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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 02.04.2003
Aktenzeichen: B 6 KA 13/02 R
Rechtsgebiete: SGG


Vorschriften:

SGG § 193 Abs 1
SGG § 193 Abs 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 2. April 2003

Az: B 6 KA 13/02 R

in dem Rechtsstreit

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Wenner und Dr. Kretschmer sowie die ehrenamtliche Richterin Dr. Wiese und den ehrenamtlichen Richter Dr. Korschanowski

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. September 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der als praktischer Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger begehrt von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Honorierung seiner in den Quartalen IV/1996 bis II/1997 erbrachten Leistungen ohne Anwendung der Vorschriften über die Teilbudgets im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) in der vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 1997 geltenden Fassung. Im Quartal IV/1996 sind bei dem Kläger in Folge der Anwendung der Vorschriften über die Teilbudgets beim Teilbudget "Gesprächsleistungen" 8.320 Punkte und bei dem Teilbudget für den Gesamtkörperstatus nach Nr 60 EBM-Ä 9.240 Punkte nicht gesondert vergütet worden. Im Quartal I/1997 sind 62.560 Punkte bei den Gesprächsleistungen und 8.335 Punkte bei dem Ganzkörperstatus und im Quartal II/1997 73.970 Punkte bei den Gesprächsleistungen und 6.880 Punkte bei dem Ganzkörperstatus wegen Überschreitung der Budgetgrenzen nicht honorarsteigernd berücksichtigt worden.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Überschreitung der Punktzahlgrenzen der Teilbudgets bei den Gesprächsleistungen und beim Ganzkörperstatus beruhe auf dem überdurchschnittlich hohen Rentneranteil in seiner Praxis. Es sei seit Jahren bekannt und unbestritten, dass die Behandlung von Rentnern aufwändiger sei als diejenige von jüngeren Versicherten. Dem habe der Bewertungsausschuss als Normgeber des EBM-Ä auch dadurch Rechnung getragen, dass die Praxisbudgets in der ab 1. Juli 1997 geltenden Fassung und das Laborbudget in der seit dem 2. Quartal 1994 geltenden Fassung zwischen Rentnerversicherten und anderen Versicherten differenzierten. Diese Differenzierung sei bei den Teilbudgets unterblieben, was rechtswidrig sei.

Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, der Kläger könne keine Befreiung von den Vorschriften über die Teilbudgets im EBM-Ä verlangen, weil dies einen besonderen Versorgungsschwerpunkt voraussetze. Ein solcher Versorgungsschwerpunkt liege nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur vor, wenn auf den betroffenen Leistungsbereich 20 % der von der Praxis insgesamt abgerechneten Punkte entfielen. Der Kläger habe in keinem Quartal 20 % seiner Gesamthonorarforderung durch Leistungen erreicht, die entweder dem Teilbudget für die Gesprächsleistung oder demjenigen für den Gesamtkörperstatus zuzuordnen seien. Im Übrigen bewirke die Anwendung der Vorschriften über die Teilbudgets für den Kläger keine unzumutbare wirtschaftliche Härte. Im Quartal IV/1996 sei er durch die Teilbudgets nicht benachteiligt, sondern begünstigt worden, weil trotz der Nichthonorierung von 8.320 Punkten das Gesamthonorar in DM als Folge des höheren Verteilungspunktwertes höher ausgefallen sei, als wenn alle angeforderten Punkte des Klägers gesondert honoriert, jedoch ein niedrigerer Punktwert zu Grunde gelegt worden wäre. In den Quartalen I/1997 und II/1997 hätten die Begrenzungsmechanismen der Teilbudgets zu Honorareinbußen in Höhe von 1.421,74 DM bzw 1.916,02 DM geführt. Angesichts von Quartalshonoraren von 91.146,38 DM bzw 94.623,83 DM bedeute dies keine unzumutbare Härte (Urteil vom 11. September 2001).

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung der Vorschriften des EBM-Ä über die Teilbudgets. Das Berufungsgericht habe sein Begehren zu Unrecht als Antrag auf Befreiung von den Teilbudgets für "Gesprächsleistungen" und "Ganzkörperstatus" nach Nr 4 der Vereinbarung zur Weiterentwicklung der Reform des EBM-Ä der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) vom 7. August 1996 aufgefasst. Nach der zu dieser Ausnahmevorschrift ergangenen Rechtsprechung des BSG habe das LSG konsequenterweise einen Befreiungsanspruch verneint, weil er - der Kläger - keinen Versorgungsschwerpunkt "Gesprächsleistungen bei Rentnern" oder "Ganzkörperstatus bei Rentnern" aufweise. Indessen sei der rechtliche Ausgangspunkt des LSG fehlerhaft. Er - der Kläger - sei der Auffassung, die Teilbudgets in der vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 1997 geltenden Fassung seien rechtswidrig und unwirksam, weil nicht zwischen Rentnern und anderen Versicherten differenziert werde. Der EBM-Ä weise insoweit einen Strukturmangel auf, weil eine einheitliche Punktzahl der Teilbudgets für die Behandlung aller Versicherten festgesetzt worden sei, obwohl die Behandlung von Rentnern im Regelfall aufwändiger sei als die von Mitgliedern oder Familienangehörigen. Diesen Umstand habe der Bewertungsausschuss in allen anderen Budgetregelungen und bei der Ordinationsgebühr berücksichtigt, bei den Teilbudgets allerdings offenbar übersehen. Dieser Strukturmangel könne nicht durch die Bewilligung von individuellen Befreiungen nach Nr 4 der Weiterentwicklungsvereinbarung behoben werden.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. September 2001 und des Sozialgerichts Kiel vom 15. März 2000 aufzuheben sowie die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale IV/1996 bis II/1997 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 1. Dezember 1997 und 9. Juni 1999 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die von dem Kläger abgerechneten Leistungen ohne Berücksichtigung der am 13. Juni 1996 vom Bewertungsausschuss beschlossenen Teilbudgets zu vergüten,

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, ihm neue Honorarbescheide unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, weil der Bewertungsausschuss nicht verpflichtet gewesen sei, bei den Teilbudgets zwischen Rentnern und anderen Versicherten zu differenzieren.

Die zu 1. beigeladene KÄBV schließt sich dem Vorbringen der Beklagten an.

Der zu 2. beigeladene AOK-Bundesverband verweist insofern auf die Feststellungen des Sozialgerichts und die Ausführungen der zu 1. beigeladenen KÄBV im Klage- und Berufungsverfahren. Danach würden Gesprächsleistungen, Ganzkörperstatus, Basisdiagnostik, Sonographie und Verbände gegenüber Rentnern nicht signifikant häufiger und im größeren Umfang erbracht als gegenüber anderen Versicherten. Im Hinblick auf diesen Sachverhalt sei der Bewertungsausschuss nicht verpflichtet gewesen, hinsichtlich der für die Teilbudgets "Gesprächsleistung" und "Ganzkörperstatus" festgesetzten Punktzahlobergrenzen zwischen Rentnern und anderen Versicherten zu differenzieren. Im Übrigen stehe dem Bewertungsausschuss als Normgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der erst verletzt sei, wenn eine Regelung erkennbar auf sachfremden Motiven beruhe bzw er seine Beurteilungskompetenz missbräuchlich eingesetzt habe. Diese Voraussetzungen seien hier bei einer nur für wenige Quartale geltenden Regelung ersichtlich nicht erfüllt. Die Beigeladenen zu 3., 4., 6. und 7. schließen sich dieser Auffassung an.

II

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die beklagte KÄV bei der Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen des Klägers in den streitbefangenen Quartalen die Vorschriften über die Teilbudgets im EBM-Ä hat anwenden müssen und richtig angewandt hat.

Der Kläger hat im Hinblick darauf, dass seine Praxis einen überdurchschnittlich hohen Rentneranteil aufweist, keinen Anspruch auf höheres Honorar für die in diesem Quartal erbrachten Leistungen aus den Teilbudgets "Gesprächs- und Beratungsleistungen" sowie "Ganzkörperstatus". Entgegen seiner Ansicht sind insbesondere die zur Anwendung gelangten Bestimmungen des EBM-Ä rechtmäßig, weil es bei den Teilbudgets aus Rechtsgründen keiner Differenzierung nach dem Versichertenstatus bedurfte.

In der Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 1997 waren auf die Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen die Regelungen in den Allgemeinen Bestimmungen des Kapitels A I. EBM-Ä idF des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 13. Juni 1996 (Deutsches Ärzteblatt <DÄ> 1996, Ausgabe B, Beilage zum Heft 26 vom 28. Juni 1996) anzuwenden. Nach Nr 5 aaO EBM-Ä (DÄ aaO S 4) galt ua für die in Nr 5.6.1 und 5.6.2 genannten Leistungen (Gesprächs- und Beratungsleistungen nach Nr 10, 11, 17, 18, 42, 44 und 851 EBM-Ä sowie Nr 60 EBM-Ä) ein fallzahlabhängiges, arztgruppenbezogenes Teilbudget. Nach Nr 5.1 aaO EBM-Ä ergab sich die Höhe der jeweiligen rechnerischen Teilbudgets aus dem Produkt der festgesetzten arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl für die im Teilbudget aufgeführten Leistungen und der Zahl der kurativ-ambulanten Fälle. Die so gebildete Gesamtpunktzahl stellte die Obergrenze für die Honorierung der berechnungsfähigen Punkte dar. Eine vom Arzt angeforderte, darüber hinausgehende Punktmenge wurde nicht gesondert vergütet. Diese Budgetierungsregelungen sind, wie der Senat mit Urteilen vom 8. März 2000 (ua BSGE 86, 30, 39 ff = SozR 3-2500 § 83 Nr 1 S 12 ff) und vom 6. September 2000 (ua BSGE 87, 112, 113 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 133) entschieden hat, durch § 87 Abs 2a Satz 1 und 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) idF des Gesundheits-Strukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) gedeckt.

In Nr 4 der Vereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen und der KÄBV zur Weiterentwicklung der Reform des EBM-Ä vom 7. August 1996 (DÄ 1996, A-2815 f; im Folgenden: Weiterentwicklungsvereinbarung) sind die Kriterien konkretisiert worden, nach denen die KÄV eine vollständige oder teilweise Befreiung von einem Teilbudget erteilen kann. Danach sind die KÄVen berechtigt, aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im Einvernehmen mit den Krankenkassenverbänden auf Antrag des Arztes im Einzelfall Ausnahmen von der Teilbudgetierung nach Abschnitt A I. 1. Nr 5 EBM-Ä zuzulassen, soweit der Arzt einen entsprechenden Versorgungsschwerpunkt für seine Praxis nachweist. In seinen Urteilen vom 6. September 2000 (ua BSGE 87, 112 = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 131) hat der Senat im Einzelnen dargelegt, dass die Regelung der Nr 4 der Weiterentwicklungsvereinbarung mit höherrangigem Recht in Einklang steht, sie nicht nur objektiv-rechtlichen Charakter hat, sondern auch ein subjektives Recht des betroffenen Arztes auf vollständige oder teilweise Befreiung von den begrenzenden Wirkungen eines Teilbudget bei Vorliegen der in der Norm geregelten Voraussetzungen enthält, und dass schließlich der KÄV kein der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zukommt.

Einen Antrag auf Befreiung von den beiden ihn belastenden Teilbudgets hat der Kläger nicht gestellt. Zu Recht führt die Revision aus, dass ein solcher Antrag dem Anliegen des Klägers nicht gerecht wird. Nach Nr 4 der Weiterentwicklungsvereinbarung und auf dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des Senats zu dieser Regelung können Anträge auf Befreiung von den Begrenzungen der Teilbudgets nur dann Erfolg haben, wenn in einer konkreten Praxis bestimmte atypische Umstände gegeben sind, die der Bewertungsausschuss als Normgeber im Rahmen einer notwendig generalisierenden und typisierenden Regelung nicht hat berücksichtigen können. Das Vorliegen solcher Umstände nimmt der Kläger für sich nicht in Anspruch. Er macht vielmehr geltend, die Festsetzung der Punktzahlobergrenzen für die in den Teilbudgets erfassten Leistungen sei wegen einer unterbliebenen Differenzierung zwischen der Behandlung von Rentnern und anderen Versicherten fehlerhaft. Wenn diese Beurteilung zutreffend wäre, könnte ihr nicht durch eine teilweise Befreiung von den Obergrenzen der Teilbudgets auf der Grundlage der Nr 4 der Weiterentwicklungsvereinbarung Rechnung getragen werden. Entgegen der Auffassung der Revision war der Bewertungsausschuss jedoch nicht verpflichtet, bei den Teilbudgets für "Gesprächsleistungen" und für den "Ganzkörperstatus" bei der Festlegung der Punktzahlobergrenzen für die einzelnen Arztgruppen zwischen der Behandlung von Rentnern und anderen Versicherten zu differenzieren.

Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz <GG>) kann darin nicht gesehen werden. Bei der Prüfung einer Verletzung des Art 3 Abs 1 GG ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Bestimmungen des EBM-Ä um - den Partnern der gemeinsamen Selbstverwaltung zuzurechnende - Normsetzung durch Vertrag handelt (zur Normqualität des EBM-Ä zB BSGE 83, 218, 219 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 21 S 108 f; BSGE 88, 126, 133 f = SozR aaO Nr 29 S 152 f; BSGE 89, 259, 263 mwN = SozR aaO Nr 34 S 191; Engelmann, NZS 2000, 1, 7, mwN). In diesem Bereich steht dem Bewertungsausschuss - wie jedem Normgeber - eine Gestaltungsfreiheit zu, die grundsätzlich auch von der Rechtsprechung zu respektieren ist und von dieser nur in Ausnahmefällen korrigiert werden darf (vgl näher zuletzt BSGE 89, 259, 264 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 34 S 192 mwN). Die gerichtliche Überprüfung von Bestimmungen des EBM-Ä ist im Wesentlichen auf die Prüfung beschränkt, ob der Ausschuss den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum überschritten hat; das ist nur dann der Fall, wenn er seine Bewertungskompetenz "missbräuchlich", dh nicht durch sachgerechte Erwägungen gedeckt, sondern von sachfremden Erwägungen getragen, ausgeübt hat (vgl zB BSGE 83, 205, 208 = SozR 3-2500 § 85 Nr 29 S 215; BSGE 84, 235, 237 = SozR 3-2500 § 85 Nr 33 S 252; BSGE 79, 239, 245 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 14 S 53) bzw gleichheitswidrig die Vergütung für bestimmte Leistungen nur einer von zwei leistungserbringenden Arztgruppen zuerkennt (so besonders BSGE 83, 218, 221 = SozR 3-2500 § 87 Nr 21 S 110; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 5 S 23 f). Gegen das aus Art 3 Abs 1 GG folgende Differenzierungsgebot verstößt ein Normgeber nur, wenn es keinerlei vernünftige Gründe für die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem gibt (BVerfGE 90, 226, 239 mwN = SozR 3-4100 § 111 Nr 6 S 29 f) bzw wenn tatsächliche Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 52, 256, 263; 86, 81, 87; 98, 365, 385 mwN; zum Ganzen: Jarass in: ders/Pieroth, GG, 6. Aufl 2002, Art 3 RdNr 5, 28 mwN).

Da Gegenstand der Teilbudgets im EBM-Ä einzelne ärztliche Leistungen sind, bestünde für eine Differenzierung zwischen Rentnern und anderen Versicherten von vornherein nur Anlass, wenn feststünde, dass der Behandlungsbedarf einzelner oder aller Arztgruppen, wie er sich gerade in den von den Teilbudgets erfassten Leistungen widerspiegelt, bei Rentnern signifikant höher ist als bei anderen Versicherten. Dies hat der Normgeber verneint, wie es sich insbesondere aus der Stellungnahme der zu 1. beigeladenen KÄBV im sozialgerichtlichen und im landessozialgerichtlichen Verfahren ergibt. Die KÄBV, bei der die Geschäfte des Bewertungsausschusses geführt werden, hat im Einzelnen dargestellt, der Bewertungsausschuss sei sich bewusst gewesen, dass in bestimmten Leistungsbereichen die Behandlung von Rentnern typischerweise aufwändiger als diejenige von anderen Versicherten ist. Dem sei etwa bei der Festsetzung der Punktzahlobergrenzen für Leistungen des Basislabors im EBM-Ä Rechnung getragen worden. Hinsichtlich der von den Teilbudgets "Gesprächsleistungen" und "Ganzkörperstatus" erfassten Leistungen bestehe ein entsprechender Erfahrungssatz dagegen nicht. Der Bewertungsausschuss hat dadurch, dass er auf der Grundlage dieser Beurteilung von einer unterschiedlich hohen Festsetzung der Punktzahlobergrenzen für Rentnerfälle und anderen Versichertenfälle abgesehen hat, den ihm kraft Gesetzes als Normgeber zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten.

Diese Beurteilung gilt unabhängig davon, ob der Bewertungsausschuss oder die zu 1. beigeladene KÄBV vor der Beschlussfassung über die Teilbudgets am 13. Juni 1996 für jede der von den Teilbudgets erfassten Leistungen Ermittlungen darüber angestellt haben, ob es hinsichtlich des von den Vertragsärzten geltend gemachten Leistungsbedarfs in Punkten Unterschiede zwischen Rentnern und Allgemeinversicherten gibt. Es mag im Bereich der ärztlichen Behandlung sowie der von Ärzten im Zuge der Behandlung veranlassten Aufwendungen (zB für Arznei- und Heilmittel) Bereiche geben, in denen ein Mehrbedarf für Rentner gegenüber Allgemeinversicherten in der Weise auf der Hand liegt, dass ein Normgeber davon nicht ohne Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nach Art 3 Abs 1 GG in seiner Ausprägung als Differenzierungsverpflichtung abweichen dürfte. Das dürfte etwa - worauf die Beigeladene zu 1. im vorinstanzlichen Rechtszug hingewiesen hat - für Hausbesuche gelten, und gilt nach den Erfahrungen mit der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) insbesondere für Krankenhauseinweisungen und veranlasste Arzneikosten. Insoweit ist der Leistungsbedarf von älteren Versicherten signifikant höher als von jüngeren. Da Personen mit dem Versichertenstatus "Rentner" typischerweise älter sind als Personen mit dem Versichertenstatus "Mitglieder" oder "Familienangehörige", kann hier eine Differenzierung geboten sein.

Für die von den Teilbudgets erfassten Gesprächsleistungen und die Leistungen nach Nr 60 EBM-Ä gilt das nicht in gleicher Weise. Das Alter eines Versicherten ist weder für die vom Kläger in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gerückten Gesprächsleistung nach Nr 10 EBM-Ä noch für die Erhebung des Ganzkörperstatus nach Nr 60 EBM-Ä ein für die Häufigkeit der Leistungserbringung ausschlaggebender Gesichtspunkt. Dass ältere Versicherte häufiger als jüngere erkranken und häufiger als diese an unterschiedlichen Krankheiten zugleich leiden, hat für sich genommen keine Auswirkungen auf die Frequenz, mit der ein Arzt die spezielle Gesprächsleistung nach Nr 10 EBM-Ä erbringen und den Ganzkörperstatus nach Nr 60 EBM-Ä erheben muss. Genauso, wie plausibel ist, dass der Gesprächs- und Betreuungsaufwand eines Arztes gegenüber einem älteren und multimorbiden Patienten größer ist als gegenüber einem jüngeren und überwiegend gesunden Patienten, ist einleuchtend, dass bei einem älteren Patienten, der seit langem kontinuierlich in der Behandlung eines Hausarztes steht, nur seltener der Ganzkörperstatus nach Nr 60 EBM-Ä zu erheben ist als bei einem jüngeren Patienten, der sich erstmalig in die Behandlung des Arztes begibt bzw diesen nur in größeren Zeitabständen aufsucht. In gleicher Weise kann bei jüngeren Versicherten, bei denen erstmals eine lebensbedrohliche bzw lebensverändernde Erkrankung iS der Nr 10 EBM-Ä auftritt, der Bedarf für die Erbringung dieser speziellen Gesprächsleistung höher sein als gegenüber älteren Versicherten, die um ihren Gesundheitszustand bzw die bei ihnen vorhandenen lebensbeeinträchtigenden Erkrankungen sowie die Auswirkung dieser Erkrankung auf ihre Lebensführung seit längerem wissen. Wenn insoweit eindeutige Feststellungen im Hinblick auf einen besonders großen Bedarf hinsichtlich bestimmter, von den Teilbudgets erfasster ärztlichen Leistungen gegenüber älteren Versicherten nicht möglich sind, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Bewertungsausschuss bei einer Regelung, die ohnehin nur für einen eng begrenzten Zeitraum von wenigen Quartalen konzipiert war, auf eine Differenzierung der Punktzahlobergrenzen nach dem Versichertenstatus verzichtet. Aus diesem Grund lässt sich aus dem Umstand, dass bei dem ab dem 1. Juli 1997 geltenden Praxisbudgets im EBM-Ä regelmäßig zwischen Versicherten und Rentnern hinsichtlich der Höhe der Punktzahlobergrenzen unterschieden worden ist, nichts für eine entsprechende Differenzierungsverpflichtung des Bewertungsausschusses für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 1997 herleiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung des SGG (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Ende der Entscheidung

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