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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 12.05.2005
Aktenzeichen: B 3 KR 32/04 R
Rechtsgebiete: SGB V, SGB I


Vorschriften:

SGB V § 69
SGB I § 45
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 3 KR 32/04 R

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 12. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage, die Richter Dr. Hambüchen und Schriever sowie die ehrenamtlichen Richter Harms und Hohenstein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. Mai 2004 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

In der vom klagenden Verein betriebenen Klinik in S. wurde eine Versicherte der beklagten Krankenkasse in der Zeit vom 1. bis zum 27. Oktober 1998 auf Grund der Aufnahmediagnose "Parkinson-Syndrom und Schizophrenie" behandelt. Auf den Kostenübernahmeantrag vom 2. Oktober 1998 erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 21. Oktober 1998 die Kostenübernahme zunächst für die Zeit bis zum 15. Oktober 1998. Den Verlängerungsantrag vom 23. Oktober 1998, der ihr am 27. Oktober 1998 (Entlassungstag) zuging, lehnte die Beklagte ab, weil nach der gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) eine stationäre Behandlung über den 15. Oktober 1998 hinaus nicht erforderlich gewesen sei; eine stationäre Rehabilitation hätte ausgereicht. Die Beklagte bezahlte lediglich die Behandlung bis zum 15. Oktober 1998. Die Begleichung der am 29. Oktober 1998 in Rechnung gestellten restlichen Kosten in Höhe von 5.299,47 DM (2.709,58 €) lehnte die Beklagte wiederholt ab (Schreiben vom 15. Januar 1999, 10. Juni 1999, 26. September 2001 und 11. Februar 2002).

Mit der am 30. Dezember 2002 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die bei der Versicherten durchgeführte Krankenhausbehandlung sei auch in der Zeit vom 16. bis zum 27. Oktober 1998 notwendig gewesen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Krankenhausbehandlung der Versicherten sei ab dem 16. Oktober 1998 nicht mehr erforderlich gewesen. Zudem sei die Forderung verjährt.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage wegen Verjährung des Vergütungsanspruchs abgewiesen (Urteil vom 27. Mai 2004). Es ist der Auffassung, seit dem 1. Januar 2000 richte sich die Verjährung des hier streitigen Vergütungsanspruchs nach § 69 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) iVm § 196 Abs 1 Nr 11 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, sodass die Verjährung bereits zum 31. Dezember 2001 eingetreten sei.

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger die Verletzung des § 69 SGB V und des § 45 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I). Er wiederholt seinen bisherigen Vortrag.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Marburg vom 27. Mai 2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm 2.709,58 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 165, 153 Abs 1 und 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

II

Die Revision des Klägers hat insoweit Erfolg, als das angefochtene SG-Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen war (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die bisherigen Feststellungen des SG lassen keine abschließende Entscheidung über die Frage zu, ob der geltend gemachte Vergütungsanspruch begründet ist. Der Einwand der Beklagten, die Fortsetzung der Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten über den 15. Oktober 1998 hinaus sei nicht notwendig gewesen, die stationäre Behandlung verstoße also gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung (§§ 2 Abs 4, 12 Abs 1 und 70 Abs 1 SGB V), ist entscheidungserheblich, weil die Einrede der Verjährung des Vergütungsanspruchs zu Unrecht erhoben worden ist. Das SG wird daher zu ermitteln haben, ob die Krankenhausbehandlung der Versicherten in der Zeit vom 16. bis zum 27. Oktober 1998 medizinisch notwendig gewesen ist. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Krankenhausarztes, die stationäre Behandlung der Versicherten in dieser Zeit fortzusetzen, aus damaliger - vorausschauender - Sicht nach den gegebenen konkreten Umständen medizinisch vertretbar gewesen ist (vgl BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2; BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4; stRspr).

Für die Zeit bis zum 31. Dezember 1999 war durch das Urteil des erkennenden Senats vom 17. Juni 1999 - B 3 KR 6/99 R - (SozR 3-1200 § 45 Nr 8) geklärt, dass die - auf § 109 Abs 4 Satz 2 und 3 SGB V iVm den landesbezogenen Sicherstellungsverträgen nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V und den Pflegesatzvereinbarungen beruhenden (BSG SozR 3-2500 § 112 Nr 1) - Vergütungsansprüche der Krankenhausträger gegen die Krankenkassen für die Krankenhausbehandlung von Kassenpatienten einer einheitlichen Verjährungsfrist von vier Jahren unterliegen. Das Bundessozialgericht (BSG) hatte schon vor der Entscheidung aus dem Jahre 1999 das allgemeine Rechtsprinzip der vierjährigen Verjährung im Sozialrecht entwickelt und auf diverse Fallkonstellationen öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen angewandt (Arzneimittelregress einer Kassenärztlichen Vereinigung gegen eine Universität: BSG SozR 2200 § 368e Nr 10; Zahlungsanspruch eines Krankenhauses gegen einen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2 RU 40/87, nicht veröffentlicht; Erstattungsanspruch zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften im Bereich des Kassenarztrechts: BSGE 69, 158, 160 ff = SozR 3-1300 § 113 Nr 1; kassenzahnärztlicher Honorarkürzungsbescheid: BSGE 72, 271, 272 ff = SozR 3-2500 § 106 Nr 19; kassenärztliche Honoraransprüche: BSGE 76, 117, 118 ff = SozR 3-1200 § 45 Nr 5). Dabei hat sich das BSG darauf gestützt, dass die vierjährige Verjährungsfrist nicht nur in § 45 SGB I für "Ansprüche auf Sozialleistungen", sondern auch in den §§ 25 und 27 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), in § 113 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und in § 13 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) enthalten ist. Auch die Regelung des § 44 Abs 4 SGB X, nach der zunächst rechtswidrig versagte Sozialleistungen rückwirkend längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme des ablehnenden Verwaltungsakts erbracht werden dürfen, kommt der Sache nach einer vierjährigen Verjährungsfrist für die nachzuzahlenden Forderungen nahe. Da die vertraglichen Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen auch in der Vergangenheit stets dem öffentlichen Recht zugeordnet waren, wurde auf die daraus resultierenden öffentlich-rechtlichen Vergütungsansprüche für die Krankenhausbehandlung von Kassenpatienten das aus dem SGB abgeleitete allgemeine Rechtsprinzip der vierjährigen Verjährung im Sozialrecht angewandt (§ 61 Abs 1 SGB X). Die nach dem Wortlaut des § 61 Satz 2 SGB X mögliche ergänzende, lückenfüllende Anwendung der Vorschriften des BGB - hier die zweijährige Verjährungsfrist des damaligen § 196 Abs 1 Nr 11 BGB für "Ansprüche der öffentlichen Anstalten, welche der Heilung dienen, für Gewährung von ua Verpflegung, Heilung und die damit zusammenhängenden Aufwendungen" - kam danach nicht mehr in Betracht. Die Verjährungsfristen des BGB galten nur für Vergütungsforderungen von Leistungserbringern gegen die Krankenkassen auf Grund zivilrechtlicher Vertragsbeziehungen (vgl BSG SozR 3-2500 § 125 Nr 5 für Heilmittelerbringer).

Die Vergütungsansprüche der Krankenhausbetreiber gegen die Krankenkassen für die Behandlung von Kassenpatienten unterliegen auch in der Zeit ab 1. Januar 2000 der vierjährigen Verjährungsfrist des Sozialrechts. Die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretene Änderung des § 69 SGB V (nF) durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 (GKVRefG 2000) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2626) hat insoweit nicht zu einer Veränderung der Rechtslage geführt. § 196 Abs 1 Nr 11 BGB (in seiner bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung - aF) war auf diese Vergütungsansprüche weiterhin nicht anwendbar. Demzufolge scheidet auch die Anwendung des eine generelle dreijährige Verjährungsfrist normierenden § 195 BGB in seiner ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung (nF), der neben zahlreichen anderen Verjährungsvorschriften auch § 196 Abs 1 Nr 11 BGB aF zum 1. Januar 2002 ersetzt hat, auf diese Vergütungsansprüche aus. Es kommt daher auch nicht auf die Frage an, in welcher Weise sich ein Übergang auf § 196 Abs 1 Nr 11 BGB aF zum 1. Januar 2000 sowie auf § 195 BGB nF zum 1. Januar 2002 auf bereits laufende Verjährungsfristen ausgewirkt hätte (vgl Art 169 Abs 2 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch <EGBGB> und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, zB BGH NJW 1961, 25; BGH NJW 1974, 236 und BGH VersR 1965, 1000 sowie Art 229 § 6 EGBGB). Das SG hat zu Unrecht auf die Verjährungsvorschriften des BGB zurückgegriffen und den Vergütungsanspruch zum 31. Dezember 2001 als verjährt angesehen.

§ 69 SGB V (in der Fassung der Gesetze vom 23. April 2002, BGBl I 1412 und vom 14. November 2003, BGBl I 2190) lautet: "Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie in den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind."

Geht man allein vom Wortlaut des § 69 SGB V aus, scheint ein Rückgriff auf die Verjährungsvorschriften des BGB seit dem 1. Januar 2000 auf den ersten Blick allerdings möglich. Da sich ausdrückliche Regelungen zur Verjährung der Vergütungsansprüche von Krankenhausbetreibern gegen die Krankenkassen weder in "diesem Kapitel", dh dem 4. Kapitel des SGB V ("Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern", §§ 69 bis 140h SGB V), in den §§ 63, 64 SGB V, im KHG, im KHEntgG noch in den danach erlassenen Rechtsverordnungen finden, kann in der Tat erwogen werden, anhand der Verweisung in § 69 Satz 3 SGB V ("im Übrigen") auf die Verjährungsfristen des § 196 Abs 1 Nr 11 BGB aF bzw des § 195 BGB nF zurückzugreifen (so Heinze, Das Krankenhaus 2001, 607; Fischer, NZS 2003, 301; Wern, ZMGR 2004, 15 sowie SG Berlin NZS 2003, 323).

Der Wortlaut des § 69 Satz 3 SGB V ist allerdings - entgegen den zitierten Stimmen aus dem Schrifttum - insoweit nicht eindeutig. Der Rückgriff auf die BGB-Vorschriften ist vielmehr nur erlaubt, "soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind". Da - wie ausgeführt - die vierjährige Verjährungsfrist einem allgemeinen Rechtsprinzip im Sozialrecht entspricht, gilt sie - ungeschrieben - von jeher auch für das 4. Kapitel des SGB V und den darin enthaltenen § 109 Abs 4 SGB V, der die Anspruchsgrundlage für die Vergütungsforderung der Krankenhausbetreiber gegen die Krankenkassen für die Krankenhausbehandlung von Kassenpatienten darstellt. Wenn aber die Frage der Verjährung schon aus dem 4. Kapitel des SGB V selbst und den hierfür geltenden allgemeinen Rechtsprinzipien zu beantworten ist, kann die Heranziehung der kürzeren Verjährungsfristen der BGB-Vorschriften mit den "Rechten und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel" kollidieren.

Der insoweit nicht eindeutige Wortlaut ist jedoch nicht allein entscheidend. Zur Auslegung einer Vorschrift sind auch die Entstehungsgeschichte, der Sachzusammenhang sowie Sinn und Zweck zu berücksichtigen. Diese Auslegungskriterien führen jedenfalls dazu, die Regelung des § 69 Satz 3 SGB V einengend zu interpretieren und die allgemeine Verweisung auf die Bestimmungen des BGB nicht auf die Verjährungsvorschriften des § 196 Abs 1 Nr 11 BGB aF bzw § 195 BGB nF zu beziehen, soweit es um die Vergütungsansprüche der Krankenhausbetreiber gegen die Krankenkassen wegen der Behandlung von Kassenpatienten geht.

Der Hintergrund der Regelung liegt darin, dass der Gesetzgeber das Leistungserbringungsrecht des 4. Kapitels im SGB V von der Anwendung kartellrechtlicher Vorschriften ausnehmen wollte. Einige Zivilgerichte hatten nämlich in der Nachfragetätigkeit der Krankenkassen und ihrer Verbände ein Auftreten als Unternehmen im Sinne des deutschen und des europäischen Wettbewerbs- und Kartellrechts gesehen. Deswegen hatten sie Festbetragsregelungen der Spitzenverbände der Krankenkassen nach den §§ 91 f, 35 f SGB V teilweise für wettbewerbswidrig erklärt. Der Gesetzgeber wirkte dieser Tendenz mit einem Bündel von neuen Vorschriften entgegen.

So ist durch das GKVRefG 2000 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2626) nicht nur § 69 SGB V neu gefasst worden, sondern es sind auch dem § 51 Abs 2 SGG und den §§ 87 Abs 1 und 96 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) jeweils Bestimmungen angefügt worden, mit denen die kartellrechtliche Zuständigkeit der Zivilgerichte für den durch § 69 SGB V erfassten Bereich ausdrücklich ausgeschlossen wird (Art 8 Nr 1b, Art 9 Nr 1, 2 GKVRefG 2000).

Zu Sinn und Zweck der Neuregelung und ihren Folgen hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 25. September 2001 - B 3 KR 3/01 R - (BSGE 89, 24 = SozR 3-2500 § 69 Nr 1) Stellung genommen: Die Neuregelung diente der Beseitigung einer unklaren Rechtslage, und zwar in prozessualer und materieller Hinsicht gleichermaßen. Seit Jahren war umstritten, ob die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern bzw davon betroffenen Dritten dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen sind und dementsprechend die Zuständigkeit der Zivilgerichte oder der Sozialgerichte gegeben ist. Mit Ausnahme des Vertragsarztrechts, das unzweifelhaft dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, sowie dem Krankenhausrecht (vgl BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1) wurde überwiegend die zivilrechtliche Natur von Verträgen mit den Leistungserbringern bejaht (BSG SozR 3-2500 § 125 Nr 5, 6). Ferner kam die Zivilrechtsprechung zur Bejahung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten auf Grund der Annahme einer "Doppelnatur" von Handlungen der Krankenkassen (BGHZ 82, 375, 382; GemSOBG BGHZ 102, 280). Die öffentlich-rechtliche Rechtsnatur der Beziehung der Krankenkassen zu ihren Mitgliedern änderte danach nichts an der Rechtsnatur der davon zu trennenden Wettbewerbsbeziehungen zu den betroffenen Leistungsanbietern, die bürgerlich-rechtlicher Natur seien. Konsequenz dieser "Doppelqualifizierung" war, dass selbst bei eindeutig hoheitlichen Akten wie der Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel und Hilfsmittel (§§ 35, 36 SGB V) oder dem Erlass von Richtlinien nach § 92 Abs 1 SGB V bürgerlich-rechtliche Wettbewerbsstreitigkeiten angenommen wurden und die Zuständigkeit der Kartellgerichte bejaht wurde (OLG Düsseldorf NZS 1998, 567; OLG München NZS 2000, 457).

Schon mit dem Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) hatte der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 51 Abs 2 SGG den Rechtsweg regeln und alle Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht den Sozialgerichten zuweisen wollen, auch soweit die Rechte Dritter berührt waren. Die Zivilgerichte vertraten demgegenüber weiterhin die Auffassung, jedenfalls § 87 GWB gehe als Spezialregelung vor, sodass für auf kartellrechtliche Ansprüche gestützte Klagen weiterhin ihre Zuständigkeit gegeben sei (BGHZ 114, 218). Auf der anderen Seite hatte das BSG entschieden, die Sozialgerichte seien auch für auf kartellrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützte Klagen zuständig, wenn vorrangig andere nichtkartellrechtliche Ansprüche geltend gemacht würden; die Zuständigkeit der Kartellgerichte beschränke sich auf ausschließlich auf kartellrechtliche Ansprüche gestützte Klagen (BSG SozR 3-2500 § 125 Nr 1).

Durch das GKVRefG 2000 wurden nunmehr auch für alle kartellrechtlichen Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht (mit Ausnahme bestimmter Fragen des Krankenhausbereichs) ausschließlich die Sozialgerichte zuständig. Unabhängig von dem materiell-rechtlichen Gehalt der Neufassung des § 69 SGB V folgt dies schon aus den Klarstellungen in § 51 Abs 2 Satz 2 SGG bzw aus § 87 Abs 1 Satz 3, § 96 Satz 2 GWB, wonach sich die kartellrechtliche Zuweisung nicht auf die in § 69 SGB V genannten Rechtsbeziehungen erstreckt. Dies gilt nunmehr für alle Kartellrechtsstreitigkeiten unabhängig davon, ob sie auf das deutsche oder das europäische Kartellrecht gestützt werden, und zwar auch dann, wenn Dritte geltend machen, durch die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern in ihren Rechten berührt zu sein.

Der Neuregelung des § 69 SGB V kam aber auch auf materiell-rechtlicher Ebene Bedeutung zu. Der Sinn des Satzes 1, wonach die Vorschriften des 4. Kapitels und die §§ 63, 64 SGB V (Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Versorgung) die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern "abschließend" regeln, liegt darin, dass in diesem Bereich jetzt nur öffentliches Recht gilt. Bestätigt wird diese Auslegung durch die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/1245 S 67): Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern seien notwendiger Bestandteil des Gesamtsystems der gesetzlichen Krankenversicherung, denn die Krankenkassen erfüllten über diese Rechtsbeziehungen ihren öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag, den Versicherten die im 3. Kapitel geregelten Leistungen in Natur zur Verfügung zu stellen. Wegen dieser Einbindung der Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Leistungserbringern in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag seien die in Satz 1 genannten Rechtsbeziehungen allein sozialversicherungsrechtlicher und nicht privatrechtlicher Natur. Die Krankenkassen und ihre Verbände handelten deshalb nicht als Unternehmen im Sinne des Privatrechts, einschließlich des Wettbewerbs- und Kartellrechts. Somit seien abweichend von der bisher überwiegend vertretenen Auffassung alle Leistungsbeschaffungsverträge der Krankenkassen mit den Leistungserbringern als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizieren.

Mit der Anordnung der ausschließlichen Geltung öffentlichen Rechts im Bereich der Leistungsbeschaffung hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass er auch diesen Teil des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung als "mittelbare Staatsverwaltung" (dazu BSGE 82, 78, 80 = SozR 3-2500 § 4 Nr 1) ansieht, die einem ausschließlich öffentlich-rechtlichen Regime unterliegen soll. Seit dem 1. Januar 2000 müssen somit alle Handlungen der Krankenkassen und ihrer Verbände, die ihre Beziehungen zu den Leistungserbringern sowie zu hiervon berührten Dritten betreffen, ausschließlich nach öffentlichem Recht beurteilt werden. Zivilrechtliche Vorschriften sind nicht mehr maßgebend für diese Rechtsbeziehungen, sondern können nur noch lückenfüllend und ergänzend herangezogen werden, und zwar stets lediglich "entsprechend" und nicht mehr, wie bis Ende 1999 bei den Beziehungen zu den nichtärztlichen Leistungserbringern, unmittelbar (§ 69 Satz 3 SGB V). Der Hinweis auf die "abschließende" Regelung bedeutet somit nicht, dass die in § 69 Satz 1 und 2 SGB V nicht ausdrücklich erwähnten Vorschriften des SGB nicht mehr anwendbar sein sollten und stattdessen nunmehr durch die Vorschriften des BGB ersetzt werden sollten. So steht zB außer Frage, dass die für die Rechtsbeziehungen der Krankenhäuser zu den Krankenkassen ebenfalls bedeutsamen Vorschriften über die Übermittlung von Leistungsdaten (zB §§ 294, 294a SGB V), insbesondere über die Leistungsabrechnung (§ 301 SGB V), weiterhin anwendbar und sogar unverzichtbar sind, obgleich sie in § 69 SGB V nicht aufgeführt werden. § 69 Satz 3 SGB V ist vor diesem Hintergrund einengend so zu interpretieren, dass entsprechend der Regelung des § 61 SGB X über den öffentlich-rechtlichen Vertrag die Vorschriften des BGB nur dann in Analogie ergänzend heranzuziehen sind (§ 61 Satz 2 SGB X), wenn sich aus den übrigen Vorschriften des (gesamten) SGB nichts anderes ergibt (§ 61 Satz 1 SGB X). § 69 Satz 3 SGB V will nach Sinn und Zweck nur das wiederholen, was in § 61 SGB X ohnehin niedergelegt ist (so zutreffend Kuhla, Das Krankenhaus 2001, 417). Beabsichtigt war durch die Neufassung des § 69 SGB V nur die Ausgrenzung des Zivilrechts (einschließlich des Wettbewerbs- und Kartellrechts) aus den Rechtsbeziehungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen. Es findet sich nicht der geringste Hinweis in den Gesetzesmaterialien, dass bei Ausdehnung der öffentlich-rechtlichen Bindungen entgegen dieser Tendenz die Vorschriften des BGB noch in einem größeren Maße herangezogen werden sollten, als es schon in § 61 SGB X vorgesehen war und bis heute vorgesehen ist.

Es bleibt daher auch für die Zeit ab 1. Januar 2000 bei der vierjährigen Verjährungsfrist für die Vergütungsansprüche der Krankenhausbetreiber gegen die Krankenkassen für die Krankenhausbehandlung von Kassenpatienten.

Die vierjährige Verjährungsfrist des Ende Oktober 1998 fällig gewordenen Vergütungsanspruchs des Klägers begann nach § 45 Abs 2 SGB I iVm § 201 BGB aF am 1. Januar 1999 und endete am 31. Dezember 2002. Durch die Klageerhebung am 30. Dezember 2002 ist die Verjährung nach § 45 Abs 2 SGB I iVm § 204 Abs 1 Nr 1 BGB nF gehemmt worden (vgl dazu § 70 SGB I iVm Art 229 § 6 EGBGB), sodass dem Zahlungsanspruch die Einrede der Verjährung nicht mit Erfolg entgegengesetzt werden kann.

Das SG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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