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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 16.03.2006
Aktenzeichen: B 4 RA 30/05 R
Rechtsgebiete: AAÜG


Vorschriften:

AAÜG § 1 Abs 1 Satz 2
AAÜG § 5
AAÜG § 6
AAÜG § 7
AAÜG § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 4 RA 30/05 R

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 16. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meyer, die Richter Husmann und Dr. Knörr sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Farlock und Sachse

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten der Klägerin in der DDR als Zeiten der fiktiven Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die dabei erzielten Arbeitsverdienste festzustellen. Sie war in der DDR in kein Versorgungssystem einbezogen worden.

Der Klägerin wurde in der DDR im Jahr 1972 der akademische Grad eines Diplom-Ingenieurs verliehen. Nach einer Beschäftigung als Technologin im VEB B. - nahm sie im Mai 1980 eine Beschäftigung als "Themenverantwortliche" im VEB K. auf. Ab 1. Mai 1988 war sie als "Leitprojektant" beschäftigt. In ein Zusatzversorgungssystem war die Klägerin von der DDR nicht einbezogen worden.

Der VEB K. war ein Kombinatsbetrieb des VEB C. . Beide Unternehmen und die - bundesdeutsche - L. AG errichteten mit Gesellschaftsvertrag vom 25. April 1990 die L. - KCA - GmbH. In die GmbH wurde der VEB K. mit Wirkung zum 25. April 1990 eingebracht und für Rechnung der Gesellschaft geführt und betrieben. Die GmbH wurde am 19. Juni 1990 in das Handelsregister eingetragen.

Den im Mai 2002 gestellten Antrag der Klägerin, ihre Beschäftigungszeiten vom 2. November 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und die dabei erzielten Arbeitsverdienste festzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17. Dezember 2002). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe in der DDR weder eine positive Versorgungszusage erhalten noch habe sie am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre. Das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) sei daher nicht auf sie anwendbar.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, auf den Stichtag "30. Juni 1990" könne es schon wegen der damit verbundenen Ungleichbehandlungen nicht ankommen. Im Übrigen sei der VEB K. am 30. Juni 1990 noch ein Kombinatsbetrieb des VEB C. gewesen. An diesem Stichtag seien sämtliche Mitarbeiter Angehörige des VEB C. gewesen. Der VEB K. sei bilanztechnisch, arbeitsrechtlich, abrechnungstechnisch und rentenrechtlich als VEB weitergeführt worden. Auch die "VEB-Arbeitsverträge" seien bis 1992/1993 unverändert fortgesetzt worden. Erst am 1. Juli 1990 sei der Betrieb bilanz- und abrechnungstechnisch als L. - KCA geführt worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Klägerin habe am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung in der L. - KCA - GmbH ausgeübt; sie sei daher bei einem Arbeitgeber beschäftigt gewesen, der nach den Regeln der Versorgungssysteme nicht einbezogen gewesen sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen abgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 14. Juli 2005). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Klägerin sei eine Versorgungszusage nicht erteilt worden. Auch durch Einzelentscheidung der DDR habe sie kein Recht auf zusätzliche Altersversorgung erworben. Am 30. Juni 1990 habe sie keine Tätigkeit ausgeübt, nach der ihr nach Bundesrecht zwingend eine Versorgungszusage zu erteilen gewesen wäre. Zwar sei der VEB K. nicht bereits vor dem 30. Juni 1990 erloschen. Dieses Unternehmen sei auch nicht in die L. - KCA - GmbH umgewandelt worden. Aus der Anlage zum Gesellschaftsvertrag der L. - KCA - GmbH ergebe sich jedoch, dass die Klägerin am 30. Juni 1990 nicht mehr im VEB K. , sondern in der L. - KCA - GmbH beschäftigt gewesen sei. Nach Ziff 2.3. der Anlage seien zum Stichtag, dem 25. April 1990, alle bestehenden und ungekündigten Anstellungs- bzw Arbeitsverträge des VEB K. auf die Gesellschaft übergegangen. Darüber hinaus sei der VEB K. ab 25. April 1990 nicht mehr wirtschaftlich als Produktionsbetrieb tätig gewesen. Vielmehr habe die L. - KCA - GmbH am 25. April 1990 nach Maßgabe der Ziff 2.3. der Anlage zum Gesellschaftsvertrag alle vertraglichen Verpflichtungen des VEB K. übernommen. Dessen Abschlussbilanz sei zum 24. April 1990 erstellt worden. Danach sei die Bilanzierung ausschließlich durch die L. - KCA - GmbH erfolgt. Die Klägerin falle daher am 30. Juni 1990 nicht unter den von der AVItech erfassten Personenkreis. Etwas anderes folge auch nicht aus § 30 der Verordnung über die Gründung und Tätigkeit von Unternehmen mit ausländischer Beteiligung in der DDR vom 25. Januar 1990 (GBl I S 16).

Die Klägerin hat mit Zustimmung der Beklagten Sprungrevision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG und der §§ 5 bis 8 AAÜG. Sie trägt vor, die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der DDR hänge nicht notwendig davon ab, ob und wann in der DDR eine Versorgungszusage erteilt worden sei. Zugehörigkeitszeiten iS des § 5 AAÜG lägen dann vor, wenn eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden sei, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen worden sei. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass auf ein Arbeitsrechtsverhältnis, das mit einem Unternehmen nach der "Joint-Venture-Verordnung" bestanden habe, die Regelungen der Verordnung über die AVItech Anwendung fänden; deshalb habe auch bei einem Beschäftigungsverhältnis mit einer GmbH am 30. Juni 1990 eine Einbeziehung in die AVItech zu erfolgen. Die Regelungen des § 30 der genannten Verordnung seien insoweit als Rechtsfolgenverweisung zu verstehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer ablehnenden Entscheidungen im Bescheid vom 17. Dezember 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2003 zu verpflichten, die Beschäftigungszeiten vom 20. November 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die dabei erzielten Arbeitsverdienste festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass das Urteil des SG rechtlich nicht zu beanstanden sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

II

Die zulässige (Sprung-)Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

Die Klägerin verfolgt ihr Begehren, die geltend gemachten Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und die dabei erzielten Verdienste festzustellen, zulässig in einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs 1 SGG). Die Klagen sind jedoch unbegründet. Im Bescheid vom 17. Dezember 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2003 hat die Beklagte zu Recht den Erlass der von der Klägerin begehrten feststellenden Verwaltungsakte abgelehnt.

1. In einem Verfahren nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ähnlich und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführen ist (dazu stellvertretend: Urteil des Bundessozialgerichts <BSG> vom 18. Juli 1996, SozR 3-8570 § 8 Nr 2), ist die Beklagte nur dann zu den von der Klägerin begehrten Feststellungen verpflichtet, wenn diese dem persönlichen Anwendungsbereich des am 1. August 1991 in Kraft getretenen AAÜG unterfällt. Dies beurteilt sich nach der Maßstabsnorm des § 1 Abs 1 AAÜG iVm den Regelungen der einschlägigen Versorgungsordnungen - hier derjenigen der AVItech -, soweit sie auf Grund der Anordnung im Einigungsvertrag (EinigVtr), dessen Vereinbarungen durch das Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990 (BGBl II 885) in die bundesdeutsche Rechtsordnung transformiert worden sind, zu (sekundärem) Bundesrecht geworden sind; dies gilt allerdings nur unter der Einschränkung, dass sie im Einklang mit dem Grundgesetz (GG) und dem supranationalen europäischen Gemeinschaftsrecht stehen.

Die Klägerin erfüllt weder einen der beiden ausdrücklich in § 1 Abs 1 AAÜG genannten Tatbestände noch den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in erweiternder Auslegung dieser Norm herausgearbeiteten Tatbestand einer fingierten Versorgungsanwartschaft. Damit entfällt die weitere Prüfung gemäß § 5 AAÜG, ob sie in ihrem Berufsleben zu irgendeinem Zeitpunkt Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die den Charakter von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech aufweisen. Denn erst wenn der persönliche Anwendungsbereich des AAÜG bejaht wird, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob derartige Zugehörigkeitszeiten vorliegen.

a) Die Klägerin war bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsberechtigung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG.

Nach dieser Norm gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Einen anerkannten "Anspruch" auf Versorgung (= Vollrecht) hatte die Klägerin bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht. Sie war zu diesem Zeitpunkt auch nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft. Denn der "Erwerb" einer Versorgungsberechtigung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG setzt voraus, dass der/die Betroffene nach den zu verfassungsgemäßem Bundesrecht gewordenen Regeln des jeweiligen Versorgungssystems am 31. Juli 1991 (noch) und damit bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 in das System - hier in die AVItech - einbezogen war.

§ 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG knüpft an die Neueinbeziehungsverbote in dem zu Bundesrecht gewordenen Rentenangleichungsgesetz der DDR (RAnglG-DDR) vom 28. Juni 1990 (GBl I 495) sowie im EinigVtr an. § 22 Abs 1 RAnglG-DDR untersagte eine Neueinbeziehung ab 1. Juli 1990, sodass in der Folgezeit nur die Personen weiterhin Vorteile aus einem Versorgungssystem in Anspruch nehmen konnten, die zu diesem Zeitpunkt bereits in das System einbezogen waren (zB durch staatlichen Akt oder durch Einzelvertrag). Hieran hat der EinigVtr durch die zeitlich befristete und modifizierte Anordnung der Weitergeltung des RAnglG-DDR als Bundesrecht (vgl Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8) sowie in den weiteren besonderen Maßgaben für die Versorgungssysteme mit einem Neueinbeziehungsverbot - auch - ab 3. Oktober 1990 (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst a Satz 1 Halbsatz 2) festgehalten.

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des SG war die Klägerin nicht in die AVItech einbezogen worden. Schon deshalb hatte sie keine Versorgungsberechtigung erworben und unterfiel nicht dem Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG.

b) Auch der Tatbestand des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG ist nicht erfüllt.

Nach dieser Norm gilt ein Verlust der Versorgungsanwartschaft als nicht eingetreten, wenn die Regelungen des jeweiligen Systems einen solchen Verlust bei Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen. § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG betrifft Personen, die vor dem 1. Juli 1990 (= Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme) aus einem Versorgungssystem der DDR rechtmäßig ausgeschieden waren und damit ihre Versorgungsanwartschaft rechtmäßig verloren hatten. Er unterwirft sie in Abweichung vom EinigVtr dem Anwendungsbereich des AAÜG, indem er sie so behandelt, als wären sie noch einbezogen gewesen und hätten damit noch eine Versorgungsanwartschaft gehabt (Fall einer gesetzlich fingierten Versorgungsanwartschaft).

Die Klägerin war in der DDR nach den Feststellungen des SG zu keinem Zeitpunkt vor dem 1. Juli 1990 in ein Versorgungssystem einbezogen worden und dort sodann vor Eintritt des Versorgungsfalls ausgeschieden. Sie erfüllt nicht den Tatbestand des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG.

c) Die Klägerin war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft, wie sie sich gemäß der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG trotz der Weitergeltung des verfassungsgemäßen Neueinbeziehungsverbots des EinigVtr aus dieser Norm herleitet.

Bei Personen, die am 1. Juli 1990 in kein Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht auf Grund originären Bundesrechts (zB Art 17 EinigVtr) einbezogen wurden, ist zu prüfen, ob sie nach dem am 1. August 1991 geltenden Bundesrecht an diesem Tag auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen tatsächlichen Umstände einen fiktiven bundesrechtlichen "Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage" erlangt haben (vgl ua: BSG, Urteile vom 9. und 10. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 bis 8).

aa) Der umschriebene fiktive bundesrechtliche Anspruch hängt im Bereich der AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl S 844) und § 1 Abs 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: 2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl S 487), soweit diese am 3. Oktober 1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden sind, von drei Voraussetzungen ab (hierzu stellvertretend: Urteile des BSG vom 9. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 und 6). Generell war dieses System eingerichtet für Personen,

(1) die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und

(2) die entsprechende Tätigkeiten ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar

(3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesen gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Die Klägerin erfüllte die persönliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in die AVItech; denn ihr war im November 1972 das Recht verliehen worden, die Berufsbezeichnung "Diplom-Ingenieur" zu führen. Ob sie auf Grund der tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten auch die sachliche Voraussetzung erfüllt, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, weil insoweit Feststellungen des SG fehlen. Dies kann jedoch offen bleiben, weil die notwendige dritte Voraussetzung nicht erfüllt ist.

Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB rechtlich erfüllt ist, bestimmt sich - wie das SG richtig gesehen hat - danach, wer am maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war (Urteil des BSG vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 20/03 R, SozR 4-8570 § 5 Nr 3). Abzustellen ist hierbei nach ständiger Rechtsprechung des BSG gemäß den Vorgaben des EinigVtr auf die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990 (vgl ua: BSG, Urteile vom 9. und 10. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 bis 8). In den genannten höchstrichterlichen Entscheidungen ist zugleich darauf hingewiesen worden, dass der Bundesgesetzgeber an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme in der DDR sowie an die gegebene versorgungsrechtliche Lage der Betroffenen ohne Willkürverstoß anknüpfen und damit ua zu Grunde legen durfte, dass nur derjenige in das Zusatzversorgungssystem der AVItech einbezogen werden durfte, der am 30. Juni 1990 (Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie und des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war. Art 3 Abs 1 und 3 GG gebietet nicht, von jenen zu Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme sowie von den historischen Fakten, aus denen sich etwa Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Diese verfassungsrechtliche Wertung hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt (Beschluss vom 4. August 2004, 1 BvR 1557/01, SozR 4-8570 § 5 Nr 4; Beschluss vom 26. Oktober 2005, 1 BvR 1921/04, SozR 4-8560 § 22 Nr 1 RdNr 38 ff).

Die tatsächliche Feststellung des SG, die Klägerin sei am maßgeblichen Stichtag (30. Juni 1990) nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen, ist für das BSG bindend (§ 163 SGG) und in der Sprungrevision mit Verfahrensrügen nicht angreifbar (§ 161 Abs 4 SGG). Das SG hat unter Auslegung der Anlage zum Gesellschaftsvertrag der L. - KCA - GmbH festgestellt, dass die Klägerin seit dem 25. April 1990 und damit auch am maßgeblichen Stichtag, dem 30. Juni 1990, nicht mehr bei dem VEB K. , ihrem bisherigen Arbeitgeber, sondern bei der GmbH als neuer Arbeitgeberin beschäftigt war. Diese Auslegung des Inhalts von rechtsgeschäftlichen Individualerklärungen fällt in den alleinigen Kompetenzbereich des Tatsachengerichts mit der Folge, dass dessen Auslegungsergebnisse für das Revisionsgericht Tatsachen sind, an die es gebunden ist.

Ein in Rechtsform der GmbH geführtes Unternehmen unterliegt gemäß der ständigen Rechtsprechung des BSG nach Bundesrecht nicht dem Anwendungsbereich der AVItech (Urteil vom 9. April 2002, B 4 RA 3/02 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 7; Urteil vom 29. Juli 2004, B 4 RA 4/04 R, SozR 4-8570 § 1 Nr 4; Urteil vom 29. Juli 2004, B 4 RA 12/04 R). Das auf betrieblicher Ebene begründete Arbeits- bzw Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestand in solchen Fällen nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb (der Industrie oder des Bauwesens).

Es kann dahin stehen, ob die Klägerin mit ihrem Vorbringen, das SG habe eine sich aus § 30 der - sog - Joint-Venture-Verordnung der DDR (= Verordnung über die Gründung und Tätigkeit von Unternehmen mit ausländischer Beteiligung in der DDR vom 25. Januar 1990, GBl I S 16) ergebende "Rechtsfolgenverweisung" nicht beachtet, die vom SG getroffene Feststellung mit einer Verfahrensrüge angreifen will; denn diese wäre ohnehin unbeachtlich (§ 161 Abs 4 SGG).

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass § 30 der sog Joint-Venture-Verordnung kein Bundesrecht geworden ist. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben als Rechtsmaßstab ausschließlich Bundesrecht anzuwenden, nicht aber zB Regelungen des DDR-Rechts. Etwas anderes gilt nur, soweit solche Regelungen durch Anordnung des Bundesgesetzgebers (insbesondere im EinigVtr) zu Bundesrecht geworden oder nachrangig zu diesem "weiter anzuwenden" sind. Eine bundesrechtliche "Weiteranwendung" der sog Joint-Venture-Verordnung, insbesondere des § 30, hat der EinigVtr aber nicht angeordnet (vgl zB im EinigVtr: Anlage II Kapitel III <Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz> Sachgebiet D <ua Handels- und Gesellschaftsrecht>) und Anlage II Kapitel V <Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft> Sachgebiet A <ua allgemeines Wirtschaftsrecht und Wirtschaftspolitik>).

Nur beiläufig ist anzumerken, dass § 30 der sog Joint-Venture-Verordnung auch inhaltlich keine rechtliche Bedeutung für die hier zu beurteilende Frage der fiktiven Einbeziehung in die AVItech hatte. Die Norm ordnete zwingend an, dass auch bei ausländischer Beteiligung an einem Unternehmen der DDR die Arbeits(rechts)verhältnisse weiterhin dem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht der DDR unterlagen, also die Vereinbarung eines ausländischen Rechtsstatuts in diesen Bereichen ausgeschlossen war. Der Normtext lässt auch nicht andeutungsweise erkennen, dass damit zugleich eine Zuordnung zu einem Zusatzversorgungssystem - hier der AVItech - verbunden gewesen sei. Die Auffassung der Klägerin würde zu dem offenkundig unhaltbaren Ergebnis führen, dass alle Arbeitnehmer/Werktätigen, die dem Arbeits- und dem Sozialversicherungsrecht der DDR unterlagen, automatisch Mitglied eines Zusatzversorgungssystems gewesen wären.

bb) Anhaltspunkte, es könne sich bei der GmbH um einen gleichgestellten Betrieb iS des § 1 Abs 2 der 2. DB handeln, liegen nicht vor. Auch die Klägerin hat dies nicht geltend gemacht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.



Ende der Entscheidung

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