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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 12.09.2006
Aktenzeichen: B 6 KA 70/05 B
Rechtsgebiete: SGG, GKG


Vorschriften:

SGG § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1
GKG § 40
GKG § 42 Abs 3
GKG § 47 Abs 1
GKG § 52 Abs 1
GKG § 63 Abs 2 S 1
GKG § 72 Nr 1 Halbs 2

Entscheidung wurde am 10.11.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
1. In Zulassungsverfahren von Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten ist der Streitwert auch dann nach den Grundsätzen des BSG-Beschlusses vom 1.9.2005 - B 6 KA 41/04 R = SozR 4-1920 § 52 Nr 1 festzusetzen, wenn Rechtsmittelführer nicht der Betroffene sondern eine zum Rechtsstreit beigeladene Institution - zB die Kassenärztliche Vereinigung - ist.

2. Wenn in Zulassungsverfahren in Ausnahmefällen die durchschnittlichen Umsätze der jeweiligen Arztgruppe dem wirtschaftlichen Interesse des Betroffenen auch nicht annähernd entsprechen, ist für jedes Quartal des maßgeblichen Dreijahreszeitraums nach § 42 Abs 3 GKG der Regelwert von 5000,- Euro anzusetzen; ein Abzug von Praxiskosten erfolgt dann nicht.


BUNDESSOZIALGERICHT Beschluss

in dem Rechtsstreit

Az: B 6 KA 70/05 B

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat am 12. September 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann sowie die Richter Dr. Wenner und Gasser

beschlossen:

Tenor:

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 60.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 72 Nr 1 Halbsatz 2, § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 und § 40 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat hat in seinem Beschluss vom 1. September 2005 (SozR 4-1920 § 52 Nr 1) im Einzelnen ausgeführt, dass in Zulassungsangelegenheiten, die nach dem 1. Januar 2002 in erster Instanz anhängig geworden sind und auf die mithin gemäß § 197a SGG das GKG anzuwenden ist, der Streitwert in der Regel in Höhe des Umsatzes anzusetzen ist, den der Arzt bei erlangter Zulassung innerhalb der nächsten Zeit aus vertragsärztlicher Tätigkeit erzielen könnte, abzüglich des Praxiskostenanteils. Dabei ist in Anlehnung an § 42 Abs 3 GKG - falls es nicht konkrete Gesichtspunkte für die Zugrundelegung eines kürzeren Zeitraums gibt - pauschal ein Drei-Jahres-Zeitraum zugrunde zu legen (Beschlüsse vom 1. September 2005, SozR 4 aaO, RdNr 6, 15, und vom 26. September 2005 - B 6 KA 69/04 B). Für eine Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde gilt gemäß § 47 Abs 3 GKG dieselbe Wertberechnung wie für das Revisionsverfahren, in dem sich der Streitwert gemäß § 47 Abs 1 GKG nach den Anträgen bzw nach der Beschwer des Rechtsmittelführers bemisst. Dies ist hier die zu 5. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV), die mit ihrem Rechtsmittel die Abweisung der Klage gegen den eine Zulassung versagenden Widerspruchsbescheid des Beklagten erstrebt. Der Wert ihrer Beschwer in dem von ihr zur Verteidigung des streitgegenständlichen Bescheids betriebenen Rechtsmittelverfahren ist dabei spiegelbildlich zu der Beschwer des (Anfechtungs-)Klägers im Verfahren vor dem Sozialgericht und deshalb nach denselben Grundsätzen zu bestimmen.

Bei einer Klage auf Zulassung ist im Regelfall für den Umsatz - da insoweit keine individuellen Umsätze des Vertragsarztes vorliegen, die herangezogen werden könnten - auf den Betrag abzustellen, der im Gesamtbundesdurchschnitt (bzw für Zulassungen in den neuen Bundesländern im Durchschnitt dieser Länder) für die Arztgruppe ausgewiesen ist, welcher der Arzt angehört (Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2005 - B 6 KA 47/04 B - MedR 2006, 236). Von dem dargestellten Grundsatz ist abzuweichen, wenn ein atypischer Fall vorliegt, in dem davon ausgegangen werden muss, dass die durchschnittlichen Umsätze der Arztgruppe dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers auch nicht annähernd entsprechen. Ein solcher Fall ist hier gegeben.

Nach Mitteilung der zu 5. beigeladenen KÄV ist der Kläger seit Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit auf der Grundlage des Beschlusses des Landessozialgerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vom 13. Dezember 2004 (L 11 B 30/04 KA ER) nur in minimalem Umfang vertragsärztlich tätig geworden. Er hat im Quartal III/2005 Honorarumsätze in Höhe von 374,41 € sowie im Quartal IV/2005 in Höhe von 109,09 € erzielt. Im Quartal I/2006 hat er lediglich sechs Fälle zur Abrechnung gebracht und dafür ein Honorar in Höhe von 1.040,82 € erhalten. Einerseits kann auf diese tatsächlichen Umsätze des Klägers zur Erfassung seines wirtschaftlichen Interesses an der von ihm erstrebten gerichtlichen Entscheidung nicht abgestellt werden. Denn es ist zu berücksichtigen, dass diese besonders niedrigen Umsätze auch darauf zurückzuführen sein können, dass dem Kläger die Zulassung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur vorläufig - dh befristet bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache - erteilt worden ist. Deshalb konnte für ihn berechtigterweise Veranlassung bestehen, mit dem vollständigen Aufbau der von ihm angestrebten vertragsärztlichen Praxis bis zur Bestandskraft des für ihn positiven Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Köln vom 13. April 2005, die erst mit dem - die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden - Senatsbeschluss vom 31. Mai 2006 eingetreten ist, zuzuwarten. Die Situation ist insoweit anders als bei einer nicht vollzogenen Zulassungsentziehung, wo der Vertragsarzt für den Fortbestand seiner bereits eingerichteten Vertragsarztpraxis streitet und deshalb auf die tatsächlich von ihm erzielten Umsätze während des laufenden Verfahrens abgestellt werden kann. Andererseits beschreiben im hier zu entscheidenden Fall offenkundig auch die durchschnittlichen Umsätze der Arztgruppe des Klägers nicht dessen tatsächliches wirtschaftliches Interesse an dem Rechtsstreit. Denn er hat selbst angegeben, dass diese Durchschnittsumsätze "wahrscheinlich zu hoch" seien.

In einem solchen atypischen Fall, in dem feststeht oder zumindest wahrscheinlich ist, dass der die Zulassung betreibende Arzt nicht im üblichen Umfang vertragsärztlich tätig werden will, konkrete Angaben über den in Aussicht genommenen oder zu erwartenden Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit aber nicht vorliegen, ist es sachgerecht, für jedes der zwölf Quartale des Dreijahreszeitraums iS des § 42 Abs 3 GKG den Regelwert von 5.000 € anzusetzen. Von diesem Grundsatz ist der Senat auch in seinem Beschluss vom 19. Mai 2006 (B 6 KA 12/06 R) ausgegangen, in dem hinter dem Begehren der klagenden Ärztin auf Aufhebung der Zulassungsentziehung der Sache nach das Interesse nach weiterer Verlängerung des Ruhens der Zulassung stand. Letzteres hat der Senat mangels näherer Anhaltspunkte für das konkrete wirtschaftliche Interesse der betroffenen Ärztin mit 5.000 € je Quartal bewertet.

Ein Abzug von Praxiskosten ist in diesem Fall - wie im Fall des Ruhens der Zulassung (Beschluss vom 19. Mai 2006 - B 6 KA 12/06) - nicht veranlasst, weil der Regelwert nicht auf der Annahme beruht, dass der Vertragsarzt Umsätze in dieser Höhe erreichen will, sondern angesetzt wird, weil jegliche Anhaltspunkte für die tatsächlich zu erwartenden Umsätze aus vertragsärztlicher Tätigkeit fehlen. Danach ergibt sich ein Streitwert von 12 x 5.000 €, also 60.000 €.

Ende der Entscheidung

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