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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 27.04.2005
Aktenzeichen: B 6 KA 22/04 R
Rechtsgebiete: GKV-SolG 1999


Vorschriften:

GKV-SolG 1999 Art 15 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 27. April 2005

Az: B 6 KA 22/04 R

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Wenner und Gasser sowie die ehrenamtlichen Richter Göbel und Dr. Liebaug

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beigeladenen gegen des Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 2004 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs, mit dem die Gesamtvergütung einschließlich der Punktwerte für das Jahr 2000 festgesetzt worden ist.

Die klagenden Ersatzkassen-Verbände und die beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) erzielten für das Jahr 2000 keine Einigung über die Gesamtvergütung. Umstritten war vor allem, ob die für 1999 gesetzlich angeordnete Reduzierung des Ausgabenvolumens und der gesamtvertraglich vereinbarten Punktwerte in den Bereichen Zahnersatz und Kieferorthopädie auf die Werte von 1997 abzüglich 5 % (Art 15 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz <GKV-SolG> vom 19. Dezember 1998) für die folgenden Jahre fortwirkt. Das beklagte Landesschiedsamt, das von den Klägern angerufen worden war, knüpfte zwar für die Festsetzungen der höchstzulässigen Ausgabenvolumina an diejenigen von 1999 an. Bei seinen Festsetzungen der Punktwerte für die Gebührentarife C (Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen) und D (Kieferorthopädische Behandlung) des Zahnarzt-/Ersatzkassenvertrages legte es aber die Punktwerte von 1997 zu Grunde. Es war der Ansicht, dass die in Art 15 GKV-SolG angeordnete Absenkung nur bei der Festsetzung von Ausgabenvolumina, nicht aber auch bei der Festlegung von Punktwerten noch über das Jahr 1999 hinaus zu beachten sei (Schiedsspruch vom 12. April 2000).

Die Kläger haben Klage erhoben, mit der sie geltend gemacht haben, der Beklagte hätte bei der Gesamtvergütung für 2000 die in Art 15 GKV-SolG für 1999 vorgesehene Absenkung auch bei der Festlegung der Punktwerte für Zahnersatz und Kieferorthopädie zu Grunde legen müssen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Kläger das Urteil des SG und den Schiedsspruch insoweit aufgehoben, als die in Art 15 GKV-SolG für 1999 vorgesehene Absenkung der Punktwerte in den Leistungsbereichen Zahnersatz und Kieferorthopädie unberücksichtigt geblieben war (Urteil des LSG vom 7. Januar 2004). Diese wirke über das Jahr 1999 hinaus und müsse deshalb der Ausgangspunkt für das Jahr 2000 sein. Eine gegenüber dem Vorjahr höhere Anhebung widerspräche dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität, dem hoher Rang zukomme und dem nicht nur die Festsetzung des höchstzulässigen Ausgabenvolumens, sondern auch die Festlegung der für die Einzelleistungen maßgeblichen Punktwerte Rechnung tragen müsse. Eine Ausnahme im Sinne der Geltung der Absenkung nur für das Jahr 1999 lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen.

Die Beigeladene macht mit ihrer Revision geltend, die Fortwirkung der für 1999 gesetzlich angeordneten Absenkung lasse sich für die Punktwerte nicht mit dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität begründen. Der Beitragssatzstabilität sei Genüge getan, wenn sich die aus den Punktwerten ergebenden Honorarzahlungen im Rahmen des vereinbarten oder festgesetzten Ausgabenvolumens hielten. Nur auf dieses sei der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu beziehen. Dies ergebe sich auch aus verschiedenen Äußerungen am Gesetzgebungsverfahren Beteiligter, insbesondere auch aus deren Angaben, den KZÄVen und Krankenkassen habe mehr Verhandlungsspielraum eingeräumt werden sollen. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lasse sich nichts anderes entnehmen.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 2004 aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. März 2002 zurückzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten die Entscheidungen der Vorinstanz und des Beklagten für zutreffend.

Der Beklagte äußert sich im Revisionsverfahren nicht und stellt auch keinen Antrag.

II

Die Revision der beigeladenen KZÄV hat keinen Erfolg.

Die für ihre Zulässigkeit erforderliche Beschwer der Beigeladenen ist gegeben. Denn diese ist Vertragspartei der Gesamtvergütungsvereinbarung, deren Inhalt das beklagte Landesschiedsamt im Wege des hier angefochtenen Schiedsspruchs gemäß § 82 Abs 2 iVm § 85 Abs 1 und 2 sowie § 89 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) festsetzte, und sie wird aus diesem berechtigt (vgl BSG SozR 4-5533 Nr 273 RdNr 5 und BSGE 86, 126, 128 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 289).

Die Revision der Beigeladenen ist aber unbegründet. Das LSG hat der Klage, die die Kläger zutreffend auf Erlass eines neuen Verwaltungsaktes durch den Beklagten gerichtet haben (zur Klageart s § 54 Abs 1 iVm § 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 10 mwN), zu Recht stattgegeben. Denn die von den Klägern gegen den Schiedsspruch erhobenen Einwendungen greifen durch.

Zwar unterliegen Schiedssprüche gemäß § 89 SGB V - auf Anfechtung der Gesamtvertragsparteien hin - nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle (vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-5500 Art 11 Nr 1 RdNr 11). Denn das Schiedsamt hat bei der Festsetzung von Gesamtverträgen über die vertrags(zahn)ärztliche Vergütung einen Gestaltungsspielraum. Seine Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter (vgl vorgenannte BSG-Urteile aaO). Dementsprechend sind sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. In formeller Hinsicht wird geprüft, ob das Schiedsamt den von ihm zu Grunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und sein Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zu Grunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (BSG aaO).

Auf dieser Grundlage hat das LSG zu Recht den Schiedsspruch wegen Nichteinhaltung zwingender rechtlicher Vorgaben aufgehoben und den Beklagten zur Neuentscheidung verpflichtet. Der angefochtene Schiedsspruch war insoweit rechtswidrig, als bei der Festsetzung der Gesamtvergütung für das Jahr 2000 die für 1999 angeordnete Absenkung der Punktwerte in den Leistungsbereichen Zahnersatz und Kieferorthopädie unberücksichtigt blieb.

Nach Art 15 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 GKV-SolG (vom 19. Dezember 1998, BGBl I 3853) durfte im Jahr 1999 das Ausgabenvolumen für Zahnersatz und Kieferorthopädie, jeweils ohne zahntechnische Leistungen, die Gesamtheit der über die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen abgerechneten entsprechenden Vergütungen für das Jahr 1997 abzüglich 5 vom Hundert nicht überschreiten. Nach Satz 7 aaO durften zudem, sofern für 1999 Punktwerte für zahnärztliche Leistungen bei Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und bei Kieferorthopädie vereinbart wurden, diese Punktwerte die am 31. Dezember 1997 geltenden Punktwerte abzüglich 5 vom Hundert nicht überschreiten. Die so abgesenkte Gesamtvergütung für 1999 war gemäß § 85 Abs 3 SGB V (hier anzuwenden in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266, die bis zum 31. Dezember 2003 galt) der zutreffende Anknüpfungspunkt für die Höhe der Gesamtvergütung im folgenden Jahr. Nach dieser Bestimmung sind bei der Vereinbarung von Veränderungen der Gesamtvergütungen die Praxiskosten, die für die vertragsärztliche Tätigkeit aufzuwendende Arbeitszeit sowie Art und Umfang der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsausweitung beruhen, zu berücksichtigen (Satz 1). Zudem ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen zu beachten (Satz 2 iVm § 71 SGB V, dieser in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2626). Im Rahmen dieser Vorgaben war der Regelung des Art 15 Abs 1 GKV-SolG Rechnung zu tragen; dh das Ausgabenvolumen für Zahnersatz und Kieferorthopädie - jeweils ohne zahntechnische Leistungen (Satz 2 aaO) - und die im Rahmen der Gesamtvergütung vereinbarten Punktwerte für zahnärztliche Leistungen bei Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Kieferorthopädie (Satz 7 aaO) waren für 1999 um wenigstens 5 % unter den Stand von 1997 abzusenken.

Die in diesen Regelungen für 1999 angeordnete Reduzierung um mindestens 5 % unter den Stand von 1997 hätte das beklagte Landesschiedsamt nicht nur bei der Festsetzung des höchstzulässigen Ausgabenvolumens für das Jahr 2000, sondern auch bei der Festlegung der für die Einzelleistungen maßgeblichen Punktwerte zu Grunde legen müssen. Dies ergibt sich bei zutreffender Auslegung des Art 15 Abs 1 Satz 2 und Satz 7 GKV-SolG iVm § 85 Abs 3 SGB V. Bei der Festlegung einer Gesamtvergütung war an die für das Vorjahr vereinbarte bzw durch das Schiedsamt festgesetzte anzuknüpfen (§ 85 Abs 3 Satz 1 SGB V). Eine Erhöhung darf zudem den Steigerungssatz des Beitragsaufkommens der Krankenkassen nicht überschreiten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität, § 85 Abs 3 Satz 2 iVm § 71 Abs 1 und 2 SGB V). Ausnahmen sind in § 71 SGB V für den Fall geregelt, dass die notwendige medizinische Versorgung auch nach Ausschöpfung der Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu gewährleisten ist (§ 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V), weiterhin für den Fall von Mehrkosten für gesetzlich vorgeschriebene Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen (§ 71 Abs 1 Satz 2 SGB V) und für den Fall des Ausgleichs von Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen (§ 71 Abs 2 Satz 2 SGB V). Raum für die Berücksichtigung anderer als gesetzlich benannter Umstände besteht nicht. Der damit zum Ausdruck kommende Grundsatz der Vorjahresanknüpfung (dazu insbesondere BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 21, 25) lässt dementsprechend auch keinen Raum für die Berücksichtigung zB der Auswirkungen des Risikostrukturausgleichs (BSG aaO RdNr 16 bis 23 - zu §§ 266, 267 SGB V). Aus dem Prinzip der Vorjahresanknüpfung folgt zugleich, dass bei einer Absenkung der vorjährigen Gesamtvergütung - sei es durch Vereinbarung oder durch Gesetz - dieses geminderte Vorjahresniveau der Ausgangspunkt für die nachfolgend zu vereinbarende Gesamtvergütung ist, es sei denn, aus dem Gesetz ergäbe sich eine andere Regelung. Eine einmal vorgenommene Absenkung behält somit ihre Wirkung auch für Folgevereinbarungen. Demgemäß musste die für 1999 angeordnete partielle Absenkung des Vergütungsniveaus gemäß Art 15 Abs 1 Satz 2 und 7 GKV-SolG bei der Festlegung der Gesamtvergütung für 2000 zu Grunde gelegt werden.

Alles dies betrifft nicht nur die Festsetzung des höchstzulässigen Ausgabenvolumens, sondern auch die Festsetzung der für die Einzelleistungen maßgeblichen Punktwerte. Eine Differenzierung im Sinne einer Geltung nicht auch für die Punktwerte, wie sie der Beklagte seinem Schiedsspruch zu Grunde legte und die Beigeladene für zutreffend hält, lässt sich Art 15 Abs 1 GKV-SolG nicht entnehmen und widerspräche den Regelungen des § 85 Abs 3 SGB V. Die von der Beigeladenen angeführten Äußerungen aus dem politischen Bereich, dass den KZÄVen und Krankenkassen mehr Verhandlungsspielraum sowie Raum für grundsätzlich unterschiedliche Regelungen der Budgetobergrenzen einerseits und der Punktwerte andererseits habe eingeräumt werden sollen, haben im Gesetz keinen Niederschlag gefunden.

Einer Anknüpfung an die für 1999 festgelegte Gesamtvergütung steht nicht der Einwand entgegen, dass die Absenkung für 1999 gesetzlich angeordnet worden war. Zwar gründet sich das Prinzip der Vorjahresanknüpfung auf den in der früheren Rechtsprechung wiederholt betonten Grundsatz, dass nach Art einer Vermutung von der Angemessenheit der vorjährigen Gesamtvergütung auszugehen ist (zusammenfassend BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 21 mwN); dieser ist anhand vereinbarter Gesamtvergütungen entwickelt worden. Die Angemessenheitsvermutung gilt aber auch im Falle gesetzlicher Vergütungsregelungen. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Festlegungen des Gesetzgebers nicht der Angemessenheit Rechnung trügen. Im Gegenteil ist es Teil der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, seinerseits die Angemessenheit der Gesamtvergütungen näher zu bestimmen. Seinen Vorgaben kommt höherer Rang als Vereinbarungen der Beteiligten zu. Deshalb kann die Vermutung der Angemessenheit nicht auf vereinbarte Gesamtvergütungen beschränkt werden; sie gilt vielmehr erst recht insoweit, als deren Höhe - ganz oder teilweise - durch Gesetz vorgegeben ist.

Der Gesetzgeber hat keine Regelung getroffen, aus der sich entnehmen ließe, dass für die Gesamtvergütung für das Jahr 2000 - oder auch nur für die Punktwerte - nicht an das Vorjahr anzuknüpfen sei. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus Art 15 Abs 1 GKV-SolG. Dort war lediglich die Absenkung für 1999 festgelegt. Eine Begrenzung dahingehend, dass für 2000 dann wieder an die nicht geminderten Werte anzuknüpfen sei, kommt im Gesetz nicht zum Ausdruck. Die Ansicht, im Falle einer "offenen" Bestimmung, die weder eindeutig die Fortwirkung über 1999 hinaus regele noch eindeutig eine Begrenzung auf 1999 enthalte, sei von Letzterem auszugehen, trifft nicht zu. Vielmehr ist gemäß dem Prinzip der Anknüpfung an die vorjährige Gesamtvergütung grundsätzlich diese - einschließlich der festgesetzten Punktwerte - zu Grunde zu legen, es sei denn, eine Ausnahme hiervon käme ausreichend deutlich im Gesetz zum Ausdruck.

Für die Auffassung der Beigeladenen, im Zweifel sei von einer Begrenzung der Vergütungsabsenkung auf ein Jahr auszugehen, spricht auch nicht der Vergleich mit anderen Bestimmungen, in denen die Fortwirkung für spätere Jahre ausdrücklich normiert wurde. Diese beruhen jeweils auf besonderen Konstellationen. So lag der in § 85 Abs 2b SGB V enthaltenen ausdrücklichen Regelung für das Folgejahr (Satz 2 aaO) zu Grunde, dass sich im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Konzeption bei der Frage der Geltungsfortwirkung änderte (vgl dazu BT-Drucks 12/3209 S 7 und 12/3608 S 11) und dass eine Klarstellung der Geltungsdauer auch wegen der Berührung mit der - von 1993 bis 1995 geltenden - Regelung des § 85 Abs 3a SGB V nahe lag (s hierzu insbes dessen Satz 3 zu zahnprothetischen und kieferorthopädischen Leistungen). Eine Klarstellung der Geltungsdauer war auch in Art 21 § 1 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 wegen der Differenzierung zwischen alten und neuen Bundesländern und des in letzteren bestehenden besonderen Steigerungsbedarfs veranlasst. Anders als in diesen speziellen Konstellationen bestand demgegenüber im Fall des Art 15 Abs 1 Satz 2 und 7 GKV-SolG kein Anlass zu einem Hinweis auf die Fortwirkung der Vergütungsabsenkung.

Das aufgezeigte Prinzip der Vorjahresanknüpfung bei der Veränderung der Gesamtvergütung hat seit dem 1. Januar 2000 eine weitere eigenständige Verankerung durch die Verweisung in § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität erfahren (§ 71 SGB V; dazu grundlegend BSGE 86, 126, 135 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 ff). Dieser Grundsatz ist bei der Festlegung des Ausgabenvolumens für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen zu beachten (Satz 2 aaO iVm § 71 Abs 2 und 3 SGB V). Er besagt, dass sich die Gesamtvergütungen grundsätzlich nur nach Maßgabe der vorjährigen - mit allgemeinen Einkommenssteigerungen im Regelfall verbundenen - Erhöhungen des Beitragsaufkommens der Krankenkassen verändern dürfen, also an bereits realisierte Vermehrungen von deren Einnahmen gekoppelt sind. Anders als nach der bis 1999 geltenden Fassung, die auf die in § 141 Abs 2 SGB V geregelten bloßen Empfehlungen der Konzertierten Aktion Bezug nahm, besteht seit dem 1. Januar 2000 eine strikte Koppelung an diesen Maßstab der Beitragssatzstabilität (zu einzelnen gesetzlichen Ausnahmen s obige Ausführungen; zur Neufassung vgl BSG aaO S 139 bzw S 300). Damit stünde es in Widerspruch, durch Außerachtlassung der für 1999 erfolgten Absenkung eine Anhebung der Gesamtvergütungen von 1999 auf 2000 zu gestatten, die höher läge als die entsprechende Steigerung des Beitragsaufkommens der Krankenkassen im Zeitraum vom 1. Juli 1998 bis zum 30. Juni 1999 (§ 71 Abs 3 Satz 4 SGB V). Eine gesetzliche Sonderregelung, die hier zu einer Ausnahme berechtigen könnte in dem Sinne, dass für 2000 wieder an die nicht geminderten Werte von 1997 habe angeknüpft werden sollen, ergibt sich - wie ausgeführt - weder aus Art 15 Abs 1 GKV-SolG noch aus dem Vergleich mit anderen Vorschriften wie § 85 Abs 2b SGB V und Art 21 § 1 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000.

Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität lässt sich - entgegen der Ansicht der Beigeladenen - nicht auf die Festsetzung des höchstzulässigen Ausgabenvolumens beschränken, sondern wird auch durch die Festsetzung der für die Einzelleistungen maßgeblichen Punktwerte berührt. Denn aus diesen ergibt sich, solange das höchstzulässige Ausgabenvolumen nicht voll ausgeschöpft wird, die tatsächliche Ausgabensumme und dementsprechend der Beitragsbedarf mit eventueller Auswirkung auf den Beitragssatz. Der Punktwert ist Teil der realen Vergütung und wird deshalb vom Wortlaut des § 71 SGB V miterfasst, durch den die "Vergütungen des jeweils folgenden Kalenderjahres" zur Verhinderung übermäßiger Ausgabensteigerungen begrenzt werden (§ 71 Abs 3 Satz 1, s auch Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB V; zur Notwendigkeit, auch Punktwerte am Grundsatz der Beitragssatzstabilität auszurichten, s bereits BSGE 86, 126, 143 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 304 f). Also muss die Steigerungsbegrenzung sowohl für das höchstzulässige Ausgabenvolumen als auch für die Punktwerte gelten. Nur das entspricht dem Ziel der Beitragssatzstabilität. Die gelegentlich geäußerte Ansicht, ihm komme es noch näher, an die vorjährige faktische Ausgabensumme statt an das höchstzulässige Ausgabenvolumen anzuknüpfen, trifft dagegen nicht zu. Würde hierauf abgestellt, so könnte das für die Vertrags(zahn)ärzteschaft einen Anreiz schaffen, den zulässigen Rahmen der tatsächlichen Ausgaben jedes Jahr weitestgehend auszuschöpfen, um so für Folgejahre die höchstmögliche Basis für die Festlegung der weiteren Ausgabenvolumina zu haben. Es liegt im Interesse der Beitragssatzstabilität, einen solchen Anreiz nicht zu geben. Dementsprechend hat der Gesetzgeber mit der Regelung des Art 15 Abs 1 Satz 2 GKV-SolG nicht das tatsächliche, sondern (nur) das höchstzulässige Ausgabenvolumen begrenzt.

Der Beklagte hat in dem zu erlassenden neuen Schiedsspruch für das Jahr 2000 die durch Art 15 Abs 1 Satz 7 GKV-SolG für 1999 angeordnete Absenkung der Punktwerte zu Grunde zu legen. Weitere Vorgaben können für die Neubescheidung nicht gegeben werden. Denn zum einen haben die Beteiligten den Streitgegenstand auf diese Frage begrenzt (vgl dazu BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 7), und zum anderen verbleibt den Vertragsparteien und ebenso dem Schiedsamt die Befugnis, die Auswirkungen der neuen Beurteilung auf das Gesamtergebnis zu überprüfen und nötigenfalls weitergreifend auch den sonstigen Vertragsinhalt neu zu gestalten (s hierzu BSG aaO RdNr 8).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Ende der Entscheidung

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