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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 13.12.2000
Aktenzeichen: B 6 KA 1/00 R
Rechtsgebiete: SGG, SGB X, GG


Vorschriften:

SGG § 77
SGG § 78
SGG § 79
SGG § 80
SGG § 81
SGG § 82
SGG § 83
SGG § 84
SGG § 85
SGG § 86
SGB X § 62
GG Art 84 Abs 1
GG Art 74 Abs 1 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 13. Dezember 2000

Az: B 6 KA 1/00 R

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Wenner und Dr. Kretschmer sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. SK Deisler und Dr. Kötz

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 3. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 1. Dezember 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen fehlerhafter Prothetik.

Die in einer Gemeinschaftspraxis tätigen, zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Kläger gliederten im Mai 1996 dem bei der zu 1. beigeladenen Krankenkasse versicherten Manfred F. Teleskopkronen und eine Modellgußprothese im Oberkiefer ein. Nachdem trotz mehrerer Nachbehandlungen und Reparaturversuche seitens der Kläger eine befriedigende Versorgung des Versicherten nicht erreicht werden konnte, bat die Beigeladene zu 1. im November 1997 den beklagten Prothetik-Einigungsausschuß (PEA) um eine Beurteilung. Dieser gab nach Anhörung der Kläger und Einholung eines Gutachtens dem Anspruch der Beigeladenen zu 1. auf Festsetzung eine Schadensregresses gegen die Kläger statt. Er stellte erhebliche Mängel in der Ausführung der Oberkieferprothese fest, die inzwischen durch eine Nachbesserung nicht mehr behoben werden könnten (Bescheid vom 29. April 1998). Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides lautete, daß die Klage zulässig sei.

Im Klageverfahren haben die Kläger in erster Linie Verstöße gegen Bestimmungen der Verfahrensordnung (VerfO) des Beklagten geltend gemacht. So sei entgegen § 5 Abs 3 dieser VerfO der Termin der Kontrolluntersuchung nicht im Benehmen mit ihnen festgesetzt worden und entgegen § 5 Abs 4 VerfO sei ihnen nicht eröffnet worden, wo sich der Versicherte einer Kontrolluntersuchung zu unterziehen habe. Zudem habe der in § 4 VerfO vorgesehene Einigungsversuch nicht stattgefunden. Letztlich sei die Mangelhaftigkeit der von ihnen bei dem Versicherten F. eingegliederten prothetischen Versorgung nur vermutet und nicht tatsächlich festgestellt worden.

Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid aufgehoben (Urteil vom 17. Februar 1999). Es hat die Klage auch ohne Durchführung eines Widerspruchsverfahrens für zulässig gehalten, weil die Kläger ansonsten im Widerspruch zu Art 19 Abs 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) rechtlos gestellt würden. Der Bescheid des Beklagten sei allein wegen des Fehlens einer Widerspruchsinstanz rechtswidrig. Der Beklagte dürfe solange keine die Zahnärzte belastenden Entscheidungen treffen, wie den Zahnärzten nicht die Möglichkeit gegeben sei, die vom PEA getroffenen Entscheidungen mit dem Widerspruch anzugreifen. Dies sei derzeit nicht gewährleistet, weil eine Widerspruchsstelle nicht bestehe. Der Widerspruch gehöre zu den gesetzlich vorgesehenen Rechtsmitteln, so daß Entscheidungen, die von vornherein nicht mit dem Widerspruch anfechtbar seien, nicht ergehen dürften.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen des Beklagten und der zu 1. beigeladenen Krankenkasse zurückgewiesen (Urteil vom 1. Dezember 1999) und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig. Bestehe keine Widerspruchsstelle, so müsse trotz der Regelung des § 78 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine Klage im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 Satz 1 GG statthaft sein. Die für die vertragszahnärztliche Versorgung im Primärkassenbereich maßgeblichen Vertragspartner, also die Primärkassen bzw ihre Verbände sowie die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV), seien für die Konstituierung einer Widerspruchsstelle zuständig, die gegen Entscheidungen des PEA angerufen werden könne. Ihre Zuständigkeit ergebe sich zwar weder aus § 106 Abs 4 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) noch aus § 4 Abs 2 Satz 1 der Anlage 12 zum Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z). Sie folge jedoch aus einer ungeschriebenen Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs. Das Verfahren vor dem PEA sei erst dann vollständig geregelt, wenn der zwingenden Vorgabe des § 78 Abs 1 SGG durch Einrichtung einer Widerspruchsstelle genügt sei. Bis zu deren Errichtung bestehe auch keine Zuständigkeit des für Wirtschaftlichkeitsprüfungen zuständigen Beschwerdeausschusses. Die Klage sei auch begründet. Die Kläger hätten ein Recht auf Überprüfung in einem Widerspruchsverfahren, das eine weitere Instanz darstelle und in dem die Überprüfung teilweise intensiver als im gerichtlichen Verfahren erfolgen könne, da sie in Bereichen mit Ermessens- und Beurteilungsspielräumen nicht beschränkt sei. Solange aber keine Widerspruchsstelle eingerichtet und ihr Verfahren nicht geregelt sei, fehle es an einer dem Gesetz entsprechenden Regelung insgesamt. Dies mache auch das Verfahren des PEA und dessen Entscheidung fehlerhaft, so daß diese aufzuheben gewesen sei.

Mit ihren Revisionen rügen der Beklagte und die zu 3. beigeladene KZÄV eine fehlerhafte Anwendung der §§ 77 bis 86 SGG und 62 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Für verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen könne sich eine Grundlage nur aus Art 84 Abs 1 GG und nicht aus Art 74 Abs 1 Nr 1 GG ergeben. Dementsprechend lasse sich für die Forderung nach Schaffung eines Widerspruchsverfahrens nur auf § 62 SGB X bzw § 79 Verwaltungsverfahrensgesetz und nicht auf die direkte Anwendung des SGG bzw der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) stützen. § 62 SGB X schreibe aber keinen bestimmten Behördenaufbau vor, setze vielmehr dessen Bestehen voraus. Als Widerspruchsstelle komme - entgegen der Auffassung des LSG - auch der PEA selbst in Betracht, wie dieser es seit dem erstinstanzlichen Urteil in seinen Rechtsbehelfsbelehrungen zugrunde lege. Die früheren Hinweise auf die Möglichkeit direkter Klagen zum SG - wie auch in der Belehrung praktiziert, die dem angefochtenen Bescheid beigefügt gewesen sei - seien nur Folge eines 1994 ergangenen anderslautenden LSG-Urteils gewesen. Im übrigen könne auch gänzlich auf ein Widerspruchsverfahren verzichtet werden. Eine Pflicht zu seiner Einführung lasse sich Art 19 Abs 4 Satz 1 GG nicht entnehmen. Solle dennoch eine Widerspruchsstelle eingerichtet werden, so liege die Zuständigkeit dafür entgegen der Auffassung des LSG nicht bei den niedersächsischen Vertragsparteien. Ein Sachzusammenhang mit der durch § 4 Abs 2 Satz 1 der Anlage 12 zum BMV-Z eingeräumten Zuständigkeit bestehe nicht. Diese Vorschrift ermächtige nur zu Verfahrensregelungen, nicht aber auch zur - davon zu trennenden - Schaffung weiterer Gremien mit Behördenqualität. Eine Kompetenz hierzu ergebe sich weder aus dem SGB V noch aus §§ 77 ff SGG. Vielmehr obliege es den Bundes-Vertragsparteien - dh der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen (KKn), die durch § 4 Abs 2 Satz 1 Anl 12 zum BMV-Z den PEA konstituiert hätten -, auch eine Widerspruchsstelle zu schaffen. Solange diese fehle, sei entgegen der Auffassung des LSG nicht etwa die Tätigkeit des PEA rechtswidrig, denn die Kompetenz zu deren Schaffung bedeute - wie dargelegt - nicht auch eine entsprechende Pflicht. Auch der Bürger habe kein Recht auf einen bestimmten Behördenaufbau. Im Ergebnis jedenfalls sei die Klage auch ohne vorheriges Widerspruchsverfahren zulässig. In der Sache sei sie aber abzuweisen, weil der angefochtene Regreßbescheid rechtmäßig sei. Den Revisionen sei schon aus diesen Gründen stattzugeben.

Selbst wenn dieser Auffassung nicht gefolgt werde, sei das angefochtene Urteil aufzuheben, denn dem LSG seien Verfahrensfehler anzulasten. Es hätte den Beteiligten Gelegenheit geben müssen, noch während des Gerichtsverfahrens ein eventuell fehlendes Widerspruchsverfahren nachzuholen. Jedenfalls hätte es den angefochtenen Bescheid nicht ohne Sachprüfung aufheben dürfen, zumal es früher bei ohne Vorverfahren erhobenen Klagen in die Sachprüfung eingetreten sei. Das LSG habe auch keine Rücksicht darauf genommen, daß seit dem Jahr 2000 ein Vertragsentwurf der niedersächsischen Vertragsparteien vorliege, der die Schaffung eines zweiten PEA mit der Funktion einer Widerspruchsstelle vorsehe.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 3. beantragen,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 1. Dezember 1999 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen, hilfsweise,

die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 1. Dezember 1999 und des Sozialgerichts Hannover vom 17. Februar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revisionen zurückzuweisen.

Die angefochtenen Urteile seien zutreffend, weil Rechte der Zahnärzte verletzt würden, wenn ihnen nicht die Möglichkeit eingeräumt werde, die Entscheidungen des Beklagten in einem formalisierten Widerspruchsverfahren nachprüfen zu lassen. Seit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Februar 1986 (6 RKa 10/85 = SozR 1500 § 70 Nr 3) sei bekannt, daß Entscheidungen des Beklagten in einem Widerspruchsverfahren nachzuprüfen seien. Es könne nicht zu Lasten der Kläger gehen, wenn ein Widerspruchsgremium in 14 Jahren in Niedersachsen nicht habe installiert werden können.

Die zu 1. beigeladene Krankenkasse, die keinen Antrag stellt, ist der Auffassung, das LSG hätte über die sachliche Richtigkeit des Bescheides des beklagten PEA auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens entscheiden können und entscheiden müssen.

Nach Auffassung des zu 2. beigeladenen Landes, das ebenfalls keinen Antrag stellt, kann den vorinstanzlichen Urteilen nicht gefolgt werden. Das Ergebnis, daß Mängelregresse nicht durchgesetzt werden könnten, wäre allenfalls vertretbar - was aber nicht der Fall sei - , wenn das Fehlen der Widerspruchsstelle den regreßberechtigten KKn(-Verbänden) zuzurechnen wäre. Zur Schaffung eines Widerspruchsverfahrens und einer Widerspruchsstelle seien die Vertragsparteien auf Landesebene durch § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z von den Bundes-Vertragsparteien dazu ermächtigt. Bis zu einer solchen Regelung könne der PEA selbst über die Widersprüche entscheiden. Der Klage mangels Regelung eines Widerspruchsverfahrens stattzugeben, sei jedenfalls im vorliegenden Fall unvertretbar, in dem ein Interessenausgleich zwischen den Zahnärzten auf der einen und den KKn auf der anderen Seite gefordert sei. Die Folge davon wäre, daß der jeweils beim PEA unterlegene Teil erfolgreich Klage erheben könne.

II

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 3. haben iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG Erfolg. Das vorinstanzliche Urteil war aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Dieses hat den Beteiligten Gelegenheit zu geben, ein Widerspruchsverfahren nachzuholen.

Nach § 78 Abs 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen (Satz 1 aaO), sofern hiervon nicht nach Abs 1 Satz 2 aaO ausnahmsweise abgesehen werden kann. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor.

§ 78 Abs 1 Satz 1 SGG gilt auch für das auf bundesrechtlicher Ermächtigungsgrundlage eingeführte Verfahren über Regreßansprüche der KKn bei Mängeln der prothetischen Versorgung durch einen Vertragszahnarzt. Wie der Senat bereits zum früheren Rechtszustand entschieden hat, ist die Institution des PEA auf gesetzlicher Grundlage (§ 368g Abs 2 und 3 Reichsversicherungsordnung <RVO>; nunmehr § 82 Abs 1, § 83 Abs 1 SGB V) durch normative Regelungen des BMV-Z (§ 2 Abs 3 BMV-Z iVm der Anlage 12 zum BMV-Z) und gesamtvertragliche Vereinbarungen - entsprechend der gesetzlichen Konzeption - als ein selbständiger Ausschuß der gemeinsamen Selbstverwaltung der KZÄV und der Primärkassen geschaffen worden (vgl BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 4 und S 5 f; BSG USK 86217). Basierend auf diesen Vorschriften ist der PEA im Bereich der Beigeladenen zu 3. aufgrund gesamtvertraglicher Regelung errichtet worden. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften berechtigen und verpflichten den PEA, mit rechtsgestaltender Wirkung Entscheidungen zwischen den KKn, der KZÄV und dem Vertragszahnarzt zu treffen, insbesondere über Regreßansprüche von KKn gegen einen Zahnarzt wegen mangelhafter prothetischer Versorgung von Versicherten der KKn entscheiden. Da mit der Feststellung von Schadensansprüchen zugleich Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung berührt sind (vgl BSG USK 92162 S 801), handelt es sich um besondere Prüfungseinrichtungen (BSG SozR 5545 § 24 Nr 2 S 3), deren Entscheidungen und Verfahrensweise auf der gegenüber § 23 Abs 1 Satz 2 BMV-Z speziellen Rechtsgrundlage des § 2 Abs 3 BMV-Z iVm der Anlage 12 zum BVM-Z beruhen (so schon BSG SozR aaO S 3). Daran hat sich durch die Neukodifikation des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung im SGB V durch das Gesundheits-Reformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) nichts geändert.

Die Entscheidungen des PEA sind Regelungen iS des § 31 Satz 1 SGB X, also - ggf auch belastende - Verwaltungsakte (BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 4; USK 86217 S 1020), die der gerichtlichen Überprüfung im Wege der Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 SGG unterliegen. Die Zulässigkeit einer solchen Klage setzt voraus, daß der angefochtene Verwaltungsakt zuvor in einem Widerspruchsverfahren überprüft worden ist. Die Durchführung des Vorverfahrens ist eine unverzichtbare Sachurteilsvoraussetzung für die Anfechtungsklage (vgl zB BSG 3-1500 § 78 Nr 3 S 5, mwN). Diese vorherige Überprüfung soll der Verwaltung die Gelegenheit bieten, Fehlentscheidungen selbst zu korrigieren, und damit zugleich iS einer Filterfunktion dem Interesse der Entlastung der Gerichte dienen (vgl zB BSG 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 10 f). Sie soll weiterhin dem Bürger eine zusätzliche Kontrolle durch die Verwaltung bieten, in deren Rahmen der von den Gerichten überprüfbaren Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der Entscheidung geprüft wird. Das gilt auch für die Entscheidungen des PEA, für die demgemäß ein Widerspruchsverfahren stattzufinden hat.

Gegenüber der Folgerung, die Sache an das LSG zurückzuverweisen, damit dieses den Beteiligten Gelegenheit gibt, das gebotene Widerspruchsverfahren nachzuholen, greift nicht der Einwand durch, es fehle an der erforderlichen Widerspruchserhebung. In Fällen der vorliegenden Art ist in der Klageerhebung zugleich die Einlegung des Widerspruchs zu sehen (vgl zB BSGE 26, 174, 177 mwN, insoweit in SozR Nr 7 zu § 368f RVO nicht abgedruckt; BSGE 35, 267, 271 = SozR Nr 5 zu § 551 RVO mwN; BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 3 S 8 mwN).

Zuständigkeit und Verfahren der Widerspruchsbehörde bei Widersprüchen gegen Entscheidungen des PEA ergeben sich aus den einschlägigen bundesmantelvertraglichen Regelungen. In Ausfüllung der Ermächtigung des § 2 Abs 3 BMV-Z haben die Vertragspartner des Primärkassenbereichs auf Bundesebene das Gutachterverfahren der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen vereinbart (Anlage 12 zum BMV-Z). In § 4 der Anlage 12 zum BMV-Z ist bestimmt, daß Mängelansprüche bei prothetischen Leistungen innerhalb von 24 Monaten nach der Eingliederung bei dem PEA geltend gemacht werden können (§ 4 Abs 1 Satz 1), sowie, daß die KZÄVen, die Landesverbände der KKn und die Landwirtschaftliche KK das Nähere über den PEA regeln (§ 4 Abs 2 Satz 1 aaO). In der dazu von den Vertragspartnern im Primärkassenbereich vereinbarten Regelung ist das Verfahren zur Entscheidung über Mängelansprüche bei prothetischen Leistungen und zur Entscheidung über Einsprüche gegen Stellungnahmen der Gutachter als einstufiges Verwaltungsverfahren ausgebildet (vgl § 4 des zwischen der Beigeladenen zu 3. und den Primärkassen<-verbänden> geschlossenen Landesmantelvertrages). Die Entscheidung einer Widerspruchsstelle ist nicht vorgesehen. Die Vertragspartner haben sich auch bisher nicht über die Besetzung und das Verfahren einer solchen Widerspruchsstelle einigen können. Das steht indessen der Überprüfung der Entscheidung des PEA in einem Vorverfahren nicht entgegen. Nach § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z richten sich bis zu einer Regelung des PEA und seines Verfahrens durch die Gesamtvertragspartner gemäß Satz 1 aaO die Bestellung, die Zusammensetzung, das Verfahren des PEA und die Durchsetzung seiner Entscheidungen nach den Vorschriften des BMV-Z und der Verfahrensordnung.

Hiermit wird, wie der Senat bereits früher ausgeführt hat, für die Übergangszeit bis zur Schaffung eigenständiger Regelungen im PEA-Bereich auf die Vorschriften verwiesen, die für Wirtschaftlichkeitsprüfungen maßgeblich sind (BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 5; USK 86217 S 1020). Diese Verweisung ist dahin auszulegen, daß sie auch das Widerspruchsverfahren betrifft, dh daß die für Wirtschaftlichkeitsprüfungen zuständigen Beschwerdeausschüsse über Widersprüche entscheiden, soweit noch keine speziellen Regelungen für Widersprüche gegen Entscheidungen des PEA getroffen worden sind. Für die Geltung auch für Widerspruchsverfahren spricht vor allem die in § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z ausdrücklich angesprochene "Durchsetzung seiner Entscheidungen". Dies zeigt, daß ein effektives Instrumentarium zur Verfügung stehen soll. Zur Effektivität von Verwaltungsverfahren gehört aber, daß die Entscheidungen Bestandskraft erlangen und vollzogen werden können. Dies impliziert die Schaffung eines Widerspruchsverfahrens, evtl mit einer speziellen Widerspruchsstelle, sowie die Auslegung, daß die Ermächtigung dazu in § 4 Abs 2 Satz 1 aaO enthalten ist und bis zu einer entsprechenden Regelung die Auffangzuständigkeit nach Satz 2 gilt. Vorschriften, die gegenüber § 4 Abs 2 der Anlage 12 zum BMV-Z eine neuere speziellere Bestimmung geschaffen haben könnten, sind nicht erlassen worden.

Allein diese Auslegung des § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z iS einer Verweisung auf die Vorschriften über das Widerspruchsverfahren bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen wird § 78 Abs 1 SGG und der - bereits dargelegten - Funktion des Widerspruchsverfahrens vor der Erhebung der Anfechtungsklage gerecht. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich nicht daraus, daß die gesamtvertragliche Regelung im Bereich der Beigeladenen zu 3. ein Widerspruchsverfahren nicht vorsieht; denn dabei handelt es sich nicht um eine Regelung iS des § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG. Nach dieser Vorschrift bedarf es eines Vorverfahrens nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle für entbehrlich erklärt hat. Unter Gesetz in diesem Sinne sind bundes- oder landesgesetzliche Bestimmungen zu verstehen (vgl BVerfGE 35, 65, 73 f; 84, 34, 47 f); es muß sich aber jeweils um Regelungen durch förmliche Gesetze oder Rechtsverordnungen handeln (s. BVerfGE 84, 34, 48; BSG SozR 1500 § 78 Nr 26 S 37; Rennert in Eyermann, VwGO, 11. Aufl 2000, § 68 RdNr 24). Der Verzicht auf ein Vorverfahren kann jedenfalls nicht durch eine Vorschrift lediglich im Rang unterhalb einer Rechtsverordnung geregelt werden. Dementsprechend hat der Senat bereits früher in Disziplinarangelegenheiten eine Regelung nur im Ersatzkassenvertrag-Ärzte als unzureichend für die Entbehrlichkeit des Vorverfahrens angesehen (vgl BSG SozR 1500 § 78 Nr 26 S 36 f).

Mithin sind für Widerspruchsverfahren gegen Entscheidungen des PEA im Bereich der Beigeladenen zu 3. derzeit gemäß § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z die für Wirtschaftlichkeitsprüfungen eingerichteten Beschwerdeausschüsse zuständig und die für deren Verfahren geltenden Vorschriften anzuwenden (s dazu § 106 Abs 4 und 5 SGB V iVm § 20 Abs 1 Satz 2, § 22 Abs 3 und Abs 6 BMV-Z iVm § 10 der Anlage 4 zum BMV-Z). Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß nach der durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) geschaffenen Rechtslage auch Vertreter der Ersatzkassen in den Wirtschaftlichkeitsprüfungsgremien vertreten sind und somit über Mängelansprüche im Primärkassenbereich mitzuentscheiden haben. Das entspricht der Intention des Gesetzes, Primärkassen- und Ersatzkassenbereich zusammenzuführen.

Die im Revisionsverfahren vorgetragene Ansicht, für die Errichtung einer Widerspruchsstelle und die Regelung eines Widerspruchsverfahrens seien die Vertragsparteien auf Bundesebene ausschließlich zuständig, trifft nicht zu. Unabhängig davon, ob die Kompetenz an sich den Vertragsparteien auf Bundesebene zukäme, haben sie sie jedenfalls wirksam an die Vertragsparteien auf Landesebene delegiert, indem sie diese durch § 82 Abs 1, § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V (bzw früher: § 368g Abs 3, § 368 Abs 1 Satz 3 RVO) iVm der Regelung des § 4 Abs 2 der Anlage 12 zum BMV-Z für zuständig erklärt haben. Schon früher hat der Senat in landesrechtlichen Verfahrensregelungen durch Vereinbarungen der KZÄV mit den Landesverbänden der KKn keinen Verstoß gegen Bundesrecht gesehen (BSGE 69, 166, 167 = SozR 3-2500 § 87 Nr 2 S 5; - s zu Landesregelungen auch BVerfGE 35, 65, 73 f; zur Delegation auf die Landesebene s ferner BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 4 betr Errichtung des PEA). Die Zuständigkeit der Vertragsparteien auf Landesebene bedeutet zugleich, daß Widerspruchsentscheidungen des PEA selbst nur auf der Grundlage entsprechender normativer Regelungen möglich wären.

Wurde vor Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren durchgeführt, führt das im Regelfall nicht zur Abweisung einer Klage als unzulässig. Bedarf es eines Widerspruchsverfahrens, geben die Gerichte den Beteiligten vielmehr Gelegenheit zur Nachholung (vgl dazu zum einen § 88 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 2 SGG und zum anderen die Rechtsprechung zu Fällen, in denen die Erforderlichkeit oder Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens unklar gewesen war: BSGE 25, 66, 68 = SozR Nr 4 zu § 1538 RVO; BSGE 26, 174, 176 f, insoweit in SozR Nr 17 zu § 368f RVO nicht abgedruckt; s ferner zB BSG SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 9 ff; SozR 3-1500 § 78 Nr 3 S 5 ff).

Die Zurückverweisung an das LSG hat nach der dargestellten Rechtslage zur Folge, daß dem für Wirtschaftlichkeitsprüfungen eingerichteten Beschwerdeausschuß Gelegenheit zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens gegen die Entscheidung des PEA zu geben ist, sofern nicht zwischenzeitlich spezielle Bestimmungen für Widerspruchsverfahren gegen PEA-Entscheidungen getroffen werden und so die übergangsweise Aufgabenwahrnehmung durch die Beschwerdeausschüsse beendet wird.

Das LSG wird, nachdem es den Beteiligten Gelegenheit gegeben hat, das Vorverfahren durchzuführen, im Zusammenhang mit der Entscheidung des Rechtsstreits über die Kosten des Verfahrens einschließlich derer des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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