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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 10.03.2004
Aktenzeichen: B 6 KA 3/03 R
Rechtsgebiete: HVM, SGB V, SGG


Vorschriften:

HVM §§ 9 Abs 7 ff
HVM § 9 Abs 7 Satz 1
HVM § 9 Abs 7 Satz 2
HVM § 9 Abs 7 Satz 3
HVM § 9 Abs 11
SGB V § 85 Abs 4 Satz 1
SGB V § 85 Abs 4 Satz 2
SGB V § 85 Abs 4 Satz 3
SGB V § 85 Abs 4 Satz 5
SGG § 193 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 10. März 2004

Az: B 6 KA 3/03 R

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Wenner und Dr. Clemens sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Walmuth und Meyer-Dulheuer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. August 2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sie bei ihrer erneuten Entscheidung über den Widerspruch des Klägers gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/1999 die Rechtsauffassung des Senats zu beachten hat.

Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Gründe:

I

Umstritten sind Honorarbegrenzungen für Fallzahlsteigerungen.

Der Kläger ist seit 1992 als Praktischer Arzt im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Die Beklagte beschränkte durch Regelungen in ihrem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) mit Wirkung ab 1. Juli 1997 den Honorarzuwachs für den Fall, dass die Zahl der budgetrelevanten Fälle gesteigert wurde. Gemäß § 9 Abs 7 ff HVM (in der im Quartal I/1999 geltenden Fassung) griff eine Honorarbegrenzung ein, wenn der Zuwachs der budgetrelevanten Behandlungsfälle in der Fachgruppe mehr als 5 % und der eigene Fallzahlzuwachs mehr als 3 % betrugen, wobei die 5 % und die 3 % jeweils von der Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal berechnet wurden. Im Maß der Überschreitung wurden die Honoraranforderungen abgestaffelt, und zwar für jeden weiteren 3 %igen Fallzahlanteil um zusätzlich 10 %. Diese Grundregelungen wurden ergänzt durch Ausnahmebestimmungen zB für Aufbaupraxen in den ersten vier Jahren, für Fälle längerdauernder krankheitsbedingter Nichtausübung der Praxis im Vorjahresquartal, des Eintritts in eine Gemeinschaftspraxis und der Übernahme einer Praxis. Für den Fall des Unterschreitens der Fallzahlgrenze in weiteren Quartalen gab es eine Ausgleichsregelung.

Gemäß diesen Fallzahlzuwachsregelungen berechnete die Beklagte das Honorar des Klägers für 853.841,7 Punkte bei seinen budgetrelevanten Fällen des Quartals I/1999 auf der Grundlage von 820.456,2 Punkten (Bescheid vom 26. August 1999 und Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 1999). Zu dieser Reduzierung um 33.385,5 Punkte führte sie aus, dass die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe von 669 im Vorjahresquartal um mehr als 5 % auf 751 Fälle und seine Fallzahl von 636 um mehr als 3 % auf 753 Fälle gestiegen sei. Seine Fallzahlsteigerung um 117 Fälle überschreite die Zuwachstoleranz von 3 %, die 21 Fälle betrage (berechnet von der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal), um 96 Fälle. Diese seien nur degressiv-abgestaffelt zu vergüten. Dadurch ergab sich insgesamt eine Kürzung der 853.841,7 auf 820.456,2 Punkte, also auf eine Quote von 96,09 %.

Später gewährte die Beklagte dem Kläger einen teilweisen Honorarausgleich von 10.683,36 Punkten (841,83 DM).

Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) hat den Honorarbescheid für das Quartal I/1999 geändert und die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt (Urteil vom 28. August 2002). Zur Begründung ist ausgeführt, Maßstab der Überprüfung der Bestimmungen des § 9 Abs 7 ff HVM seien die Regelungen des § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Unschädlich sei es, dass die Regelung einen Zuwachs von nur 3 % und nicht von 5 % anerkenne, denn für die über die Grenze hinaus gehenden Behandlungsfälle werde eine abgestaffelte Vergütung gewährt. Auszunehmen seien aber solche Praxen, deren maßgebliche Fallzahl im Vorjahr - wie beim Kläger - unter dem Durchschnitt der Arztgruppe gelegen habe. Diese müssten ihre Fallzahl sofort bis zur durchschnittlichen steigern können. Hieran sei der Kläger gehindert worden, der im Vorjahresquartal I/1998 noch mit 636 Fällen unter dem Fachgruppendurchschnitt von 669 Fällen gelegen habe. Es könne offen bleiben, ob der Kläger auf Grund der Patientenübernahme infolge Praxisschließungen und/oder Übernahme von Praxisvertretungen eine Ausnahme oder Sonderregelung habe beanspruchen können. Außerhalb des Streitfalles sei darauf hinzuweisen, dass der HVM nicht - wie erforderlich - eine Ausnahme- bzw Sonderregelung für Fälle unbilliger Härte enthalte.

Die Beklagte macht mit ihrer Sprungrevision geltend, entgegen der Auffassung des SG müssten Fallzahlzuwachsregelungen nicht generell Praxen mit unterdurchschnittlicher Fallzahl ausnehmen, sondern lediglich solche Praxen, die sich noch in der zB vierjährigen Aufbauphase befänden. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. März 2002 - B 6 KA 35/01 R - zeige, dass das BSG Fallzuwachsregelungen auch für Praxen mit unterdurchschnittlicher Fallzahl als rechtmäßig ansehe. Ob diese Passage entscheidungserheblich gewesen sei oder nicht, sei nicht relevant.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. August 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das sozialgerichtliche Urteil. Das aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) abzuleitende Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit fordere, dass die Möglichkeit, das Honorar durch Fallzahlzuwächse bis zur durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe zu steigern, allen unterdurchschnittlichen Praxen eröffnet und nicht auf Praxen in der Aufbauphase beschränkt sei. Dies müsse umso mehr für solche Praxen wie die seine gelten, die durch Patientenübernahme infolge Praxisschließungen und/oder durch Praxisvertretungen Fallzahlsteigerungen zu verzeichnen hätten.

II

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das SG hat die Fallzahlzuwachsregelungen des § 9 Abs 7 ff HVM zu Recht deswegen beanstandet, weil die Zuwachsmöglichkeiten für Praxen mit Fallzahlen unter dem Durchschnitt der Fachgruppe nicht ausreichten. Diese mussten ihr Honorar durch Fallzahlzuwächse binnen fünf Jahren bis zur durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe steigern können.

Rechtsgrundlage für Regelungen über Honorarbeschränkungen für Fallzahlsteigerungen ist § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes <GRG> vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2477, geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2626). Danach haben die KÄVen die Gesamtvergütung nach Maßgabe des HVM an die Vertragsärzte zu verteilen; bei der Verteilung sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen. Bei der Ausgestaltung des HVM haben die KÄVen, wie im Senatsurteil vom 10. Dezember 2003 (B 6 KA 54/02 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) zusammenfassend ausgeführt ist, einen Gestaltungsspielraum, weil die Honorarverteilung eine in der Rechtsform einer Norm, nämlich einer Satzung, ergehende Maßnahme der Selbstverwaltung ist. Zu beachten ist dabei allerdings insbesondere das in § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V angesprochene Gebot leistungsproportionaler Verteilung des Honorars sowie der aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG herzuleitende Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Bei dem Gebot leistungsproportionaler Vergütung handelt es sich jedoch nur um einen Grundsatz; von ihm darf abgewichen werden, wenn die KÄV damit andere billigenswerte Ziele verfolgt. Solche anerkennenswerten Zielsetzungen können in einer Stabilisierung des Auszahlungspunktwertes durch die Begrenzung des Anstiegs der zu vergütenden Leistungsmenge liegen, weil auf diese Weise die Vertragsärzte einen Teil des vertragsärztlichen Honorars sicherer kalkulieren können.

Diesen Grundsätzen entsprechen die von der Beklagten zum 1. Juli 1997 eingeführten Fallzahlzuwachsregelungen, die sie auf die Honoraranforderung des Klägers für das Quartal I/1999 anwendete, zwar in ihren Grundzügen, aber nicht hinsichtlich der Zuwachsmöglichkeiten für Praxen mit Fallzahlen unter dem Durchschnitt der Fachgruppe.

Die Beklagte beschränkte mit Wirkung ab 1. Juli 1997 durch Regelungen in ihrem HVM den Honorarzuwachs bei Steigerung der Zahl der budgetrelevanten Fälle. Gemäß § 9 Abs 7 ff HVM (in der im Quartal I/1999 geltenden Fassung, - siehe HVM vom 14. Dezember 1995, Hamburger Ärzteblatt 1996, 38 ff, in der Fassung vom 10. Dezember 1998, Hamburger Ärzteblatt 1999, 38) unterlagen Vertragsärzte einer Honorarbegrenzung, wenn der Zuwachs der budgetrelevanten Behandlungsfälle in der Fachgruppe mehr als 5 % und der eigene Fallzahlzuwachs mehr als 3 % betrugen, wobei die 5 % und die 3 % jeweils von der Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal berechnet wurden (aaO Abs 7 Satz 1 und 2). Entsprechend dem Ausmaß, in dem der Fallzahlzuwachs in der Praxis über diesen 3 % lag, wurde die Honoraranforderung abgestaffelt, und zwar für jeden weiteren Fallzahlanteil von 3 % (berechnet wie zuvor) um zusätzlich 10 % (aaO Satz 3 iVm Anlage J des HVM). Von der Honorarbegrenzung ausgenommen waren solche Vertragsärzte, die noch keine vier Jahre vertragsärztliche Abrechnungen eingereicht hatten (Aufbaupraxen), solange ihre Fallzahl unter dem Durchschnitt ihrer Fachgruppe lag (aaO Abs 10). Sonderregelungen bzw Ausnahmemöglichkeiten waren vorgesehen für Fälle längerdauernder krankheitsbedingter Nichtausübung der Praxis im Vorjahresquartal, des Eintritts in eine Gemeinschaftspraxis und der Übernahme einer Praxis (aaO Abs 9, 8, 9a). Für den Fall, dass die Fallzahlgrenze in einem anderen Quartal unterschritten wurde, gab es eine Ausgleichsregelung (aaO Abs 11).

Gemäß diesen Fallzahlzuwachsregelungen berechnete die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid das Honorar des Klägers für die 853.841,7 Punkte, die er für seine budgetrelevanten Fälle des Quartals I/1999 anforderte, auf der Grundlage von 820.456,2 Punkten. Diese Reduzierung um 33.385,5 Punkte beruhte darauf, dass die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe der Allgemein- und praktischen Ärzte von 669 im Vorjahresquartal I/1998 um mehr als 5 % auf 751 Fälle und die Fallzahl des Klägers von 636 im Vorjahresquartal um mehr als 3 % auf 753 Fälle gestiegen waren. Die dabei zu Grunde gelegte 3 %ige Fallzahlzuwachstoleranz betrug 21 Fälle; dies ergab sich gemäß § 9 Abs 7 Satz 2 iVm Satz 3 HVM aus der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal (669 Fälle x 3 % = 21 Fälle). Der Kläger überschritt mit seiner Fallzahlsteigerung um 117 Fälle den tolerierten Fallzahlzuwachs von 21 Fällen um 96 Fälle. Für 21 dieser 96 Fälle nahm sie eine Abstaffelung um 10 %, für je weitere 21 um 20 %, 30 %, und 40 % sowie für 12 Fälle um 50 % vor. Als Summe der Abstaffelungen errechnete die Beklagte eine Kürzung um 33.385,5 Punkte, mithin eine Kürzung der 853.841,7 Punkte auf 820.456,2 Punkte, was einer Quote von 96,09 % entsprach.

Diese Begrenzung des Honoraranspruchs bei Fallzahlzuwächsen ist von ihrem Ansatz und ihrer Ausgestaltung her mit den von der Rspr des erkennenden Senats entwickelten Grundsätzen vereinbar. Dieser hat im Einzelnen ausgeführt, dass sich die gesetzliche Grundlage für Fallzahlzuwachsregelungen nicht aus der Ermächtigung in § 85 Abs 4 Satz 5 SGB V ergibt, die Regelungen zur Verhütung übermäßiger Ausdehnung vertragsärztlicher Tätigkeit vorsieht (Satz 4 aaO in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1998; Satz 5 aaO im Jahr 1999; Satz 6 aaO seit 1. Januar 2000). Eine übermäßige Ausdehnung im Sinne dieser Regelung wird erst bei erheblich über dem Durchschnitt der Fachgruppe liegenden Leistungsmengen angenommen, die Qualitätsmängel befürchten lassen, wobei der Gesamtumfang der vertragsärztlichen Tätigkeit einzubeziehen ist, zB durch Berücksichtigung sowohl der Gesamtpunkt- als auch der Gesamtfallzahl. Aus der Fallzahl allein ergibt sich kein zuverlässiges Indiz für eine zu umfangreiche und deshalb qualitativ mutmaßlich unzulängliche Tätigkeit des Arztes (BSG, Urteile vom 13. März 2002, BSGE 89, 173, 174 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 369; SozR aaO Nr 44 S 359). Diese hier nicht einschlägige Ermächtigung zu Regelungen zur Verhütung übermäßiger Ausdehnung vertragsärztlicher Tätigkeit schließt anderweitige Regelungen der KÄVen, um der Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit bzw deren Honorierung entgegenzuwirken, nicht aus. Gerade seit den 1993 eingeführten Begrenzungen der Erhöhungen der Gesamtvergütungen besteht ein Bedarf nach Beschränkungen der Vergütung für Zuwächse sowohl des Fallwertes als auch der Fallzahl, um so die Gesamthonorarsituation zu stabilisieren und damit die Kalkulierbarkeit der Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit zu verbessern sowie die Versorgungsqualität zu steigern (vgl die Zusammenfassung der Senatsrechtsprechung im Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 6 KA 54/02 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

Zur Beschränkung der Vergütung für Fallwertsteigerungen dienten insbesondere die zum 1. Juli 1997 durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen eingeführten Praxisbudgets, die bis zum 30. Juni 2003 in Kraft gewesen sind (zu den Praxisbudgets zuletzt BSG, Urteil vom 24. September 2003 - B 6 KA 31/02 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Um dem Anreiz entgegenzuwirken, an Stelle der nicht mehr attraktiven Steigerung von Fallwerten zur Honoraraufbesserung nunmehr die Fallzahlen zu steigern, bedurfte es ergänzender Regelungen. In diesem Sinn sahen die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrer Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets vor, dass die KÄVen bei Fallzahlsteigerungen um mehr als 5 % des Vorjahresquartals Maßnahmen zu ergreifen hätten, um dadurch hervorgerufenen Punktwertminderungen entgegenzuwirken (s dazu Praxisbudgetvereinbarung, DÄ 1997, A-403 f unter 5. Abs 1 aE; s auch DÄ 1996, A-3364 unter 3. aE; DÄ 1997, A-860, 863 unter 6. aE). So stellen Honorarbegrenzungen für Fallzahlsteigerungen, die nach Maßgabe des § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V getroffen werden können, sinnvolle flankierende Maßnahmen zur Absicherung der Wirkung der Praxisbudgets dar (BSG, Urteile vom 13. März 2002, BSGE 89, 173, 177 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 372 f; SozR aaO Nr 44 S 362).

Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge hat das BSG Bestimmungen im HVM, die den zu honorierenden Fallzahlzuwachs auf 5 % gegenüber dem Vorjahresquartal begrenzen, als unbedenklich angesehen (Urteil vom 13. März 2002, BSGE 89, 173, 182 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 378 f und die weiteren Urteile vom selben Tag in den Verfahren Az B 6 KA 13/01 R, B 6 KA 14/01 R, B 6 KA 35/01 R). Solche Regelungen bedeuten nicht, dass für die Behandlungsfälle, die der Zahl nach die Grenze übersteigen, keine Vergütung gewährt werde. Vielmehr wird lediglich das Ausmaß der Vergütungen insgesamt der Höhe nach begrenzt, sodass das auf die einzelnen Fälle bzw auf die einzelnen Leistungen entfallende Honorar entsprechend der größeren Fallzahl bzw dem größeren Leistungsvolumen sinkt (vgl BSG, Urteil vom 13. März 2002 - B 6 KA 35/01 R -; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 411; BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 aaO). Die Rechtmäßigkeit einer Regelung, die den zu honorierenden Fallzahlzuwachs auf 5 % gegenüber dem Vorjahresquartal begrenzt, hängt nicht davon ab, ob für die Zahl an Behandlungsfällen, die der Arzt über die Zuwachsgrenze hinaus hatte, eine zusätzliche abgestaffelte Vergütung oä gewährt wird (ohne solche weitere Vergütung s Urteile vom 13. März 2002, BSGE 89, 173 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 und diejenigen zu den Az B 6 KA 13/01 R und B 6 KA 14/01 R; mit Abstaffelungsausgleich s Urteil vom 13. März 2002 - B 6 KA 35/01 R -). Wird indessen der Honorarzuwachs auf Fallzahlsteigerungen begrenzt, die unter 5 % liegen, so bedarf es ergänzender abfedernder Regelungen wie zB derart, dass die Honoraranforderung für die über die Zuwachsgrenze hinausgehende Fallzahl nicht gänzlich unberücksichtigt bleibt, sondern nur abgestaffelt wird (BSG, Urteil vom 13. März 2002, SozR 3-2500 § 85 Nr 44 S 366; mit Abstaffelungsausgleich auch Urteil vom 13. März 2002 - B 6 KA 35/01 R -).

Der Senat hat auch solche Fallzahlzuwachsregelungen nicht beanstandet, bei denen eine Honorarbegrenzung für den einzelnen Vertragsarzt nur eingriff, wenn seine Fachgruppe im Durchschnitt ebenfalls einen Fallzahlzuwachs von mehr als 5 % aufwies. Die Bestimmungen in der erwähnten Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets ließen Raum für eine solche Ausgestaltung. Sie legten eine Koppelung an Gesamtsteigerungen im KÄV-Bezirk nahe durch die Vorgabe an die KÄVen, Maßnahmen zu ergreifen, falls in ihrem Bezirk die Fallzahlen um mehr als 5 % des Vorjahresquartals stiegen. Dementsprechend waren die KÄVen zwar nicht verpflichtet, aber befugt, die Honorarbegrenzung für den einzelnen Vertragsarzt davon abhängig zu machen, dass auch seine Fachgruppe im Durchschnitt einen Fallzahlzuwachs von mehr als 5 % aufwies (zu einer ähnlichen Regelung s Urteil vom 13. März 2002, BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 44 S 358).

Unbedenklich ist auch, dass der hier zu beurteilende HVM für die Berechnung der Fahlzahlzuwachstoleranz von 3 % die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal zu Grunde legte. Die KÄV hat Gestaltungsfreiheit, ob sie die Fallzahlzuwachsquoten nach der eigenen früheren Fallzahl des Vertragsarztes oder nach der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe bemisst. Der Senat hat sich in seiner bisherigen Rechtsprechung zwar nur mit Fallzahlzuwachsregelungen befasst, die als Maßstab für die Berechnung der Zuwachsquote die eigene Fallzahl im Vorjahresquartal zu Grunde legten. Er hat diese Ausgestaltung aber nicht als die einzig rechtmäßige bezeichnet und insoweit lediglich ausgeführt, dass eine solche Regelung "einen vertretbaren Ausgleich" zwischen den Interessen des einzelnen Arztes an einem möglichst ungehinderten Wachstum und den Interessen aller Vertragsärzte an möglichst stabilen Punktwerten darstelle (BSGE 89, 173, 183 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 379). Schon diese Formulierung zeigte, dass auch andere Lösungen - wie die Bemessung nach der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe - vom Spielraum bei der Ausgestaltung des HVM gedeckt sein können. Im Urteil vom 10. Dezember 2003 (B 6 KA 54/02 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) hat der Senat dies im Rahmen der Überprüfung von Individualbudgets dahin weitergeführt, dass im HVM zugelassene prozentuale Steigerungen nicht auf das bisherige Abrechnungsvolumen des Arztes, sondern auf einen generellen Wert wie zB den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe bezogen werden "sollten", um ungleiche Zuwachsmöglichkeiten auszuschließen. Dies gilt ebenso für Honorarbegrenzungsregelungen bei Fallzahlzuwächsen.

Diesen rechtlichen Anforderungen hat die Beklagte mit den Regelungen zur Honorarbeschränkung bei Fallzahlzuwächsen entsprochen. Die Grenzziehung bei einem Zuwachs von 3 % in § 9 Abs 7 HVM war nicht zu beanstanden. Denn, wie ausgeführt, können geringere Zuwachsquoten als 5 % - wie zB 3 % - dann rechtmäßig sein, wenn sie mit einer abgestaffelten Vergütung für die über die Fallzahlgrenze hinausgehenden Fälle verbunden sind. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Abstaffelung war großzügig ausgestaltet, indem sie mit zunehmender Überschreitung nur zusätzliche 10 %ige Abschläge je 3 %igem Überschreitungsblock vorsah. Zusätzlich gab es die Regelung des § 9 Abs 11 HVM, die einen späteren Honorarausgleich ermöglichte, falls der Arzt die Fallzahlzuwachsgrenze nur in einzelnen Quartalen überschritt und in folgenden Quartalen unterhalb der Grenze lag. Auch dies kam dem Kläger zugute (siehe den ihm später gewährten Honorarausgleich von 10.683,36 Punkten bzw 841,83 DM). Aus den dargestellten Maßstäben ergibt sich weiterhin, dass die Regelung in § 9 Abs 7 Satz 1 HVM unbedenklich ist, wonach die Honorarbegrenzung für den einzelnen Vertragsarzt nur eingriff, wenn seine Fachgruppe im Durchschnitt ebenfalls einen Fallzahlzuwachs von mehr als 5 % aufwies.

Rechtswidrig sind die hier zu beurteilenden HVM-Regelungen aber insoweit, als sie nicht in ausreichendem Maße Rücksicht auf Praxen mit unterdurchschnittlicher Fallzahl nahmen.

Wie in der Rechtsprechung wiederholt klargestellt und vom Senat im Urteil vom 10. Dezember 2003 (B 6 KA 54/02 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, mwN) zusammenfassend ausgeführt worden ist, müssen umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen - dabei insbesondere, aber nicht nur, neu gegründete Praxen - die Möglichkeit haben, durch Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen. Jedem Vertragsarzt muss grundsätzlich die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern. Das gilt für die damit verbundenen Umsatzsteigerungen allerdings nur bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe. Dabei muss der HVM es dem einzelnen Vertragsarzt in effektiver Weise ermöglichen, den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen. Das bedeutet nicht, dass alle Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz von jeder Begrenzung des Honorarwachstums verschont werden müssten, wie dies den neu gegründeten Praxen einzuräumen ist, solange diese sich noch in der Aufbauphase befinden, die auf drei bis fünf Jahre bemessen werden kann (zu solchen Zeitspannen s BSGE 83, 52, 58 f = SozR 3-2500 S 85 Nr 28 S 208, Urteil vom 10. Dezember 2003 aaO und Urteil vom heutigen Tag <10. März 2004> - B 6 KA 13/03 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Praxen, die die Aufbauphase überschritten haben - sei es, dass sie die zeitlich festgelegte Aufbauphase verlassen oder bereits vorher die Durchschnittswerte der Arztgruppe erreicht haben -, ist es im Hinblick auf die mit der Einführung individueller Leistungsbudgets verfolgten Ziele der Punktwertstabilisierung und der Gewährleistung von Kalkulationssicherheit zumutbar, dass ihr pro Jahr zulässiges Honorarwachstum beschränkt wird, sofern diese Begrenzung nicht zu eng ist. Maximale Wachstumsraten können vorgegeben werden, müssen aber eine Größenordnung haben, die es ihnen gestattet, den durchschnittlichen Umsatz in absehbarer Zeit zu erreichen. Als absehbar in diesem Sinne ist ein Zeitraum von fünf Jahren anzusehen. Dabei können für die Vertragsärzte unterschiedliche Steigerungssätze je nach dem, wie weit ihr Umsatz noch von dem Fachgruppendurchschnitt entfernt ist, festgelegt werden. Werden im HVM prozentuale Steigerungssätze bestimmt, sollten diese nicht auf das bisherige Abrechnungsvolumen des Arztes, sondern auf einen generellen Wert wie zB den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe bezogen werden, um ungleiche Zuwachsmöglichkeiten auszuschließen (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 aaO).

Diese Ausführungen des Senats im Urteil vom 10. Dezember 2003 (aaO) betrafen zwar so genannte Individualbudgets, dh ein auf umfassende Umsatzbegrenzung ausgerichtetes Konzept. Sie müssen aber sinngemäß entsprechend für Regelungen gelten, die Honorarbegrenzungen bei Fallzahlzuwächsen normieren. Daher müssen auch Praxen mit unterdurchschnittlicher Fallzahl ihr Honorar durch Fallzahlerhöhungen bis zum Fachgruppendurchschnitt steigern können, und zwar binnen fünf Jahren. Nur neu gegründete Praxen sind für die Zeit des Aufbaus von der Wachstumsbegrenzung völlig freizustellen.

Dabei ist klarzustellen, dass die entsprechende Geltung der Ausführungen im Urteil vom 10. Dezember 2003 (aaO) auch den Gesichtspunkt erfasst, dass die Steigerungsmöglichkeit für Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz auf maximal den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe begrenzt werden kann. Die diesen einzuräumende besonders schnelle Möglichkeit der Honorarsteigerung durch Fallzahlzuwächse ist nicht nur bis zum Erreichen des Fallzahldurchschnitts zu beschränken, sondern kann zusätzlich bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe begrenzt werden, sodass Fallzahlsteigerungen über die allgemeinen Zuwachsregelungen hinaus nur bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe honoriert werden.

Bei der Fallzahlzuwachsregelung im HVM der Beklagten fehlte eine Sonderbestimmung, die es den nicht mehr in der Aufbauphase befindlichen, aber noch unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen ausreichend schnell, dh binnen fünf Jahren, ermöglichte, ihr Honorar durch Erhöhungen ihrer Fallzahl bis zur durchschnittlichen zu steigern. Nach der allgemeinen Zuwachsregelung des § 9 Abs 7 HVM, die die Honorierung von Fallzahlzuwächsen auf eine Quote von 3 % im Vergleich zum Vorjahresquartal begrenzt, konnte es für sie länger als fünf Jahre dauern, bis sie die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe honoriert erhalten.

Der zu erlassende neue Honorarbescheid für das Quartal I/1999 kann sich damit begnügen, dem Gebot schnellerer Honorarsteigerungsmöglichkeiten durch Fallzahlerhöhungen bis zum Fachgruppendurchschnitt Rechnung zu tragen. Er muss nicht noch weitergehend - im Sinne einer Ausnahmebewilligung für einen Fall unbilliger Härte - berücksichtigen, dass der Kläger sich dem Fallzahlzuwachs wegen des Zulaufs von Patienten anderer schließender Praxen nicht habe entziehen können und er außerdem Praxisvertretungen übernommen habe. Abgesehen von der Frage, ob eine Fallzahlzuwachsregelung auch die Möglichkeit von Ausnahmen bzw Sonderbestimmungen für Fälle unbilliger Härte vorsehen müsste (zu solchem Erfordernis s Urteil vom 10. Dezember 2003 aaO mwN), kann sich ein solcher etwaiger Mangel nicht zu Lasten des Klägers ausgewirkt haben; denn die von ihm geltend gemachten Gesichtspunkte könnten einen Fall unbilliger Härte nicht begründen. Ein Patientenzulauf von anderen schließenden Praxen kann zwar an sich möglicherweise zu berücksichtigen sein (s zB BSGE 83, 52, 61 = SozR aaO Nr 28 S 210 zu Änderungen der Versorgungsstruktur bzw Behandlungsausrichtung; BSG SozR aaO Nr 27 S 196 f zum Fall plötzlicher Schließung der zweiten kieferorthopädischen Praxis am Ort; - vgl auch BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 aaO). Aber der Patientenzulauf im Falle des Klägers hatte nicht das erforderliche Ausmaß. Bei einer Fallzahlerhöhung um insgesamt 117 Fälle genügen Zuläufe, die nicht einmal ein Sechstel davon ausmachen, nicht. Eine unbillige Härte kann ebenso wenig wegen gegenseitiger Praxisvertretungen anerkannt werden. Würden diese als Grund für Honorarsteigerungen durch Fallzahlzuwächse gebilligt, so ergäben sich daraus, wie die Beklagte zu Recht einwendet, unberechtigte Begünstigungen für beide beteiligten Praxen. Das könnte Anreize setzen, eine Praxis möglichst oft zu Gunsten der anderen zu schließen, weil die schließende dadurch nicht mehr mit der Zuwachsgrenze in Kollision geriete und die vertretende eine Härtefreistellung für ihre überhöhte Fallzahl erhielte. Deshalb können gegenseitige Praxisvertretungen grundsätzlich keinen Fall unbilliger Härte begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Ende der Entscheidung

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