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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: B 4 RA 20/03 R
Rechtsgebiete: AAÜG


Vorschriften:

AAÜG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 18. Dezember 2003

Az: B 4 RA 20/03 R

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Meyer, die Richterin Tüttenberg und den Richter Husmann sowie die ehrenamtlichen Richter Jungwirth und Dr. Wirsam

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 27. Februar 2003 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem nach Nr 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Kläger Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsverdienste festzustellen.

Dem 1937 geborenen Kläger wurde nach erfolgreichem Fachschulstudium (Zusatzstudium) in der DDR 1970 das Recht verliehen, die Berufsbezeichnung "Agraringenieur" zu führen. Am 15. Oktober 1971 schloss er einen Arbeitsvertrag mit dem volkseigenen Gut (VEG) B. , nachdem er zuvor seit 1958 als Rechnungsinstrukteur, Hauptbuchhalter und Betriebsleiter gearbeitet hatte. Nach diesem Vertrag wurde er zum 1. Januar 1972 für die ingenieurtechnische Leitung der produktiven Abteilung Bau und die Interessenvertretung des VEG in der "zwischenbetrieblichen Einrichtung" (ZBE) bzw zwischenbetrieblichen/-genossenschaftlichen Organisation (ZBO) "Landbau" A. eingestellt. Das VEG verpflichtete sich, für den Kläger vor Eintritt ins Rentenalter beim zuständigen Fachministerium die Aufnahme in das Zusatzversorgungssystem der AVItech zu beantragen.

In einem weiteren Arbeitsvertrag ohne Datum vereinbarten das VEG und der Kläger, dass dieser mit sofortiger Wirkung in die ZBO "Landbau" A. mit Sitz in P. delegiert werde. Dort übernehme er die Funktion als Betriebsleiter und sichere die Beteiligung des VEG als Trägerbetrieb der ZBO. Das Arbeitsverhältnis werde durch das Statut (gemeint der ZBO/ZBE "Landbau") begründet und speziell durch einen Überleitungsvertrag spezifiziert. Die Grundlagen für einen Delegierten aus einem volkseigenen Betrieb seien im Statut unter Ziffer 37 verankert. Durch die Delegierung behalte der Kläger weiter alle Vergünstigungen, die einem Beschäftigten im Basisbetrieb zustünden und auch alle zukünftigen Entscheidungen bezüglich des Zusatzversorgungssystems der technischen Intelligenz würden über den Trägerbetrieb gesichert. Während der Delegierungszeit bestünden die Rechte und Pflichten wie eines Angestellten des VEG B. weiter.

Der Überleitungsvertrag vom 1. Januar 1972 wurde zwischen dem VEG B. , der ZBE "Landbau" A. und dem Kläger geschlossen: Auf der Grundlage des Statutes der ZBO "Landbau" A. werde der Kläger vom VEG in die ZBE "Landbau" A. delegiert. In der ZBE übernehme er die Funktion des Betriebsleiters und werde entsprechend dem Punkt V Nr 37 bis 40 des Statutes vergütet, prämiert und erhalte tariflichen Urlaub. Mit dieser Überleitung/Delegierung behalte er alle Ansprüche, die ihm als Angehörigen der technischen Intelligenz bei der Sicherung einer zusätzlichen Altersversorgung in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben zustünden. Sollte die ZBE "Landbau" A. aus noch nicht bekannten Gründen aufgelöst werden, werde das Arbeitsverhältnis im VEG fortgesetzt. Die Betriebszugehörigkeit zum VEG werde mit diesem Überleitungsvertrag nicht unterbrochen.

Der Kläger war vom 1. Januar 1972 bis 30. Juni 1990 in der ZBE/ZBO "Landbau" als Betriebsleiter beschäftigt. 1982 verlieh ihm die Ingenieurschule für Bauwesen in L. das Recht, die Berufsbezeichnung "Fachingenieur für Bauwirtschaft" zu führen.

Im Dezember 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten, seine Beschäftigungszeiten ab Juli 1970 als Zugehörigkeitszeiten zur AVItech festzustellen. Dieses Begehren lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 24. Mai 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2000). Das SG hat die Beklagte verpflichtet, die Zeiten vom 1. Januar 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech und die in dieser Zeit erzielten Arbeitsverdienste festzustellen. Im Übrigen ist die Klage bezüglich der geltend gemachten Zeit vom 1. Juli 1970 bis 31. Dezember 1971 abgewiesen worden.

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Kläger falle nicht unter den Anwendungsbereich des AAÜG. Eine Versorgungszusage sei ihm weder durch Verwaltungsakt noch durch Einzelentscheidung oder Einzelvertrag erteilt worden. Er habe am 30. Juni 1990 auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Zusage gehabt. Seine bis Ende Juni 1990 verrichteten Tätigkeiten seien nicht als solche in einem VEG zu werten. Insoweit sei nicht auf den Betrieb abzustellen, mit dem formal ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, sondern auf den Betrieb, in dem der Versicherte tatsächlich gearbeitet habe. Bei der ZBE bzw ZBO habe es sich jedoch weder um einen volkseigenen Betrieb noch um einen gleichgestellten Betrieb im Sinne des Versorgungsrechts gehandelt.

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1 AAÜG. Er trägt vor, das LSG habe übersehen, dass ihm bereits durch eine Einzelfallregelung im Überleitungsvertrag vom 1. Januar 1972 eine Versorgungszusage erteilt worden sei. Das LSG habe verkannt, dass das Arbeitsverhältnis auch durch die Delegierung weiterhin mit dem VEG B. bestanden habe. Insoweit verweise er auf § 53 des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 16. Juni 1977.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 27. Februar 2003 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 20. November 2001 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden sei.

II

Die Revision ist in dem Sinn begründet, dass das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen wird (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen des Urteil des SG zurückzuweisen. Der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt somit, ob das LSG - anders als das SG - die Pflicht der Beklagten verneinen durfte, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Januar 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und damit als Tatbestände von nach § 5 AAÜG gleichgestellten Pflichtbeitragszeiten iS des SGB VI sowie die dabei erzielten Arbeitsverdienste festzustellen.

Der Kläger hat sein Begehren zulässig in Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs 1 SGG) verfolgt. Ob die Klagen begründet sind, kann der Senat wegen fehlender Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

In dem Verfahren nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs 5 SGB VI ähnlich und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführen ist (dazu stellv: Urteil des Senats vom 18. Juli 1996, SozR 3-8570 § 8 Nr 2), ist die Beklagte nur dann zu den vom Kläger begehrten Feststellungen verpflichtet, wenn dieser dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG unterfällt (§ 1 Abs 1 AAÜG) und Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die einem Zusatzversorgungssystem, hier der AVItech, zuzuordnen sind (§ 5 AAÜG). Wegen der nicht ausreichenden Aufklärung des Sachverhaltes durch das LSG kann der Senat nicht beurteilen, ob der Kläger zum Personenkreis gehört, der vom AAÜG erfasst wird.

Maßstabsnorm ist insoweit § 1 Abs 1 AAÜG. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind (Satz 1 aaO). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaft beim Ausscheiden aus dem System vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2 aaO). Die letztgenannte Regelung ist im vorliegenden Fall offenkundig nicht einschlägig, sodass nur die Regelung des Satzes 1 zu prüfen ist.

§ 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG unterscheidet danach, ob der Betroffene im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG einen "Anspruch" oder eine "Anwartschaft" auf Versorgung hatte. Einen solchen Anspruch hatte der Kläger nicht; denn bis zu diesem Zeitpunkt war ua ein "Versorgungsfall" des Alters oder der Invalidität nicht eingetreten. Dagegen ist nicht auszuschließen, dass er eine Anwartschaft erworben hatte.

Dies beurteilt sich allein nach dem am 1. August 1991 gültigen Bundesrecht. Dabei untersagt das bundesrechtliche Neueinbeziehungsverbot, ab 1. Juli 1990 neue Versorgungsberechtigungen zu begründen. Während Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst a Satz 1 Halbsatz 2 zum Einigungsvertrag (EinigVtr) vom 31. August 1990 (BGBl II 889) Neueinbeziehungen nunmehr für alle Sonder- und Zusatzversorgungssysteme ab 3. Oktober 1990 für unzulässig erklärt hat, hatte § 22 Abs 1 des Rentenangleichungsgesetzes der DDR (RAnglG-DDR) vom 28. Juni 1990 (GBl I 495) die Zusatzversorgungssysteme bereits mit dem 30. Juni 1990 geschlossen und Neueinbeziehungen in diese Systeme für die nachfolgende Zeit untersagt. Da das RAnglG-DDR am 3. Oktober 1990 mit bestimmten Maßgaben sekundäres Bundesrecht geworden ist (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8 zum EinigVtr), ist rückschauend auf die tatsächlichen Gegebenheiten in der DDR am 30. Juni 1990 abzustellen, um entscheiden zu können, ob der Betroffene bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 eine Anwartschaft auf Versorgung hatte. Mit Blick auf das Neueinbeziehungsverbot ist jegliche Rechtsauslegung und -anwendung untersagt, die dazu führen würde, erstmals ab 1. Juli 1990 eine Berechtigung zu begründen, die nach den Gegebenheiten des entsprechenden Versorgungssystems am 30. Juni 1990 nicht bestand (vgl hierzu: Urteile des Senats vom 9. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 und 7).

1. Eine Anwartschaft auf Versorgung konnte auf verschiedene Weise begründet werden. So hat ein Versicherter eine Anwartschaft erworben, wenn ihm bis zum 30. Juni 1990 eine Versorgungszusage in Form eines nach Art 19 Satz 1 EinigVtr bindend gebliebenen Verwaltungsaktes erteilt worden war. Eine solche Zusage, die in der DDR zumeist mittels einer "Urkunde" zuerkannt wurde, hatte der Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht erhalten. Dies behauptet er auch nicht. Er war auch nicht früher einbezogen worden. Daher konnte auch keine nach Art 19 Satz 1 oder 3 EinigVtr wegen grober Rechtswidrigkeit unbeachtliche Aufhebung einer solchen Entscheidung verbunden mit deren Fortwirkung nach Art 19 Satz 1 EinigVtr vorliegen. Auch eine Rehabilitierungsentscheidung liegt nicht vor.

2. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist ferner davon auszugehen, dass der Kläger auch nicht durch Einzelentscheidung, und zwar hier auf Grund einer einzelvertraglichen Vereinbarung (§ 1 Abs 3 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 <nachfolgend: 2. DB>, GBl I 487), in die AVItech einbezogen war.

Das LSG hat die vorliegenden vertraglichen Regelungen dahingehend ausgelegt, dass eine Zusage auf Versorgung in einem bestimmten Versorgungssystem nicht vertraglich zugesichert worden sei. Im Arbeitsvertrag vom 15. Oktober 1971 sei lediglich bestimmt worden, dass das VEG B. vor Eintritt in das Rentenalter für den Kläger einen Antrag auf Aufnahme in die AVItech stelle. In dem undatierten Arbeitsvertrag sei ua geregelt worden, dass durch die Delegierung alle Vergünstigungen, die einem Beschäftigten im Basisbetrieb zuständen, und alle "zukünftigen" Entscheidungen bezüglich der AVItech gesichert würden. Auch hieraus sei nicht zu entnehmen, dass eine Einbeziehung bereits erfolgt sei oder zugesichert werde. Ferner ergebe die Auslegung des - sog - Überleitungsvertrages vom 1. Januar 1972 keine einzelvertragliche Zusage; denn dort sei lediglich geregelt worden, dass der Kläger mit der Überleitung/Delegierung alle Ansprüche, die ihm als Angehörigen der technischen Intelligenz zuständen, "behalte". Ansprüche auf Grund einer Versorgungszusage habe er aber bis dahin nicht erworben, sodass die vertragliche Regelung allenfalls einen Anspruch darauf begründet habe, dass der delegierende Betrieb einen entsprechenden Antrag auf Einbeziehung stellen werde, wie es schon im Arbeitsvertrag vom 15. Oktober 1971 vorgesehen gewesen sei. Schließlich ergebe sich auch aus dem Statut der ZBE/ZBO "Landbau" A. kein Hinweis auf eine einzelvertragliche Zusage.

Ob die Formulierung im sog Überleitungsvertrag, nach der der Kläger alle Ansprüche, die ihm als Angehörigen der AVItech zuständen, "behalte", im Zusammenhang mit der Antragsverpflichtung insbesondere aus dem Arbeitsvertrag vom 15. Oktober 1971 nicht auch dahingehend interpretiert werden könnte, dass sie Ausdruck der Annahme einer anderweitig bereits erfolgten Versorgungszusage gewesen sein könnte, hat der Senat nicht zu entscheiden. Denn er ist an die Auslegung durch das LSG gebunden. Die Auslegung des Inhaltes von rechtsgeschäftlichen (Individual-)Erklärungen fällt in den Aufgabenbereich des Tatsachengerichts mit der Folge, dass dessen Auslegungsergebnisse Tatsachen darstellen, an die das Revisionsgericht gebunden ist, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht worden sind (§ 163 SGG).

Der Kläger hat sich in seiner Revisionsbegründung darauf beschränkt, vorzutragen, dass er davon ausgehe, mit den Vereinbarungen im - sog - Überleitungsvertrag sei eine Einzelfallzusage iS der 2. DB gemacht worden. Damit hat er die Feststellungen des LSG nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen. Er hat weder eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (zB durch Unterlassen einer Beweiserhebung über bestimmte für die Vertragsauslegung bedeutsame Tatsachen) noch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (zB durch nicht ausreichende Anhörung des Klägers zur Bedeutung der Vertragsregelungen) noch die Nichtberücksichtigung von festgestellten Tatsachen, die wiederum für die Vertragsauslegung bedeutsam gewesen wären, gerügt. Auch ein Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze oder die Verletzung sonstiger Verfahrensvorschriften oder von bundesrechtlichen Auslegungsgrundsätzen hat der Kläger nicht geltend gemacht.

Die hier zu prüfenden vertraglichen Vereinbarungen stellen auch keine sog "typischen" Verträge dar, die in einer Vielzahl von Fällen - häufig unter Benutzung von Vertragsformularen - geschlossen werden und die revisionsgerichtlich uneingeschränkt überprüfbar sind (BGH, Urteil vom 21. April 1982, BGHZ 83, 334; BAG, Urteil vom 11. Mai 1983, BAGE 42, 349, 356). Bei dem Arbeitsvertrag vom 15. Oktober 1971, dem undatierten Arbeitsvertrag sowie dem sog Überleitungsvertrag vom 1. Januar 1972 handelt es sich um individuelle, auf den Einzelfall des Klägers zugeschnittene Verträge. Etwas anderes gilt für das vom LSG in Bezug genommene Statut der ZBE/ZBO "Landbau" A. , das ua auch die Beschäftigungsbedingungen sowohl von delegierten als auch unmittelbar von der ZBE/ZBO eingestellten Arbeitnehmern behandelte, also für eine Vielzahl von Fällen Geltung beanspruchte (hieran wird in dem undatierten Arbeitsvertrag und in dem sog Überleitungsvertrag angeknüpft). Das Statut enthält jedoch keine Regelung, der eine Zusage auf Versorgung des Klägers in der AVItech (oder einem anderen Versorgungssystem) entnommen werden könnte.

Während das Revisionsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des Vordergerichts gebunden ist, hat es allerdings zu prüfen, ob dieses Gericht bei der Auslegung des Vertrages Bundesrecht iS des § 162 SGG verletzt hat, also insbesondere die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB nicht beachtet und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (BSG, Urteil vom 27. September 1994, BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10). Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Ausgehend vom Wortlaut der einschlägigen vertraglichen Regelungen ist das LSG zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Versorgungszusage zu Gunsten des Klägers nicht erteilt worden ist. Begleitumstände oder andere vom LSG festgestellte weitere Tatsachen ergeben keine zwingenden Hinweise dafür, dass die Vertragsparteien einen anderen rechtsgeschäftlichen Willen gehabt haben könnten. Allein die Möglichkeit, die Erklärungen auch in einem anderen Sinn zu interpretieren, rechtfertigt nicht den Vorwurf, das LSG habe bei der Vertragsauslegung gesetzliche Auslegungsregeln verletzt.

Auf Grund der Vertragsauslegung durch das LSG hat der Senat davon auszugehen, dass dem Kläger eine verbindliche Versorgungszusage iS des § 1 Abs 3 der 2. DB nicht erteilt worden ist. Er war somit am 30. Juni 1990 nicht rechtlich verbindlich in die AVItech einbezogen.

3. Dies schließt jedoch noch nicht aus, dass der Anwendungsbereich des AAÜG gleichwohl auch ihn erfasste. Bei Personen, die am 30. Juni 1990 in ein Versorgungssystem nicht einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht auf Grund von originärem Bundesrecht einbezogen wurden (zB Art 9 Abs 2, 17, 19 EinigVtr), ist - um Wertungswidersprüche zu vermeiden - in verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt haben (stRspr des Senats, vgl stellv: Urteile vom 9. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 und 7).

Der fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer solchen Zusage hängt im Bereich der AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl S 844) und der 2. DB von drei Voraussetzungen ab (vgl dazu ua: Urteil des Senats vom 9. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 6; Urteil vom 10. April 2002, SozR 8570 § 1 Nr 5). Generell war dieses System eingerichtet für

(1) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und

(2) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar

(3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesen gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

a) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG war dem Kläger 1970 das Recht verliehen worden, die Berufsbezeichnung "Agraringenieur" zu führen. Damit erfüllte er am 30. Juni 1990 die persönliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in die AVItech. Dasselbe ergibt sich aufgrund der Verleihung des Rechts im Jahre 1982, die Berufsbezeichnung "Fachingenieur für Bauwirtschaft" führen zu dürfen.

b) Entgegen der Auffassung des LSG war auch die betriebliche Voraussetzung für eine Einbeziehung erfüllt. Zwar hat der Kläger am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gearbeitet, jedoch war er zu diesem Zeitpunkt Arbeitnehmer in einem "VEG" und damit in einem nach § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb beschäftigt.

Aus den vorliegenden Arbeitsverträgen, dem sog Überleitungsvertrag und dem Statut der ZBE/ZBO "Landbau" A. ergibt sich, dass der Kläger seit dem 1. Februar 1972 durchgehend und damit auch am 30. Juni 1990 Arbeitnehmer des VEG B. war. Insoweit war der Senat bezüglich der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen nicht durch die Auslegung des LSG gebunden. In diesem Kontext hat sich das LSG auf den Hinweis beschränkt, das "formal" während der strittigen Zeit ein Arbeitsverhältnis mit dem VEG bestanden habe. Soweit es in diesem Zusammenhang den Arbeitsvertrag vom 15. Oktober 1971, den undatierten Arbeitsvertrag sowie den sog Überleitungsvertrag vom 1. Januar 1972 anführt, geschieht dies nicht, um seine Auffassung zu belegen, es habe ein "formales" Arbeitsverhältnis mit dem VEG bestanden, sondern um darzulegen, dass der Kläger durchgehend verpflichtet war, als Betriebsleiter in der ZBE/ZBO zu arbeiten; denn hierauf kam es nach seiner Rechtsauffassung allein an.

Der Auffassung des LSG, bei der Prüfung, ob die betrieblichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVItech erfüllt seien, sei allein auf den Betrieb abzustellen, in dem der Versicherte tatsächlich tätig gewesen ist, entspricht nicht den Gegebenheiten, die nach den versorgungsrechtlichen Regelungen zu beachten sind. In diesem Zusammenhang beruft sich das LSG zu Unrecht auf das Urteil des Senats vom 10. April 2002 (B 4 RA 34/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 3). In dieser Entscheidung bestand ein Arbeitsvertrag zwischen dem Versicherten und einer ZBO, dh jener war direkt in die zwischenbetriebliche Bauorganisation eingestellt worden; diese war der Arbeitgeber. Soweit der Senat darauf hingewiesen hat, dass es auf die "Beschäftigungsstelle" ankomme, war dies in einem rechtlichen, nicht aber - wie vom LSG verstanden - in einem tatsächlichen Sinn gemeint.

Ob die betriebliche Voraussetzung im Sinne der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer Arbeitgeber im rechtlichen Sinn war. Dies ergibt sich schon daraus, dass - sofern die Voraussetzungen für eine Anwendung des AAÜG gegeben sind - letztlich ein Ziel des Gesetzes ist, Beschäftigungszeiten als gleichgestellte Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung festzustellen, um dann unter Zugrundelegung der entsprechenden Verdienste die für die Festsetzung des Rentenwertes im späteren Leistungsverfahren maßgebliche fiktive Vorleistung für die Versicherung (gemessen in sog Entgeltpunkten) bewerten zu können. Es muss ein Beschäftigungsverhältnis iS des § 1 Nr 1 SGB VI iVm § 7 Abs 1 SGB IV bestanden haben, also im Regelfall ein Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinn. Parteien dieses Rechtsverhältnisses sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wenn bei der Qualifizierung, ob ein Beschäftigungsverhältnis von einem bestimmten Versorgungsverhältnis erfasst wurde, ua auf den Betriebstyp abzustellen ist, ist der Betrieb des Arbeitgebers angesprochen; dieser ist die Beschäftigungsstelle im rechtlichen Sinn. Ein Dritter ist nicht Partei des Beschäftigungsverhältnisses. Deshalb kommt es auf dessen Betrieb nicht an, auch wenn der Arbeitnehmer hier die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen hat (vgl hierzu: Urteil des Senats vom 24. Juli 2003, B 4 RA 40/02 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Arbeitgeber war durchgehend seit dem 1. Februar 1972 und damit auch an dem hier bei Prüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs 1 AAÜG allein maßgebenden 30. Juni 1990 das VEG B. . Nach dem ursprünglichen Arbeitsvertrag wurde das Arbeitsverhältnis zum 1. Januar 1972 begründet. Zum Aufgabenbereich des Klägers gehörte die ingenieurtechnische Leitung der produktiven Abteilung Bau im VEG und die Wahrnehmung der Interessenvertretung des VEG in der ZBE/ZBO. Der nachfolgende undatierte Arbeitsvertrag ist als Änderungsvertrag zu verstehen. Auch dieser Vertrag hebt hervor, dass der Kläger als Bauingenieur in das VEG B. eingestellt werde; insoweit wurde der Ursprungsvertrag nicht verändert. Auch der Änderungsvertrag bestätigt damit, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem VEG begründet wurde. Geändert wurde jedoch der Inhalt der Arbeitspflicht; denn der Kläger wurde mit sofortiger Wirkung in die ZBO "Landbau" A. "delegiert" und übernahm dort die Funktion als Betriebsleiter und sicherte die Beteiligung des VEG als Trägerbetrieb der ZBE "Landbau". Des Weiteren wurden die Arbeitsbedingungen dadurch modifiziert, dass diese sich nicht allein nach dem Ursprungsvertrag, sondern nunmehr auch nach dem Statut der ZBE/ZBO und dem Überleitungsvertrag bestimmten.

Der "Überleitungsvertrag" war kein solcher iS des § 53 des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl I 185; nachfolgend: AGB-DDR 1977). Ein solcher war eine spezielle Rechtsform der Aufhebung eines Arbeitsvertrages mit einem Betrieb (= Arbeitgeber) und des gleichzeitigen Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages mit einem anderen Betrieb (= neuen Arbeitgeber). Er diente der reibungslosen Überleitung des "Werktätigen" in einen anderen Betrieb und des einen Arbeitsverhältnisses in ein anderes (Autorenkollektiv, Arbeitsrecht - Grundriss - Staatsverlag der DDR, 1980, S 87 f). Bei Abschluss des Überleitungsvertrages zwischen dem Kläger, dem VEG B. und der ZBE "Landbau" A. am 1. Januar 1972 war das AGB-DDR 1977 nicht in Kraft. Das damals geltende Arbeitsrecht, kodifiziert im Gesetzbuch der Arbeit der DDR vom 12. April 1961 (GBl I 27), enthielt keine Regelung zum Überleitungsvertrag und auch nicht zum Delegierungsvertrag.

Die Parteien des sog Überleitungsvertrages vom 1. Januar 1972 haben offenkundig nicht zwischen Delegierung und Überleitung im Sinne des späteren AGB-DDR 1977 unterschieden, sondern beide Begriffe synonym verwandt. Der "Überleitungsvertrag" regelt nicht, dass das Arbeitsverhältnis mit dem VEG aufgehoben, also das Arbeitsverhältnis mit diesem Betrieb beendet und zugleich ein neuer Arbeitsvertrag und damit ein neues Arbeitsverhältnis mit der ZBE begründet werden sollte. Allenfalls könnte die Vereinbarung, das Arbeitsverhältnis mit dem VEG werde fortgesetzt, falls die ZBE aufgelöst werde, - isoliert betrachtet - dahin verstanden werden, dass ein neues Arbeitsverhältnis mit dem ZBE begründet und während dessen Bestehens das Arbeitsverhältnis mit dem VEG ruhen sollte. Insoweit stellt aber schon die unmittelbar folgende Vereinbarung klar, dass die Betriebszugehörigkeit des Klägers zu dem VEG nicht durch den Überleitungsvertrag unterbrochen werde, ohne auch nur andeutungsweise zu erkennen zu geben, dass daneben gleichzeitig eine Betriebszugehörigkeit zur ZBE bestehen sollte. Der Kläger wurde arbeitsrechtlich somit dem VEG zugeordnet und hatte "lediglich" seine Arbeitspflicht in der ZBE zu erfüllen.

Diese Auslegung wird auch durch den Ausdruck "delegieren" bestätigt, der rechtlich damals nur die vorübergehende Erbringung der Arbeitsleistung in einem anderen Betrieb bedeutete. Der Überleitungsvertrag ist ferner in einem Zusammenhang mit dem undatierten, wohl aber zeitgleich abgeschlossenen Änderungsvertrag zwischen dem Kläger und dem VEG zu sehen. Dessen Abschluss hatte nur einen Sinn, wenn das Arbeitsverhältnis mit diesem Betrieb fortbestehen, nicht aber beendet werden oder ruhen sollte. Der Überleitungsvertrag weist daher weitgehend Merkmale auf, die später für einen Delegierungsvertrag in § 50 AGB-DDR 1977 festgelegt worden sind; es fehlt lediglich der Beendigungszeitpunkt für die Delegierung; ein solcher musste nach dem bei Vertragsabschluss geltenden Recht nicht aufgenommen werden, sondern insoweit konnten die Beteiligten Anfang 1972 das Dreiecksverhältnis im Rahmen der Delegierung frei gestalten.

Betrieb iS des § 1 der 2. DB ist somit der Betrieb des VEG. Dieser wird ausdrücklich in § 1 Abs 2 der 2. DB einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt. Damit ist die betriebliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in die AVItech erfüllt.

c) Auf Grund fehlender Feststellungen im Berufungsurteil kann der Senat nicht entscheiden, ob der Kläger auch die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung erfüllte. Das wäre der Fall, wenn er im Juni 1990 (und ggf ab 1972) ingenieurtechnische Arbeiten entsprechend dem verliehenen Titel "Agraringenieur" ausgeführt, also im Wesentlichen Aufgaben verrichtet hätte, die zum Fachbereich des "Agraringenieurs" gehörten. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, ist für Juni 1990 (und ggf für Zeiten ab 1982) zu prüfen, ob der Kläger im Wesentlichen Arbeiten eines "Fachingenieurs für Bauwirtschaft" verrichtet hat, ggf, ob und wann die Arbeiten als Agrar- und Bauingenieur zusammen der wesentliche Inhalt seiner Beschäftigung waren. Das LSG hat lediglich festgestellt, dass der Kläger ab 1. Januar 1972 als "Betriebsleiter" in der ZBE/ZBO "Landbau" A. tätig war. Welche Arbeiten er konkret während dieser Zeit verrichten musste und auch tatsächlich verrichtet hat, hat das LSG nicht festgestellt. Hierzu bestand unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung auch kein Anlass. Die notwendigen Feststellungen wird das LSG nunmehr nachzuholen haben.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu entscheiden haben.



Ende der Entscheidung

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