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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 20.10.2004
Aktenzeichen: B 5 RJ 48/03 R
Rechtsgebiete: SGG
Vorschriften:
SGG § 128 Abs 1 Satz 1 | |
SGG § 128 Abs 1 Satz 2 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Verkündet am 20. Oktober 2004
Az: B 5 RJ 48/03 R
Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat am 20. Oktober 2004 durch den Richter Schenk als Vorsitzenden, die Richterin Streffer und den Richter Dr. Neuhaus sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Roth und die ehrenamtliche Richterin Ende
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten auch des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die im Jahre 1945 geborene Klägerin begehrt an Stelle der vom Landessozialgericht (LSG) bereits ab 1. November 1993 zugesprochenen Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU-Rente) eine solche wegen Erwerbsunfähigkeit (EU- Rente).
Die Klägerin hatte den Beruf einer Friseurin gelernt, sich zur Meisterin fortgebildet und von 1977 bis Ende Oktober 1993 einen eigenen Betrieb geführt, den sie aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste. Am 29. November 1994 beantragte sie Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, worauf ihr die Beklagte mit Bescheid vom 8. September 1995, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 1995, ab 1. Dezember 1994 eine BU-Rente bewilligte. Grundlage war das Gutachten des Internisten und Allergologen Dr. H vom 24. August 1995 nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen der Berufsgenossenschaft (BG) für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Er hatte die Klägerin auf Grund der festgestellten Gesundheitsstörungen nicht mehr für fähig erachtet, als Friseurmeisterin tätig zu sein. Leichte bis mittelschwere Arbeiten, wie sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten würden, könnten dagegen mit Einschränkungen (ohne Kälte- und Hitzeeinwirkungen sowie Belastungen durch unklare chemische Reizstoffe) noch vollschichtig verrichtet werden.
Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben mit dem Begehren, an Stelle der BU-Rente eine EU-Rente zu gewähren, und zwar mit Rentenbeginn 1. November 1993, da die verspätete Rentenantragstellung auf einer Fehlberatung durch Mitarbeiter der Beklagten bzw der AOK Würzburg beruhe. Das SG hat mit Urteil vom 24. Oktober 2002 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, den Leistungsfall der BU auf den 31. Oktober 1993 zu legen und die BU-Rente bereits ab 1. November 1994 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen: Ein früherer Rentenbeginn sei nicht zu rechtfertigen. Anspruch auf die begehrte EU-Rente bestehe nicht, weil die Klägerin Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch vollschichtig verrichten könne. Insoweit schließe sich das Gericht der Leistungsbeurteilung durch die gehörten Sachverständigen an. Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. R , - , halte im Gutachten vom 14. November 1997 aus dermatologischer Sicht eine vollschichtige Tätigkeit für zumutbar, es sollten dabei sicherheitshalber lediglich so genannte Friseurstoffe und wegen der Rosacea Tätigkeiten mit großer Hitzeentwicklung vermieden werden. Der von der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) benannte Sachverständige Dr. B , , zeichne im Gutachten vom 15. Dezember 2000 auf Grund der von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen
- rezidivierende Flush-Symptomatik (anfallsartig auftretende Hautrötung) auf dem Hintergrund einer Rosacea Seborrhiasis (Mischbild aus seborrhoischem Ekzem und Psoriasis),
- Beschwerden, die sich unter der Arbeitsdiagnose MCS-Syndrom (Multiple Chemische Sensitivität, diffuse, anfallsartige, vegetative internistische und HNO-Beschwerdesymptomatik im Zusammenhang mit einer subjektiv geprägten Überempfindlichkeit auf diverse Geruchsstoffe und Ausdünstungen) zusammenfassen ließen,
das Leistungsbild der Klägerin dahingehend, dass leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zumutbar seien. Der Arbeitsplatz müsse aber frei von Gerüchen und Ausdünstungen sein, da hierauf die Klägerin empfindlich reagiere. Arbeitsplätze im Freien bzw mit genügend großer Frischluftzufuhr seien eher geeignet als solche in geschlossenen Räumen; Stressbelastungen seien zu vermeiden. Schließlich sei auch Dr. N , Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in B , im psychiatrischen Gutachten vom 22. Februar 2002 von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten ausgegangen. Dabei sollten allerdings wegen der Panikattacken Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung sowie solche an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen vermieden werden. Nach Würdigung der Sachverständigengutachten sei weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung erkennbar.
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und in ihren beiden selbst verfassten Schriftsätzen vom 9. Dezember 2002 und 12. April 2003 auf angebliche Widersprüche und Unvollständigkeiten der bisherigen Begutachtung sowie der Diktion der streitgegenständlichen Bescheide hingewiesen. Weiter sei nach Rückfrage bei der Arbeitsverwaltung ein Arbeitsplatz, der den zu stellenden Anforderungen entspreche, nicht existent - zumal bei durchgehend ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit.
Das Bayerische LSG hat mit Urteil vom 9. Juli 2003 das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin bereits ab 1. November 1993 BU-Rente zu zahlen: Wegen eines unterlassenen Hinweises durch die AOK Würzburg sei die Klägerin im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte sie rechtzeitig einen Rentenantrag gestellt. Im Übrigen sei die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, weil der Versicherungsfall der EU nicht eingetreten sei. Insoweit schließe sich der Senat den Ausführungen des SG an und sehe gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 und 2 SGG, denn das SG habe "weite Teile des (...) vorgetragenen Sachverhalts in seiner Urteilsbegründung vollständig unberücksichtigt gelassen oder sie nur ohne erkennbare Abwägung mit einer Floskel abgetan". Insofern sei sie zugleich in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Vor einer beabsichtigten Klageabweisung hätte ihr die Chance eingeräumt werden müssen, sich zu äußern. Das SG habe die sich aufdrängende Frage, ob eine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" bzw eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" vorliege, nach Aktenlage erst bei der Abfassung des Urteils gesehen und diese Möglichkeit mit drei Zeilen verworfen. Das SG habe deshalb die für den Ausgang des Verfahrens wesentlichen Tatsachen weder zur Kenntnis genommen noch erwogen. Das LSG habe auf diese drei Zeilen einfach Bezug genommen und sich eine eigene Begründung erspart.
Im Einzelnen trägt die Klägerin vor, dass für die Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens eine tragfähige Grundlage fehle. Prof. Dr. Dr. R bejahe die vollschichtige Einsatzfähigkeit nur aus dermatologischer Sicht, ohne im Übrigen darzulegen, wie er zu dieser Beurteilung gekommen sei. Das Gutachten Dr. B begegne den gleichen Bedenken. Schließlich würden zwar im Gutachten Dr. N als in der Literatur anerkannte Anhaltspunkte für die Beurteilung des zeitlichen Leistungsvermögens der Tagesablauf geschildert und Aktivitäten und Interessen festgehalten. Bei der Feststellung der vollschichtigen Einsatzfähigkeit habe aber Dr. N allein darauf abgestellt, dass die von ihm festgestellten Panikattacken nur in größeren zeitlichen Abständen auftreten würden, die gesamten anderweitigen Einschränkungen habe er an dieser Stelle offensichtlich aus dem Blickfeld verloren. Selbst wenn von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit ausgegangen werde, könnten zumutbare Tätigkeiten nicht mit einer gewissen Regelmäßigkeit verrichtet werden. Festgestellt seien die unregelmäßigen Panikattacken, die auch zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens, zu Gleichgewichtsstörungen sowie zu nervlicher Erschöpfung führten. Zudem sei durchgehend seit 1994 Arbeitsunfähigkeit attestiert worden.
Weiter habe der Bevollmächtigte im erstinstanzlichen Verfahren in den Schriftsätzen vom 5. Juni 1998, 4. April 2001 und 4. Mai 2001 die einschränkenden Umstände beschrieben, unter denen die Klägerin zu leben habe (kein Kontakt zu Personen, die Parfüm verwenden; Aufenthalt nur in Räumen mit ständiger Durchlüftung, ohne Blumen, Holzmöbel, Teppiche, Vorhänge). Für sie sei quasi ein "abgeschotteter Schonraum" erforderlich, der schon daheim nur mit Mühe einigermaßen zu gewährleisten, im Arbeitsleben aber schlichtweg nicht denkbar sei. Das SG habe die Frage nach einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" bzw einer "schweren spezifischen Leistungsbehinderung" zwar kurz angerissen, diese dann aber faktisch ohne Begründung beiseite geschoben. Die Instanzgerichte hätten die hierzu vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte übergangen, statt sich mit ihnen auseinander zu setzen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 24. Oktober 2002 und des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. Juli 2003 zu verurteilen, ihr ab 1. November 1993 unter Anrechnung der gezahlten Berufsunfähigkeitsrente Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die nach der - uneingeschränkten - Zulassung durch das LSG statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Die gerügten Verfahrensfehler sind dem LSG nicht unterlaufen, so dass dessen Urteil nicht darauf beruht. Vielmehr ist die Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 163 SGG), nicht erwerbsunfähig.
1. Der geltend gemachte Anspruch auf die EU-Rente richtet sich allein nach den §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung, da er auch Zeiten vor diesem Zeitpunkt, hier ab 1. November 1993, betrifft. Die ab 1. Januar 2001 erfolgte Umstellung auf die neuen Rentenarten wegen teilweiser (§ 43 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch <SGB VI nF>) oder voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI nF) durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl I 1827) wäre nur dann maßgeblich, wenn der Versicherungsfall der EU nach früherem Recht am 31. Dezember 2000 noch nicht eingetreten wäre, aber für die nachfolgende Zeit der Eintritt des Versicherungsfalles der vollen Erwerbsminderung nach neuem Recht in Betracht käme (vgl § 300 Abs 1 iVm Abs 2 SGB VI).
Erwerbsunfähigkeit setzt nach § 44 Abs 2 SGB VI aF eine gegenüber der bereits anerkannten BU weiter herabgesetzte Erwerbsfähigkeit voraus. Nach § 44 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI aF sind erwerbsunfähig Versicherte, die "wegen Krankheit oder Behinderung" auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Nach § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGB VI aF, neugefasst mit Wirkung ab 8. Mai 1996 durch das 2. SGB VI-ÄndG vom 2. Mai 1996 (BGBl I 659), ist nicht erwerbsunfähig, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Auf die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die geltend gemachte EU-Rente braucht nicht eingegangen zu werden; sie stehen außer Streit, da sie mit denjenigen für die bereits anerkannte BU-Rente identisch sind.
Bei der Frage, ob noch "Erwerbstätigkeiten in gewisser Regelmäßigkeit" (§ 44 Abs 2 SGB VI aF) ausgeübt werden können, ist kein Berufsschutz zu beachten. Die Versicherten sind grundsätzlich auf sämtliche, meist ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes oder -feldes verweisbar. Besteht, wenngleich mit Einschränkungen, vollschichtige Leistungsfähigkeit, ist grundsätzlich die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich. Es genügt, dass das Restleistungsvermögen des Versicherten körperlich mittelschwere oder leichtere Arbeiten erlaubt (zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen), wie es bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert wird (Großer Senat des BSG Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24, 31, 32 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Daran wurde nach der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 44 SGB VI aF durch das 2. SGB VI-ÄndG ausdrücklich festgehalten (vgl BT-Drucks 13/3907 S 3, 4).
Nach der Rechtsprechung des BSG, zusammengefasst im Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 (aaO) besteht jedoch dann die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Darunter fallen nicht die "üblichen" Leistungseinschränkungen wie zB der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder Sitzen erfordern, im Akkord oder Schichtdienst verrichtet werden oder besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- und Konzentrationsvermögen erfordern (vgl BSG Urteil vom 1. März 1984 - 4 RJ 43/83 - SozR 2200 § 1246 Nr 117). Anerkannt sind dagegen nach der Rechtsprechung des BSG zB besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz, in Verbindung mit anderen Einschränkungen die Erforderlichkeit, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen, Einschränkungen der Arm- und Handbewegung, halbstündiger Wechsel vom Sitzen zum Gehen oder Analphabetismus. Der Grund für die Benennungspflicht liegt darin, dass der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt, bzw "ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist" (GS 2/95 - BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Im Übrigen bleibt es bei dem Grundsatz, dass bei nicht außergewöhnlichen Leistungseinschränkungen ohne Prüfung im Einzelfall, dh, ob das Anforderungsprofil der in Betracht kommenden Tätigkeit dem Leistungsprofil des Versicherten entspricht, die Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erfolgt. Wie der Große Senat ausführt, "genügt (es), dass es zu einem derartigen Vergleich kommt, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Denn eine vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe sichert, dass immer dann, wenn ernsthafte Zweifel bestehen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist oder ein Katalogfall vorliegen könnte, die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen muss, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt offen ist oder nicht" (GS 2/95 - BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8).
Unabhängig davon ist gesondert und vorab (vgl auch Senatsurteil vom 25. März 1998 - B 5 RJ 46/97 R - SGb 1998, 406, Volltext in JURIS) zu prüfen, ob der Arbeitsmarkt generell verschlossen ist und sich aus diesem Grunde eine Prüfung im Einzelfall erübrigt. Diese Konstellation erfassen die so genannten Katalogfälle, die im Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 aufgelistet sind (vgl GS 2/95 - BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8).
2. Die Klägerin beruft sich auf den vorab zu prüfenden Katalogfall Nr 1. Danach ist bei Versicherten, obwohl sie noch eine Vollzeittätigkeit ausüben können, von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auszugehen, wenn die Tätigkeit nicht unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen ausgeübt werden kann (vgl Senatsurteil vom 27. Mai 1977 - 5 RJ 28/76 - BSGE 44, 39, 40 = SozR 2200 § 1246 Nr 19; BSG Urteil vom 25. Juni 1986 - 4a RJ 55/84 - SozR 2200 § 1246 Nr 137; Senatsurteil vom 9. September 1986 - 5b RJ 50/84 - SozR 2200 § 1246 Nr 139).
Weiter macht die Klägerin eine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" geltend mit der Folge, dass eine konkrete Verweisungstätigkeit bezeichnet werden müsse. Der letztgenannte Begriff ist allerdings nicht einschlägig, weil er nur solche Fälle erfasst, bei denen bereits eine schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Das Merkmal der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass das noch mögliche Arbeitsfeld durch eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen und Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen - ohne im Einzelnen oder auf den ersten Blick ungewöhnlich zu sein - in erheblichem Umfang zusätzlich eingegrenzt sein kann. Maßstab sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitswelt, die wiederum unter Bezug auf die Verhältnisse im Einzelfall nur tatrichterlich festzustellen sind. Der Senat hat sich hierzu bereits mit Beschluss vom 14. Dezember 1998 - B 5 RJ 184/98 B - SozR 3-2600 § 43 Nr 19 geäußert und insoweit der Rechtsprechung des 13. Senats des BSG (Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 1/94 - BSGE 81, 15 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23) angeschlossen.
3. Das LSG hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass bei der Klägerin weder der Katalogfall Nr 1 vorliegt noch die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich ist, weil eine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vorliegt. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler bei der Feststellung der zu Grunde liegenden Tatsachen sind dem LSG nicht unterlaufen, so dass der Senat hieran nach § 163 SGG gebunden ist.
a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Grundgesetz, § 62 SGG) wegen Nichtbeachtung des Vortrags im Berufungsverfahren wurde nicht verletzt. Er umfasst die Verpflichtung des Gerichts, die Beteiligten zu hören und ihren Vortrag zur Kenntnis zu nehmen sowie mit in seine Erwägungen einzubeziehen (vgl BSG Urteil vom 27. September 1994 - 10 RAr 1/93 - BSGE 75, 92, 94 mwN). Dass dies geschehen ist, ist grundsätzlich anzunehmen, wenn das Gericht den Vortrag entgegengenommen hat. So war es hier. Nichts deutet darauf hin, dass die Schilderung der allgemeinen Lebensumstände der Klägerin in den Schriftsätzen des Prozessbevollmächtigten im erstinstanzlichen Verfahren (Schriftsätze vom 5. Juni 1998, 4. April 2001 und 4. Mai 2001) und in den selbst verfassten Schriftsätzen der Klägerin im Berufungsverfahren (Schriftsätze vom 9. Dezember 2002 und 12. April 2003) vom SG und vom LSG nicht zur Kenntnis genommen wurde. Davon zu unterscheiden ist die Berücksichtigung dieses Vortrags im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung durch die Tatsacheninstanzen (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG), deren Ergebnis nicht unbedingt mit dem Vortrag übereinstimmen muss. Im Übrigen hatte die Klägerin während des gesamten Berufungsverfahrens sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG ausreichend Gelegenheit, ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren nochmals in Erinnerung zu rufen, was sie ja auch mit ihrem Hinweis auf die Anfrage bei der Arbeitsverwaltung tatsächlich getan hat. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann im Übrigen nicht mehr geltend gemacht werden, wenn von solchen Möglichkeiten kein oder nur unzureichender Gebrauch gemacht wurde (vgl BSG Beschluss vom 20. Januar 1998 - B 13 RJ 207/97 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 22; BVerfG Beschluss vom 10. Februar 1987 - 2 BvR 314/86 - BVerfGE 74, 220, 225).
Auch von einer Überraschungsentscheidung kann keine Rede sein. Sie läge vor, wenn das LSG sein Urteil auf Gesichtspunkte gestützt hätte, die bisher nicht erörtert worden sind, und wenn dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt (BSG Urteile vom 12. Dezember 1990 - 11 RAr 137/89 - SozR 3-4100 § 103 Nr 4 mwN und vom 18. November 1997 - 2 RU 19/97 - HVBG-INFO 1998, 396). Dafür besteht indes keinerlei Anhalt, denn schon das SG hat den Vortrag der Klägerin nicht ihren Vorstellungen entsprechend gewürdigt. Nachdem im Berufungsverfahren keine weitere Beweisaufnahme zu ihren Leistungseinschränkungen stattgefunden hatte, musste sie damit rechnen, dass sich das LSG der Beweiswürdigung durch das SG anschließt.
b) Das LSG hat nicht gegen § 128 Abs 1 Satz 2 SGG verstoßen. Danach sind im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Soweit das Urteil des LSG die Frage betrifft, ob der Klägerin an Stelle der BU-Rente eine solche wegen EU zusteht, hat das LSG, gestützt auf § 153 Abs 2 SGG, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des SG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dies ist nicht zu beanstanden, weil hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen keine weitere Beweisaufnahme durch das LSG stattgefunden hatte und die beiden (privatschriftlichen) Schriftsätze der Klägerin vom 9. Dezember 2002 und 12. April 2003 keine Gesichtspunkte aufgezeigt hatten, die nicht bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen waren. Auf neue Tatsachen oder neues Vorbringen im Berufungsverfahren war deshalb vom LSG in den Urteilsgründen nicht einzugehen.
Aber auch eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 SGG durch das SG - und wegen der Bezugnahme indirekt durch das LSG - liegt nicht vor. Denn es ist ausreichend, wenn die nach der Rechtsauffassung des SG (bzw LSG) wesentlichen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte, die zur richterlichen Überzeugungsbildung, insbesondere den Tatsachenfeststellungen (vgl BSG Beschluss vom 9. Juni 1967 - 4 RJ 109/67 - SozR Nr 79 zu § 128 SGG) geführt haben, im Urteil behandelt werden. Es braucht nicht auf den gesamten Beteiligtenvortrag, die gesamte Prozessgeschichte und jede sonstige aus der Sicht der Klägerin relevante Einzelheit eingegangen zu werden, wenn sich nur aus dem Urteil ergibt, dass alle entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte gewürdigt worden sind (BSG Urteil vom 16. Juni 1955 - 3 RJ 118/54 - BSGE 1, 91, 94, stRspr). Ob dies der Fall ist, hängt von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (vgl BSG Beschluss vom 13. Mai 1998 - B 10 AL 6/98 B - veröffentlicht in JURIS). Der Sinn des Begründungszwanges liegt darin, sowohl den Instanzgerichten als auch den Parteien eine Überprüfung des Urteils zu ermöglichen.
Hier hatte sich das SG weitgehend den drei eingeholten Gutachten angeschlossen, deren Inhalt im Detail im Urteil zu referieren sich aber erübrigte, weil die Beteiligten ohnehin Abschriften der Gutachten erhalten hatten. Das SG hat indes die zusammenfassende Beschreibung des positiven wie negativen Leistungsbildes der Klägerin nahezu wörtlich den Gutachten entnommen und in den Entscheidungsgründen festgehalten. Dies ist ausreichend.
Es stellt auch keinen Begründungsmangel dar, wenn sich die Tatsacheninstanzen hinsichtlich der Feststellung, dass keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, darauf beschränkten auszuführen, dass sie zu diesem Schluss "nach Würdigung der gerichtsärztlichen Sachverständigengutachten" gekommen seien. Denn gegenzulesen ist die Beschreibung des verbliebenen Leistungsvermögens der Klägerin in den drei Gutachten. Diese Beschreibung machten sich die Tatsacheninstanzen zu Eigen und stellten in freier richterlicher Beweiswürdigung entsprechend der oben zitierten Rechtsprechung des BSG fest, dass keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege. Weder fehlt es deshalb an den Urteilsgründen noch wurden die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten.
Verfahrensfehlerfrei haben SG und LSG im Anschluss an die gehörten Sachverständigen festgestellt, dass die Voraussetzungen für den Katalogfall Nr 1 nicht vorliegen, die Klägerin also trotz der festgestellten Einschränkungen (nur leichte bis mittelschwere Arbeiten an Arbeitsplätzen im Freien und in gut belüfteten geschlossenen Räumen ohne Einwirkung von so genannten Friseurstoffen, hautreizenden Stoffen, Gerüchen, Ausdünstungen, Hitze, nervliche Belastung und Unfallgefährdung) unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Die Tatsacheninstanzen haben dem Vortrag der Klägerin zu ihren privaten Lebensumständen infolge der Erkrankung, die sie auf den betrieblichen Bereich überträgt, im Rahmen der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) kein entscheidendes Gewicht beigemessen. Auch dies begegnet keinen grundsätzlichen Bedenken, denn wegen der "Simulationsnähe" von Erkrankungen mit neurotischem Einschlag wird in der Rechtsprechung des BSG bei der Feststellung der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale ein strenger Maßstab gefordert. Für das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trifft den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast (vgl dazu BSG Urteile vom 1. Juli 1964 - 11/1 RA 158/61 - BSGE 21, 189 = SozR Nr 39 zu § 1246 RVO und vom 21. Oktober 1969 - 11 RA 219/66 - SozR Nr 76 zu § 1246 RVO). Hier hatten die Vorinstanzen durch die Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. N die Möglichkeiten zur Sachverhaltserforschung bereits ausgeschöpft - und gerade dessen Bestellung zeigt, dass der Vortrag der Klägerin durchaus ernst genommen wurde. Ob solche möglicherweise die Klägerin belastenden Überlegungen in den Urteilsgründen ausgeführt werden, steht im Ermessen der Tatsacheninstanzen. Ihr Fehlen im angefochtenen Urteil des LSG ist nach den hier vorliegenden Umständen kein Begründungsmangel iSd § 128 Abs 1 Satz 2 SGG.
c) Selbst wenn der Vortrag der Revision dahingehend ausgelegt wird, dass (direkt oder indirekt) auch eine Verletzung des § 103 SGG gerügt wird, ist bei objektiver Betrachtung eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht festzustellen. Weder das SG noch das LSG mussten sich nach dem Vortrag des damaligen Bevollmächtigten der Klägerin oder der Klägerin im Berufungsverfahren mit Blick auf die Sachverständigengutachten gedrängt fühlen, der Frage weiter nachzugehen, ob der Katalogfall Nr 1 vorliegt. Denn der erstinstanzliche Bevollmächtigte der Klägerin, ein Fachanwalt für Sozialrecht, und auch die Klägerin selbst im Berufungsverfahren hatten keine entsprechenden formellen Beweisanträge oder auch nur Beweisanregungen (zB auf Anhörung eines berufskundlichen Sachverständigen, auf Einholung einer Auskunft bei der Arbeitsverwaltung) in das Verfahren eingebracht.
Der Hinweis der Klägerin im Berufungsverfahren, es sei durchgehend seit 1994 Arbeitsunfähigkeit attestiert worden, konnte unbeachtet bleiben, denn die attestierte Arbeitsunfähigkeit bezieht sich auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Friseurmeisterin, nicht aber auf die Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes, die dem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechen. Gleiches gilt für den Vortrag der Klägerin, für die Berufsaufgabe sei der Kontakt mit gesundheitsschädlichen Arbeitsstoffen verantwortlich gewesen und es bestünden ggf wegen einer Berufskrankheit Ansprüche gegenüber dem Träger der Unfallversicherung. Denn allenfalls wäre nach Maßgabe des § 93 SGB VI die Höhe der EU-Rente betroffen, sollte die Klägerin eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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