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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 13.05.2004
Aktenzeichen: B 3 KR 18/03 R
Rechtsgebiete: SGB V, SGG
Vorschriften:
SGB V § 39 | |
SGG § 103 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Verkündet am 13. Mai 2004
Az: B 3 KR 18/03 R
Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage, die Richter Dr. Hambüchen und Schriever sowie den ehrenamtlichen Richter Harms und die ehrenamtliche Richterin Schuh
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 31. Juli 2003 und des Sozialgerichts Kassel vom 20. Februar 2002 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.225,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 22. April 2003 zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten.
Gründe:
I
Ein Versicherter der beklagten Krankenkasse, der seit Jahrzehnten an Schizophrenie leidet und deswegen wiederholt über längere Zeiträume in den vom Kläger betriebenen Psychiatrischen Krankenhaus M. (nunmehr Zentrum für Soziale Psychiatrie Kurhessen) stationär behandelt worden ist, wurde dort am 28. Dezember 1997 erneut wegen Wahnvorstellungen und Bedrohung von Familienangehörigen stationär aufgenommen. Der Krankenhausaufenthalt dauerte bis zum 1. September 1999. Die zur psychiatrischen Behandlung der "schweren paranoid-halluzinatorischen Psychose" (Aufnahmediagnose) vom Betreuer des Versicherten veranlasste Unterbringung in dem Krankenhaus wurde durch das Vormundschaftsgericht jeweils zeitabschnittsweise genehmigt, darunter durch Beschluss vom 29. Juni 1998 für die folgenden sechs Monate. Die Beklagte trug die Kosten der Behandlung mit Ausnahme der Zeit vom 1. Juli bis zum 29. Oktober 1998. Sie lehnte nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) gegenüber dem Krankenhaus die am 13. Juli 1998 beantragte Verlängerung der stationären Behandlung über den 30. Juni 1998 hinaus ab, weil wegen der eingetretenen Stabilisierung des Patienten eine Krankenhausbehandlung nicht mehr erforderlich sei. Die behandelnden Krankenhausärzte hielten die vom MDK und der Beklagten in Betracht gezogenen Alternativen "Heimunterbringung mit ambulanter Behandlung" bzw "Behandlung in einer sog Komplementäreinrichtung" für ungeeignet und setzten die stationäre Behandlung des Versicherten fort. Ab 30. Oktober 1998 sah auch die Beklagte die stationäre Behandlung wegen einer Medikamentenumstellung wieder für erforderlich an, wobei der ursprünglich ebenfalls noch streitige Vergütungsanspruch für die Zeit vom 1. Januar bis zum 28. Februar 1999 auf Grund des Ergebnisses eines im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von der Beklagten anerkannt worden ist. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage auf Bezahlung der Behandlungskosten für die Zeit vom 1. Juli bis zum 29. Oktober 1998, die vom Kläger erst mit Rechnung vom 28. März 2003 spezifiziert und mit 24.225,41 € beziffert worden sind, abgewiesen, weil das eingeholte nervenärztliche Sachverständigengutachten eine vollstationäre Behandlungsnotwendigkeit für die streitige Zeit verneint hat (Urteil vom 20. Februar 2002). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die zusätzlich erhobene Klage auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 22. April 2003 abgewiesen (Urteil vom 31. Juli 2003). Das LSG hat ausgeführt, der Kläger trage die Beweislast für die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung, weil die Beklagte das vertraglich vereinbarte Prüfungsverfahren eingehalten habe. Diesen Beweis habe der Kläger nicht erbracht. Es sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass die notwendige medizinisch-psychiatrische Versorgung des Versicherten auch außerhalb eines Krankenhauses hätte sichergestellt werden können. Die andere Sicht der behandelnden Krankenhausärzte sei auch aus vorausschauender Betrachtung nicht vertretbar gewesen. Die Genehmigung der Unterbringung in dem Psychiatrischen Krankenhaus durch das Vormundschaftsgericht sei für die Leistungspflicht der Beklagten nicht verbindlich.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Er meint, die Beurteilung des Vormundschaftsgerichts über die Notwendigkeit der stationären Behandlung des Versicherten müsse auch die Beklagte gegen sich gelten lassen, weil dieselben Gesichtspunkte maßgebend seien. Zudem rügt der Kläger eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 Sozialgesetzbuch (SGG). Das vom SG eingeholte Sachverständigengutachten habe nicht verwertet werden dürfen, weil es sachlich unzureichend und nicht nachvollziehbar sei. Eine heilpädagogische Einrichtung sei für den Versicherten völlig ungeeignet gewesen. Langzeitbereiche in den Kliniken der Regelversorgung seien auf Grund der allgemeinen Fortschritte in der psychiatrischen Versorgung und Betreuung von Psychiatriepatienten seit Mitte der 90er Jahre praktisch nicht mehr vorhanden.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Hessischen LSG vom 31. Juli 2003 und des SG Kassel vom 20. Februar 2002 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 24.225,41 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. April 2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sei hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Die vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten war auch in der Zeit vom 1. Juli bis zum 29. Oktober 1998 "erforderlich" iS des § 39 SGB V. Deshalb hat der Kläger zu Recht den Vergütungsanspruch in Höhe von 24.225,41 € gegen die Beklagte geltend gemacht.
1) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.
a) Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zulässig; denn es geht bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1; BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
b) Im Berufungsverfahren ist auch die bei Zahlungsklagen grundsätzlich erforderliche Bezifferung des Anspruchs erfolgt. Betrifft ein Zahlungsanspruch einen abgeschlossenen Vorgang aus der Vergangenheit, ist er zur Vermeidung eines ansonsten im Raum stehenden zusätzlichen Streits über die Höhe des Anspruchs konkret zu beziffern (BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1 zu Kostenerstattungsansprüchen); es muss also grundsätzlich ein bestimmter (bezifferter) Zahlungsantrag gestellt und in der Klageschrift dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt. Dies ist erstinstanzlich versäumt worden. Der Mangel ist aber zweitinstanzlich dadurch beseitigt worden, dass der Kläger am 28. März 2003 über die Krankenhausbehandlung des Versicherten in der streitigen Zeit vom 1. Juli bis zum 29. Oktober 1998 - erstmals - eine (den Anforderungen des § 301 SGB V entsprechende, spezifizierte) Rechnung ausgestellt und diese zu den Akten gereicht hat. Zwar ist der Antrag, die Beklagte zu verurteilen, "dem Kläger die Kosten des vollstationären Krankenhausaufenthalts des Versicherten ... auch für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 29. Oktober 1998 ... zu zahlen", nicht um den konkreten Betrag der Behandlungskosten von 24.225,41 € ergänzt worden. Der Betrag ergab sich aber aus der Rechnung vom 28. März 2003, sodass der Klageantrag zwar nicht beziffert, aber ohne weiteres bezifferbar war, was zur Konkretisierung des Klagebegehrens ausreicht.
2) Rechtsgrundlage des geltend gemachten restlichen Vergütungsanspruchs des Klägers ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 1998.
Das LSG hat den Vergütungsanspruch auf § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V "iVm den zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft eV und den Landesverbänden der Krankenkassen abgeschlossenen Sicherstellungsverträgen auf der Grundlage des § 112 Abs 2 SGB V" gestützt. Entscheidend ist nach den einschlägigen Entscheidungen des Senats (BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1; BSGE 89, 104, 105 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2; BSG SozR 3-2500 § 109 Nr 9) aber nicht, dass in einem Bundesland überhaupt ein Vertrag auf der Grundlage von § 112 Abs 2 SGB V abgeschlossen worden ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob der jeweilige Vertrag auch Voraussetzungen und Modalitäten der Zahlungspflichten der Krankenkassen regelt. Dies ist im Hinblick auf den vom LSG herangezogenen Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 1. August 1990 nicht der Fall. Einen Krankenhausbehandlungsvertrag nach § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V, der nach Buchstabe b dieser Vorschrift gerade auch die "Abrechnung der Entgelte" regeln soll, hat es in Hessen nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des LSG für den hier streitigen Zeitraum nicht gegeben. Bei Fehlen eines solchen Sicherstellungsvertrags ist allein auf die einschlägige Pflegesatzvereinbarung zurückzugreifen (Urteil des Senats vom 28. Mai 2003 - B 3 KR 10/02 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 1).
Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser iS des § 109 Abs 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in den §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträgern festgelegt wird (BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1; BSGE 90, 1, 2 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3). Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen, wobei unter Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ein Krankheitszustand zu verstehen ist, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht (BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1). Eine Krankenkasse ist nach § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm der Pflegesatzvereinbarung verpflichtet, die vereinbarten Entgelte zu zahlen, wenn die Versorgung im Krankenhaus iS von § 39 SGB V erforderlich ist. Das war hier - entgegen der Ansichten der Beklagten und der vorinstanzlichen Gerichte - auch im streitigen Behandlungszeitraum der Fall.
a) Allerdings ergibt sich die "Erforderlichkeit" der Krankenhausbehandlung entgegen der Ansicht des Klägers nicht bereits daraus, dass das Vormundschaftsgericht die Unterbringung des Versicherten in dem Krankenhaus zur Durchführung einer Heilbehandlung auch für den streitigen Zeitraum nach § 1906 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) genehmigt hat. Diese Genehmigung entfaltet im Hinblick auf den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse weder eine Bindungswirkung noch eine Tatbestandswirkung dahingehend, dass die "Erforderlichkeit" der Krankenhausbehandlung nicht mehr zu prüfen, sondern als gegeben zu unterstellen ist.
Nach der - vom Vormundschaftsgericht herangezogenen - Regelung des § 1906 Abs 1 Nr 2 BGB ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. Daneben ist eine Unterbringung zulässig, wenn sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt (§ 1906 Abs 1 Nr 1 BGB). Gemäß § 1906 Abs 2 Satz 1 BGB ist für die Unterbringung die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich. Liegen die Voraussetzungen des § 1906 Abs 1 BGB nicht mehr vor, hat der Betreuer die Unterbringung zu beenden und dies dem Vormundschaftsgericht anzuzeigen (§ 1906 Abs 3 BGB).
Eine freiheitsentziehende Unterbringung nach § 1906 Abs 1 BGB liegt vor, wenn der Betroffene gegen oder ohne seinen Willen in seiner gesamten Lebensführung auf einen gewissen räumlichen Bereich begrenzt und seine Möglichkeit zur Fortbewegung auf diesen Bereich beschränkt wird (Schwab in Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl 2002, § 1906 RdNr 7). Dies hat zur Folge, dass eine Unterbringung auf der Grundlage des § 1906 Abs 1 Nr 2 BGB zwar in einem Krankenhaus erfolgen kann, aber keinesfalls muss, also eine Unterbringung nach dieser Vorschrift nicht automatisch einen Krankenhausaufenthalt zur Folge hat. Neben der Unterbringung in einem geschlossenen Krankenhaus kommt auch eine solche in einer anderen geschlossenen Einrichtung oder dem abgeschlossenen Teil einer solchen Einrichtung in Betracht (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2000 - XII ZB 69/00 - BGHZ 145, 297, 300; Müller in Bamberger/Roth, BGB, 2003, § 1906 RdNr 4; Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl 1999, § 1906 BGB RdNr 25). Dies ergibt sich auch aus § 1906 Abs 4 BGB, wonach die Absätze 1 bis 3 dieser Vorschrift entsprechend gelten, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.
Schon vor diesem Hintergrund kann der Umstand, dass eine Unterbringung nach § 1906 Abs 1 BGB zum Wohle des Betreuten "erforderlich" sein muss, nicht ohne weiteres zur Begründung von Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit iS von § 39 SGB V führen. Die Erforderlichkeit nach § 1906 Abs 1 BGB zielt vielmehr darauf ab, dass mit einer freiheitsentziehenden Unterbringung ein schwer wiegender Grundrechtseingriff einhergeht. Die Erforderlichkeit der Unterbringung ist der Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen, weil die Freiheit der Person (vgl Art 2 Abs 2 Grundgesetz <GG>) ein so hohes Rechtsgut darstellt, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf (BVerfG NJW 1998, 1774, 1775). Daher darf eine Unterbringung immer dann nicht erfolgen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen zur Verfügung stehen (Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl 2001, § 1906 BGB RdNr 29; Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl 1999, § 1906 BGB RdNr 43). Die Genehmigung der Unterbringung durch das Vormundschaftsgericht nach § 1906 Abs 2 BGB trägt vor allem dem aus Art 104 Abs 2 GG folgenden Gebot einer richterlichen Entscheidung bei einer freiheitsentziehenden Maßnahme Rechnung und hat insbesondere Bedeutung im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung (Diederichsen in Palandt, BGB, 63. Aufl 2004, § 1906 RdNr 12; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl 2001, § 1904 BGB RdNr 7). Die Genehmigung hat dagegen nicht die Prüfung von kostengünstigeren Behandlungs- und Unterbringungsmöglichkeiten zum Gegenstand. Insofern ist auch der Umstand, dass das Vormundschaftsgericht im Vorfeld der Genehmigung einer Unterbringung nach § 70e Abs 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen hat, im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang, weil das Unterbringungsverfahren nach den §§ 70 ff FGG allein verfahrensrechtliche Garantien im Zusammenhang mit einer Freiheitsentziehung gewährleisten soll.
Entgegen der Auffassung der Revision vermag mithin wegen der unterschiedlichen materiellen Rechtgrundlage eine vom Vormundschaftsgericht genehmigte Unterbringung auf der Grundlage des § 1906 Abs 1 Nr 2 BGB im Verhältnis zwischen Krankenhausträger und Krankenkasse keine Bindungswirkung dahingehend zu entfalten, dass mit der Entscheidung über die Unterbringung eines Versicherten die Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung iS von § 39 SGB V feststeht. Dies gilt aber auch aus verfahrensrechtlichen Gründen, weil die Krankenkasse an dem Verfahren über die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs 2 BGB überhaupt nicht beteiligt ist, sie also ihre Interessen und Rechtsauffassungen weder im Vorfeld der Genehmigung noch durch ein eigenes Rechtsmittel gegen einen Genehmigungsbeschluss gelten machen kann. Eine Bindungs- oder Tatbestandswirkung der Genehmigung ist folglich sowohl aus materiellen als auch aus verfahrensrechtlichen Gründen zu verneinen.
b) Die stationäre Behandlung des Versicherten in dem fraglichen Zeitraum war als notwendig anzusehen, weil konkrete ambulante Behandlungsalternativen nicht vorhanden waren oder nicht ausreichten.
Ein Versicherter hat nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Voraussetzung für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung ist dabei, dass die Krankheit zum einen behandlungsbedürftig ist und dass ihr zum anderen mit den spezifischen Mitteln des Krankenhauses begegnet werden muss, um die Krankheit zu heilen oder zu bessern, eine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu linden (BSGE 47, 83, 85 = SozR 2200 § 216 Nr 2; BSG SozR 2200 § 184 Nr 11, 28). Lässt sich eine erforderliche medizinische Behandlung in ebenso guter Weise auch außerhalb eines Krankenhauses durchführen, so besteht kein Anspruch auf Krankenhausbehandlung. Hierunter fällt neben der Behandlung in der Arztpraxis auch die ärztliche Krankenbehandlung in der Wohnung des Versicherten, ggf in Kombination mit häuslicher Krankenpflege (§ 37 SGB V). Ferner gehört dazu die ärztliche Versorgung und sonstige medizinische Betreuung der Bewohner von Pflegeheimen, von Einrichtungen der Behindertenhilfe und von sonstigen Heimen oder Anstalten. Ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung ist außerdem ausgeschlossen, wenn keine akute medizinische Behandlung einer Krankheit erforderlich, sondern medizinische Rehabilitation (dann ggf Rehabilitationsklinik) oder dauerhafte Pflege (dann ggf Pflegeheim) ausreichend ist. Wenn die Rechtsprechung als besondere Mittel des Krankenhauses eine apparative Mindestausstattung, ein geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit präsenten bzw rufbereiten Arzt herausstellt (vgl BSGE 59, 116, 117 = SozR 2200 § 184 Nr 27; BSG SozR 2200 § 184 Nr 28; BSGE 83, 254, 259 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 109 Nr 9), so wird damit für die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung weder der Einsatz aller dieser Mittel gefordert noch stets als ausreichend angesehen. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommen (BSG SozR 2200 § 184 Nr 28; Höfler in Kasseler Kommentar, SGB V, Stand 8/2002, § 39 RdNr 15). Bei einer psychiatrischen Erkrankung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten in den Hintergrund treten und allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen.
Diese Umschreibung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit reicht zur konkreten Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) nicht aus. Die Entscheidung, ob ein Versicherter wegen einer behandlungsbedürftigen Krankheit in einem Krankenhaus versorgt werden muss, kann ein die Einweisung ins Krankenhaus verordnender niedergelassener Arzt (§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V iVm § 27 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V) oder die Aufnahme ins Krankenhaus anordnender Krankenhausarzt (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) stets nur mit Blick auf die in Betracht kommenden ambulanten Behandlungsalternativen treffen. Dies gilt in gleicher Weise bei der Entscheidung eines Krankenhausarztes, ob ein bereits stationär untergebrachter Patient bei fortdauernder Behandlungsbedürftigkeit weiterhin im Krankenhaus zu behandeln ist oder entlassen werden kann, weil die erforderliche medizinische Versorgung außerhalb des Krankenhauses sichergestellt ist.
Das Erfordernis einer konkreten Betrachtungsweise bedeutet, dass es nicht ausreicht, von theoretisch vorstellbaren, besonders günstigen Sachverhaltskonstellationen auszugehen, die den weiteren Krankenhausaufenthalt entbehrlich erscheinen lassen, sondern dass zu prüfen ist, welche ambulanten Behandlungsalternativen im Einzelfall konkret zur Verfügung stehen, weil nur so die kontinuierliche medizinische Versorgung eines Versicherten gewährleistet werden kann. Die Problematik wird besonders deutlich, wenn ein Patient auf Grund seines körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitszustands einstweilen oder auf Dauer nicht mehr in die eigene Wohnung zurückkehren kann, in der er vor dem Krankenhausaufenthalt gelebt hat. Eine Entlassung aus dem Krankenhaus kommt in solchen Fällen erst in Betracht, wenn geklärt ist, wo der weiterhin behandlungsbedürftige Patient nach der Entlassung - wenn auch möglicherweise zunächst nur vorübergehend - leben bzw wohnen wird und ob dort die notwendige medizinische Versorgung sichergestellt ist. Solange dies nicht geklärt ist, sondern nur theoretische Möglichkeiten im Raum stehen, kann ein Patient nicht aus dem Krankenhaus entlassen werden; die stationäre Behandlung ist dann weiterhin "erforderlich " iS des § 39 Abs 1 SGB V.
Diese konkrete Betrachtungsweise gilt nicht nur für die beteiligten Ärzte und Krankenhäuser, sondern gleichermaßen für die Krankenkassen und den MDK. Auswirkungen hat dies insbesondere bei der Prüfung von Anträgen auf Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung, also bei Erstanträgen zwecks stationärer Aufnahme sowie bei Folgeanträgen nach befristeten Kostenzusagen bzw bei Verlängerung eines Krankenhausaufenthalts. Da die Krankenkasse dem Versicherten die notwendige medizinische Behandlung als Sachleistung schuldet (§ 2 Abs 2, § 27 SGB V) und sie gegenüber dem Versicherten nach § 14 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I) zur Beratung über seine Rechte und Pflichten aus dem Sozialversicherungsverhältnis verpflichtet ist, kann sich die Krankenkasse nicht allein damit entlasten, dass sie auf denkbare ambulante Behandlungsalternativen verweist, solange sie diese nicht in konkreter und nachprüfbarer Weise aufzeigt. Will die Krankenkasse einen Antrag auf (erstmalige oder weitere) Kostenübernahme für eine stationäre Krankenbehandlung ablehnen, besteht also Streit über die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung zwischen dem Versicherten (bzw seinem Betreuer) und den Krankenhausärzten einerseits sowie der Krankenkasse und dem MDK andererseits, hat die Krankenkasse als Ausfluss ihrer Sachleistungs- und Beratungspflicht den Versicherten darüber zu unterrichten, welche konkrete ambulante Behandlungsalternative zur Verfügung steht.
Für den hier interessierenden Fall der beantragten weiteren Kostenübernahme nach befristeter Kostenzusage bei laufender Krankenhausbehandlung des Versicherten bedeutet dies, dass der Versicherte bzw sein Betreuer, der über die Fortdauer der Unterbringung zu entscheiden hat, zu der in Betracht kommenden ambulanten Behandlungsalternative, die konkret und nachprüfbar zu benennen ist, gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) anzuhören ist und dass der dann ggf ergehende ablehnende Verwaltungsakt (§§ 31, 35 SGB X) mit einer Rechtbehelfsbelehrung (§ 36 SGB X) zu versehen ist, selbst wenn über die erstmalige Bewilligung der Krankenhauspflege kein Verwaltungsakt erteilt worden ist, weil der Versicherte dadurch nicht beschwert wird. Nur so ist sichergestellt, dass der Versicherte den Anspruch auf eine von ihm und den beteiligten Ärzten für notwendig erachtete weitere Krankenhausbehandlung in der gebotenen Form verfolgen kann. Es reicht also nicht aus, dass - wie hier - die Krankenkasse lediglich den MDK um ein Gutachten bittet und anschließend das Krankenhaus über die Ablehnung des Antrags auf weitere Kostenübernahme unterrichtet, ohne den Versicherten bzw seinen Betreuer vorher anzuhören, ohne dem Versicherten bzw seinem Betreuer einen Bescheid über die Ablehnung des Antrags zu erteilen und ohne die in den Raum gestellten denkbaren Behandlungsalternativen in der Anhörung sowie im Bescheid (§ 35 SGB X) konkret und nachprüfbar zu bezeichnen.
Entsprechend dazu gilt im Verhältnis zum behandelnden Krankenhausarzt, dass die Krankenkasse ggf auch diesem eine bisher nicht erkannte konkrete Behandlungsalternative aufzuzeigen hat, die ihm eine Einschätzung ermöglicht, ob eine Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus zu verantworten ist. Dies gilt insbesondere bei psychiatrisch zu behandelnden Patienten mit fehlender Krankheitseinsicht und der Gefahr der Selbst- oder Fremdgefährdung. Zu diesem Patientenkreis gehört der hier betroffene Versicherte. Die Entscheidung des Krankenhausarztes, ob ein Psychiatriepatient trotz fortdauernden Behandlungsbedarfs aus dem Krankenhaus entlassen werden kann oder dort weiter behandelt werden muss, stellt eine medizinische Prognose dar und kann verantwortlich nur getroffen werden, wenn die Alternative klar und nachprüfbar benannt ist, auf den vorliegenden Fall bezogen also zB ein freier Platz in einem speziellen Heim für in gleicher Weise psychisch erkrankte Personen mit der erforderlichen medizinischen Betreuung durch Vertragsärzte und Heimpersonal zur Verfügung steht. Die Frage fortdauernder Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist erst zu verneinen, wenn die konkrete Behandlungsalternative als geeignet und ausreichend anzusehen ist, sie insoweit also auch dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der Krankenbehandlung (§ 2 Abs 4, § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 Satz 2 SGB V) entspricht.
Zur Sicherstellung einer sozialen Betreuung und Beratung der Versicherten im Krankenhaus sowie eines nahtlosen Übergangs von der Krankenhausbehandlung zur Rehabilitation oder Pflege hat der Gesetzgeber den Verbänden der Krankenkassen und den Vereinigungen der Krankenhausträger aufgegeben, entsprechende Verträge abzuschließen (§ 112 Abs 2 Satz 1 Nr 4 und 5 SGB V). Dass dieser Auftrag bislang nicht umgesetzt worden ist, gibt den Krankenkassen keinen berechtigten Grund, sich darauf zu beschränken, die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung im Nachhinein aus ihrer Sicht zu beurteilen und bei abweichendem Ergebnis die Bezahlung zu verweigern. Die Prognose des Krankenhausarztes, dass eine weitere psychiatrische Behandlung im Krankenhaus notwendig ist, muss vielmehr von der Krankenkasse hingenommen werden, sofern sie vertretbar ist, weil der Arzt auch die volle strafrechtliche und zivilrechtliche Verantwortung für seine Entscheidung trägt (zur Maßgeblichkeit der Vertretbarkeit der Entscheidung des Krankenhausarztes vgl BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4; BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2). Die Entscheidung des Krankenhausarztes ist daher stets aus seiner vorausschauenden Sicht unter Zugrundelegung der im Entscheidungszeitpunkt bekannten (oder auch nur erkennbaren) Umstände zu beurteilen. Die Prognoseentscheidung, eine Krankenhausbehandlung sei weiterhin notwendig, wäre dann nicht vertretbar, wenn sie zB im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung steht oder medizinische Standards verletzt. Dies ist hier weder vom LSG festgestellt noch von der Beklagten behauptet worden. Da die Beklagte in Übereinstimmung mit dem MDK nur allgemein auf denkbare Behandlungsalternativen hingewiesen hat, diese aber nicht wie etwa normale Pflegeheime weit verbreitet vorhanden sind, war die Beurteilung der Krankenhausärzte zumindest vertretbar, dass wegen Fehlens geeigneter Einrichtungen und der Gefahr der Selbst- und Fremdgefährdung des Versicherten dessen Entlassung aus dem Krankenhaus noch nicht zu verantworten war.
Da nach alledem die Krankenhausbehandlung des Versicherten auch in der Zeit vom 1. Juli bis zum 29. Oktober 1998 schon nach den vom LSG getroffenen, von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen (§ 163 SGG) iS des § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich war, brauchte nicht aufgeklärt zu werden, ob damals eine konkrete ambulante Behandlungsalternative tatsächlich zur Verfügung gestanden hätte. Ebenso konnte die Frage offen bleiben, ob der Kläger seine Einwände gegen die Verwertbarkeit des vom SG eingeholten Sachverständigengutachtens zu Recht erhoben hat.
3) Der mit Zugang der Rechnung vom 28. März 2003 bei der Beklagten fällig gewordene (vgl Art 10 Abs 3 der Pflegesatzvereinbarung für 1998) Vergütungsanspruch beläuft sich auf 24.225,41 €. Er ist ab dem 22. Tag nach Eintritt der Fälligkeit, hier also ab 22. April 2003, in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen (vgl Art 10 Abs 4 der Pflegesatzvereinbarung für 1998).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der hier noch anwendbaren, bis zum 1. Januar 2002 gültigen alten Fassung (vgl § 197a SGG iVm Art 17 Abs 1 Satz 2 6. SGG-ÄndG vom 17. August 2001, BGBl I 2144). Der Umstand, dass der Vergütungsanspruch erst im Laufe des Berufungsverfahrens fällig geworden ist, gab keinen Anlass, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zumindest teilweise von der Erstattungspflicht auszunehmen, weil die Frage der Fälligkeit von den Beteiligten nicht aufgegriffen worden ist und es die Beklagte zudem versäumt hat, den Klageanspruch nach Erhalt der Rechnung sofort anzuerkennen (vgl § 93 Zivilprozessordnung <ZPO>).
Ende der Entscheidung
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