ist - von Laien erlernt werden kann, bedeutet der Einstich in einen anderen Körper für empfindsame Personen eine erhebliche Überwindung, die bei sonstigen Pflegemaßnahmen nicht aufgebracht werden muß. Die Weigerung der Tochter, die durch die Pflege der Klägerin ohnehin schon belastet ist, auch die Insulininjektionen vorzunehmen, ist somit nachvollziehbar.

6. Nur de lege ferenda wäre zu erwägen, zur Entlastung der Solidargemeinschaft die Bereitschaft von Angehörigen und anderen nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen zur Vornahme von Behandlungspflege dadurch zu fördern, daß sie beim Pflegegeld der Pflegeversicherung bedarfserhöhend berücksichtigt oder durch ein eigenständiges krankenversicherungsrechtliches Pflegegeld abgegolten wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Ende der Entscheidung

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