Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: B 3 KR 2/05 R
Rechtsgebiete: AMG, ApoBetrO


Vorschriften:

AMG § 73 Abs 3
ApoBetrO § 18 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 17. März 2005

Az: B 3 KR 2/05 R

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage, die Richter Dr. Hambüchen und Schriever sowie den ehrenamtlichen Richter Gimpel und die ehrenamtliche Richterin Dörr

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Juni 2003 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I

Der Kläger betreibt eine Apotheke in I. /Rheinland-Pfalz. Er versorgte einen am Parkinson-Syndrom leidenden Versicherten der beklagten Krankenkasse (KK) fortlaufend mit dem vertragsärztlich verordneten Fertigarzneimittel Tasmar. Dieses Medikament war seit August 1997 in einem zentralen Zulassungsverfahren der Europäischen Gemeinschaften (EG) nach der Verordnung (EWG) Nr 2309/93 in sämtlichen Mitgliedstaaten der EG zugelassen. Da im Nachhinein über erhebliche Nebenwirkungen des Medikaments berichtet worden war, ordnete die EG-Kommission am 11. Dezember 1998 auf Vorschlag des Ausschusses für Arzneispezialitäten der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (European Medicines Evaluation Agency) das Ruhen der Zulassung an.

Da das Medikament in der Schweiz weiter zugelassen war, bezog es der Kläger ab 1999 von dort. Nachdem die Beklagte anfangs in elf Abrechnungsfällen der Jahre 1999/2000 die Kosten des Medikaments noch übernommen hatte, beanstandete sie die Rezeptabrechnungen der Monate April 2000 bis Januar 2001 in Höhe von insgesamt 3.834,76 DM (1.960,68 €) mit der Begründung, wegen des Ruhens der Zulassung dürfe das Arzneimittel auch nicht mehr importiert und im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden.

Mit der am 11. Juli 2001 erhobenen Zahlungsklage hat der Kläger geltend gemacht, das Medikament sei trotz der Anordnung des Ruhens der Zulassung im Bereich der Europäischen Union (EU) weiterhin importfähig, in Deutschland verkehrsfähig und daher auch zu Lasten der GKV verordnungsfähig. Die Voraussetzungen der sog Apothekeneinfuhr (Importmöglichkeit für einzelne, im Inland nicht zugelassene Arzneimittel) nach § 73 Abs 3 Arzneimittelgesetz (AMG) iVm § 18 Abs 1 Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) seien erfüllt. Das Arzneimittel Tasmar werde in der Schweiz legal vertrieben und sei durch den behandelnden Arzt verordnet worden.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Mai 2002). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 5. Juni 2003). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass § 30 Abs 4 AMG ausdrücklich ein Importverbot für Arzneimittel anordne, deren Zulassung im Inland zurückgenommen, widerrufen oder zum Ruhen gebracht worden sei. Die im Einzelfall bestehende Importerlaubnis der Apotheken für nicht zugelassene Arzneimittel beschränke sich lediglich auf solche Arzneimittel, bei denen eine innerstaatliche Prüfung ihrer Zulassungsfähigkeit noch nicht stattgefunden habe bzw noch nicht abgeschlossen werden konnte. Auf Vertrauensschutz auf Grund der früheren Praxis der Beklagten könne sich der Kläger nicht berufen.

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 73 Abs 3 AMG iVm § 18 Abs 1 ApoBetrO. Die Vorinstanzen hätten zu Unrecht die Voraussetzungen der Apothekeneinfuhr verneint. Die Importerlaubnis für im Ausland zugelassene Arzneimittel beschränke sich nicht auf solche Präparate, die im Inland noch nicht zugelassen seien, sondern beziehe auch diejenigen ein, deren Zulassung zum Ruhen gebracht worden sei.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 5. Juni 2003 und des SG Mainz vom 28. Mai 2002 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm 1.960,68 € nebst 8 % Zinsen aus 1.071,97 € ab 26. Juni 2001, aus 665,42 € ab 15. Oktober 2001 und aus 223,29 € ab 11. Februar 2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.

Im März 2005 hat die EG-Kommission auf Grundlage einer neuen Sicherheitsbewertung mit Änderungen hinsichtlich Indikation und Patientenprofil die Anordnung des Ruhens der Zulassung für das Medikament Tasmar wieder aufgehoben.

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht die streitigen Rezeptabrechnungen beanstandet und die Begleichung der Kosten für das an den Versicherten abgegebene Arzneimittel Tasmar verweigert.

1) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

a) Das LSG hat zu Recht die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bejaht. Voraussetzung für die echte Leistungsklage ist ein Gleichordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten, das gleichzeitig eine (einseitig) hoheitliche Regelung der handelnden Behörde durch Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten - und damit eine Klage nach § 54 Abs 4 SGG - ausschließt (BSGE 66, 159, 161 = SozR 3-2200 § 376d Nr 1). Eine gesetzliche Ermächtigung der KKn zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber den freiberuflich tätigen Apothekern besteht ebenso wenig wie ein Über-/Unterordnungsverhältnis; vielmehr sieht das Gesetz (vgl § 129 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>) eine vertragliche Regelung der Beziehungen zwischen KKn und Apothekern vor (BSGE 77, 194 = SozR 3-2500 § 129 Nr 1). Die Beklagte hat die aus den monatlichen Rezeptabrechnungen ersichtlichen Zahlungsansprüche auch nicht in der Form eines Verwaltungsakts abgelehnt. Die jeweiligen "Taxbeanstandungen" (Schreiben der Rechnungsprüfungsstelle der Beklagten) stellen dem Erklärungswert nach lediglich eine Zahlungsverweigerung dar, nicht aber eine hoheitliche Regelung. Hierfür spricht auch die äußere Form der Schreiben, denn sie sind weder als "Bescheid" bezeichnet, noch enthalten sie eine Rechtsbehelfsbelehrung bezüglich der Möglichkeit des Widerspruchs (§§ 66, 83 SGG). Vielmehr sieht der zwischen dem Verband der Angestellten-Krankenkassen eV (VdAK) und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband eV (AEV) einerseits und dem - für die Landesapothekerverbände handelnden - Deutschen Apothekerverband eV (DAV) andererseits abgeschlossene Arzneilieferungsvertrag (ALV) vom 4. Mai 1995 (idF vom 1. Januar 1999), der nach § 2 auch für den Kläger als Mitglied des Apothekerverbandes Rheinland-Pfalz eV gilt, in § 21 ein "Einspruchsverfahren" vor. Auf dieses Verfahren wird in den "Taxbeanstandungen" auch hingewiesen. Bei Beanstandungen der monatlichen Rezeptabrechnungen hat der Apotheker die Möglichkeit, "Einspruch gegen die Taxdifferenzen" (§ 21 Abs 2 ALV) einzulegen. Das Ergebnis der Einspruchsprüfung ist dann dem Apotheker mitzuteilen (§ 21 Abs 3 ALV). Die Regelung in § 21 ALV enthält ein dem Gleichordnungsverhältnis von Apothekern und KKn entsprechendes "Einspruchsverfahren", nicht aber ein der Überprüfung von Verwaltungsakten dienendes Widerspruchsverfahren. Daran hat sich die Beklagte gehalten. Die "Taxbeanstandungen" sind, wie vorgesehen, nicht in Form eines Verwaltungsakts ergangen, und auch das Ergebnis der Einspruchsprüfung ist jeweils nur als schlichte Mitteilung und nicht als Verwaltungsakt übermittelt worden. Demgemäß ist zu Recht auch nicht die Aufhebung der "Taxbeanstandungen" und der Mitteilungen über die Einspruchsprüfungen in den Klageantrag aufgenommen worden.

b) Eine Beiladung des Versicherten nach § 75 Abs 2 SGG, an den der Kläger das Arzneimittel Tasmar abgegeben hat, war nicht erforderlich, weil die Entscheidung über den erhobenen Zahlungsanspruch nicht so unmittelbar in die Rechtssphäre des Versicherten eingreift, dass sie ihm gegenüber nur einheitlich hätte ergehen können (BSGE 66, 159, 161 = SozR 3-2200 § 376d Nr 1; BSGE 77, 194, 196 = SozR 3-2500 § 129 Nr 1 mwN). Da der Kläger das Medikament an den Versicherten als Sachleistung der KK abgegeben hat (BSGE 77, 194, 199 = SozR 3-2500 § 129 Nr 1), wäre der Versicherte im Falle einer berechtigten Zahlungsverweigerung der Beklagten nur dann selbst zur Zahlung verpflichtet, wenn er dies so mit dem Kläger vereinbart hätte. Für eine solche Vereinbarung finden sich jedoch in den Akten keine Anhaltspunkte. Auch die Beteiligten haben sich nicht auf eine derartige Abrede berufen.

2) Die geltend gemachte Forderung stellt einen Kaufpreisanspruch dar. Die Rechtsgrundlage findet sich in § 433 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) iVm § 129 SGB V sowie den Vorschriften des genannten Arzneilieferungsvertrags vom 4. Mai 1995. Die Regelung des § 433 Abs 2 BGB ist hier allerdings über § 69 Satz 3 SGB V nur in Analogie anwendbar, weil zumindest seit der Neufassung des § 69 SGB V zum 1. Januar 2000 (dazu vgl BSGE 89, 24 = SozR 3-2500 § 69 Nr 1) die Rechtsbeziehungen zwischen Apothekern und KKn ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur sind (§ 69 Satz 1 SGB V). Damit handelt es sich zumindest für die Zeit ab 1. Januar 2000 - und diese ist hier betroffen (Rezeptabrechnungen für die Monate April 2000 bis Januar 2001) - auch bei den Verträgen zwischen KKn und Apothekern, die der Abgabe von vertragsärztlich verordneten Medikamenten an Kassenpatienten zu Grunde liegen, um öffentlich-rechtliche Kaufverträge. Dass insoweit ein Kaufpreisanspruch des Apothekers gegen die im Rezept genannte KK entsteht und grundsätzlich Kaufrecht anzuwenden ist, hat der erkennende Senat bereits zur Rechtslage vor dem Jahre 2000 entschieden (Urteil vom 17. Januar 1996 - 3 RK 26/94 - BSGE 77, 194, 200 = SozR 3-2500 § 129 Nr 1), während der die Rechtsbeziehungen der Apotheken zu den einzelnen KKn aus der Abgabe verordneter Arzneimittel überwiegend als privatrechtlich eingestuft worden waren (vgl dazu Henninger in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1 Krankenversicherungsrecht, 1994, § 44 RdNr 21 bis 25 mwN).

Arzneimittel sind als Bestandteil der Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3, §§ 31 und 34 SGB V) wie diese als Sachleistung zu erbringen. Dementsprechend gehen auch § 129 SGB V und die diversen Arzneilieferungsverträge, die teils länderbezogen, teils aber auch - wie hier - bundesweit abgeschlossen worden sind, davon aus, dass der Versicherte die vom Apotheker unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung erworbenen Arzneimittel auf Kosten seiner KK erhält, dh die KK wird vertraglich zur Zahlung des Preises bzw des Festpreises abzüglich etwaiger vom Versicherten zu tragenden Zuzahlungen oder Verordnungsgebühren verpflichtet. Demgemäß regeln die Verträge die von der KK an den Apotheker zu leistenden Zahlungen. Der Vertragsarzt als "Schlüsselfigur" der Arzneimittelversorgung (vgl BSGE 77, 194, 200 = SozR 3-2500 § 129 Nr 1) verordnet dem Versicherten ein bestimmtes Arzneimittel, welches er bei der diagnostizierten Krankheit als medizinisch notwendig erachtet. Bei Ausstellung dieser Verordnung handelt er kraft der ihm durch das Kassenarztrecht verliehenen Kompetenzen als Vertreter der KK. Der Apotheker, dem das Kaufvertragsangebot der KK mit der Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung angetragen wird, nimmt dieses an, indem er dem Versicherten das Arzneimittel aushändigt.

Ein Kaufvertrag über das Medikament Tasmar ist in den betroffenen Monaten nicht wirksam zu Stande gekommen. Die jeweiligen Kaufvertragsangebote der Beklagten, die durch den Versicherten mit Überreichung der vertragsärztlichen Verordnung dem Kläger übermittelt worden sind, standen - wie generell alle derartigen Angebote - unter dem Vorbehalt bzw der Bedingung der Einhaltung der im Arzneilieferungsvertrag vom 4. Mai 1995 niedergelegten Abgabebestimmungen (§ 4 ALV). Dort heißt es, soweit hier von Interesse:

"(1) Die Abgabe erfolgt auf Grund einer ordnungsgemäß ausgestellten vertragsärztlichen oder vertragszahnärztlichen Verordnung zu Lasten der angegebenen Ersatzkasse. Die Abgabebestimmungen ergeben sich aus den gesetzlichen Regelungen und den weiteren Bestimmungen dieses Vertrages.

...

(4) Die Apotheken sind zur Nachprüfung der Zugehörigkeit des Versicherten zu der auf der Verordnung angegebenen Ersatzkasse nicht verpflichtet, die angegebene Ersatzkasse ist zur Zahlung verpflichtet. Sie sind ferner grundsätzlich nicht zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit des verordneten Mittels verpflichtet. Verordnet der Arzt ein Fertigarzneimittel, das nach § 34 Abs. 3 SGB V von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen und in der Übersicht nach § 93 Abs. 1 SGB V enthalten ist, darf das Arzneimittel zu Lasten der Ersatzkasse nur abgegeben werden, wenn der Apotheker den Arzt zuvor über den Verordnungsausschluss informiert hat, der Arzt auf der Abgabe besteht und der Apotheker dies auf dem Verordnungsblatt vermerkt."

Zu den in § 4 Abs 1 Satz 2 ALV erwähnten "gesetzlichen Regelungen" gehören insbesondere die Bestimmungen des Arzneimittelrechts, die ua im AMG normiert sind. Ist danach ein verordnetes Arzneimittel mangels wirksamer Zulassung nicht verkehrsfähig, darf es der Apotheker weder an einen Versicherten abgeben noch zwecks späterer Abgabe importieren (§§ 21 ff, 30 AMG). Da die Kaufvertragsangebote der KKn stets unter der Bedingung bzw dem Vorbehalt stehen, dass das Arzneimittel verkehrsfähig ist (und die Vertretungsbefugnis des Vertragsarztes auch hierauf beschränkt ist), kommt es mangels wirksamen Kaufvertragsangebots nicht zum Vertragsschluss, wenn der Apotheker ein nicht verkehrsfähiges Arzneimittel dem Versicherten übergibt. Ein solcher Fall lag hier vor. Das Medikament Tasmar war in dem hier betroffenen Zeitraum 2000/2001 in Deutschland nicht verkehrsfähig.

Nach § 4 Abs 17 AMG ist die Abgabe an andere Personen eine Form des Inverkehrbringens von Arzneimitteln. Fertigarzneimittel, die Arzneimittel iS des § 2 Abs 1 oder Abs 2 Nr 1 AMG sind, dürfen indes gemäß § 21 Abs 1 Satz 1 AMG in Deutschland nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder für sie die EG-Kommission oder der Rat der EU eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Art 3 Abs 1 oder 2 der Verordnung (EWG) Nr 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl EG Nr L 214 S 1) erteilt hat. Ein Verkehrsverbot besteht für zulassungsbedürftige Fertigarzneimittel, deren Zulassung zurückgenommen bzw widerrufen worden ist oder - was hier allein von Bedeutung ist - deren Zulassung ruht (§ 30 Abs 4 Satz 1 Nr 1 AMG). Das Verkehrsverbot gilt unabhängig davon, ob das Ruhen durch die zuständige nationale Behörde oder die nach Gemeinschaftsrecht maßgebende Stelle angeordnet worden ist. Arzneimittel, deren Zulassung ruht, dürfen zudem nicht in den Geltungsbereich des AMG verbracht, dh importiert werden (§ 30 Abs 4 Satz 1 Nr 2 AMG).

Danach durfte der Kläger das Arzneimittel Tasmar weder aus der Schweiz importieren noch an den Versicherten abgeben. Das Arzneimittel Tasmar ist dazu bestimmt, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs 1 Nr 1 AMG). Da es im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht wird (§ 4 Abs 1 AMG), handelt es sich um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel iS des § 21 Abs 1 Satz 1 AMG. Die ursprünglich nach Gemeinschaftsrecht erteilte Zulassung ruhte in der Zeit vom 11. Dezember 1998 bis Anfang März 2005 in Folge einer für sämtliche Mitgliedstaaten der EG und damit auch für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Anordnung der EG-Kommission, sodass im Zeitpunkt der ärztlichen Verordnung und der Abgabe des Medikaments ein Verkehrsverbot bestand. Das mit § 30 Abs 4 Satz 1 Nr 1 AMG nicht in Einklang stehende Inverkehrbringen durch den Kläger steht der Zahlungspflicht der Beklagten entgegen.

Die Ansicht des Klägers, er habe das Arzneimittel nach § 73 Abs 3 AMG aus der Schweiz importieren und daher auch abgeben dürfen, ist nicht zu teilen. Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen, dürfen nach § 73 Abs 1 Satz 1 AMG in der hier maßgebenden Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des AMG vom 26. Juli 1999 (BGBl I S 1666) in die Bundesrepublik Deutschland - ausgenommen in andere Zollfreigebiete als die Insel Helgoland - nur verbracht werden, wenn sie zum Verkehr im Inland zugelassen oder registriert oder von der Zulassung oder Registrierung freigestellt sind. Dieses Verbringungsverbot wird ausnahmsweise durch § 73 Abs 3 Satz 1 AMG für den Fall durchbrochen, dass hier nicht zugelassene Fertigarzneimittel in dem Staat in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie von Apotheken bestellt in das Inland verbracht werden.

Das Verhältnis von § 30 Abs 4 Nr 2 AMG zu § 73 Abs 3 AMG ist dadurch gekennzeichnet, dass sich - entgegen der Ansicht des Klägers - überhaupt keine Überschneidung oder Kollision beider Regelungen ergibt.

Dem allgemeinen Zweck des AMG, die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel sicherzustellen (§ 1 AMG), dient ua die Regelung des § 21 AMG, nach der Arzneimittel grundsätzlich nur in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie zugelassen sind. Demgemäß dürfen sie - wie ausgeführt - nicht mehr in den Verkehr gebracht und auch nicht mehr importiert werden, wenn die Zulassung wegen Fehlens einer der Voraussetzungen des § 1 AMG zurückgenommen bzw widerrufen ist oder wenn die Zulassung wegen vermuteten Fehlens einer der Voraussetzungen des § 1 AMG ruht (§ 30 Abs 4 AMG).

Daneben gibt es den Fall, dass ein Medikament zwar im Ausland zugelassen ist, nicht aber in Deutschland oder in der EU, dies aber nicht auf einer abgelehnten, entzogenen oder ruhenden Zulassung beruht, sondern darauf, dass die Zulassung in der EU oder in Deutschland nicht beantragt oder das Zulassungsverfahren noch nicht beendet worden ist. Soll ein solches Medikament importiert werden, greift die Ausnahmeregelung des § 73 Abs 3 AMG ein. Diese bezieht sich schon nach ihrem Wortlaut ausdrücklich nur auf § 73 Abs 1 AMG (Erlaubnis des Imports nur für hier zugelassene Medikamente), nicht aber auf § 30 Abs 4 AMG (Verbot des Imports hier nicht mehr zugelassener Medikamente), lässt also nur Raum für den Import bereits im Ausland zugelassener, im Inland mangels Durchführung bzw Abschluss eines Zulassungsverfahrens noch nicht zugelassener Medikamente. Es darf also bei § 73 Abs 3 AMG keine negative Zulassungsentscheidung (Rücknahme, Widerruf, Ruhen der Zulassung) vorliegen; ist diese vorhanden, bleibt es beim allgemeinen Importverbot nach § 30 Abs 4 AMG. Nur diese Regelung trägt den nach innerstaatlichem Maßstab zu beurteilenden Sicherheitsanforderungen Rechnung. Das in § 73 Abs 1 Satz 1 AMG normierte Verbringungsverbot soll sicherstellen, dass in Deutschland auch nur dort zugelassene Fertigarzneimittel in den Verkehr gelangen. Die Vorschrift entspricht der Zulassungspflicht in § 21 Abs 1 Satz 1 AMG für inländische Arzneimittel und dient dem Zweck, grundsätzlich bereits die Einfuhr von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln zu verhindern (BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - I ZR 34/01 - BGHZ 151, 286, 297). Die Ausnahmeregelung des § 73 Abs 3 Satz 1 AMG zielt nicht darauf ab, einem Apotheker bei jedem nicht zugelassenen Arzneimittel eine Einzeleinfuhr zu ermöglichen. Ansonsten könnte - worauf die Vorinstanzen bereits zutreffend hingewiesen haben - das für nicht zugelassene Arzneimittel bestehende Verkehrs- und Verbringungsverbot über den Weg der Apothekeneinfuhr umgangen werden mit der Folge, dass die arzneimittelrechtliche Zulassungspflicht ins Leere ginge. Die Apotheken sollen vielmehr nur unter bestimmten Voraussetzungen vorläufig nicht gehindert sein, Arzneimittel einzuführen, über deren inländische Zulassung noch nicht entschieden ist. Die ausländische Zulassung insbesondere in einem Staat mit vergleichbarem medizinischen Versorgungsniveau wird solange als hinreichende Gewähr für die Arzneimittelsicherheit in Einzelfällen angesehen, wie die innerstaatlichen oder EG-Behörden noch keine eigene Prüfung vornehmen konnten. Das gilt folglich nicht mehr, sobald die Zulassung für das Inland versagt, entzogen oder nachträglich deren Ruhen angeordnet wurde (so auch Kloesel/Cyran, AMG, Bd II, § 30 Anm 25 zu Abs 4).

Fehl geht demgemäß auch der Hinweis des Klägers auf § 73 Abs 4 AMG, der ua auf Arzneimittelimporte nach § 73 Abs 3 AMG Bezug nimmt und dafür nur bestimmte Vorschriften des AMG, zu denen § 30 AMG gerade nicht gehört, für anwendbar erklärt. § 73 Abs 4 AMG setzt die Importmöglichkeit eines Arzneimittels nach § 73 Abs 3 AMG voraus, an der es hier - wie ausgeführt - fehlt, normiert aber selbst keine Voraussetzungen für die Importfähigkeit von Arzneimitteln iS des § 73 Abs 3 AMG.

Zu Unrecht verweist der Kläger auf die formal ordnungsgemäße vertragsärztliche Verordnung des Medikaments. Die Regelung des § 4 Abs 4 Satz 2 ALV, nach der die Apotheker grundsätzlich nicht zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit eines verordneten Arzneimittels verpflichtet sind, bezieht sich weder vom Wortlaut noch vom Regelungszweck her auf die Verkehrsfähigkeit (§ 30 Abs 4 Satz 1 Nr 1 AMG) und auf die Importfähigkeit (§ 30 Abs 4 Satz 1 Nr 2 AMG). Diese Prüfungen gehören zum originären Aufgabengebiet der Apotheker. Dies gilt sowohl, wenn der Apotheker selbst als Importeur auftritt, als auch wenn er das Medikament über eine Import-Apotheke bezieht.

Nach allem kommt es nicht auf die Frage an, ob ein nach § 73 Abs 3 AMG rechtmäßig importiertes bestimmtes Medikament mit lediglich ausländischer Zulassung überhaupt von der Leistungspflicht der GKV erfasst wird (vgl dazu Urteil des 1. Senats des Bundessozialgerichts <BSG> - B 1 KR 21/02 R - vom 18. Mai 2004, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

3) Auch der Einwand des Klägers, die Beklagte habe die Kosten des Arzneimittels Tasmar anfänglich übernommen, sodass er Vertrauensschutz genieße, und im Übrigen zunächst von den Vertragsmaßnahmen des § 6 ALV (Verwarnung, Vertragsstrafe) Gebrauch machen müssen, vermag deren Leistungspflicht nicht zu begründen. Aus einer zu Unrecht gewährten Vergütung für gleichartige Leistungen in der Vergangenheit lässt sich ein Zahlungsanspruch für spätere Leistungen dieser Art nicht herleiten. Dass die Beklagte im Falle einer gegen § 4 ALV iVm § 30 Abs 4 AMG verstoßenden, also rechtswidrigen Arzneimittelabgabe gehalten wäre, den betroffenen Apotheker vor einer Retaxierung zunächst zu verwarnen, ist der vertraglichen Vereinbarung nicht zu entnehmen und ließe außer Acht, dass ein Zahlungsanspruch nicht wirksam entstanden ist.

4) Der Kläger kann von der Beklagten eine Vergütung des Medikaments auch nicht aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten, etwa auf Grund entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff, 818 Abs 2 BGB iVm § 69 Satz 3 SGB V), beanspruchen. Dem steht entgegen, dass die Leistungen unter Verstoß gegen arzneimittelrechtliche Bestimmungen erbracht worden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zum Vertragsarztrecht und zum Leistungsrecht der GKV haben Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für diese Art der Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Vertragsarzt, dem Apotheker oder dem sonstigen Leistungserbringer für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden und - wie hier - für den Versicherten geeignet und nützlich sind (zum Vertragsarztrecht: BSG Urteil vom 4. Mai 1994, BSGE 74, 154, 158 = SozR 3-2500 § 85 Nr 6 S 35 f, mwN aus der älteren Rechtsprechung; Urteil vom 10. Mai 1995 - 6/14a RKa 3/93 - USK 95122; Urteil vom 10. Mai 1995, SozR 3-5525 § 32 Nr 1 S 3 f; Urteil vom 21. Juni 1995, BSGE 76, 153, 155 f = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 f; Urteil vom 13. November 1996, BSGE 79, 239, 249 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 14 S 57 f; Urteil vom 18. Dezember 1996, BSGE 80, 1, 3 f = SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 8 f; Urteil vom 28. Januar 1998 = SozR 3-1500 § 97 Nr 3 S 7; Urteil vom 26. Januar 2000 - B 6 KA 59/98 R - USK 2000-97; Urteil vom 8. September 2004 - B 6 KA 14/03 R - für SozR vorgesehen; zum Leistungsrecht: BSG Urteil vom 28. März 2000, BSGE 86, 66, 76 = SozR 3-2500 § 13 Nr 21 S 97 f). Denn die Bestimmungen des Leistungserbringungsrechts über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung könnten ihre Steuerungsfunktion nicht erfüllen, wenn der Vertragsarzt, der mit ihm zusammenarbeitende nichtärztliche Leistungserbringer oder der Apotheker die rechtswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Ergebnis dennoch vergütet bekäme (so schon BSGE 74, 154, 158 = SozR 3-2500 § 85 Nr 6 S 35 f). Dieser Rechtsprechung des 6. Senats des BSG stimmt der erkennende Senat zu. Ihr steht das Urteil des erkennenden Senats vom 4. März 2004 - B 3 KR 4/03 R - (BSGE 92, 223 = SozR 4-2500 § 39 Nr 1) nicht entgegen. In jenem Verfahren, in dem die KK einen Anspruch des Krankenhauses in Höhe der Kosten für eine ambulante Operation anerkannt hatte, ist ein Bereicherungsanspruch des Krankenhausträgers bejaht - und zudem von der KK anerkannt - worden, weil lediglich die Art und Höhe der Abrechnung der Leistung, nicht aber die grundsätzliche Berechtigung zur Abrechnung streitig war. Es ging nur darum, ob die erbrachte Krankenhausleistung als stationäre Behandlung nach § 109 SGB V einzustufen und deshalb pflegesatzrechtlich zu vergüten oder als ambulante Operation nach § 115b SGB V anzusehen war. Das Krankenhaus hatte sich nicht außerhalb des krankenhausrechtlichen Leistungssystems der GKV gestellt, weil es ambulante Operationen grundsätzlich erbringen durfte und von dem Krankenhausbetreiber lediglich versäumt worden war, die zur Teilnahme am Programm des ambulanten Operierens im Krankenhaus nach § 115b Abs 2 Satz 2 SGB V erforderliche Mitteilung an die Kassenverbände zu machen; die ambulanten Operationen waren bis dahin als stationäre Leistungen vergütet worden. Es handelte sich lediglich um einen Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift, die nicht der Sicherstellung der Qualität der Leistungserbringung dient.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24).

Ende der Entscheidung

Zurück