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Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 02.09.2009
Aktenzeichen: B 6 KA 1/09 B
Rechtsgebiete: SGG
Vorschriften:
SGG § 160a Abs 2 Satz 3 |
BUNDESSOZIALGERICHT Beschluss
in dem Rechtsstreit
Az: B 6 KA 1/09 B
Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat am 2. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Wenner, die Richter Prof. Dr. Clemens und Engelhard sowie die ehrenamtliche Richterin Dr. Bert und den ehrenamtlichen Richter Stuppardt
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. November 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 60.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt ihre bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als psychologische Psychotherapeutin.
Die Klägerin ist Diplom-Psychologin und besitzt seit 1.1.1999 die Approbation als psychologische Psychotherapeutin. Im Dezember 1998 beantragte sie ihre bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung nach § 95 Abs 10 SGB V. Dabei gab sie an, von 1983 bis 1991 im Delegationsverfahren in über 3000 Behandlungsstunden Patienten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) behandelt zu haben; in der Folgezeit habe sie in ihrer Praxis nur noch Selbstzahler therapiert. Erst ab dem vierten Quartal 1997 habe sie erneut im Delegationsverfahren Behandlungen zu Lasten von gesetzlichen Krankenkassen durchgeführt.
Gegen den ablehnenden, mit dem Fehlen jeglicher Behandlungen zu Lasten der GKV im sog "Zeitfenster" (dem in § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V bestimmten Zeitraum) begründeten Beschluss des Zulassungsausschusses erhob die Klägerin Widerspruch. Sie habe von 1993 bis 1997 einen Zweitwohnsitz bei ihrem Ehemann in Spanien gehabt und ihre Praxis in Frankfurt nebenbei weitergeführt. In Spanien habe sie von Ende 1994 bis Juni 1996 eine Patientin im Umfang von 80 Stunden zu Lasten der GKV behandelt.
Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt, die Klägerin habe im maßgeblichen Zeitraum vom 25.6.1994 bis zum 24.6.1997 nicht in dem erforderlichen Umfang an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen. Die Verwaltungspraxis, nach der innerhalb eines Zeitraums von einem halben Jahr mindestens 250 Stunden ambulanter psychotherapeutischer Behandlungstätigkeit verlangt würden, sei für den Regelfall zu billigen. Es liege kein Härtefall vor, da die Klägerin auch nach ihrem im Berufungsverfahren angegebenen schweren Unfall im Jahre 1991 ua nicht gehindert gewesen sei, wöchentlich zwischen Madrid und Frankfurt zu pendeln. Sie erfülle auch nicht die besonderen Voraussetzungen, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei einem Härtefall vorliegen müssten, da sie im letzten Vierteljahr des Zeitfensters keinerlei psychotherapeutische Behandlungen für die GKV durchgeführt habe. Ob die Klägerin in Zeiten vor dem "Zeitfenster" eine psychotherapeutische Praxis in größerem Umfang auch für die GKV betrieben habe, könne weder nach dem Wortlaut noch dem Zweck des § 95 Abs 10 SGB V erheblich sein (Urteil vom 26.11.2008).
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie Rechtsprechungsabweichungen (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 iVm der Darlegungspflicht gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) geltend.
II
Die Beschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
1. Die Klägerin hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob dann, wenn ein Psychotherapeut bereits vor dem in § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V genannten Zeitfenster an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen hat, stets die Leistung von mindestens 250 Behandlungsstunden im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung im Zeitfenster zu fordern ist.
Die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage zur Auslegung des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V ist zwar in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG noch entsprechenden Weise "bezeichnet" worden, liegt jedoch tatsächlich nicht vor. Die Frage lässt sich anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten. Die Grundlinien, an denen sich die Auslegung des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V orientieren muss, ergeben sich aus der Rechtsprechung des BSG und des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] (s ua BSGE 87, 158, 171, 175 = SozR 3-2500 § 95 Nr 25 S 118 f, 122 ff; BSG, Urteil vom 11.9.2002, B 6 KA 41/01 R, MedR 2003, 359 = GesR 2003, 42; BVerfG [Kammer], SozR 3-2500 § 95 Nr 24 S 102 f); dies gilt auch für die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise ein geringerer Tätigkeitsumfang im Zeitfenster ausreichend ist. Danach ist eine Teilnahme im Sinne des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V nur gegeben, wenn die Zahl der Behandlungsstunden für Versicherte der Krankenkassen entweder in einem halben Jahr des Zeitfensters durchschnittlich mindestens 11,6 je Woche oder im letzten Vierteljahr durchschnittlich mindestens 15 je Woche betrug; diese Härtefallregelung ermöglicht eine flexible, allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende Handhabung (vgl BSG, Beschluss vom 5.11.2003, B 6 KA 66/03 B, juris RdNr 11 mwN).
Ebenfalls geklärt ist in der Rechtsprechung, dass weitergehende Härte- bzw Übergangsregelungen verfassungsrechtlich nicht geboten sind (vgl BSG, Beschluss vom 20.10.2004, B 6 KA 50/04 B, juris RdNr 9 mwN; BSG, Beschluss vom 19.7.2006, B 6 KA 18/05 B, juris RdNr 9). Angesichts der besonders weiten Gestaltungsfreiheit der Gesetzgebers bei der Neuordnung von Berufsfeldern und der Festlegung von Berufsbildern ist ohne weiteres klar, dass dieser nicht neben den schon sehr weitgehenden Übergangs- und Härteregelungen weitere Sondervorschriften schaffen musste (vgl BSG, Beschluss vom 20.10.2004, aaO, mwN).
Wenn sie auf ihre umfangreiche, im Delegationsverfahren ausgeübte psychotherapeutische Tätigkeit in den achtziger Jahren verweist, beanstandet die Klägerin letztlich nicht die Auslegung des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V, sondern die dort getroffene Festlegung des Zeitfensters und somit die unmittelbar im Gesetz getroffene Regelung. Auch insoweit ist jedoch bereits durch die angeführten Entscheidungen geklärt, dass die Festlegung des Zeitfensters weder gegen Verfassungsrecht noch gegen sonstiges Recht verstößt. Zudem ist, wie der Senat bereits entschieden hat, aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 95 Abs 11b SGB V die Voraussetzungen für eine bedarfsunabhängige Zulassung von Psychotherapeuten, die während des Zeitfensters ganz oder teilweise ihre Erwerbstätigkeit im Hinblick auf Pflege und Erziehung zurückgestellt haben, geregelt hat, abzuleiten, dass andere Gründe eine "Verschiebung" des Zeitfensters grundsätzlich nicht rechtfertigen können (BSGE 87, 158, 181 = SozR 3-2500 § 95 Nr 25 S 129 f; vgl auch BSG, Beschluss vom 16.7.2008, B 6 KA 19/08 B, RdNr 5).
Auch die weitere Frage,
ob auch dann 250 Behandlungsstunden innerhalb des Zeitfensters gefordert werden dürfen, wenn der oder die Betroffene vor dem Zeitfenster bereits über eine eigene Abrechnungsnummer verfügte,
ist nicht klärungsbedürftig. Es lässt sich der vorliegenden Rechtsprechung ohne weiteres entnehmen, dass der Umstand, dass die Klägerin ihren Angaben zufolge bereits über eine eigene Abrechnungsnummer verfügte, für die Anwendung des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB ohne Bedeutung ist. Gerade das Beispiel der Klägerin macht deutlich, dass das bloße Vorhandensein einer eigenen Abrechnungsnummer, deren Vergabe im Übrigen rein praktische Erwägungen zugrunde lagen (vgl BSG SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 8), für die Feststellung, ob ein Psychotherapeut an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen hat, ohne Bedeutung ist.
Im Übrigen müsste der Beschwerde auch dann der Erfolg versagt bleiben, wenn man Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragen bejahen würde, weil es dann jedenfalls an der zusätzlichen Voraussetzung fehlte, dass die Klärung über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben könnte. Hierfür ist nichts ersichtlich; dem Senat ist nicht bekannt, dass es - mehr als zehn Jahre nach Einbeziehung der psychologischen Psychotherapeuten in die vertragsärztliche Versorgung - weitere noch anhängige Verfahren gäbe, die die Zulassung eines Psychotherapeuten vor dem Hintergrund einer solchen oder ähnlichen Problematik betreffen. Auch aus dem Beschwerdevorbringen der Klägerin ergeben sich keine - über bloße Behauptungen hinausgehende - Anhaltspunkte dafür, dass eine Klärung Bedeutung über ihren Fall hinaus entfalten könnte.
2. Die von der Klägerin erhobene Rüge der Abweichung von der Rechtsprechung des BSG entspricht nicht den sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ergebenden Anforderungen an eine zulässige Rüge. Für eine solche Divergenzrüge ist Voraussetzung, dass Rechtssätze aus dem LSG-Urteil und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenübergestellt werden und dargelegt wird, dass sie nicht miteinander vereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht. Dabei ist der jeweils aktuelle Stand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde maßgebend (vgl dazu zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 61; BSG, Beschlüsse vom 31.5.2006, B 6 KA 44/05 B, MedR 2006, 672, vom 19.7.2006, B 6 KA 5/06 B, juris und vom 28.11.2007, B 6 KA 45/07 B, jeweils mwN).
In der Beschwerdebegründung der Klägerin (s ihre Divergenzrüge in der Beschwerdebegründung vom 14.2.2009, S 4) fehlt schon die erforderliche Gegenüberstellung von Rechtssätzen einerseits aus dem LSG-Urteil und andererseits aus einer höchstrichterlichen Entscheidung. Die bloße Behauptung, das LSG gehe entgegen der Rechtsprechung des BSG "von einer starren Stundenzahl in allen Fällen" aus, ist hierfür nicht ausreichend. Im Übrigen lässt sich eine derartige Aussage des LSG den Entscheidungsgründen nicht entnehmen. Wenn es ausführt, dass die Verwaltungspraxis, nach der innerhalb eines Zeitraums von einem halben Jahr mindestens 250 Stunden ambulanter psychotherapeutischer Behandlungstätigkeit verlangt würden, für den Regelfall zu billigen sei, zitiert es damit die Rechtsprechung des Senats (vgl BSG, Beschluss vom 19.7.2006, B 6 KA 18/05 B - juris RdNr 7 unter Hinweis auf BSGE 87, 158, 178 f = SozR 3-2500 § 95 Nr 25 S 126 f). Schließlich hat der Senat bereits mit Beschluss vom 19.7.2006 (B 6 KA 18/05 B, juris RdNr 7 f) dargelegt, dass seine Aussage, es sei keine exakte Mindeststundenzahl zu fordern, nicht in Widerspruch zu seiner Billigung der bestehenden Verwaltungspraxis steht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Als unterlegene Beteiligte hat die Klägerin auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sich diese am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, jeweils RdNr 16).
Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanz vom 26.11.2008, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz).
Ende der Entscheidung
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