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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 22.07.2004
Aktenzeichen: B 3 KR 5/03 R
Rechtsgebiete: SGB V


Vorschriften:

SGB V § 33 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 22. Juli 2004

Az: B 3 KR 5/03 R

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage, die Richter Dr. Hambüchen und Schriever sowie die ehrenamtlichen Richter Leingärtner und Ries

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Februar 2003 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 28. Januar 2002 zurückgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Versorgung der Klägerin mit einem Faltrollstuhl mit verstellbarer Rückenlehne und Fußstützen (Lagerungsrollstuhl) sowie mit einer Fixationsweste für den Oberkörper auf Kosten der beklagten Krankenkasse.

Die 1912 geborene Klägerin ist als Rentnerin bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an fortgeschrittener Alzheimer-Demenz und an Beugekontrakturen aller Extremitäten, lebt in einem Pflegeheim und erhält Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe III als Härtefall.

Mit vertragsärztlicher Verordnung der Dres. H beantragte die Klägerin im September 1999 die Versorgung mit einem Lagerungsrollstuhl nebst Fixationsweste für den Oberkörper. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein und teilte der Klägerin sodann im Anhörungsverfahren mit, sie beabsichtige nicht, die Kosten für das begehrte Hilfsmittel zu übernehmen. Dr. S informierte daraufhin die beklagte Krankenkasse, die Klägerin sei wegen fortgeschrittener seniler Demenz bettlägerig und werde zur Dekubitus- und Pneumonieprophylaxe regelmäßig in einen herkömmlichen Faltrollstuhl gesetzt, aus dem sie jedoch wiederholt herausgefallen sei; deshalb sei sie auf einen Lagerungsrollstuhl angewiesen. Ergänzend teilte das Pflegeheim der Beklagten auf Anfrage mit, die Klägerin werde morgens nach dem Waschen in einen herkömmlichen Faltrollstuhl gesetzt, könne darin aber nicht über einen längeren Zeitraum aufrecht sitzen. Deshalb sei ein Lagerungsrollstuhl mit Fixationsweste erforderlich; in diesem könne sie sich täglich fünf bis sechs Stunden aufhalten und auch wieder an gesellschaftlichen Veranstaltungen im Heim teilnehmen. In einer weiteren Stellungnahme des MDK führte Dr. Sch hierzu aus, die Klägerin sei nach dem Pflegegutachten nicht in der Lage, den überwiegenden Teil des Tages sitzend im Rollstuhl zu verbringen; erst recht könne sie nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Mit dieser Begründung lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für das begehrte Hilfsmittel ab (Bescheid vom 2. Dezember 1999, Widerspruchsbescheid vom 12. April 2000).

Während des Klageverfahrens ist die Klägerin im Juli 2001 durch ein örtliches Sanitätshaus auf eigene Rechnung mit einem sog Multifunktionsrollstuhl versorgt worden, bei dem die Sitzhöhe, -breite und -tiefe sowie die Rückenhöhe jeweils individuell angepasst werden kann und eine zusätzliche Begurtung dafür sorgt, dass der Patient in eine aufrechte Sitzhaltung gebracht wird. Der Kaufpreis (2.351,25 EUR plus MWSt) ist der Klägerin bis zum Abschluss dieses Verfahrens gestundet worden.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Januar 2002). Dem Anspruch der Klägerin stehe zwar nicht grundsätzlich entgegen, dass sie in einem Pflegeheim lebe. Der Lagerungsrollstuhl mit Fixationsweste sei jedoch kein individuell angepasstes Hilfsmittel, da es sich um ein Serienmodell handele. Solche Hilfsmittel müsse der Heimträger zur Verfügung stellen, auch wenn sie in der Pflegeeinrichtung nicht jederzeit von weiteren Heimbewohnern benutzt werden könnten. Zudem diene der begehrte Rollstuhl in erster Linie dem Transport der Klägerin innerhalb der Pflegeeinrichtung und nicht der Befriedigung allgemeiner Grundbedürfnisse außerhalb der Heimsphäre.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin von den Kosten der Versorgung mit dem Rollstuhl in Höhe von 2.351,25 EUR freizustellen (Urteil vom 26. Februar 2003). Vor der Selbstbeschaffung des Rollstuhls habe die Beklagte die begehrte Leistung zu Unrecht abgelehnt; deshalb stehe der Klägerin nunmehr ein Freistellungsanspruch zu. Im vorliegenden Fall sei eine Leistungsverpflichtung der beklagten Krankenkasse gegeben, weil der Lagerungsrollstuhl wesentlich zur Befriedigung von Grundbedürfnissen der Klägerin diene. Diese könne zwar nicht mehr aktiv am Gemeinschaftsleben teilhaben, doch dürfe darauf nicht entscheidend abgestellt werden. Auch geistig verwirrte und hirnorganisch geschädigte Versicherte hätten Anspruch auf ein Zusammensein mit anderen; es sei nicht gerechtfertigt, die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für einen im individuellen Fall erforderlichen Rollstuhl zu bejahen, wenn der Versicherte noch aktiv am Heimleben teilnehmen und zurückzulegende Wege selbst bestimmen könne, sie aber zu verneinen, wenn diese geistige Fähigkeit nicht mehr vorhanden sei. Lagerungsrollstuhl und Fixationsweste seien im Falle der Klägerin zur Herstellung der Mobilität und zur Ermöglichung des Aufenthalts in der Gemeinschaft erforderlich und deshalb von der beklagten Krankenkasse zu finanzieren. Diesem Anspruch stehe auch das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht entgegen.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 33 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und weiterer Vorschriften aus dem Recht der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI). Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Hilfsmittelversorgung und damit auch keinen Freistellungs- oder Erstattungsanspruch. Das LSG habe die vom Bundessozialgericht (BSG) im Hilfsmittelbereich aufgestellten Kriterien zur Abgrenzung zwischen der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung und der Vorhalteverpflichtung der Heimträger verkannt. Es handele sich weder um ein individuell für die Klägerin angefertigtes Hilfsmittel noch diene es zur Befriedigung von außerhalb der Heimsphäre liegenden Grundbedürfnissen. Im vorliegenden Falle gehe es nicht darum, über das Recht der Klägerin auf Zusammensein mit Anderen im Heim zu befinden, sondern allein um Abgrenzungskriterien dafür, wann der Behinderungsausgleich iS des § 33 SGB V und wann die Heimpflege im Vordergrund stehe. Nach der Rechtsprechung des BSG stehe die Heimpflege mit der Folge der Vorhaltepflicht des Pflegeheimes dann im Vordergrund, wenn eine selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht mehr möglich sei. Dies sei hier der Fall, wie die Beweisaufnahme ergeben habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Februar 2003 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 28. Februar 2002 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend. Bei dem von ihr benutzen Lagerungsrollstuhl handele es sich um ein individuell hergestelltes Hilfsmittel, wie schon die Umrüstzeit von immerhin 60 bis 75 Min. erkennen lasse. Des ungeachtet sei er aber auch ein Hilfsmittel, welches ihr die Teilhabe am Gemeinschaftsleben ermögliche. Diese könne sie noch durch Mimik bzw Reaktion nach Ansprache zum Ausdruck bringen. Mit Hilfe des Multifunktionsrollstuhls werde vermieden, dass sie in ihrem Zimmer isoliert werde und "verkümmere".

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat die beklagte Krankenkasse zu Unrecht zur Freistellung von den Kosten der Versorgung mit einem Lagerungsrollstuhl nebst Fixationsweste verurteilt. Die Beklagte hat die Gewährung der Sachleistung zutreffend abgelehnt; der Klägerin steht deshalb auch kein Kostenerstattungs- oder Freistellungsanspruch (§ 13 Abs 3 Satz 1 SGB V - vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 1 und SozR 3-2500 § 13 Nr 14) zu.

1. Die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Die Vorinstanzen haben allerdings weder die für die Klägerin zuständige Pflegekasse noch den Heimträger beigeladen. Zumindest letzteres hätte jedoch nahe gelegen, weil die berechtigten Interessen des Heimträgers durch die zu treffende Entscheidung berührt werden (§ 75 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Es geht im vorliegenden Fall um die Abgrenzung der Leistungsverpflichtung von gesetzlicher Kranken- und sozialer Pflegeversicherung und hier insbesondere um die Vorhaltepflicht des Pflegeheimes, die wiederum entscheidend vom jeweiligen Versorgungsauftrag sowie von den Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen (§ 80a SGB XI) zwischen den in § 85 Abs 2 SGB XI genannten Vertragsparteinen abhängt. Die Verneinung eines Anspruchs der Klägerin aus § 33 SGB V bzw eines entsprechenden Kostenerstattungs- oder Freistellungsanspruchs gegen die beklagte Krankenkasse kann im Falle vollstationärer Pflegebedürftigkeit zu einem Anspruch gegen den Heimträger führen, soweit die dafür maßgeblichen Voraussetzungen des Heimvertrages erfüllt sind. Allerdings könnte sich dieser Anspruch der Klägerin gegen den Heimträger auch nur aus dem privatrechtlichen Heimvertrag ergeben. Deshalb liegt kein Fall des § 75 Abs 2 SGG (notwendige Beiladung) vor: Zum einen ist der Heimträger an dem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zwischen Versicherter und Krankenkasse nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann, zum anderen ist der Heimträger kein anderer Versicherungsträger, dessen Leistungsverpflichtung ersatzweise in Betracht kommt. Das Unterlassen einer einfachen Beiladung (§ 75 Abs 1 Satz 1 SGG) ist kein von Amts wegen zu beachtender Verfahrensmangel. Die Nachholung einer einfachen Beiladung ist im Revisionsverfahren nicht mehr möglich (§ 168 SGG).

2. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Freistellungsanspruch ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 1998 (BGBl I 3853); das dort geregelte Recht auf Kostenerstattung umfasst auch den Anspruch auf Freistellung von einer Verbindlichkeit (vgl BSGE 89, 39 = SozR 3-2500 § 13 Nr 25; BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 14). Die Voraussetzungen dieses Freistellungsanspruchs sind jedoch nicht erfüllt, weil die beklagte Krankenkasse weder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht noch eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Versicherte haben zwar nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der damals noch gültigen Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477) Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Behinderte Versicherte wie die Klägerin, die die Fähigkeit zum selbstständigen Sitzen, Stehen und Gehen verloren haben, können deshalb zur Erhaltung ihrer Mobilität grundsätzlich einen Lagerungsrollstuhl mit Fixationsweste als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 37).

a) Nach der seit dem 1. Januar 1989 geltenden Rechtslage sind die Krankenkassen zur Versorgung von Versicherten mit Hilfsmitteln grundsätzlich unabhängig davon verpflichtet, ob sie in einer eigenen Wohnung oder in einem Pflegeheim leben. Dieser Grundsatz erfährt jedoch beim Versicherungsfall der vollstationären Pflegebedürftigkeit, also bei der vollstationären Pflege in einem Pflegeheim (§ 71 Abs 2 SGB XI), eine Einschränkung: Die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln endet nach der Konzeption des SGB V und des SGB XI dort, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetzt (Urteil des Senats vom 10. Februar 2000, BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37). Bei vollstationärer Pflege hat der Träger des Heimes für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel zu sorgen, weil er verpflichtet ist, die Pflegebedürftigen ausreichend und angemessen zu pflegen und sozial zu betreuen. Die Heime müssen das für die vollstationäre Pflege notwendige Inventar bereithalten.

In seiner Entscheidung vom 6. Juni 2002 (BSGE 89, 271 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43) hat der Senat zur Vorhaltepflicht der Pflegeeinrichtung ausgeführt, dass diese entscheidend vom jeweiligen Versorgungsauftrag und - nach In-Kraft-Treten des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes (PQsG) vom 9. September 2001 (BGBl I S 2320) - von der Leistungs- und Qualitätsvereinbarung (§ 80a SGB XI) abhänge. Sie lasse sich nicht allgemein für Pflegeheime jeder Art beschreiben, sondern werde zB für Pflegeheime mit Pflegebedürftigen überwiegend der Pflegestufe I anders aussehen als bei Pflegeheimen mit beatmungsbedürftigen Schwerstpflegebedürftigen. Soweit der Versorgungsvertrag, den die Pflegekassen mit dem Heimträger abschließen, nichts Ausdrückliches zur Heimausstattung vorschreibe, sei lediglich die zur Durchführung von üblichen Maßnahmen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung erforderliche Ausstattung vorzuhalten, weil sich dies aus dem Wesen jeder Pflegeeinrichtung ohne weiteres ergebe. Was im Einzelnen dazu gehöre und wie die Abgrenzung zu den von den Krankenkassen zu leistenden Hilfsmitteln in diesen Bereichen vorzunehmen sei, könne nur jeweils für konkrete Gegenstände entschieden werden. Mit Urteil vom 28. Mai 2003 (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 4) hat der Senat ausgeführt, dass auch solche Gegenstände der Heimausstattung zuzurechnen seien, bei denen zwar noch ein gewisser Behinderungsausgleich zu erkennen sei, ganz überwiegend aber die Pflege im Vordergrund stehe, weil eine Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (vgl § 1 Satz 1 SGB IX) nicht mehr möglich sei, eine Rehabilitation damit nicht mehr stattfinde; ist das aber noch der Fall, bleibt die Leistungszuständigkeit der Krankenkasse wie bei der Behandlungspflege bestehen. Denn die Krankenkasse ist im Unterschied zur Pflegekasse Rehabilitationsträger (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX); ihre Leistungsverpflichtung ist gegenüber Leistungen der Pflegeversicherung vorrangig (§§ 5, 31, 40 Abs 1 SGB XI). Als Leistung der medizinischen Rehabilitation hat die Krankenkasse ua Hilfsmittel zu gewähren (§ 26 Abs 1 Nr 6 SGB IX). Übergeordnetes Ziel jeder Rehabilitation ist es aber, behinderten Menschen eine selbstbestimmte gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen oder zu fördern (§§ 1, 4 Abs 1 Nr 4 SGB IX). Soweit es dabei um den Ausgleich einer Behinderung sowie die Vermeidung oder Minderung von Pflegebedürftigkeit geht (§ 4 Abs 1 Nr 1 und Nr 2 SGB IX) müssen Leistungen deshalb auf eine Förderung der Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ausgerichtet sein, um als Maßnahmen der Rehabilitation die Leistungspflicht der Krankenkasse zu begründen.

b) Unter Berücksichtigung der vorstehend wiedergegeben Abgrenzungskriterien ist ein Freistellungsanspruch der Klägerin nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V gegenüber der Beklagten wegen der Selbstbeschaffung eines Lagerungsrollstuhls nebst Fixationsweste nicht gegeben. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob es sich bei dem streitbefangenen Lagerungsrollstuhl um ein serienmäßig hergestelltes Modell mit individuell an die Bedürfnisse der Klägerin angepassten Nutzteilen aus einem Baukastensystem des Herstellers handelt oder um ein Beförderungsmittel, welches speziell für die Klägerin angefertigt worden ist und nur von dieser benutzt wird. Ebenso wenig ist es allein ausschlaggebend, ob die Klägerin mittels des Lagerungsrollstuhls nur im Pflegeheim und dem dazugehörigen Garten oder aber gelegentlich auch zu Zielen außerhalb transportiert wird.

Entscheidend ist vielmehr, dass der Klägerin eine verantwortungsbewusste Bestimmung über das eigene Schicksal nicht mehr möglich ist, sie also wegen des Fehlens eigengesteuerter Bestimmungsmöglichkeiten quasi zum "Objekt der Pflege" geworden ist (vgl Götze in Hauck/Noftz, SGB IX - Band 1, Stand: April 2003, § 1 RdNr 14 mwN). Eine Rehabilitation ist dann mangels Erfolgsaussichten nicht mehr möglich, der Ist-Zustand der Behinderung nicht mehr behebbar. Nach den Feststellungen des LSG war es der Klägerin schon Mitte 2001 nicht mehr möglich, ihren Aufenthaltsort innerhalb oder gar außerhalb des Heimes selbst zu bestimmen, die im Ablauf des täglichen Lebens anfallenden Verrichtungen eigenständig und ohne Hilfestellung des Pflegepersonals zu erledigen oder aktiv am Gemeinschaftsleben im Heim teilzunehmen. Sie wurde vielmehr vom Pflegepersonal in den Lagerungsrollstuhl gesetzt und in den Gemeinschaftsraum geschoben, um dort mit anderen Menschen - passiv - zusammen sein zu können. Ein eigenständiges und bewusstes Gestalten dieses Zusammenseins war für sie auf Grund der Behinderung ausgeschlossen. Zwar war die Klägerin damals noch in der Lage, selbst Eindrücke wahrzunehmen, zu lachen und auf Ansprache zu reagieren; das bedeutet aber nur ein passives Reagieren, nicht ein Agieren.

Zu Unrecht hat es das LSG für den geltend gemachten Leistungsanspruch als irrelevant angesehen, ob sich die Klägerin noch aktiv am Gemeinschaftsleben beteiligen kann oder nicht. Es geht vorliegend nicht darum, über die (selbstverständliche) Berechtigung der Klägerin auf ein Zusammensein mit anderen und die - passive - Teilhabe am Gemeinschaftsleben zu befinden, sondern allein um die Frage, wer den dafür erforderlichen Lagerungsrollstuhl mit Fixationsweste zu finanzieren hat. Die vom Senat grundsätzlich getroffene Abgrenzung, ob das Hilfsmittel überwiegend dem Behinderungsausgleich dient (dann Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung) oder aber die Pflege den Schwerpunkt bildet (dann Vorhaltepflicht des Heimträgers), ist sach- und systemgerecht, wie sich insbesondere auch aus der Vorschrift des § 28 Abs 4 SGB XI erschließt. Danach soll die Pflege auch die Aktivierung der Pflegebedürftigen zum Ziel haben, um vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und, soweit dies möglich ist, verlorene Fähigkeiten zurückzugewinnen (Satz 1). Um der Gefahr der Vereinsamung der Pflegebedürftigen entgegenzuwirken, sollen bei der Leistungserbringung auch die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen nach Kommunikation berücksichtigt werden (Satz 2). Diese sog aktivierende Pflege ist ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Pflegeversicherung, wie sich ua aus §§ 6 Abs 2 und 11 Abs 2 SGB XI ergibt. Die Berücksichtigung des Kommunikationsbedarfs ist vom Gesetzgeber zwar nicht in den Katalog des § 14 Abs 4 SGB XI aufgenommen worden, bei der stationären Pflege gehört er aber als Bestandteil der sozialen Betreuung (§§ 41 Abs 2, 42 Abs 2 und 43 Abs 2 SGB XI) zu den Leistungen der Pflegeversicherung (vgl Udsching, SGB XI - Soziale Pflegeversicherung, 2. Aufl 2000, § 28 RdNr 11 mwN). Dieser Aufgabe wird der Heimträger dadurch gerecht, dass er die Klägerin mittels des Lagerungsrollstuhls in den Aufenthaltsraum des Pflegeheims transportiert und ihr Fahrten in den Garten ermöglicht.

c) Die hiermit vorgenommene Abgrenzung zwischen der Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung und der Vorhaltepflicht des Heimträgers verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen aus Art 3 Abs 3 Satz 2 Grundgesetz (GG). Wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat, ergeben sich aus dieser Verfassungsnorm keine weiter gehenden Ansprüche bei der Hilfsmittelversorgung (vgl Urteil vom 26. März 2003, SozR 4-2500 § 33 Nr 3 mit Anm Davy, SGb 2004, 315, 318 f). Zwar ist das Verbot einer Benachteiligung zugleich mit einem objektiv-rechtlichen Auftrag an den Staat verbunden, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken; dieser auch nach Inkrafttreten des SGB IX fortbestehende Auftrag zur Ausgestaltung des Sozialstaatsgebots begründet indes keine konkreten Leistungsansprüche und damit kein einklagbares subjektives Recht des Einzelnen auf eine bestimmte Hilfsmittelversorgung. Von dieser Prämisse geht auch Davy (aaO) aus, weist dann jedoch darauf hin, dass aus dem Benachteiligungsverbot des Art 3 Abs 3 Satz 2 GG ein Recht auf Unterlassung von Benachteiligungen wegen einer Behinderung abzuleiten sei; dies werde von der Rechtsprechung des BSG nicht hinreichend beachtet (ähnlich Plantholz, PflR 2003, 6, 8 f). Dem ist entgegenzuhalten, dass es allein um die Abgrenzung geht, ob eine Leistungsverpflichtung der beklagten Krankenkasse aus § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V oder eine Vorhaltepflicht des Heimträgers besteht. Eine verfassungswidrige Benachteilung von Behinderten kann nicht bereits darin gesehen werden, dass sie - auch abhängig von der Schwere der Behinderung - in einem gegliederten System der sozialen Sicherung dem Leistungsbereich der Krankenversicherung oder der Pflegeversicherung, notfalls auch demjenigen der Sozialhilfe zugeordnet werden. Die Leistungszuständigkeit der Krankenkasse für Hilfsmittel lässt sich jedenfalls nicht damit begründen, dass bei stationärer Pflege die Leistungen der sozialen Sicherheit geringer ausfallen als bei ambulanter Pflege. Es ist zwar zutreffend, dass die vom Heimträger vorzuhaltenden Hilfsmittel zum großen Teil von den Pflegebedürftigen refinanziert werden - sei es über die Pflegevergütung bei Verbrauchsgütern (§ 82 Abs 2 Nr 1 Halbsatz 2 SGB XI), soweit die Höchstsätze der Pflegekassen nach § 43 SGB XI überschritten werden, sei es über die gesonderte Vergütung von Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XI, soweit diese durch öffentliche Förderung nach § 9 SGB XI nicht gedeckt sind. Weil faktisch regelmäßig die Höchstsätze der Pflegeversicherung überschritten werden und die öffentliche Förderung durch die Länder die Investitionskosten nicht oder nur unvollständig abdeckt, verbleibt für einen Teil der Pflegebedürftigen ein privat zu finanzierender Eigenanteil, für den anderen, bedürftigen Teil der Pflegeheimbewohner das Eintreten des Sozialhilfeträgers. Aber auch bei häuslicher Pflege gibt es für Pflegehilfsmittel Leistungsbegrenzungen und Zuzahlungen für den Versicherten (vgl § 40 Abs 2 und 3 SGB XI). Eine faktische Benachteiligung zumindest der sog Selbstzahler im Pflegeheim gegenüber ambulant Pflegebedürftigen, die auf Hilfsmittel angewiesen sind, läge aber allein an Unzulänglichkeiten im System der sozialen Pflegeversicherung, die möglicherweise auch verfassungsmäßig verbürgte Rechte tangieren; sie sind aber kein Grund, dafür die gesetzliche Krankenversicherung gleichsam als Ausfallbürge solange eintreten zu lassen, bis diese Unzulänglichkeiten behoben sind. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit hat der Gesetzgeber - von einer vorübergehenden Einordnung von Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit in den §§ 53 ff SGB V aF abgesehen - nunmehr eigenständig in einem besonderem System abgesichert. Auch bei einer systemübergreifenden Betrachtungsweise kommt eine Leistungsverpflichtung der Krankenversicherung für reine Pflegehilfsmittel sowohl bei ambulanter als auch stationärer Pflege nicht mehr in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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