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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 12.05.2005
Aktenzeichen: B 3 KR 30/04 R
Rechtsgebiete: SGB V


Vorschriften:

SGB V § 275 Abs 1 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 12. Mai 2005

Az: B 3 KR 30/04 R

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage, die Richter Dr. Hambüchen und Schriever sowie die ehrenamtlichen Richter Harms und Hohenstein

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 713,45 Euro festgesetzt.

Gründe:

I

Streitig sind Restkosten einer stationären Behandlung für die Zeit vom 30. November bis 2. Dezember 2000 in Höhe von 713,45 Euro. Der 1930 geborene, bei der beklagten Krankenkasse versicherte F. wurde vom 26. Oktober bis 30. November 2000 im St. A. -Hospital G. wegen eines Hüftgelenkverschleißes behandelt. und mit einer Hüftgelenk-Totalendoprothese versorgt. Am 30. November 2000 wurde der Versicherte in die geriatrische Abteilung des L. -Krankenhauses G. verlegt, dessen Träger die Klägerin ist. Die Klägerin beantragte am 1. Dezember 2000 die Kostenübernahme durch die Beklagte, wobei als Aufnahmediagnosen "Delir bei Demenz, Harnwegsinfektion und primäre Coxarthrose beidseitig" angegeben wurden. Die Beklagte erteilte unter dem 4. Dezember 2000 eine unbefristete Kostenzusage ab Aufnahmedatum. Der Versicherte wurde am 19. Dezember 2000 mit der Diagnose "Delir bei Demenz" entlassen. Mit Rechnung vom 4. Januar 2001 stellte die Klägerin der Beklagten tagesgleiche Pflegesätze für die Zeit vom 30. November bis 19. Dezember 2000 in Höhe von 8.837,47 DM in Rechnung. Die Beklagte bezahlte aber nur einen Betrag von 7.442,08 DM, weil sie die Auffassung vertrat, dass tagesgleiche Pflegesätze erst nach Ablauf der Grenzverweildauern der einschlägigen Fallpauschalen (FP) 17.061 und 17.062 der Anlage 1 zur Bundespflegesatzverordnung (BPfLV) idF der 5. Änderungsverordnung vom 9. Dezember 1997 (BGBl I 2874) abgerechnet werden könnten. Das St. A. -Hospital habe diese FP mit einer Gesamtgrenzverweildauer von 39 Tagen abgerechnet, sodass Pflegesätze erst ab dem 3. Dezember 2000 berechnet werden könnten. Die Klägerin müsse sich die Abrechnung von FP entgegenhalten lassen, weil es sich um einen einheitlichen Behandlungsfall gehandelt habe und nach den der Beklagten bekannten großen Zahl von Verlegungen zwischen dem St. A. -Hospital und dem Krankenhaus der Klägerin davon auszugehen sei, dass eine regelmäßige Zusammenarbeit stattfinde.

Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, es habe sich nicht um einen einheitlichen, sondern um einen eigenständigen Behandlungsfall gehandelt, weil der Versicherte vorrangig wegen eines geriatrischen Krankheitsbildes und nicht wegen der Folgen der Hüftoperation behandelt worden sei. Das Sozialgericht (SG) hat ua über die Frage, ob die Gesundheitsstörungen des Versicherten nach dem Aufenthalt im St. A. -Hospital eine weitere stationäre Behandlung erforderlich machten, insbesondere, ob es sich zusammen mit dem vorangegangenen Aufenthalt im St. A. -Hospital um einen einheitlichen Behandlungsfall gehandelt habe, ein Aktengutachten des ärztlichen Direktors des St. R. -Hospitals T. Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie, Prof. Dr. Sch. eingeholt. Es hat daraufhin mit Gerichtsbescheid vom 10. Oktober 2003 die Klage wegen fehlender Notwendigkeit der Behandlung abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 6. Mai 2004 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte nach den Landesverträgen nicht verpflichtet sei, allein wegen Vorliegens einer formal ordnungsgemäßen Rechnung die Krankenhausbehandlung zu bezahlen. Auch die unbefristete Kostenübernahmeerklärung schließe die Einwendung der Beklagten nicht aus, die im Kostenübernahmeantrag genannte Diagnose "Delir bei Demenz" habe die durchgeführte Krankenhausbehandlung nicht gerechtfertigt. Es sei auch unerheblich, dass die Beklagte die Erforderlichkeit der stationären Behandlung zunächst nicht angezweifelt und nur die Art der Abrechnung beanstandet habe. Auch die Tatsache, dass die Beklagte nicht den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) eingeschaltet habe, hindere sie nicht daran, sich nach einer im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Beweisaufnahme auf die fehlende Notwendigkeit der stationären Behandlung zu berufen. Nach dem erstinstanzlichen Gutachten stehe fest, dass die stationäre Behandlung des Versicherten in der geriatrischen Abteilung des Krankenhauses der Klägerin nicht erforderlich war. Dabei sei nur auf die Behandlung der Verwirrtheitszustände abzustellen, da die Klägerin selbst die Notwendigkeit der Behandlung mit diesem Krankheitsbild begründet und nicht auf die Folgen der Hüftoperation abgestellt habe. Deshalb habe auch der Entlassungsbericht des klägerischen Krankenhauses, in dem davon die Rede sei, der Versicherte sei zur Mobilisation nach Hüftgelenks-Totalendoprothese-Implantation überwiesen worden, keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen gegeben. Auch könne dahinstehen, ob die Entscheidung des behandelnden Krankenhausarztes den Beweis für die Notwendigkeit einer stationären Behandlung erbringe und die Zahlungspflicht der Krankenkasse nur entfalle, wenn sich die Entscheidung des Krankenhausarztes als unvertretbar erweise, wie es das Bundessozialgericht (BSG) vertrete. Der Sachverständige habe überzeugend festgestellt, dass bei dem Versicherten nicht zu erwarten gewesen sei, angesichts seiner seit Jahren bekannten demenziellen Entwicklung postoperativ einen besseren mentalen Zustand als präoperativ zu erreichen, sodass die fehlende Notwendigkeit der stationären Behandlung des Versicherten in einer geriatrischen Abteilung hier feststehe.

Dagegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin. Sie rügt eine Verletzung von § 275 Abs 1 Nr 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), weil die Beklagte verpflichtet gewesen sei, nach Erhalt der formal ordnungsgemäßen Endabrechnung den dort ausgewiesenen Betrag vollständig zu bezahlen. Die Beklagte sei auch wegen ihrer Kostenzusage verpflichtet, den geltend gemachten Betrag zu bezahlen, weil sie sich bereits bei Eingang des Kostenübernahmeantrags im Hinblick auf die Diagnose "Delir bei Demenz" bewusst gewesen sein musste, dass es sich nicht um einen einheitlichen Behandlungsfall handeln konnte. Wenn sie gleichwohl in Kenntnis dieser Tatsache eine Kostenzusage erteile, könne sie nicht mehr geltend machen, es habe sich lediglich um eine Weiterbehandlung im Anschluss an die FP 17.061 gehandelt. Die Beklagte könne sich auf die fehlende Notwendigkeit der stationären Behandlung schon deshalb nicht berufen, weil sie es versäumt habe, frühzeitig den MDK einzuschalten. Dies sei erforderlich gewesen, weil medizinische Aspekte im Vordergrund gestanden hätten und die Überprüfung der Abrechnung des medizinischen Sachverstandes bedurfte habe. Auch wenn keine ausdrücklichen Regelungen in den Landesverträgen bestünden, seien die Krankenkassen verpflichtet, vor einer ablehnenden Leistungsentscheidung stets den MDK zur Begutachtung heranzuziehen. Wenn die frühzeitige medizinische Aufklärung des Sachverhaltes durch den MDK versäumt werde, könne es nicht Aufgabe der Gerichte sein, dieses Versäumnis nachzuholen. Das SG sei deshalb nicht verpflichtet gewesen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, und hätte das Ergebnis der Beweiserhebung nicht zu Lasten der Klägerin verwerten dürfen. Dasselbe gelte für die Auswertung des Sachverständigengutachtens durch das LSG.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2004 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 10. Oktober 2003 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 713,45 Euro nebst zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Januar 2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Soweit sich die Revision gegen die Auslegung der landesrechtlichen Verträge durch das LSG wende, sei kein Bundesrecht verletzt. Auch im Übrigen sei eine Verletzung von Bundesrecht nicht ersichtlich. Dass das LSG sich auf ein gerichtliches Sachverständigengutachten gestützt habe, sei nicht zu beanstanden. Dem Tatsachenrichter müsse die Möglichkeit zugestanden werden, die Vertretbarkeit der Einschätzung des Krankenhausarztes und den Umfang des durch die Kostenzusage begründeten Einwendungsausschlusses zu überprüfen.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Entscheidungsgründe des LSG verletzen zwar Bundesrecht, jedoch stellt sich die Entscheidung aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar, sodass die Revision zurückzuweisen ist (§ 170 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

Die Entscheidungsgründe des LSG verletzen Bundesrecht, soweit es angenommen hat, dass auf Grund des eingeholten erstinstanzlichen Sachverständigengutachtens die fehlende Notwendigkeit der stationären Behandlung in der geriatrischen Abteilung des Krankenhauses der Klägerin feststehe und damit ungeachtet der zunächst in den Vordergrund gestellten Abrechnungsfrage die Klage abzuweisen sei. Zwar war es dem LSG nicht verwehrt, sich zur Frage der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung auf ein im Rahmen der Sachaufklärung von Amts wegen eingeholtes gerichtliches Gutachten zu stützen, obwohl zuvor ein Gutachten des MDK von der Beklagten nicht eingeholt worden war. Dabei kann offen bleiben, was zu gelten hätte, wenn der Beklagten vorzuwerfen wäre, entgegen einer vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung auf die Einholung eines solchen Gutachtens verzichtet und dadurch eine Aufklärung des medizinischen Sachverhalts zu einem möglichst frühen Zeitpunkt vereitelt zu haben (vgl dazu BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2). Ein solches Fehlverhalten ist der Beklagten nämlich nicht vorzuwerfen. Die Frage, ob im vorliegenden Fall die Weiterbehandlung des Versicherten im Krankenhaus der Klägerin über die Vergütungsregelung für FP abzurechnen ist oder ob es sich um einen selbstständigen Behandlungsfall handelt, ist eine Rechtsfrage, deren Beantwortung der Einschaltung medizinischen Sachverstands nicht bedurft hätte. Bei der Kostenzusage konnte die Beklagte weder die Notwendigkeit der stationären Behandlung anzweifeln noch erkennen, dass es sich um einen Verlegungsfall handelte. Zu diesem Zeitpunkt gab es keinen Anlass zur Einschaltung des MDK. Als die Beklagte nach Vorliegen der beiden Krankenhausabrechnungen erkennen konnte, dass der Versicherte nahtlos von einem Krankenhaus ins andere verlegt worden war und das erstbehandelnde Krankenhaus die FP für die Implantation einer Hüftgelenks-Totalendoprothese und deren Weiterbehandlung im Anschluss an die Wundheilung abrechnete, musste für sie auf der Hand liegen, dass es sich im Krankenhaus der Klägerin um eine Weiterbehandlung der Operationsfolgen oder von Erkrankungen handelte, die während des vorangegangenen stationären Aufenthaltes aufgetreten und stationär behandlungsbedürftig waren. Dass in der Entlassungsanzeige des St. A. -Hospitals die Diagnose "Delir bei Demenz" nicht erwähnt wird, während sie in der Aufnahmeanzeige des klägerischen Krankenhauses an erster Stelle aufgeführt ist, schließt nicht aus, dass diese Erkrankung bereits im St. A. -Hospital aufgetreten ist und der Grund für die Verlegung war. Demzufolge hat die Beklagte auch zu Recht davon abgesehen, zumindest zu diesem Zeitpunkt den MDK einzuschalten, weil die Überprüfung der Krankenhausabrechnungen auf ihre vergütungsrechtliche Richtigkeit ohne Hinzuziehung medizinischen Sachverstands möglich war. Diesbezügliche Einwendungen der Beklagten gegen die Richtigkeit der Abrechnung sind somit weder durch die vorbehaltslose Kostenübernahmeerklärung (vgl dazu BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1) noch durch die unterlassene Hinzuziehung des MDK ausgeschlossen.

Unabhängig davon, dass die Beklagte zunächst nur die vergütungsrechtliche Richtigkeit der Abrechnung bestritten hatte, haben sowohl SG als auch LSG den Anspruch der Klägerin auf Bezahlung der Krankenhausbehandlung mit der Begründung verneint, dass sie nicht notwendig gewesen sei. Allerdings besteht ein Anspruch auf Vergütung einer stationären Behandlung nur, soweit sie medizinisch notwendig gewesen ist. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Ein Versicherter hat nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Lässt sich eine erforderliche medizinische Behandlung in ebenso guter Weise auch außerhalb eines Krankenhauses durchführen, so besteht kein Anspruch auf Krankenhausbehandlung. Hierunter fällt neben der Behandlung in der Arztpraxis auch die ärztliche Krankenbehandlung in der Wohnung des Versicherten, ggf in Kombination mit häuslicher Krankenpflege (§ 37 SGB V), ferner die ärztliche Versorgung in Pflegeheimen, Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in sonstigen Heimen oder Anstalten (BSGE 92, 300, 305 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2 RdNr 16).

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte sich trotz fehlender Einholung eines Gutachtens des MDK noch im gerichtlichen Verfahren auf die fehlende Notwendigkeit der Behandlung berufen durfte und die Gerichte gezwungen gewesen wären, insoweit den Sachverhalt durch Einholung eines gerichtlichen Gutachtens aufzuklären. Denn das SG hat bereits ohne einen entsprechenden Sachvortrag der Beklagten ein solches Gutachten eingeholt und ausgewertet. Daran war es jedenfalls rechtlich nicht gehindert; ein Beweisverwertungsverbot bestand insoweit nicht. Dementsprechend war auch das LSG als Berufungsgericht nicht gehindert, das eingeholte Gutachten zu verwerten und eigenständig zu würdigen.

Indessen durfte es mit der gegebenen Begründung die Erforderlichkeit der Behandlung in der geriatrischen Abteilung des klägerischen Krankenhauses nicht verneinen. Das LSG hat sich wie das SG auf die Aussage des Sachverständigen gestützt, aus seiner Sicht bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Inanspruchnahme einer geronto-psychiatrischen Spezialabteilung. Notwendig iS von § 39 SGB V ist eine Krankenhausbehandlung nicht erst dann, wenn sie aus rückblickender Betrachtung zur Behandlung der vorliegenden Erkrankungen unverzichtbar war. Die Krankenkassen können sich nicht darauf beschränken, die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung im Nachhinein aus ihrer Sicht zu beurteilen und bei abweichendem Ergebnis die Bezahlung zu verweigern. Notwendig ist eine Krankenhausbehandlung vielmehr stets dann, wenn sie aus der vorausschauenden Sicht des Krankenhausarztes unter Zugrundelegung der im Entscheidungszeitpunkt bekannten oder erkennbaren Umstände vertretbar ist, dh nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztliche Erfahrung steht oder medizinische Standards verletzt (st Rspr vgl BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4; BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2; BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2). Stehen mehrere Behandlungsalternativen zur Verfügung, so ist dem entscheidenden Krankenhausarzt auch ein therapeutischer Spielraum einzuräumen, sofern nicht eine bestimmte Behandlungsmethode unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eindeutig den Vorzug verdient. Im Zweifel bleibt die Entscheidung des behandelnden Krankenhausarztes maßgebend, weil er die zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortung für sein Handeln zu tragen hat (so genannte Einschätzungsprärogative; die Bezeichnung als Anscheinsbeweis in BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 ist missverständlich).

Unter diesen Umständen konnte die Notwendigkeit der von der Klägerin durchgeführten Krankenhausbehandlung nicht mit der Begründung verneint werden, die Weiterbehandlung auf der orthopädischen Abteilung des vorbehandelnden Krankenhauses hätte ausgereicht, weil der postoperative Verwirrtheitszustand des Versicherten keinen erheblichen Schweregrad aufgewiesen habe. Es kam vielmehr allein darauf an, ob die Entscheidung der Ärzte des vorbehandelnden Krankenhauses wie auch des klägerischen Krankenhauses vertretbar war, den Versicherten in einer Spezialabteilung für altersgebrechtliche Patienten weiter zu behandeln, zumal wenn dadurch keine höheren Kosten entstehen als bei einer Weiterbehandlung im ersten Krankenhaus (vgl dazu unten). Diese Fragestellung ist an den Gutachter nicht herangetragen worden. Er hat sich vielmehr auf seine Sicht der Dinge aus einem erheblichen Zeitabstand heraus und allein auf Grund der Behandlungsunterlagen beschränkt. Dies reicht nicht aus, um die Vertretbarkeit der Entscheidung der Krankenhausärzte in der konkreten Behandlungssituation in Frage zu stellen. Ein Widerspruch dieser therapeutischen Entscheidung zur allgemeinen ärztlichen Erfahrung oder eine Verletzung medizinischer Standards lässt sich dem Gutachten nicht entnehmen. Der Gutachter hat vielmehr selbst darauf hingewiesen, dass bei älteren Patienten, die sich einer so eingreifenden Operation unterziehen müssen, häufig mit dem Auftreten oder mit der Verstärkung von Verwirrtheitszuständen zu rechnen sei. Diese könnten auch die Notwendigkeit einer Behandlung in einer geronto-psychiatrischen Spezialabteilung begründen. Diese gutachterliche Äußerung steht in Übereinstimmung mit dem FP-Katalog, der sogar eine besondere FP für den Fall einer Versorgung mit einer Hüftendoprothese nach Schenkelhalsfraktur und anschließender Verlegung in eine akut-geriatrische Krankenhausabteilung vorsieht (FP 17.013). Diese FP trägt der Erfahrung Rechnung, dass es sich bei Patienten mit Schenkelhalsfrakturen häufig um altersverwirrte Personen handelt, die einer Nachbehandlung in einer akut-geriatrischen Krankenhausabteilung bedürfen. Der Versicherte war im Behandlungszeitraum bereits 70 Jahre alt und wegen einer früheren traumatischen Hirnschädigung geistig verwirrt. Insofern war er sowohl hinsichtlich seines mentalen Zustandes als auch der Art der durchgeführten Operation mit einer typischen altersverwirrten Person nach Schenkelhalsbruch vergleichbar. Dies spricht auch ohne Vorliegen einer sachkundigen medizinischen Äußerung bereits für die Vertretbarkeit der Behandlung des Versicherten in der geriatrischen Spezialabteilung. Jedenfalls durfte das LSG die Frage der Vertretbarkeit der Behandlung nicht offen lassen mit der Begründung, sie sei nicht notwendig gewesen, wobei die Entscheidungsgründe nicht einmal eindeutig erkennen lassen, ob das LSG bereits eine ambulante Weiterbehandlung als ausreichend angesehen hat.

Wegen der unterbliebenen Feststellungen zur Vertretbarkeit der Behandlung war der Rechtsstreit aber nicht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, weil die Klage auch bei Bejahen der Notwendigkeit der Behandlung abzuweisen ist. Denn wenn die Weiterbehandlung wegen des nach der Operation des Versicherten aufgetretenen oder verstärkten Verwirrtheitszustands notwendig war, wird der streitige Behandlungszeitraum durch die FP 17.061 und 17.062 abgedeckt, da deren Grenzverweildauern zusammengerechnet noch nicht abgelaufen waren. Die Klägerin muss sich als nachbehandelnder Krankenhausträger, der mit dem vorbehandelnden Krankenhaus zusammenarbeitet, nach Maßgabe des § 14 Abs 5 Satz 3 BPflV die FP teilen, sodass sie keine weitere Vergütung von der Beklagten verlangen kann.

Bei der Hüftoperation und ihrer Weiterbehandlung hat es sich um die Hauptleistung des Krankenhauses gehandelt (§ 14 Abs 4 Satz 1 BPflV). Die Hauptleistung des Krankenhauses bleibt bestimmend für die Abrechnung des gesamten Behandlungsfalls. Sie ändert sich nicht dadurch, dass im Laufe der Behandlung zunächst im Hintergrund stehende Erkrankungen mit zunehmender Verweildauer und Abklingen der Folgen der Haupterkrankung in den Vordergrund treten. Neben einer FP dürfen nur hier nicht einschlägige Sonderentgelte oder sonstige Zuschläge berechnet werden, die in § 14 Abs 6 BPflV abschließend aufgeführt sind. Im Übrigen wird einer Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes durch bestehende Co-Morbilitäten oder aufgetretene Komplikationen allein dadurch Rechnung getragen, dass nach Ablauf der jeweiligen Grenzverweildauer tagesgleiche Pflegesätze abgerechnet werden dürfen (§ 14 Abs 7 BPflV).

Da im vorliegenden Behandlungsfall eine alters- oder verletzungsbedingte Demenz nicht zu den Umständen gehört, die neben der FP wegen der Hüftgelenksoperation zu einem Sonderentgelt oder sonstigen Zuschlag führen, kann dafür eine gesonderte Vergütung auch nicht dadurch erreicht werden, dass nach der Verlegung des Versicherten in das Krankenhaus der Klägerin nunmehr die Behandlung der Demenz und ihrer Folgen in den Vordergrund getreten ist und die Diagnose "Delir bei Demenz" als erste Diagnose angeführt wird. Unerheblich ist somit, ob die Klägerin diese Behandlung als "eigenständige" eingeordnet hat. Grundsätzlich soll die Verlegung eines Patienten in eine andere Abteilung oder ein anderes Krankenhaus bei der Abrechnung von FP ohne Bedeutung sein. Bei einem Behandlungsfall, der unter eine FP fällt, ist die Berechnung von tagesgleichen Pflegesätzen durch das nachbehandelnde Krankenhaus nur dann möglich, wenn das vorbehandelnde Krankenhaus im konkreten Fall eine FP nicht abrechnen kann (§ 14 Abs 5 Satz 5 BPflV). Nach § 14 Abs 5 Satz 1 Nr 1 BPflV darf eine FP nicht berechnet werden, wenn der Patient vor Abschluss eines bestimmten Behandlungsfalles verlegt wird, es sei denn, eine Berechnung nach tagesgleichen Pflegesätzen ergibt einen höheren Gesamtbetrag. Dies gilt aber nach dem anschließenden Satz 2 der Vorschrift nicht bei Verlegungen im Rahmen einer Zusammenarbeit. In diesem Fall wird die FP von dem Krankenhaus berechnet, das die für die FP maßgebende Behandlung erbracht hat; die Krankenhäuser vereinbaren eine Aufteilung der FP untereinander. Erst wenn in beiden Krankenhäusern die Gesamtverweildauer die Grenzverweildauer der jeweiligen FP überschreitet, kann das nachbehandelnde Krankenhaus tagesgleiche Pflegesätze abrechnen.

Bei der Abrechenbarkeit tagesgleicher Pflegesätze für die hier streitigen Tage kommt es somit darauf an, ob die beiden Krankenhäuser zusammen gearbeitet haben. Das SG hat diese Frage bejaht; die Klägerin hat dagegen weder im Berufungsverfahren noch im Revisionsverfahren Einwendungen erhoben. Das LSG hat diese Frage als für seine Entscheidung unerheblich offen gelassen. Nach den Gesamtumständen des Falles kann aber auch ohne ausdrückliche Feststellung durch das LSG davon ausgegangen werden, dass eine regelmäßige Zusammenarbeit der örtlich benachbarten Krankenhäuser bei der Versorgung von geriatrischen Patienten, insbesondere im Anschluss an Operationen stattfindet. Eine schriftliche Vereinbarung ist dazu nicht erforderlich (vgl dazu Tuschen/Quaas, Bundespflegesatzverordnung, 3. Aufl 1996, Erl zu § 14 Abs 5 Satz 2 und 3 mit Hinweis auf ein Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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