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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 28.08.2002
Aktenzeichen: B 5 RJ 12/02 R
Rechtsgebiete: SGG


Vorschriften:

SGG § 103
SGG § 106
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 28. August 2002

Az: B 5 RJ 12/02 R

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. August 2002 durch den Richter Schenk als Vorsitzenden, die Richterin Streffer und den Richter Dr. Fichte sowie den ehrenamtlichen Richter Behrens und die ehrenamtliche Richterin Arlt

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. März 2001 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Gründe:

I

Der im März 1958 geborene Kläger begehrt an Stelle der ihm mit Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 1996 ab 12. Juli 1995 bewilligten Rente wegen Berufsunfähigkeit eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Im Klageverfahren sind Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers Dr. N und Dr. Kr und des Hospitals in H sowie der Entlassungsbericht der AOK-Klinik S in B über die stationäre Kurmaßnahme vom 26. August bis 16. September 1997 eingeholt bzw vorgelegt worden. Gestützt auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen des Dr. H und des Orthopäden Dr. K , mit denen die Beklagte der Klage entgegengetreten ist, hat das Sozialgericht (SG) die Klage durch Urteil vom 5. November 1998 abgewiesen. Auf die Berufung, mit der der Kläger ua eine noch nicht berücksichtigte Verschlechterung seines Gesundheitszustands geltend gemacht hat, hat das Landessozialgericht (LSG) Dr. N und Dr. Kr schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und ein Sachverständigengutachten von Prof. Dr. H , Chefarzt der Orthopädischen Abteilung der Fachkliniken H , vom 11. Oktober 1999 eingeholt sowie auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. Gr das internistisch-psychosomatische Fachgutachten vom 8. Juli 2000. Der Einschätzung des letzteren Gutachters ist die Beklagte mit einer Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G entgegengetreten. Sodann hat das LSG weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. H , Zentrum für Psychiatrie W , vom 10. Januar 2001. Der Kläger hat zuletzt noch einen Arztbrief von Dr. Kr vom 28. Februar 2001 vorgelegt, eine nicht ausreichende Geh- und Fahrfähigkeit geltend gemacht und die Einholung eines orthopädischen Gutachtens zur Frage der Wegefähigkeit und Pkw-Führung beantragt. Diesem Antrag ist das LSG nicht gefolgt. Es hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 15. März 2001 zurückgewiesen und gestützt auf das urkundlich verwertete, im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. O , die beratungsärztlichen Stellungnahmen der Dres. H , K und G sowie die Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. H und Dr. H im Wesentlichen ausgeführt: Beim Kläger liege keine Erwerbsunfähigkeit vor. Wie sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. H ergebe, stünden im Vordergrund der seine Leistungsfähigkeit einschränkenden Befunde eine mittelschwere Coxarthrose rechts und mäßige Coxarthrose links mit deutlicher konzentrischer Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke mit Hüftbeugekontraktur beidseits und Beeinträchtigungen der Einwärtsdrehung, eine hierdurch bedingte sekundäre Fehlhaltung der unteren Lendenwirbelsäule mit reaktiven muskulären Dysfunktionen (zusätzlich begünstigt durch das Übergewicht des Klägers), jedoch ohne Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik, sowie mäßige degenerative Aufbraucherscheinungen im Bereich der Schultergelenke mit Rotationseinschränkung der rechten Schulter ohne Hinweis für einen entzündlichen Reizzustand oder eine Weichteilproblematik im Sinne eines Impingementsyndroms oder einer degenerativen Rotatorenmanschetten-Defektarthropathie. Im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule, des linken Hand- und Ellenbogengelenks (Zustand nach Unterarmfraktur) sowie der Kniegelenke und des linken oberen Sprunggelenks hätten keine wesentlichen Veränderungen und Funktionsstörungen festgestellt werden können. Der Kläger leide außerdem an einer leichten Somatisierungsstörung im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer Hochtoninnenohrschwerhörigkeit rechts und einem Tinnitus rechts, der nach entsprechender Behandlung in der Universitäts-HNO-Klinik T habe gebessert werden können. Der Kläger sei zwar in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt, aber noch in der Lage, leichte Arbeiten (ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg), überwiegend im Sitzen (ohne längere Geh- und Stehbelastung), zu ebener Erde (ohne häufiges Treppensteigen und ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten), in geschlossenen temperierten Räumen (ohne Kälte-, Nässe- und Zuglufteinflüsse), ohne länger dauernde Zwangshaltungen des Kopfes und der Wirbelsäule (Hochstellung, Bückstellung, kniende Stellung), ohne häufiges Bücken und ohne Überkopfarbeiten, ohne besonderen Zeitdruck (Akkord, Fließband) sowie ohne Wechsel- oder Nachtschicht vollschichtig zu verrichten. Ausgeschlossen seien ferner Tätigkeiten, die das Normalmaß deutlich übersteigende Anforderungen an Verantwortung, Konzentration und Auffassung stellten. Dieses Leidensbild werde dem Kläger auch unter Berücksichtigung der zuletzt noch vorgelegten Arztbriefe des Dr. Kr vom 19. Juni 2000 und 28. Februar 2001 gerecht. Zwar ergäben sich daraus schlechtere Bewegungsmaße für die Schultergelenke und die Hüftgelenke gegenüber den von Prof. Dr. H erhobenen Befunden. Die von Dr. Kr als nicht leidensgerecht angegebenen Belastungen (keine schweren und mittelschweren Arbeiten, insbesondere in Augenhöhe oder über Kopf, keine langen Wegstrecken, keine Arbeiten auf unebenem Gelände, auf Leitern, Gerüsten) stimmten aber mit den von Prof. Dr. H angenommenen qualitativen Einschränkungen überein. Die qualitativen Leistungseinschränkungen des Klägers seien auch nicht iS einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Sein Restleistungsvermögen erlaube dem Kläger vielmehr noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert würden, denn nach den ärztlichen Äußerungen bestünden hinsichtlich solcher Arbeiten wie zum Beispiel Bedienen von Maschinen, Montieren, Sortieren, Zusammensetzen von Kleinteilen, keine Einschränkungen, auch seien diese Tätigkeiten in der Regel ohne Umwelteinflüsse wie Kälte, Nässe und Zugluft verrichtbar und nicht notwendigerweise mit besonderem Zeitdruck oder Schichtarbeit verbunden. Nach den Darlegungen des Dr. H sei die Umstellungsfähigkeit des Klägers für andere Tätigkeiten nicht eingeschränkt. Schließlich sei dem Kläger der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt auch nicht auf Grund einer eingeschränkten Gehfähigkeit verschlossen. Dass er nicht mehr vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand zurücklegen und zwei Mal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen könne, sei auf Grund des medizinischen Beweisergebnisses nicht erwiesen. Dem Arztbrief des Dr. Kr vom 28. Februar 2001 sei insoweit zu entnehmen, dass der Kläger über eine massiv eingeschränkte Wegstrecke geklagt und angegeben habe, durchweg Unterarmgehstützen zu benötigen; beschrieben werde ein kurzschrittiges und hinkendes Gangbild und eine Stockhilfe. Die im Bereich der Hüftgelenke erhobenen Bewegungsmaße wiesen zwar vor allem im Bereich des rechten Hüftgelenks auf eine gewisse Verschlechterung gegenüber dem Untersuchungsbefund von Prof. Dr. H hin, was für eine Progredienz des Hüftleidens spreche. Daraus lasse sich indes nicht eine Einschränkung des Gehvermögens auf maximal 500 m ableiten. Der Arztbrief enthalte hinsichtlich einer tatsächlich bestehenden Gehstreckeneinschränkung bzw einer noch zumutbaren Gehstrecke keinerlei objektive Aussage. Dies wäre aber zu erwarten, wenn beim Kläger auf Grund des objektiven Befunds eine gravierende Wegstreckenbegrenzung gegeben wäre. Die Einholung eines weiteren orthopädischen Gutachtens zur Frage der Wegefähigkeit und Pkw-Führung sei nicht geboten. Der Kläger sei im Besitz einer Fahrerlaubnis. Da nach seinen Angaben und den Angaben seiner Ehefrau ein Privat-Pkw vorhanden sei, der zwar auf die Ehefrau des Klägers zugelassen sei, von dieser aber beruflich nicht genutzt werde und den daher der Kläger für Fahrten zu und von der Arbeitstelle nutzen könne, wäre selbst eine tatsächlich bestehende Einschränkung der Wegefähigkeit nicht beachtlich. Denn dafür, dass der Kläger gesundheitlich nicht in der Lage sei, mit einem Pkw zu einem Arbeitsplatz zu fahren, bestehe kein Anhalt. Seinen anamnestischen Angaben gegenüber Dr. H sei zu entnehmen, dass er zum Teil den Sohn mit dem Pkw in den Kindergarten fahre. Auch habe er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, den Pkw zum Brötchenholen zu benutzen.

Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§§ 103, 106 SGG). Im Hinblick auf die gutachtlichen Feststellungen des Dr. H hätte das LSG auf die Vorlage des Arztberichts von Dr. Kr vom 28. Februar 2001 hin die Frage weiter aufklären müssen, ob der Kläger noch in der Lage sei, die erforderlichen Wege zum Arbeitsplatz zu Fuß zurückzulegen oder ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, um damit einen Arbeitsplatz zu erreichen. Denn die Einschätzung des Prof. Dr. H , der eine geringfügig eingeschränkte Gehfähigkeit festgestellt und einfache Gehstrecken von 1000 m für möglich gehalten habe, beruhe auf einer ambulanten Untersuchung am 28. September 1999, wobei Prof. Dr. H bereits die Progredienz der bestehenden Coxarthrose hervorgehoben habe. Im internistisch-psycho- somatischen Gutachten des Dr. Gr vom 8. Juli 2000 sei zudem ausgeführt, es solle eine längere einseitige Körperhaltung im Fahrzeug vermieden werden und die Gehstrecke sei durch die Arthrose erheblich eingeschränkt (subjektiv 500 m). Dr. H habe die Wegefähigkeit des Klägers auf Grund seiner im Januar 2001 durchgeführten Untersuchung ausdrücklich allein bei Berücksichtigung der Erkrankungen auf nervenärztlichem Gebiet bejaht und im Hinblick auf das bei seiner Untersuchung gezeigte deutliche rechtsseitige Hinken sowie die vom Kläger angegebenen ausgeprägten Schmerzen im Bereich des rechten Hüftgelenks und der erheblichen Zunahme seiner Beschwerden im letzten halben Jahr ausgeführt, er vermöge nicht zu beurteilen, inwieweit die orthopädischen Gesundheitsstörungen eine entsprechende Wegstrecke zuließen, da eine zeitnahe orthopädische Stellungnahme nicht vorliege. Daraus, dass Dr. Kr keine objektive Aussage zur noch zumutbaren Wegstrecke gemacht habe, hätte das LSG nicht schließen dürfen, eine relevante Einschränkung sei nicht gegeben. Ebenso wenig rechtfertige der Hinweis des LSG, der Kläger sei noch in der Lage, mit dem Pkw zum Kindergarten oder zum Bäcker zu fahren, von einer weiteren Sachaufklärung der Fahrfähigkeit abzusehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. März 2001 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie macht geltend, die ihr übersandte Abschrift der Revisionsschrift sei nicht unterschrieben und enthalte keinen bestimmten Antrag. Zum Revisionsvorbringen hat sie sich nicht geäußert.

II

Die Revision des Klägers ist zulässig. Die Revisionsbegründung entspricht insbesondere den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG. Das - für die Einhaltung der Formerfordernisse maßgebliche - beim BSG eingegangene Original der Revisionsschrift (zugleich -begründung) ist vom Prozessbevollmächtigten handschriftlich unterzeichnet. Das Fehlen eines förmlich gestellten Revisionsantrags ist unschädlich, weil sich das Prozessbegehren der Revisionsschrift unzweideutig entnehmen lässt; die Rüge der unzureichenden Sachaufklärung durch das LSG kann im Erfolgsfall nur zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG führen (vgl BSG Urteile vom 26. April 1977 - 8 RU 14/77 - SozR 1500 § 164 Nr 8, vom 2. September 1977 - 12 RK 10/76 - SozR 1500 § 164 Nr 10 und vom 11. Dezember 1986 - 12 RK 2/85 - Die Beiträge 1987, 135; ebenso BVerwG Beschluss des Großen Senats vom 8. November 1954 - GrS 1/54 - BVerwGE 1, 222; Urteil vom 10. Dezember 1981 - 3 C 27/80 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 59; BFH Urteile vom 11. November 1983 - III R 25/77 - BFHE 140, 289 und vom 1. März 1991 - III R 66/87 - BFH/NV 1992, 17).

Die Revision ist auch begründet; denn der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel liegt vor. Das Berufungsgericht hätte sich von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hinsichtlich der Geh- und Fahrfähigkeit des Klägers gedrängt fühlen müssen.

1. Der geltend gemachte Rentenanspruch des Klägers richtet sich nach § 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung, da er auch Zeiten vor diesem Zeitpunkt erfasst. Die ab 1. Januar 2001 geltende Neuregelung durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl I, 1827) ist allerdings heranzuziehen, soweit ein Anspruch am 31. Dezember 2000 nicht bestand, aber für die nachfolgende Zeit in Betracht kommt (vgl § 300 Abs 1 iVm Abs 2 SGB VI). Nach § 44 Abs 2 SGB VI aF sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Erwerbsunfähig ist nach § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB VI aF nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI nF sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs 3 SGB VI nF nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Ist dieses Leistungsvermögen nicht erreicht, eine volle Erwerbsminderung iS des § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI nF aber noch nicht eingetreten, besteht Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI nF). Die nach altem und neuem Recht auch erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind hier im Hinblick auf die bereits bewilligte Rente wegen Berufsunfähigkeit unstreitig erfüllt.

2. Die genannten Vorschriften des alten wie des neuen Rechts beschreiben den Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit bzw der verminderten Erwerbsfähigkeit (volle oder teilweise Erwerbsminderung) im Wesentlichen dahin, dass das Herabsinken der Fähigkeit, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Einkommen zu erzielen, beim Überschreiten einer bestimmten Schwelle den Rentenanspruch auslöst. Dazu hat das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das Leistungsvermögen und dessen Umsetzungsfähigkeit an den individuellen Verhältnissen des Versicherten und den konkreten Bedingungen des Arbeitsmarkts zu messen sind (vgl zB BSG Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Nur das Leistungspotenzial, das auf dem Arbeitsmarkt konkret einsetzbar ist, kann als Maßstab für die Fähigkeit eines Versicherten, Einkommen zu erzielen, herangezogen werden. Folglich gehört nach der Rechtsprechung des BSG zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (vgl stellvertretend BSG Urteil vom 9. August 2001 - B 10 LW 18/00 R - SozR 3-5864 § 13 Nr 2 mwN). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 44 SGB VI aF, § 43 SGB VI nF versicherten Risikos (BSG Urteile vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr 10, vom 9. August 2001 - B 10 LW 18/00 R - SozR 3-5864 § 13 Nr 2 S 4 f und vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R - veröffentlicht in JURIS); das Defizit führt zur Erwerbsunfähigkeit bzw vollen Erwerbsminderung. Die von der Rechtsprechung des BSG für die Beurteilung der erforderlichen Wegefähigkeit herausgearbeiteten Kriterien lassen sich daher auch für die Anwendung des neuen Rechts heranziehen.

Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (zB Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl BSG Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr 10, S 30 f; Senatsurteile vom 19. November 1997 - 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr 10 und vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 36/01 R - veröffentlicht in JURIS). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs 3 Nr 1, Abs 8 Nr 1 SGB IX) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl Senatsurteile vom 19. November 1997 - 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr 10 und vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 36/01 R - veröffentlicht in JURIS; BSG Urteil vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R - veröffentlicht in JURIS).

3. Gemessen an diesen Kriterien, von denen das LSG auch ausgegangen ist, lag beim Kläger keine Erwerbsunfähigkeit iS des § 44 Abs 2 SGB VI aF und auch keine verminderte Erwerbsfähigkeit iS des § 43 Abs 1 Satz 2, Abs 3 SGB VI nF vor, solange sein Leistungsvermögen eine vollschichtige Tätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erlaubte und er noch in der Lage war, Fußwege über 500 m vier Mal täglich in zumutbarer Zeit zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder aber mit einem vorhandenen Privatkraftfahrzeug Fahrten zum Arbeitsplatz durchzuführen. Was die Feststellungen des LSG hinsichtlich einer vollschichtigen Einsatzfähigkeit des Klägers angeht, sind diese nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen und daher für das BSG bindend (§ 163 SGG). Dagegen sind die Feststellungen des LSG zur Wegefähigkeit des Klägers - wie dieser zu Recht rügt - fehlerhaft. Der Eintritt des Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit bzw der vollen Erwerbsminderung wegen mangelnder Wegefähigkeit war jedenfalls nicht für den gesamten streitigen Zeitraum ohne weitere Beweiserhebung auszuschließen.

a) Soweit das LSG auf die Gehfähigkeit des Klägers abgestellt hat, hat es - wie den an die Sachverständigen Dr. H und Prof. Dr. H gerichteten Beweisfragen entnommen werden kann - einen Zeitaufwand von 15 bis "höchstens" (iSv unter) 20 Minuten für 500 m noch für zumutbar gehalten. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl Senatsurteil vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 36/01 R - veröffentlicht in JURIS). Jedoch war das letzte orthopädische Gutachten, in dem die Gehfähigkeit als ausreichend beschrieben wurde, von Prof. Dr. H erstellt worden, der den Kläger am 28. September 1999 untersucht und (auf Bl 40 f des Gutachtens vom 11. Oktober 1999) ausgeführt hatte, bei den von ihm erhobenen Befunden der Haltungs- und Bewegungsorgane handele es sich um solche von Dauercharakter, wobei auf Grund der degenerativen Veränderungen von einer Progredienz im zeitlichen Längsschnitt auszugehen sei. Danach hatte sich der Sachverständige Dr. H zur Wegefähigkeit des Klägers nur aus nervenärztlicher Sicht geäußert. Er hatte ausgeführt (auf Bl 27 seines Gutachtens vom 10. Januar 2001), er halte den Kläger bei Berücksichtigung der Erkrankungen auf nervenärztlichem Fachgebiet für fähig, vier Mal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m innerhalb eines Zeitraums von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und während der Hauptverkehrszeiten zwei Mal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen; im Rahmen seiner Untersuchung (am 9. Januar 2001) habe sich ein deutliches rechtsseitiges Hinken gezeigt, wobei vom Kläger ausgeprägte Schmerzen im Bereich des rechten Hüftgelenks und diesbezüglich eine erhebliche Zunahme der Beschwerden insbesondere im letzten halben Jahr beschrieben worden seien; eine zeitnahe orthopädische Stellungnahme liege nach seiner Kenntnis nicht vor, inwieweit die orthopädischen Gesundheitsstörungen eine entsprechende Wegstrecke zuließen, könne er deshalb nicht beurteilen. Dass die nach dem Arztbrief des Dr. Kr vom 28. Februar 2001 inzwischen gegenüber der Begutachtung durch Prof. Dr. H eingetretene Befundverschlechterung weiterhin keine relevante Beeinträchtigung der Gehfähigkeit ergab, lässt sich allein aus dem Fehlen einer diesbezüglichen Aussage des Dr. Kr nicht schließen. Denn der Arztbrief war nicht auf eine Anfrage des Gerichts erstellt; Dr. Kr hatte sich im Übrigen auch zuvor im Klage- und Berufungsverfahren bei seiner schriftlichen Befragung als sachverständiger Zeuge nicht zur Wegefähigkeit des Klägers geäußert, er war vom Gericht auch nicht dazu befragt worden. Das LSG hätte daher zumindest bei dem orthopädischen Gutachter nachfragen müssen, ob er seine Einschätzung der Gehfähigkeit des Klägers auf Grund der von Dr. Kr angegebenen verschlechterten Befunde aufrecht erhalte. Hierzu bestand umso mehr Anlass, als die orthopädische Begutachtung zum Zeitpunkt der Entscheidung nahezu 18 Monate zurücklag und es sich, wie Prof. Dr. H hervorgehoben hatte, um ein progredientes Leiden handelte.

b) Auch die Feststellung, der Kläger sei gesundheitlich nicht gehindert, mit dem Pkw zur Arbeit zu fahren, hätte das LSG nicht ohne zumindest ergänzende Befragung des Gutachters Prof. Dr. H treffen dürfen. Was das Fehlen diesbezüglicher Angaben im Arztbrief des Dr. Kr vom 28. Februar 2001 und die Aktualität des Gutachtens von Prof. Dr. H angeht, wird auf die vorstehenden Ausführungen unter a) verwiesen. Hinzu kommt aber Folgendes: Der Sachverständige Prof. Dr. H hatte sich dazu, ob der Kläger beim Führen eines Pkw beeinträchtigt sei, konkret gar nicht geäußert. Die an ihn gerichtete Beweisfrage zur Wegefähigkeit - "Bestehen hinsichtlich des Arbeitsweges besondere Einschränkungen (insbesondere zeitlicher Art oder wegen der Unzumutbarkeit oder Länge der möglichen Gehstrecke bzw. bestimmter Verkehrsmittel)? Aus welchen Gründen? Kann vier Mal täglich eine Wegstrecke von 500 m in jeweils höchstens 20 Minuten zurückgelegt werden oder welche Diagnose mit den damit einhergehenden Funktionseinbußen stehen dem entgegen?" - hatte der Sachverständige lediglich dahin beantwortet, dass der Kläger noch einfache Wegstrecken von 1000 m bis zu vier Mal täglich zurücklegen könne und die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei. Dies ist nicht verwunderlich, da die Frage, was das Führen eines Pkw angeht, auch nicht präzise gefasst war. Das gilt ebenso für die Beweisfragen zur Wegefähigkeit, die den anderen im Verfahren gehörten Ärzten gestellt worden sind. Die Angaben des Klägers über gelegentliche Fahrten mit dem Pkw seiner Ehefrau zum Kindergarten und zum Brötchenholen ließen eine Beurteilung der Frage, ob er gesundheitlich noch in der Lage sei, täglich mit dem Pkw zu einem Arbeitsplatz zu fahren, schon deswegen nicht zu, weil er sie mit der Einschränkung abgegeben hatte, bei längerem Fahren würden ihm die Beine "einschlafen".

Da das BSG die erforderlichen Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht nicht selbst durchführen kann, war der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten - an das LSG zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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