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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 06.02.2008
Aktenzeichen: B 6 KA 13/06 R
Rechtsgebiete: GG, SGB V


Vorschriften:

GG Art 3 Abs 1
SGB V § 75 Abs 1 S 2

Entscheidung wurde am 27.08.2008 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
1. Auch ein Arzt, der wegen Ungeeignetheit von der persönlichen Erbringung des Notfalldienstes ausgeschlossen ist, hat grundsätzlich auf eigene Kosten einen Vertreter für die Durchführung der ihm obliegenden Einsätze zu stellen.

2. Eine ersatzlose Befreiung vom Notfalldienst kommt nur in Betracht, sofern aus gesundheitlichen oder ähnlich schwerwiegenden Gründen die Praxistätigkeit des Arztes eingeschränkt ist und ihm deshalb die Finanzierung eines Vertreters nicht mehr zugemutet werden kann.


BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 6. Februar 2008

Az: B 6 KA 13/06 R

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Clemens und Gasser sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Walmuth und Dr. Oelze für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Februar 2005 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen, mit Ausnahme der durch den Antrag auf Wiedereinsetzung entstandenen Kosten, die von der Beklagten zu tragen sind.

Gründe:

I

Streitig ist die Verpflichtung zur Teilnahme am allgemeinen vertragsärztlichen Notfalldienst.

Der im Jahr 1944 geborene Kläger war nach seiner Approbation und einer daran anschließenden dreimonatigen Tätigkeit als Assistenzart einer chirurgischen Krankenhausabteilung seit Oktober 1970 ausschließlich im Bereich der Pathologie tätig. Im Jahr 1980 erhielt er - nunmehr Leiter des "Instituts für Pathologie B. " - die Zulassung zur kassen-/vertragsärztlichen Versorgung als Facharzt für Pathologie in einer Gemeinschaftspraxis. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) teilte den Kläger seitdem pro Jahr zu fünf bis sechs Notdiensten ein, die er jeweils durch einen von ihm finanzierten Vertreter erbringen ließ. Im November 2001 beantragte der Kläger den Ausschluss und hilfsweise die Befreiung vom allgemeinen ärztlichen Notfalldienst, da er aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im Bereich der Pathologie zu dessen qualifizierter Durchführung nicht geeignet sei. Die beklagte KÄV lehnte den Antrag ab, weil Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit nicht vorlägen und zudem die Möglichkeit der Vertretung durch einen anderen Arzt bestehe (Bescheid vom 18.12.2001). Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 24.7.2002).

Das Sozialgericht (SG) hat die gegen diese Entscheidungen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 17.3.2004). Mit seiner Berufung hat der Kläger primär ein Begehren auf Feststellung, zur Teilnahme am Notfalldienst nicht verpflichtet zu sein, und hilfsweise auf Verpflichtung der Beklagten zu seinem Ausschluss oder zu seiner Befreiung vom Notfalldienst geltend gemacht. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Entscheidung des SG abgeändert, die Bescheide der Beklagten aufgehoben und den Kläger vom Notfalldienst ausgeschlossen, den Feststellungsantrag jedoch als unbegründet abgewiesen. Es ist zu der Überzeugung gelangt, der Kläger sei ungeeignet zur Teilnahme am Notfalldienst im Sinne von § 4 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der Ärztekammer Nordrhein und der KÄV Nordrhein (GNO). Denn er habe mehr als 34 Jahre ohne Patientenkontakt ausschließlich pathologisch gearbeitet und sei zugleich mit Kenntnis der Beklagten seiner Verpflichtung zur Weiterbildung für den Notfalldienst nicht nachgekommen. In seinem Alter sei der Kläger nicht mehr in der Lage, binnen angemessener Frist durch Fortbildung die für eine Notfallversorgung erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erlangen. Wegen des hierfür erforderlichen Besuchs von Weiterbildungsmaßnahmen über mehrere Jahre könne er diese Qualifikation erst zu einem Zeitpunkt erreichen, an dem er bereits Anspruch auf Befreiung vom Notfalldienst wegen Vollendung des 65. Lebensjahres habe. Die Feststellungsklage sei als sachdienliche Klageerweiterung zulässig, habe aber keinen Erfolg, weil der Kläger nach den gesetzlichen Vorschriften auch als Facharzt zur Teilnahme am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst prinzipiell verpflichtet sei (Urteil vom 16.2.2005 - juris).

Mit ihrer Revision macht die Beklagte, der auf ihren Antrag hin Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionseinlegungsfrist gewährt worden ist, einen Verstoß gegen höherrangiges Bundesrecht durch die Entscheidung des LSG geltend. Vertragsärzte seien nach den Regelungen des Heilberufsgesetzes, der Berufsordnung und gemäß § 4 Nr 8 ihrer - der Beklagten - Satzung verpflichtet, sich für den Notfalldienst fortzubilden; Entsprechendes sei in den Notfall- und Bereitschaftsdienstordnungen anderer KÄVen normiert. Diese Verpflichtung gelte auch für Fachärzte und erst recht für solche Ärzte, die nicht regelmäßig mit Patienten in Kontakt stünden. Es gehe nicht an, einen Vertragsarzt, der gegen die Fortbildungspflicht verstoße, mit einem Ausschluss vom Notfalldienst zu belohnen. Werde dies zugelassen, sei ein Zusammenbruch der notfallmedizinischen Versorgung zu besorgen, da wohl ein nicht unerheblicher Teil der niedergelassenen Ärzte wegen der Möglichkeit einer Vertretung im Notfalldienst ihrer Fortbildungsverpflichtung in der Notfallmedizin nicht ausreichend nachgekommen sei. Das LSG habe zudem ihre - der Beklagten - Satzungsbefugnis verletzt, indem es dem Kläger ein Antragsrecht hinsichtlich des Ausschlusses vom Notfalldienst zugebilligt habe. Es habe verkannt, dass das Ausschlussverfahren der Körperschaft ein Recht auf Ausschluss gewähre, dieses aber nicht der Disposition des einzelnen Arztes unterliege. Ein subjektiv-öffentliches Recht stehe dem Arzt nur im Hinblick auf die Befreiung vom Notfalldienst zu. Das Berufungsgericht habe weiterhin nicht beachtet, dass ihr - der Beklagten - in § 4 Abs 1 GNO ein Entschließungsermessen eingeräumt werde und somit der vom Kläger erstrebte Ausschluss nur in Betracht komme, falls dieses Ermessen auf Null reduziert sei. Davon könne jedoch nicht ausgegangen werden, da der Kläger die Möglichkeit der Durchführung des Notfalldienstes mit Hilfe eines Vertreters habe. Er habe in der Vergangenheit hiervon auch regelmäßig Gebrauch gemacht und damit zugleich zu ihren - der Beklagten - Gunsten schutzwürdiges Vertrauen hervorgerufen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16.2.2005 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er beanstandet, die Beklagte habe keine Verletzung revisiblen Rechts gerügt, und hält im Übrigen das Urteil des LSG als typische Einzelfallentscheidung für zutreffend. Ein Arzt für Pathologie könne durch Satzungsrecht nicht wirksam zur Teilnahme an einem allgemeinen ärztlichen Notfalldienst verpflichtet werden, der in der Praxis nur in geringem Umfang die Behandlung echter Notfälle betreffe. Vielmehr nähmen zahlreiche Patienten den von der Beklagten organisierten ärztlichen Notdienst in Anspruch, um eine Normalversorgung außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten zu erhalten. Zudem sei die Erforderlichkeit eines ärztlichen Notfalldienstes im engeren Sinne zweifelhaft, da sich Patienten in ernsthaften Notfallsituationen ohnehin direkt in die Krankenhausambulanzen begäben und dort eine Primärversorgung erhielten, die ihnen der ärztliche Notfalldienst bei Verletzungen und Erkrankungen erst vermitteln müsse. Außerdem verkenne die Beklagte die Systematik des § 4 GNO; wenn eine Ungeeignetheit zur Teilnahme am Notfalldienst feststehe, bestehe für die Entscheidung über einen Ausschluss kein Ermessensspielraum mehr. Er - der Kläger - müsse sich auch nicht auf die Möglichkeit einer Vertretung im Notfalldienst verweisen lassen; wenn ihn wegen Ungeeignetheit keine Verpflichtung zur Teilnahme am Notfalldienst treffe, habe er keine Veranlassung, einen Vertreter zu bestellen. Der Beklagten stehe es frei, mit Hilfe eines allgemeinen Umlagesystems die Kosten eines durch qualifizierte Ärzte wahrgenommenen Notdienstes zu finanzieren.

II

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Der Kläger kann nicht beanspruchen, von der Teilnahme am Notfalldienst ausgeschlossen oder hiervon befreit zu werden.

Die Revision ist zulässig. Der Beschluss des Senats zur Gewährung von Wiedereinsetzung in die von der Beklagten versäumte Frist zur Einlegung der Revision (§ 67 Abs 1 iVm § 164 Abs 1 Satz 1 SGG) bewirkt, dass die Revision als rechtzeitig eingelegt gilt (vgl Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 67 RdNr 18a). Die Revision ist auch ordnungsgemäß begründet. Gemäß § 164 Abs 2 Satz 3 SGG muss die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten und erkennen lassen, welche revisible Rechtsnorm der Revisionsführer als verletzt ansieht, wobei diese nicht ausdrücklich genannt werden muss (vgl BSGE 56, 45, 50 f = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 7; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 2 S 5; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 1 RdNr 7; Senatsurteil vom 29.8.2007 - B 6 KA 35/06 R - RdNr 9, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die Verletzung revisiblen Rechts muss zudem in der Revisionsbegründungsschrift näher erläutert werden. Diesen Anforderungen trägt die Revisionsbegründung der Beklagten ausreichend Rechnung. Allerdings genügt das Vorbringen, die angefochtene Entscheidung verstoße "gegen höherrangiges Bundesrecht", nicht zur Darlegung der als verletzt angesehenen revisiblen Rechtsnormen. Die Beklagte hat aber weitergehend ausgeführt, die Vorschriften über die Verpflichtung des Vertragsarztes zur Fortbildung für den Notfalldienst unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Facharztgruppe würden verletzt, wenn entsprechend der Entscheidung des LSG eine Missachtung der Fortbildungspflicht zum Ausschluss vom Notfalldienst führen könnte. Außerdem hat sie dargelegt, die Verpflichtung zur Fortbildung für den Notfalldienst sei nicht nur in ihrer Satzung inhaltsgleich mit den Notfall- oder Bereitschaftsdienstordnungen der KÄVen in Hamburg, Hessen und einigen anderen Bundesländern, sondern darüber hinaus auch in § 26 Abs 4 der (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) sowie in § 26 Abs 4 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (BO) normiert. Die Bezugnahme auf die in der BO inhaltsgleich mit der MBO-Ä berufsrechtlich normierte Fortbildungsverpflichtung für den Notfalldienst genügt für die Darlegung, dass es sich um eine landesrechtliche Bestimmung handelt, deren Übereinstimmung mit anderen gleichlautenden landesrechtlichen Bestimmungen nicht zufällig, sondern bewusst und gewollt ist, sodass die Rüge revisibles Landesrecht betrifft (vgl BSGE 56, 45, 51 = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 7; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 2 S 5 f; s auch BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 3 RdNr 18 f; zur Unzulänglichkeit lediglich pauschalen Vorbringens vgl hingegen BSG, Urteil vom 11.6.1986 - 6 RKa 5/85 = MedR 1987, 122, 123).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das im Berufungsrechtszug hilfsweise geltend gemachte Verpflichtungsbegehren auf Ausschluss bzw Befreiung vom Notfalldienst. Mit der Abweisung der dort primär verfolgten Klage auf Feststellung einer nicht bestehenden Teilnahmeverpflichtung am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst durch das LSG hat sich der Senat nicht mehr zu befassen. Denn das Rechtsmittel der Beklagten richtet sich gegen diese - ihr günstige - Entscheidung nicht, und der Kläger selbst hat den für ihn negativen Ausspruch über den Feststellungsantrag nicht mit einem eigenen Rechtsmittel angegriffen, sodass dieser rechtskräftig geworden ist (§ 141 Abs 1 SGG).

Die Revision ist begründet. Die Entscheidung der Beklagten, den Kläger nicht vom allgemeinen Notfalldienst auszuschließen oder zu befreien, ist rechtmäßig.

Der Kläger ist als zur fachärztlichen Versorgung vertragsärztlich zugelassener Pathologe prinzipiell zur Teilnahme an dem gemeinsam von der Beklagten und der Ärztekammer Nordrhein organisierten ärztlichen Notfalldienst verpflichtet. Rechtsgrundlage für diese Pflicht ist § 1 Abs 1 GNO in der für die Beurteilung der Verpflichtungsklage in rechtlicher Hinsicht maßgeblichen aktuellen Fassung vom 23.12.2006 (Rheinisches Ärzteblatt 1/2007 S 61; zur maßgeblichen Rechtslage bei Verpflichtungsklagen vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 1 RdNr 5; BSGE 94, 181 = SozR 4-2500 § 103 Nr 2, jeweils RdNr 5). Danach haben alle niedergelassenen sowie in Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzte am organisierten ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen. Das umfasst nach der Auslegung, die das LSG hinsichtlich der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden und im hier maßgeblichen Umfang inhaltsgleichen Vorgängervorschrift (§ 1 GNO idF vom 1.1.2002, Rheinisches Ärzteblatt 1/2002 S 65) vorgenommen hat, auch für in der fachärztlichen Versorgung tätige Ärzte die Verpflichtung zur Teilnahme am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst.

Dieses Auslegungsergebnis ist mit Bundesrecht vereinbar. Der Senat hat hierzu zuletzt im Urteil vom 6.9.2006 (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5) bekräftigt, dass die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst aus seinem Zulassungsstatus folgt. Dieser auf seinen Antrag hin verliehene Status erfordert es, in zeitlicher Hinsicht umfassend - dh auch in den Zeiten außerhalb der Sprechstunde - für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen. Der einzelne Arzt wird mithin dadurch, dass die gesamte Ärzteschaft einen Notfalldienst organisiert, von seiner andernfalls bestehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft rund um die Uhr entlastet. Als Gegenleistung hierfür muss jeder Vertragsarzt den Notfalldienst als gemeinsame Aufgabe aller Ärzte gleichwertig mittragen (vgl BSG, aaO, RdNr 10).

Die bundesrechtliche Verpflichtung aller Vertragsärzte zu einem gleichwertigen Mittragen der Belastungen infolge des ärztlichen Notfalldienstes besteht nach der Rechtsprechung des Senats auch für den Fall, dass einer persönlichen Teilnahme am Notfalldienst gesundheitliche Gründe entgegenstehen. Eine vollständige (ersatzlose) Befreiung kommt unter dem Gesichtspunkt gleichmäßiger Belastung (Art 3 Abs 1 GG) nur unter zusätzlichen Voraussetzungen in Frage, wenn nämlich gesundheitliche oder vergleichbare Belastungen zu einer deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führen und ihm zudem aufgrund geringer Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfalldienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen (vgl BSG, Urteil vom 11.6.1986 - 6 RKa 5/85 = MedR 1987, 122, 124 - insoweit unter Modifizierung der früheren Rechtsprechung, vgl BSGE 33, 165, 166 f = SozR Nr 3 zu BMV-Ärzte; BSGE 44, 253, 257 = SozR 2200 § 368n Nr 12 S 34). Hat mithin der aus gesundheitlichen oder vergleichbar schwerwiegenden Gründen an der persönlichen Notdienstleistung gehinderte Arzt primär einen Vertreter zur Ableistung der ihm obliegenden Notfalldienste zu stellen, so muss unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots dasselbe erst recht gelten, wenn ein Arzt aus anderen Gründen - wie zB wegen fehlender aktueller Kenntnisse und Fähigkeiten für den Notdienst - den Notfalldienst nicht persönlich erbringen darf. Verfügt die KÄV den Ausschluss eines Arztes vom Notfalldienst wegen solcher Ungeeignetheit, so enthält dies lediglich das Verbot, den Notfalldienst persönlich zu erbringen. Seine Pflicht zum Mittragen der Belastungen des Notfalldienstes bleibt davon unberührt; deshalb muss er auf eigene Kosten einen geeigneten Vertreter für die Durchführung der ihm obliegenden Notdienste stellen.

Auf der Grundlage dieser bundesrechtlichen Vorgaben für eine gleichmäßige Heranziehung aller Vertragsärzte zu den Belastungen des Notfalldienstes kann der Kläger einen Ausschluss vom Notfalldienst in dem von ihm erstrebten Sinne nicht beanspruchen. Er hat nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht in den mehr als 25 Jahren einer Teilnahme an der kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung den Notfalldienst niemals in eigener Person, sondern stets durch einen von ihm finanzierten Vertreter (im Sinne der Regelung in § 1 Abs 2 letzter Satz und Abs 6 GNO) erbracht. Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt von ihm verlangt, den Notfalldienst persönlich zu leisten (vgl § 1 Abs 2 Satz 1 GNO).

Sein mit der Klage verfolgtes Begehren zielt vielmehr darauf, trotz vollumfänglich wahrgenommener vertragsärztlicher Tätigkeit nunmehr in Zukunft von den finanziellen Belastungen des Notfalldienstes freigestellt zu werden, und zwar unter Berufung auf seine fachliche Ungeeignetheit. Das ist - wie dargelegt - mit dem bundesrechtlichen Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar. Diesem Begehren muss deshalb unabhängig davon, ob der Kläger für eine qualifizierte Durchführung des ärztlichen Notfalldienstes gegenwärtig geeignet ist und ob er eine gegebenenfalls fehlende Eignung durch den Besuch von Fortbildungsmaßnahmen in angemessener Zeit wieder erlangen kann, der Erfolg versagt bleiben.

Der Kläger kann auch nicht - entsprechend seinem äußerst hilfsweise geltend gemachten Antrag - beanspruchen, ersatzlos vom ärztlichen Notfalldienst befreit zu werden. Eine solche Befreiung ist gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 GNO nur möglich, sofern schwerwiegende Gründe bestehen und zudem die Arbeitskraft des Arztes erheblich eingeschränkt ist. Gemäß § 2 Abs 1 Satz 3 GNO liegt ein schwerwiegender Grund in der Regel - dh auch bei Ärzten über 65 Jahre - nicht vor, wenn eine regelmäßige Praxistätigkeit aufrechterhalten wird. Diese Voraussetzungen für eine Befreiung stehen in Einklang mit den bundesrechtlichen Vorgaben (vgl BSG, Urteil vom 11.6.1986 - 6 RKa 5/85 = MedR 1987, 122, 123 f). Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens geltend gemacht, dass solch schwerwiegende Gründe, die seine Arbeitskraft und damit seine Fähigkeit zur Finanzierung eines Notdienst-Vertreters einschränken, in seiner Person verwirklicht sind. Er hat sich vielmehr allein auf den Umstand berufen, dass er seit langer Zeit ausschließlich pathologisch tätig und es deshalb weder ihm noch den Patienten zuzumuten sei, Notdienst zu leisten. Solche Gründe können jedoch eine ersatzlose Befreiung von der Verpflichtung zum gleichmäßigen Mittragen der Belastungen des Notdienstes nicht rechtfertigen, zumal - wie erwähnt - die Ableistung des Notdienstes in eigener Person von ihm niemals verlangt wurde und auch jetzt nicht verlangt wird.

Der fortgesetzte, aber nach Auffassung des LSG von der Beklagten geduldete Verstoß des Klägers gegen seine Verpflichtung zur Fortbildung auch für den Notfalldienst ist ebenfalls nicht dazu geeignet, eine ersatzlose Befreiung vom Notfalldienst zu erlangen. Dadurch wird seine Arbeitskraft nicht in erheblicher, die Finanzierung eines Notdienst-Vertreters ausschließender Weise eingeschränkt. Im Übrigen ist zwischenzeitlich in § 2 Abs 4 GNO (idF vom 23.12.2006) klargestellt, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Fortbildung keinen Befreiungsgrund darstellt. Diese Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, dass es dem Gebot der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zuwiderlaufen würde, wenn einerseits die Rechtspflicht zur Fortbildung für den Notfalldienst für jeden nicht dauerhaft von einer Teilnahme befreiten Arzt statuiert (vgl § 26 Abs 4 BO in berufsrechtlicher und § 95d Abs 1 Satz 1 iVm § 75 Abs 1 Satz 2 und § 95 Abs 3 Satz 1 SGB V in vertragsärztlicher Hinsicht), andererseits aber einem fortlaufend gegen diese Verpflichtung verstoßenden Vertragsarzt der Vorteil einer ersatzlosen Befreiung vom Notfalldienst eingeräumt würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der Kläger als unterlegener Beteiligter die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Dies gilt nicht für die aufgrund des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstandenen Kosten, welche die Beklagte als Antragstellerin zu tragen hat (§ 155 Abs 3 VwGO).

Ende der Entscheidung

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