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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: B 3 KR 9/04 R
Rechtsgebiete: SGB V


Vorschriften:

SGB V § 12 Abs 1 Satz 1
SGB V § 37
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 3 KR 9/04 R

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 17. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage, die Richter Dr. Hambüchen und Schriever sowie den ehrenamtlichen Richter Gimpel und die ehrenamtliche Richterin Dörr

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin auch im Revisionsverfahren.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für Leistungen der häuslichen Krankenpflege (medizinische Behandlungspflege).

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin ist 1921 geboren. Sie bezieht seit Jahren Leistungen aus der Pflegeversicherung, zuletzt bis zum Höchstbetrag der Pflegestufe III. Seit März 2002 ist sie mit einer von außen durch die Haut in den Magen verlegten Sonde (PEG-Sonde) versorgt, über die sowohl die Nahrungsaufnahme als auch die Medikamentengabe erfolgt. Die behandelnde Ärztin der Klägerin verordnete dieser am 26. März 2002 Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von zwei Mal täglicher Medikamentengabe - Calcium dura und Phenhydan - für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni 2002. Die Beklagte lehnte die Gewährung dieser Leistungen ab; es handele sich zwar grundsätzlich um verordnungsfähige Leistungen der häuslichen Krankenpflege, doch könnten diese im vorliegenden Fall wegen des untrennbaren zeitlichen Zusammenhangs mit der Grundpflege nicht gesondert vergütet werden (Bescheid vom 8. April 2002, Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2002). Die Klägerin hat sich die abgelehnten Leistungen durch Beauftragung eines privaten Pflegedienstes selbst beschafft; hierfür sind ihr insgesamt 1.563,74 € berechnet worden, die ihr derzeit gestundet sind.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, weil die Medikamentengabe in untrennbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme erfolge und deshalb nicht als Leistung der häuslichen Krankenpflege abgerechnet werden könne (Urteil vom 23. Januar 2003). Das Landessozialgericht (LSG) hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte zur Freistellung der Klägerin von den erwachsenen Kosten in Höhe von 1.563,38 € verurteilt (Urteil vom 4. Dezember 2003). Die Voraussetzungen eines von § 13 Abs 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erfassten Freistellungsanspruchs seien erfüllt, weil die Beklagte die Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu Unrecht abgelehnt habe und der Klägerin dadurch Aufwendungen in Höhe der Klageforderung entstanden seien. Der Klägerin habe im streitbefangenen Zeitraum häusliche Krankenpflege in Form der sog Behandlungssicherungspflege nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V zugestanden, weil dies zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich gewesen sei. Die Leistungspflicht entfalle auch dann nicht, wenn die benötigte Maßnahme in die Hilfeleistung bei Verrichtungen der Grundpflege nach § 14 Abs 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) einzubeziehen sei. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen zum Grundpflegebedarf nach § 14 Abs 4 SGB XI zählten und damit nicht als Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu vergüten seien, wenn sie untrennbarer Bestandteil einer Katalogverrichtung des § 14 Abs 4 SGB XI seien oder mit einer solchen Verrichtung objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang stünden. Ob das bei der Medikamentengabe durch eine Ernährungssonde der Fall sei, könne offen bleiben. Der Rechtsprechung des BSG sei nämlich nicht zu folgen. Sie führe durch den generellen Ausschluss von krankenversicherungsrechtlichen Ansprüchen in diesem Bereich häufig zu einer Belastung der Versicherten, weil der Leistungsumfang der Pflegeversicherung bereits erschöpft sei; so müsse auch die Klägerin vorliegend die objektiv erforderliche krankheitsspezifische Pflegemaßnahme selbst finanzieren. Deshalb könne die Notwendigkeit von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nur dann verneint werden, wenn durch deren Einbeziehung in die Grundpflege ein gleichwertiger Anspruch aus der Pflegeversicherung begründet werde. Zudem folge aus der Einfügung eines 2. Halbsatzes in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I 2190), dass die Rechtsprechung des BSG zumindest für die Zukunft aufgegeben werden müsse, weil die gesetzliche Neufassung gerade zur Korrektur der bisherigen Rechtsprechung erfolgt sei und die Krankenkassen ihre Leistungspflicht nun nicht mehr unter Hinweis auf die Berücksichtigung eines entsprechenden Hilfebedarfs in der Pflegeversicherung ablehnen könnten. Dies gelte nicht nur für den geregelten Fall der Hilfe beim Anlegen von Kompressionsstrümpfen der Klasse 2, sondern wegen des Gleichheitssatzes des Grundgesetzes für alle Maßnahmen der Behandlungspflege.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 12 Abs 1 Satz 1 iVm § 37 SGB V. Wegen des in § 12 SGB V verankerten Wirtschaftlichkeitsgebots könne eine Leistung der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) grundsätzlich nicht mehr verlangt werden, wenn der hierauf gerichtete Anspruch bereits im Rahmen der Pflegeversicherung Berücksichtigung gefunden habe, indem der für die damit zusammenhängende Grundverrichtung benötigte Zeitrahmen erhöht worden sei. Entgegen der Ansicht des LSG sei es nicht erforderlich, dass damit in der Pflegeversicherung auch tatsächlich ein höherer Leistungsanspruch verbunden sei. Zudem sei die Pflegeversicherung nicht als Vollversicherung ausgestaltet; sie solle nach der Intention des Gesetzgebers nur eingreifen, um eine Überforderung des Pflegebedürftigen und seiner Familie zu verhindern. Die vom LSG angegriffene Rechtsprechung des BSG führe nicht zu einer Benachteiligung der Pflegebedürftigen, denn die Pflegekassen hätten die Versorgung ihrer Versicherten grundsätzlich durch Versorgungsverträge mit den Pflegediensten sicherzustellen, nach denen ua auch krankheitsspezifische Maßnahmen zu gewährleisten seien, soweit sie eng mit einer Verrichtung der Grundpflege verbunden seien. Ebenso wenig könne die Einfügung eines neuen 2. Halbsatzes in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V durch das GMG zu einer abweichenden Beurteilung führen, denn die Neufassung betreffe nur "das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen" und könne deshalb als Ausnahmeregelung nicht auf andere Behandlungsmaßnahmen Anwendung finden. Ob die begehrte Behandlungspflege in Form von zwei Mal täglicher Medikamentengabe derart eng mit einer Hilfe der Grundpflege in Zusammenhang stehe, dass sie zur Leistungspflicht der Pflegeversicherung gehöre und deshalb nicht gleichzeitig auch von der GKV beansprucht werden könne, habe das LSG zwar offen gelassen. In Anbetracht des Lebensalters der Klägerin und der Schwere ihrer Erkrankungen sei diese Frage jedoch zu bejahen, weil die Medikamentengabe faktisch nicht von der Nahrungsaufnahme zu trennen und deshalb mit der Grundpflegeleistung gemäß § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI objektiv notwendig verbunden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2003 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23. Januar 2003 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 165, 153 Abs 1, § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat das Urteil der Vorinstanz zu Recht geändert und der Klägerin den geltend gemachten Freistellungsanspruch nach § 37 Abs 2 SGB V iVm § 13 Abs 3 SGB V zuerkannt.

1. Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V, wonach Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten sind, die dadurch anfallen, dass die KK eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Variante 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Variante 2) und sich der Versicherte die notwendige Leistung deshalb selbst beschafft hat. Diese auf die Erstattung schon verauslagter Kosten zugeschnittene Regelung (Kostenerstattungsanspruch) ist entsprechend auf die Freistellung des Versicherten von einer ihm gegenüber bestehenden, aber - zB wie hier wegen Stundung - noch nicht erfüllten Forderung eines Leistungserbringers anzuwenden (BSGE 80, 181, 182 = SozR 3-2500 § 13 Nr 14; stRspr). Im vorliegenden Fall geht es nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG wegen der täglich zwei Mal vorzunehmenden Medikamentengabe im zweiten Quartal 2002 um einen Freistellungsanspruch wegen Selbstbeschaffung einer rechtzeitig beantragten, aber von der Beklagten nicht erbrachten unaufschiebbaren Leistung (Variante 1) und für die Zeit ab Bekanntgabe des ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 8. April 2002 zugleich um einen Freistellungsanspruch wegen einer zu Unrecht abgelehnten Leistung (Variante 2).

2. Die Beklagte hätte die begehrte häusliche Krankenpflege in Form der zwei Mal täglich erforderlichen Medikamentengabe als Sachleistung (§ 37 Abs 2 iVm § 2 Abs 2 und § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB V) zur Verfügung stellen müssen. Die Pflegekasse war für diese Leistung nicht zuständig.

a) Nach § 37 Abs 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog Behandlungssicherungspflege). Der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung. Zur Behandlungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die nur durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, vgl BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2; BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1; BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 3 und 11). Die von der Hausärztin verordnete Medikamentengabe zählt zu den im Rahmen der Behandlungspflege verordnungsfähigen Leistungen, vgl Nr 26 der Anlage der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und Abs 7 Satz 1 SGB V vom 16. Februar 2000 (BAnz Nr 91 vom 13. Mai 2000). Die medizinische Notwendigkeit der Medikamentengabe sowie die pflegerische Notwendigkeit ihrer Durchführung durch einen Pflegedienst stehen nach den nicht angegriffenen und für das Revisionsgericht daher bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG außer Zweifel. Die Klägerin ist auf Grund ihrer schweren hirnorganischen Erkrankung weitgehend desorientiert und in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt; sie steht unter Betreuung und bedarf ständiger Kontrolle bei der Medikamentengabe durch Dritte. Deshalb erhielt sie zu Recht schon seit März 2002 über die PEG-Sonde neben der Nahrung ebenfalls Medikamente in Form der Behandlungspflege. Der Anspruch ist vorliegend auch nicht nach § 37 Abs 3 SGB V ausgeschlossen. Danach besteht ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur dann, wenn eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Nach den bindenden Feststellungen des LSG, die sich auf die Auskünfte der Hausärztin Dr. W und der Pflegekraft W im Termin beim SG vom 25. September 2002 stützen, war der - selbst pflegebedürftige - Ehemann der Klägerin nicht in der Lage, die erforderliche Pflegemaßnahme für seine Ehefrau zu übernehmen.

b) Die Leistungspflicht der Beklagten entfällt auch nicht deshalb, weil - wie die Beklagte meint - die benötigte Maßnahme der Behandlungspflege in die Hilfeleistung bei einer Verrichtung der Grundpflege nach § 14 Abs 4 SGB XI einbezogen und damit Gegenstand der Leistungspflicht der Pflegekasse ist. Die Medikamentengabe stellt selbst dann keine Hilfe bei der Nahrungsaufnahme dar, wenn sie - wie hier - ausschließlich mittels PEG-Sonde während des Essens oder Trinkens erfolgt.

Nach der Rechtsprechung des BSG zählen krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen nur dann zum Grundpflegebedarf nach § 14 Abs 4 SGB XI, wenn eine solche Maßnahme entweder untrennbarer Bestandteil einer Katalogverrichtung des § 14 Abs 4 SGB XI ist oder mit einer solchen Verrichtung objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang durchzuführen ist (BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2; BSGE 82, 276, 279 = SozR 3-3300 § 14 Nr 7; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 11 und 15). Dies kann unter Umständen so weit gehen, dass eine Maßnahme der Behandlungspflege eine Maßnahme der Grundpflege vollständig ersetzt (BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 11; Urteil vom 22. August 2001 - B 3 P 23/00 R -). Dabei hat das BSG von Anfang an entschieden, der Katalog der berücksichtigungsfähigen Verrichtungen des § 14 Abs 4 SGB XI sei abschließend (BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 3 und 9) und lediglich um die offensichtlich vergessenen Grundverrichtungen des Sitzens und Liegens zu ergänzen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14).

Die Einbeziehung der Behandlungspflege in die Grundpflege iS des § 14 Abs 4 SGB XI setzt zunächst voraus, dass die konkrete Hilfeleistung mit dem Wortlaut bzw dem Begriff der betreffenden Katalogverrichtung des § 14 Abs 4 SGB XI jedenfalls bei weiter Auslegung vereinbar ist, es also einen "sachlichen Zusammenhang" gibt (vgl BSGE SozR 3-3300 § 14 Nr 9 zur Hilfe beim Baden: Pflegebad an Stelle eines normalen Bades und anschließende Hautbehandlung bei einem Neurodermitis-Patienten; BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3 zur Hilfe beim An- und Auskleiden: An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen als zusätzlichem krankheitsbedingten Teil der Bekleidung; BSGE 82, 276 = SozR 3-3300 § 14 Nr 7 und BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 11: morgendliches Abklopfen von Mukoviszidose-Kindern im oder am Bett als im Einzelfall - nicht generell - denkbare Hilfe beim Aufstehen; BSG SozR 4-3300 § 14 Nr 3 zur Peritonealdialyse; Urteil vom 22. August 2001 - B 3 P 23/00 R - zur Hilfe bei der Blasenentleerung durch Katheterisierung). Einen nur rein zeitlichen Zusammenhang zwischen Behandlungspflegemaßnahme und Grundpflege hat das BSG niemals ausreichen lassen, auch wenn in einzelnen früheren Entscheidungen - bedingt durch die jeweilige Sachverhaltsgestaltung - das Erfordernis des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs betont worden ist, ohne auf den zusätzlich erforderlichen sachlichen Zusammenhang gesondert einzugehen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 3 und 9; BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3), wie es in allen neueren Entscheidungen zur Verdeutlichung des Erfordernisses beider Arten des Zusammenhangs geschieht (vgl BSGE 82, 276 = SozR 3-3300 § 14 Nr 7; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 11 und 15; bereits angedeutet in BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3 S 25). Außerdem ist stets hervorgehoben worden, dass der zeitliche Zusammenhang nach objektiven Kriterien, insbesondere medizinischen Erkenntnissen, eine gleichzeitige Durchführung von Grundverrichtung und medizinischer Hilfeleistung erforderlich machen muss, es also nicht ausreicht, wenn Behandlungspflegemaßnahmen lediglich aus praktischen Gründen vom Betroffenen bzw seinen Pflegepersonen im zeitlichen Zusammenhang mit einer Verrichtung der Grundpflege durchgeführt werden (BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3 S 25; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 11 S 83).

Im Falle der Erfüllung dieser Voraussetzungen ist der zeitliche Aufwand für eine Maßnahme der Behandlungspflege bei der Ermittlung des Gesamtbedarfs für die Grundpflege bei der jeweiligen Verrichtung aus dem Katalog des § 14 Abs 4 SGB XI mit einzubeziehen (§ 15 Abs 1 und 3 SGB XI). Sofern die Behandlungspflege auf diese Weise bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit und der Zuordnung zu einer Pflegestufe Berücksichtigung findet, fällt sie nach der Entscheidung des Senats vom 30. Oktober 2001 - B 3 KR 2/01 R - (SozR 3-2500 § 37 Nr 3) in die Leistungspflicht der Pflegeversicherung und kann als solche nicht mehr als Sachleistung der Behandlungspflege nach § 37 SGB V gegenüber der KK beansprucht werden. In diesem Fall ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege als Sachleistung nicht mehr notwendig iS des § 12 Abs 1 SGB V, da die benötigte Maßnahme der Behandlungspflege bereits im Rahmen der Pflegeversicherung berücksichtigt wird. Eine solche Konstellation liegt hier jedoch nicht vor.

Die Medikamentengabe stellt als krankheitsspezifische Pflegemaßnahme eine Form der Behandlungspflege dar, die vom Verrichtungskatalog des § 14 Abs 4 SGB XI auch bei weiter Auslegung nicht erfasst wird (so bereits BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2 am Beispiel von Insulininjektionen bei Diabetespatienten). Insbesondere handelt es sich nicht um eine Pflegemaßnahme im Rahmen der - hier allein in Betracht kommenden - Verrichtung der "Nahrungsaufnahme" iS des § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI. Medikamente sind keine "Nahrung" im Sinne dieser Vorschrift; dazu zählen nur die festen und flüssigen Nahrungsmittel, die der Mensch zu seiner Ernährung, dh zur Aufrechterhaltung der Stoffwechselfunktionen, zu sich nimmt. Die Regelung des § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI spricht ausdrücklich nur von der "Aufnahme der Nahrung", nicht aber zB von der Aufnahme von verdaulichen Stoffen jeder Art. Deshalb fällt die Medikamentengabe selbst dann nicht in den Bereich der Grundpflege nach § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI, wenn das Arzneimittel zB als Tablette zusammen mit Wasser oder in flüssiger Form mit einem Stück Zucker oder - wie hier - mittels einer PEG-Sonde verabreicht wird. Die Beigabe von Wasser und Zucker oder sonstigen Nahrungsmitteln dient in derartigem Zusammenhang nicht der Ernährung, sondern der erleichterten Einnahme bzw der besseren Verträglichkeit oder der erhöhten Bioverfügbarkeit des Arzneimittels. Deshalb stellt die Medikamentengabe grundsätzlich keine Verrichtung der Grundpflege iS des § 14 Abs 4 SGB XI dar und kann ihr auch nicht gleichgestellt werden. Etwas anderes mag allenfalls gelten, wenn das Medikament dazu dient, die Aufnahme der Nahrung durch den Mund und die Speiseröhre zu erleichtern, etwa Schluckbeschwerden zu beheben oder zu verringern; ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor.

Danach kann die vom LSG ebenfalls nicht entschiedene Frage offen bleiben, ob die Medikamentengabe auch deshalb nicht der Grundpflege zugerechnet werden kann, weil sie aus medizinisch-pflegerischen Gründen nicht einmal in notwendigem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Verrichtung der Grundpflege durchgeführt werden muss (BSGE 82, 276, 279 = SozR 3-3300 § 14 Nr 7 und BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 11). Der Behauptung der Beklagten, wegen des Lebensalters der Klägerin und der Schwere ihrer Erkrankung könne die Medikamentengabe faktisch nicht von der Nahrungsaufnahme getrennt werden, ist nicht weiter nachzugehen.

Wegen der rechtswidrigen Nichterbringung bzw Ablehnung der unaufschiebbaren häuslichen Krankenpflege durch Medikamentengabe steht der Klägerin somit nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V für die selbstbeschaffte Leistung ein Freistellungsanspruch in Höhe der vom Pflegedienst berechneten Vergütung zu. Selbst wenn die vom Pflegedienst berechneten Beträge über den "Vertragssätzen" der Beklagten liegen würden, hätte die Klägerin Anspruch auf Erstattung der ihr tatsächlich entstandenen - und von der Beklagten der Höhe nach auch nicht beanstandeten - Kosten (vgl Höfler in Kasseler Kommentar, Stand April 2002, § 13 SGB V RdNr 33 mwN).

3. Der Freistellungsanspruch der Klägerin ist überdies aus einer zweiten Erwägung begründet, und zwar auch dann, wenn die Behandlungspflege durch Medikamentengabe hier mit der Hilfe zur Nahrungsaufnahme gleichzustellen bzw in sie einzubeziehen gewesen wäre. Seit dem 1. Januar 2004 sind Behandlungspflegemaßnahmen, die untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung der Grundpflege sind oder mit dieser objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, nur noch dann bei der Berechnung des Umfangs des Pflegebedarfs nach den §§ 14 und 15 SGB XI und damit bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit und der Zuordnung zu einer der Pflegestufen zu berücksichtigen, wenn der Antragsteller (der Pflegebedürftige) sich dafür entschieden hat, die Behandlungspflegemaßnahme in seinem Haushalt durch eine nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson (§ 19 SGB XI), also durch Familienmitglieder, Nachbarn oder Freunde, und nicht durch einen Pflegedienst (§ 71 Abs 1 SGB XI) erbringen zu lassen. Hat der Pflegebedürftige in solchen Fällen die Inanspruchnahme eines Pflegedienstes (§ 132a SGB V) für die Durchführung der Behandlungspflege gewählt, entfällt die Zuständigkeit der sozialen Pflegeversicherung für diese Maßnahme; allein zuständig ist die GKV (§ 37 SGB V). Dies gilt für die Zeit vor dem 1. Januar 2004 auch dann, wenn - wie hier - der Versicherte zu jener Zeit ebenfalls nur professionelle Hilfe bei der häuslichen Krankenpflege in Anspruch genommen hat und der Zeitaufwand für diese Hilfe bei der Berechnung des Umfangs des Pflegebedarfs nach den §§ 14 und 15 SGB XI außer Ansatz geblieben ist.

a) Hintergrund der dargestellten bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3) ist die Regelung des § 37 Abs 3 SGB V, wonach der Anspruch des Versicherten auf Behandlungspflege nur entsteht, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Im Gesetzgebungsverfahren zum Pflegeversicherungsgesetz (PflegeVG) wurde die in der Praxis ganz erhebliche Beschränkung des Anspruchs auf Behandlungspflege im häuslichen Bereich nicht erörtert, sondern der Eindruck erweckt, der Aufwand der Behandlungspflege müsse bei der Feststellung von Pflegebedürftigkeit deshalb unberücksichtigt bleiben, weil er in jedem Fall von der GKV abgedeckt werde.

Bei der großen Gruppe der wegen Altersgebrechlichkeit Pflegebedürftigen wirkt sich die Subsidiarität des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege nicht so gravierend aus wie bei pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen. Altersgebrechliche werden häufig von Ehegatten bzw Partnern betreut, die ebenfalls betagt sind und bei denen aus diesem Grund bereits die Fähigkeit eingeschränkt ist, aufwändigere Maßnahmen der Behandlungspflege durchzuführen. Bei der Versorgung älterer Pflegebedürftiger durch jüngere Angehörige (Kinder, Schwiegerkinder etc) hat die Rechtsprechung zudem besonderen Wert auch auf die passive Pflegebereitschaft gelegt. Zumindest bei den das Intimleben der Pflegebedürftigen berührenden Hilfeleistungen muss die Pflegeperson vom Pflegebedürftigen akzeptiert werden. Gibt es sachlich nachvollziehbare Gründe dafür, dass der Pflegebedürftige eine Versorgung durch die in Betracht kommenden Haushaltsangehörigen bei einzelnen Maßnahmen der Behandlungspflege verweigert, kann sich die KK nicht auf die Subsidiarität ihrer Leistungspflicht nach § 37 Abs 3 SGB V berufen (zu Fällen des Missbrauchs vgl BSGE 86, 101 = SozR 3-2500 § 37 Nr 2).

Eine andere Interessenlage besteht in Familien, in denen behinderte oder chronisch kranke Kinder und Jugendliche zu versorgen sind. Hier ist vielfach kaum Interesse an professioneller Pflege vorhanden; die ganze Familie engagiert sich bei der Pflege des hilfebedürftigen Familienmitglieds. In vielen Fällen ist professionelle Hilfe auch nur bedingt geeignet, weil die Hilfeeinsätze - anders als bei vielen Fällen der Gebrechlichkeitspflege - zeitlich nicht planbar sind. Dies gilt insbesondere für Kinder mit Erkrankungen, die eine nahezu ununterbrochene Präsenz von Aufsichtspersonen und jederzeit verfügbare Hilfeleistungen erforderlich machen, was durch externe Pflegepersonen, etwa Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes, bereits organisatorisch nicht zu leisten ist. Vor diesem Hintergrund ist es erklärlich, dass die Einbeziehung der Behandlungspflege in die Bemessung des Pflegebedarfs zunächst fast ausschließlich von dieser Betroffenengruppe gefordert wurde (vgl BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 3 bis 6; BSGE 82, 276 = SozR 3-3300 § 14 Nr 7; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 8 bis 12; BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 1, 7 und 8), während altersgebrechliche Pflegebedürftige mit der Kombination von professioneller ambulanter Behandlungspflege und selbst beschaffter ehrenamtlicher Betreuung bei der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung im Regelfall gut zurecht kamen.

b) Nach der Einführung von Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit in der GKV konnte die ehrenamtliche häusliche Krankenpflege bei der Ermittlung des anspruchsbegründenden Pflegebedarfs berücksichtigt werden, weil das Gesetz hier nicht zwischen Grund- und Behandlungspflege unterschied und auch keinen abschließenden Katalog der zu berücksichtigenden Pflegemaßnahmen aufstellte. Im Hinblick auf die frühere, bis zum 31. März 1995 geltende Gesetzeslage zur Schwerpflegebedürftigkeit iS der §§ 53 ff SGB V aF hatte der Senat mit Urteil vom 17. April 1996 (3 RK 28/95 - SozR 3-2500 § 53 Nr 10) entschieden, dass krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, insbesondere wenn sie zur Aufrechterhaltung von Grundfunktionen bzw Vitalfunktionen erforderlich sind, zum Pflegebedarf iS der §§ 53 ff SGB V aF zählen, soweit sie im zeitlichen Zusammenhang mit den von den Spitzenverbänden der Krankenkassen geforderten sog 18 Katalogtätigkeiten (BSGE 73, 146 = SozR 3-2500 § 53 Nr 4; BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 3, 5 und 6) erforderlich werden und nicht die Fachkunde eines Gesundheitsberufs erfordern, sondern auch von pflegenden Angehörigen erbracht werden können (einfache Behandlungspflege).

Nach Einführung des leistungsrechtlichen Teils der sozialen Pflegeversicherung zum 1. April 1995 hat der Senat mit seinem Urteil vom 19. Februar 1998 (B 3 P 3/97 R - BSGE 82, 27, 28 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2) auf diese Entscheidung Bezug genommen und festgestellt, dass die Aussage im Grundsatz auch für die Bemessung des Pflegebedarfs nach den §§ 14, 15 SGB XI zutreffe. Er hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinander gesetzt, ob die Rechtsprechung zur Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 ff SGB V aF auf das Pflegeversicherungsrecht übertragbar sei und hierzu im Wesentlichen den mit Einführung der Pflegeversicherung verfolgten Zweck des Gesetzgebers herausgestellt: Der Gesetzgeber wollte durch Einführung des PflegeVG die kostenintensive stationäre Pflege zurückdrängen, indem die Bereitschaft zur häuslichen Pflege gefördert wird (BT-Drucks 11/2237, S 148, 182 im Hinblick auf die Einführung der §§ 53 ff SGB V zum 1. Januar 1989; BT-Drucks 12/5262, S 61 ff im Hinblick auf die Einführung des SGB XI zum 1. Januar 1995). Vor diesem Hintergrund hat der Senat die Rechtsprechung fortgeführt und betont, dass krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen bei der Bemessung des Umfangs des Pflegebedarfs auch nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen sind, soweit dies mit dem Wortlaut der einzelnen Verrichtungen bei der gebotenen weiten Auslegung des § 14 Abs 4 SGB XI sowie Sinn und Zweck der Regelung vereinbar ist. Eine auf diese Weise in die Pflegeversicherung einbezogene Maßnahme der Behandlungspflege kann dann jedoch nicht mehr als Maßnahme der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V gegenüber der KK beansprucht werden. Der Anspruch auf Behandlungspflege ist in solchen Fällen ausgeschlossen, weil er nach § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V als Doppelleistung nicht notwendig ist. Demgemäß hat der Senat mit Urteil vom 30. Oktober 2001 (B 3 KR 2/01 R - SozR 3-2500 § 37 Nr 3) erstmals einen Anspruch auf Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V unter Hinweis auf die Zugehörigkeit zur Leistungspflicht der Pflegeversicherung verneint. Begehrt wurde in dem dort zu Grunde liegenden Fall Behandlungspflege in Gestalt des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen ab der Kompressionsklasse 2.

c) Gegen diese Entscheidung sind in der Folgezeit Bedenken erhoben worden (vgl zB Plantholz, PflR 2005, S 3 ff). Die Feststellung, dass eine gesetzliche Leistung der GKV nicht notwendig iS des § 12 Abs 1 SGB V sei, treffe nur zu, wenn durch die Pflegeversicherung der Bedarf, der aus der Einbeziehung der grundsätzlich von der KK zu erbringenden Behandlungspflege in die Pflegeleistungen resultiere, tatsächlich auch ausgeglichen werde. Dies ist in der Tat nicht immer der Fall, weil das SGB XI - anders als § 37 SGB V im Bereich der GKV - für die ambulanten Leistungen der Pflegeversicherung einen nach Pflegestufen gestaffelten Leistungsumfang vorsieht. Nach den festgelegten Obergrenzen für die einzelnen Pflegestufen können die Leistungen den Pflegebedarf allenfalls "in der Regel" abdecken. Innerhalb der Pflegestufen ist es für die Auswirkung der Berücksichtigung der Behandlungspflege auch relevant, ob der Grundpflegebedarf am unteren oder am oberen Ende der in § 15 Abs 2 SGB XI genannten weit gespannten Zeitgrenzen liegt. Somit führt vielfach die Berücksichtigung der krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen bei einer Katalogverrichtung nicht zu einer höheren Pflegestufe und damit zu einer Erweiterung der Leistungen der Pflegeversicherung. In Anbetracht der Obergrenzen für ambulante Leistungen wird zudem schon der "reine" grundpflegerische Bedarf mitunter nicht vollständig durch die Leistungen der Pflegeversicherung gedeckt. In diesen Fällen - wie auch hier - führt die Rechtsprechung des Senats durch den generellen Ausschluss eines Leistungsanspruchs gegen die KK zu einer Belastung der Versicherten; denn diese müssen aus den begrenzten, seit etwa zehn Jahren unveränderten ambulanten Leistungen der sozialen Pflegeversicherung zusätzlich den medizinischen Hilfebedarf finanzieren, der sonst unbegrenzt über § 37 Abs 2 SGB V abgedeckt wird. Begünstigt werden durch die Rechtsprechung des BSG hingegen jene Pflegebedürftigen, deren in die Pflegeversicherung einbezogenen Behandlungspflegemaßnahmen von Familienmitgliedern erbracht werden und die deshalb Pflegegeld beziehen. Bei der Inanspruchnahme von Sachleistungen erweist sich die Rechtsprechung somit häufig und zunehmend als Nachteil. Versicherte der GKV, die zugleich pflegebedürftig sind, werden auch im Vergleich zu den nicht pflegebedürftigen Versicherten der GKV insofern benachteiligt, als ihnen der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V genommen wird, ohne im Fall der Inanspruchnahme von Sachleistungen einen gleichwertigen Ersatz in der sozialen Pflegeversicherung zu erlangen.

d) Der Gesetzgeber hat zum 1. Januar 2004 als Reaktion auf die Rechtsprechung durch das GMG vom 14. November 2003 dem § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V einen 2. Halbsatz angefügt: "Der Anspruch umfasst das Anziehen und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kompressionsklasse 2 auch in den Fällen, in denen dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist". Diese Regelung ist nach Beratung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung zu den einzelnen Gesetzesentwürfen, die im Zusammenhang mit dem GMG vorgelegt worden waren, zu Stande gekommen. In der Begründung führt der Ausschuss aus (BT-Drucks 15/1600, S 13): "Durch die Ergänzung wird das Anziehen und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kompressionsklasse 2 eindeutig der Behandlungspflege und damit der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zugewiesen. Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI zu berücksichtigen ist. Die Krankenkassen können nicht unter Hinweis auf die Berücksichtigung dieses Hilfebedarfs im Rahmen der Begutachtung und der Zuordnung zu den Pflegestufen nach dem Recht der Pflegeversicherung (§§ 14, 15 SGB XI) ihre Leistungspflicht ablehnen. Mit der Regelung werden die Zweifelsfragen, die in der Praxis nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom Oktober 2001 aufgetreten sind und die zu teilweise erheblichen finanziellen Belastungen der Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege geführt haben, zu Gunsten der Betroffenen geklärt."

Durch die Ergänzung des § 37 SGB V bleibt damit die Maßnahme der Behandlungspflege in Form des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen ab der Kompressionsklasse 2 selbst dann eine Leistung der GKV, wenn diese Maßnahme bereits bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI zu berücksichtigen ist. Weder der Wortlaut des Gesetzes noch die Begründung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung lassen aber die Deutung zu, dass diese Regelung auch für andere oder möglicherweise sämtliche Maßnahmen der Behandlungspflege gelten soll, die bislang von den KKn nicht gewährt werden, weil der Hilfebedarf bereits bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit berücksichtigt wird.

e) Der Ansicht des LSG, der Neuregelung des § 37 Abs 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V sei trotz ihrer Spezialität ein allgemeiner Rechtsgedanke zu entnehmen und dieser müsse auf alle in die Feststellung der Pflegebedürftigkeit einbezogenen Behandlungspflegemaßnahmen ausgedehnt werden, ist im Ergebnis beizupflichten.

Der Freistaat Bayern hatte eine weiter gehende Korrektur der angesprochenen Entscheidung des Senats vom 30. Oktober 2001 befürwortet und dazu den Entwurf eines "Pflege-Korrekturgesetzes - PKG" vorgelegt (BR-Drucks 424/03 vom 18. Juni 2003). Dem § 15 Abs 3 SGB XI sollte danach folgender Satz 2 angefügt werden:

"Bei der Feststellung des Zeitaufwandes im Sinne des Satzes 1 ist ein Zeitaufwand für erforderliche Leistungen der Behandlungspflege nur zu berücksichtigen, wenn und soweit

1. der behandlungspflegerische Hilfebedarf untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung im Sinne des § 14 Abs 4 ist oder mit einer solchen Verrichtung objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang steht und

2. die den Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausschließenden Voraussetzungen des § 37 Abs 3 SGB V vorliegen."

Damit sollte erreicht werden, dass die Einbeziehung von Behandlungspflegemaßnahmen in die Bemessung des Umfangs des Pflegebedarfs nach den §§ 14 und 15 SGB XI nur noch bei Durchführung der Pflege durch nichtprofessionelle Pflegepersonen (Familienmitglieder, Nachbarn, Freunde), nicht aber bei der Inanspruchnahme von Pflegediensten erfolgt.

Der vom Bundesrat gebilligte und übernommene Gesetzentwurf (BT-Drucks 15/1493 vom 28. August 2003) ist im Bundestag unter Hinweis auf einen zu hohen Verwaltungsaufwand gescheitert (vgl Plenarprotokoll 15/109 vom 7. Mai 2004, 9935 A - 9946 A).

f) Die Neuregelung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V begegnet vor diesem Hintergrund in zweifacher Hinsicht rechtlichen Bedenken und erfordert deshalb eine verfassungskonforme Auslegung.

Zum einen bewirkt sie mit der Anordnung, der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Hilfe beim An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kompressionsklasse 2 bestehe auch dann, wenn dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist, eine dem Wesen der Sozialversicherung fremde parallele Zuständigkeit von sozialer Pflegeversicherung und GKV bei der Inanspruchnahme dieser speziellen Sachleistung. Zwei Sozialleistungsträger können zwar gegenüber demselben Leistungsberechtigten im Vorrang- und Nachrangverhältnis für eine bestimmte Leistung zuständig sein, grundsätzlich aber nicht gleichzeitig und gleichrangig.

Zum anderen erscheint die Neuregelung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V unter dem Aspekt des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) bedenklich, weil sie für den zwar relativ häufig auftretenden, in seiner Bedeutung für den Pflegebedürftigen aber als vergleichsweise weniger gravierend einzuschätzenden Fall des Tragens von Kompressionsstrümpfen eine Sonderregelung geschaffen hat, nicht aber für die wesentlich schwererwiegenden Fälle der Behandlungspflege zur Aufrechterhaltung von Grund- bzw Vitalfunktionen (Atmung, Kreislauf, Stoffwechsel). Es ist kein die Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund ersichtlich, der für die Vorzugsbehandlung von Versicherten, die Kompressionsstrümpfe tragen müssen, gegenüber den schwerer betroffenen Versicherten - darunter insbesondere Familien mit erheblich pflegebedürftigen Kindern - angeführt werden könnte.

g) Diese rechtlichen Bedenken gebieten es, die Neuregelung über ihren Wortlaut hinaus zu erweitern und die bisherige Rechtsprechung des Senats in diesem Bereich mit Wirkung ab 1. Januar 2004 zu modifizieren.

Es bleibt dabei, dass Maßnahmen der Behandlungspflege nur dann der Grundpflege zugeordnet werden können, wenn sie entweder untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung der Grundpflege sind oder sie mit einer solchen Maßnahme objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Da aber diese Zuordnung nur dann ihrem Zweck, die häusliche Pflege durch Familienmitglieder, Nachbarn oder Freunde zu fördern und diese ehrenamtliche Pflege mit der Möglichkeit einer finanziellen Anerkennung zu stärken, voll gerecht werden kann, wenn sie nicht gleichzeitig zu Nachteilen im Fall der Inanspruchnahme von Sachleistungen führt, ist den Pflegebedürftigen ein Wahlrecht zuzugestehen, ob sie eine solche Zuordnung der Behandlungspflege zur Grundpflege wünschen oder nicht. Dieses Wahlrecht übt der Pflegebedürftige bei der ersten Antragstellung gegenüber der Pflegekasse aus, indem er Pflegegeld (§ 37 SGB XI), Pflegesachleistungen (§ 36 SGB XI) oder Kombinationsleistungen (§ 38 SGB V) beantragt, es kann aber auch bei einem ggf später erforderlichen Wechsel vom Pflegegeld zur Sachleistung (oder umgekehrt) geltend gemacht werden.

Durch dieses Wahlrecht, das - in ähnlicher Form - auch bereits in der pflegeversicherungsrechtlichen Literatur vorgeschlagen worden ist (vgl Udsching, Schnittstellen von gesetzlicher Kranken- und sozialer Pflegeversicherung, Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, S 691 ff, 698 sowie Plantholz, PflR 2005, S 3, 8), wird praktisch jener Rechtszustand hergestellt, den die Gesetzesinitiative des Freistaats Bayern aus dem Jahre 2003 (Entwurf des PKG, BR-Drucks 424/03 und BT-Drucks 15/1493) zum Ziel hatte. Dass dieser Gesetzesvorschlag letztlich gescheitert ist, steht zwar der vom LSG befürworteten schlichten analogen Anwendung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V entgegen, nicht aber der Anpassung der Rechtslage durch eine Modifikation der Rechtsprechung des Senats, die Anlass für die Neuregelung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V und den PKG-Entwurf war. Durch das Wahlrecht sind die genannten rechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 37 Abs 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V ausgeräumt. Es erstreckt sich auf alle der Grundpflege zurechenbaren Behandlungspflegemaßnahmen und schließt die gleichzeitige und gleichrangige Zuständigkeit von GKV und Pflegeversicherung aus, weil die Zuordnung zur Grundpflege nicht erfolgt, wenn die Behandlungspflege als Sachleistung begehrt wird; allein zuständig ist dann die GKV. Die Lösung ist auch mit dem Wortlaut des § 37 Abs 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V insofern vereinbar, als dort niedergelegt ist, dass der Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen ist. Er ist nur zu berücksichtigen, wenn das Wahlrecht in Richtung ehrenamtlicher Pflege ausgeübt worden ist.

Die Ablehnung des bayerischen Gesetzentwurfs durch die Mehrheit des Bundestages steht einer verfassungskonformen Auslegung der bestehenden Gesetzeslage in diesem Sinne nicht entgegen. Das Gebot der verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen verlangt, vor der vorschnellen Annahme eines Verfassungsverstoßes die Gesetzesnorm nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesetzeszusammenhang sowie Sinn und Zweck so auszulegen und anzuwenden, dass sie mit dem GG vereinbar ist. Voraussetzung ist, dass der Normtext und das Normziel eine solche Auslegung zulassen, ihnen also kein entgegenstehender Sinn verliehen wird. Dabei kann auch vom subjektiven Willen des Gesetzgebers abgewichen werden, sofern dieser nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht worden ist und dadurch die Norm nicht grundlegend neu bestimmt und ihr Ziel in wesentlichen Punkten verfehlt wird (BVerfGE 69, 1, 55; 86, 288, 322; 93, 37, 81; 95, 64, 93; Schulze-Fielitz, in H. Dreier <Hrsg>, GG-Kommentar, 1998, Art 20 <Rechtsstaat> RdNr 78; Sachs in Sachs, GG-Kommentar, 1996, Einführung RdNr 52 ff; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl 2004, Art 20 RdNr 34).

Die gesetzliche Änderung in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V bringt dem Wortlaut nach nicht eindeutig zum Ausdruck, dass sie eine abschließende Regelung darstellen soll; sie kann auch als exemplarische Teilregelung der Schnittstellenproblematik zwischen Kranken- und Pflegeversicherung verstanden werden, die der Gesetzgeber für besonders regelungsbedürftig und auch gesetzgebungsreif angesehen hat. Mit einer Ausdehnung des darin enthaltenen Regelungsgedankens auf alle Behandlungspflegemaßnahmen wird der gesetzgeberische Wille nicht verfälscht oder gar in sein Gegenteil verkehrt; die parlamentarische Mehrheit hat von einer erweiterten Regelung - jedenfalls nach den Verlautbarungen - nur deshalb Abstand genommen, weil sie verwaltungspraktische Umsetzungsschwierigkeiten und unvertretbaren Mehraufwand befürchtete, ohne dies indessen näher zu konkretisieren. Es ist anzunehmen, dass das Gesetz in der umfassenderen Weise beschlossen worden wäre, wenn allen Parlamentariern der allenfalls geringfügig erhöhte Verwaltungsaufwand bekannt gewesen wäre.

h) Die im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens von den Sprechern der Mehrheitsfraktionen geltend gemachten Bedenken gegen die Praktikabilität des PKG-Entwurfs, die auch gegen die nun gefundene Wahlrechts-Lösung angeführt werden könnten, teilt der Senat nicht. Selbst wenn den gesetzgebenden Organen ein Einschätzungsspielraum zuzugestehen bleibt, ist ein ins Gewicht fallender erhöhter Verwaltungsaufwand hier eindeutig nicht zu erwarten. Ein Versicherter muss schon bei der erstmaligen Antragstellung, jedenfalls aber noch vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens, mitteilen, ob er im Falle der Feststellung der Pflegebedürftigkeit (§§ 14 und 15 SGB XI) Pflegegeld, Sachleistungen oder Kombinationsleistungen (§§ 36 bis 38 SGB XI) begehrt. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) muss in dem zu erstellenden Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit (§ 18 SGB XI) im Falle der Beantragung von Pflegegeld auch dazu Stellung nehmen, ob die häusliche Pflege in geeigneter Weise sichergestellt ist (§ 18 Abs 6 Satz 2 SGB XI). Der MDK kann in dem Gutachten ohne weiteres die notwendigen Behandlungsmaßnahmen, die nach den genannten Kriterien der Grundpflege zugerechnet werden können, gesondert aufführen und den entsprechenden Pflegeumfang in Minuten ausweisen. Ist Pflegegeld beantragt (§ 37 SGB XI), erfolgt in der Gesamtbetrachtung des Pflegebedarfs die Addition des Pflegeumfangs für die verrichtungsbezogenen Behandlungspflegemaßnahmen. Sind Pflegesachleistungen beantragt (§ 36 SGB XI), ist von der Addition abzusehen. Wird die Kombinationsleistung begehrt (§ 38 SGB XI), hängt die Berücksichtigung des Pflegeumfangs für die verrichtungsbezogene Behandlungspflege davon ab, ob der Antragsteller diese Pflegemaßnahmen ehrenamtlich (dann Addition) oder professionell (dann keine Addition) durchführen lassen möchte. Dabei besteht nach § 38 Satz 3 SGB XI grundsätzlich eine Bindung des Pflegebedürftigen für sechs Monate an seine Entscheidung, in welchem Verhältnis er Geld- und Sachleistungen in Anspruch nehmen will.

Wechselt ein Pflegebedürftiger später vom Pflegegeld zur Pflegesachleistung, hat die Pflegekasse ohnehin einen neuen Bescheid zu erteilen. In dem Verwaltungsverfahren lässt sich durch die gesonderte Ausweisung der verrichtungsbezogenen Behandlungspflege im MDK-Gutachten ohne Schwierigkeit feststellen, ob durch die dann notwendige Ausklammerung des Pflegeaufwands für die Behandlungspflege eine Herabstufung in eine niedrigere Pflegestufe oder gar ein vollständiger Leistungsentzug (wegen Unterschreitung der zeitlichen Mindestanforderungen der Pflegestufe I) gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) anzuordnen ist. Der Pflegebedürftige kann zudem von vornherein erkennen, welche finanziellen Auswirkungen ein beabsichtigter Wechsel vom Pflegegeld zur Pflegesachleistung (oder umgekehrt) haben würde.

Ist bei einem Pflegebedürftigen bislang eine an sich berücksichtigungsfähige Hilfe bei einer verrichtungsbezogenen Behandlungspflegemaßnahme beim Grundpflegebedarf außer Ansatz geblieben und hat er sich für diese Behandlungspflege der Hilfe durch einen Pflegedienst bedient, kann die KK ihre Leistungspflicht für die häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V auch für Zeiten vor dem 1. Januar 2004 nicht mit dem Argument bestreiten, an sich hätte eine Zurechnung des Pflegeaufwands zur Grundpflege erfolgen müssen, und deshalb sei die Pflegekasse für die Leistung zuständig gewesen. Dementsprechend kann sich auch die Klägerin auf diese Rechtslage stützen, weil die Medikamentengabe nach den nicht angefochtenen und für den Senat daher bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht bei der Grundpflege berücksichtigt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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