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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 23.02.2005
Aktenzeichen: B 6 KA 81/03 R
Rechtsgebiete: Bedarfsplanungs-RL-Ärzte, SGB V


Vorschriften:

Bedarfsplanungs-RL-Ärzte Nr 23 Satz 1
SGB V § 101
SGB V § 103
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 23. Februar 2005

Az: B 6 KA 81/03 R

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Clemens und Gasser sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Gerdelmann und Dr. Walmuth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 26. Februar 2003 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 14. Februar 2001 werden zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung die Rechtsauffassung des Senats zu beachten hat. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Dabei geht es um die Frage, nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren die Auswahl unter mehreren Zulassungsbewerbern zu treffen ist, wenn die Zulassungssperre in einem bislang überversorgten Planungsbereich partiell aufgehoben wird.

Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Thüringen öffnete auf Grund veränderter Verhältniszahlen mit Beschluss vom 27. Januar 1999 den bis dahin wegen Überversorgung mit einer Zulassungssperre belegten Planungsbereich Jena für die Zulassung eines weiteren Facharztes für Gynäkologie. Der Beschluss ermöglichte zudem in zehn anderen Planungsbereichen des Landes die Zulassung von insgesamt 15 weiteren Gynäkologen. In der Entscheidung war eine Bestimmung, dass über Zulassungsanträge für die zusätzlichen Vertragsarztsitze nach Maßgabe der Reihenfolge ihres Eingangs beim Zulassungsausschuss zu entscheiden sei, nicht enthalten. Nachdem der Beschluss des Landesausschusses dem Zulassungsausschuss am 17. Februar 1999 schriftlich bekannt gegeben worden war, informierte die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) alle in die Warteliste eingetragenen Ärzte - darunter auch die Klägerin und den Beigeladenen zu 9. - über die nunmehr eröffnete Möglichkeit, umgehend eine Zulassung zu beantragen. Der Beschluss des Landesausschusses wurde in der April-Ausgabe des Thüringer Ärzteblattes 1999 veröffentlicht.

Der Zulassungsausschuss erteilte bereits am 16. März 1999 dem Beigeladenen zu 9. die Zulassung als Gynäkologe für einen Vertragsarztsitz in Jena, weil sein Antrag bereits am 5. Februar 1999 als Erster eingegangen sei; gleichzeitig lehnte er die Anträge der Klägerin und einer weiteren Bewerberin ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Beschluss vom 15. September 1999). Das Sozialgericht (SG) hat den Beschluss des beklagten Berufungsausschusses aufgehoben und ihn zu einer erneuten Entscheidung über den Zulassungsantrag der Klägerin ohne Rückgriff auf die Reihenfolge des Eingangs der Zulassungsanträge, sondern in Anlehnung an die Grundsätze für die Auswahl unter mehreren Bewerbern bei einer Praxisnachfolge verpflichtet (Urteil vom 14. Februar 2001, MedR 2001, 592). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf das Rechtsmittel des Beklagten die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. Februar 2003, MedR 2003, 702).

Das Berufungsgericht hat es für zulässig erachtet, bei einer Zulassungsentscheidung nach partieller Öffnung eines zuvor gesperrten Planungsbereichs auch dann auf die Reihenfolge des Antragseingangs abzustellen, wenn der Landesausschuss eine solche Bestimmung in seinen Beschluss nicht aufgenommen hat. Die Auswahlkriterien seien wenig vielfältig. Die Grundsätze der Auswahl bei einer Praxisnachfolge gemäß § 103 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) könnten jedoch nicht zur Anwendung gelangen, da sie auf eine Neuzulassung nicht zugeschnitten seien. Die Ziele der Bedarfsplanung erforderten es, schnell zu entscheiden, um die Versorgung sicherzustellen und die Teilhaberechte des betroffenen Personenkreises zu wahren. Hierfür sei der Zeitpunkt des Antragseingangs das einzig handhabbare Auswahlkriterium. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit müsse auf den Zeitpunkt des Vorliegens eines vollständigen Antrags abgestellt werden. Deshalb gebühre dem Zulassungsantrag des Beigeladenen zu 9. der Vorrang, weil dieser Antrag bereits am 5. Februar 1999 vollständig vorgelegen habe und nochmals mit Schreiben vom 15. März 1999 - dh nach der Bekanntgabe des Öffnungsbeschlusses des Landesausschusses an den Zulassungsausschuss - bekräftigt worden sei. Demgegenüber sei der Zulassungsantrag der Klägerin zwar bereits am 10. März 1999, aber nicht vollständig eingegangen, weil das polizeiliche Führungszeugnis gefehlt habe. Die vielfältig möglichen Gründe für eine verzögerte Vorlage der vollständigen Unterlagen könnten keine Berücksichtigung finden. Es sei nicht Sache des Zulassungsausschusses, diesbezüglich Ursachenforschung und -bewertung zu betreiben.

Mit ihrer - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren der Zulassung als Vertragsärztin für das Fachgebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Planungsbereich Jena weiter. Sie macht geltend, die Vorschriften über die ärztliche Bedarfsplanung seien verfassungswidrig und ihr stehe schon deshalb ein Anspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zu. Die Streichung der Vorschrift des § 101 Abs 2 Nr 3 SGB V durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2626) habe zur Folge, dass Zulassungssperren wegen Überversorgung nunmehr für Angehörige einzelner Arztgruppen einen unzulässigen Eingriff in die Berufswahlfreiheit hervorrufen könnten, weil im gesamten Bundesgebiet eine Zulassung unmöglich werde. Außerdem fehle es an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für die vom Landesausschuss verfügte Teilentsperrung. Mit der Regelung in Nr 23 Satz 1 der Richtlinien über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-RL-Ärzte) habe der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen seine Normsetzungsbefugnis überschritten. Eine nur partielle Entsperrung sei zudem nicht mit der gesetzlich angeordneten Umwandlung von inhaltlich beschränkten job-sharing-Zulassungen in Vollzulassungen im Falle der Aufhebung von Zulassungssperren (§ 101 Abs 3 Satz 2 SGB V) zu vereinbaren. Im Übrigen verstoße die vom LSG gebilligte Anwendung des Prioritätsprinzips bei der Bewerberauswahl gegen verfassungsrechtliche Vorgaben. Der Gesetzgeber müsse eine solche für den Berufszugang der Bewerber wesentliche Regelung wenigstens in den Grundzügen selbst treffen; er dürfe dies nicht einem untergesetzlichen Normgeber oder dem Vollzugsermessen der Verwaltung überlassen. Stelle man gleichwohl auf das Prioritätsprinzip ab, komme dem Antrag der Klägerin als erstem wirksamem und vollständigem Zulassungsantrag Vorrang zu. Der noch vor Bekanntgabe des Öffnungsbeschlusses durch den Landesausschuss eingereichte Zulassungsantrag des Beigeladenen zu 9. dürfe als unzulässiger Vorratsantrag nicht berücksichtigt werden, da andernfalls die Chancengleichheit der Bewerber in einem fairen Zulassungsverfahren nicht gewährleistet sei.

Die Klägerin beantragt ,

die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 26. Februar 2003 und des Sozialgerichts Gotha vom 14. Februar 2001 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. September 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sie - die Klägerin - als Vertragsärztin für das Fachgebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Planungsbereich Jena zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen.

Der Beklagte und die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Der Beklagte hält die Entscheidung des Berufungsgerichts für zutreffend. Der Zulassungsantrag des Beigeladenen zu 9. sei erst nach der Beschlussfassung des Landesausschusses über die partielle Öffnung des Planungsbereichs eingereicht worden und beinhalte deshalb keinen Vorratsantrag. Die Klägerin habe ihren Antrag ebenfalls vor der Publizierung der Entscheidung des Landesausschusses gestellt, doch sei dieser zum Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses in Ermangelung eines polizeilichen Führungszeugnisses nicht bescheidungsfähig gewesen.

Nach Auffassung der zu 8. beigeladenen KÄV ist die partielle Entsperrung eines Planungsbereichs nach Nr 23 Satz 1 Bedarfsplanungs-RL-Ärzte von der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 101, 103 SGB V gedeckt. Die Regelung solle verhindern, dass im Falle einer Aufhebung von Zulassungssperren infolge einer Vielzahl von Zulassungsanträgen zunächst eine massive Überversorgung hingenommen werden müsse, ehe der Landesausschuss erneut Beschränkungen anordnen könne. Ohne diese Möglichkeit wäre der Sinn und Zweck von Zulassungssperren untergraben. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass im Falle einer partiellen Entsperrung das Prioritätsprinzip als Auswahlkriterium unter mehreren Zulassungsanträgen angewandt werde. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein Antrag auf Zulassung erst bei Vorlage aller in § 18 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) genannten Unterlagen wirksam gestellt. Da die Klägerin ein polizeiliches Führungszeugnis erst später nachgereicht habe, sei der Antrag des Beigeladenen zu 9. zu Recht als vorrangig bewertet worden.

Die übrigen Beigeladenen äußern sich zur Sache nicht.

II

Die zulässige Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Das ihre Klagen insgesamt abweisende Urteil des LSG kann keinen Bestand haben. Die vom Beklagten getroffenen Entscheidungen beschweren die Klägerin in rechtswidriger Weise (§ 54 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Das SG hat deshalb den Beklagten zutreffend verurteilt, erneut über den Widerspruch der Klägerin zu entscheiden. Das unmittelbar auf Zulassung gerichtete Begehren der Klägerin haben die Vorinstanzen dagegen zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Verfahrens sind sowohl eine gegen die Ablehnung ihres Zulassungsantrags gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Klägerin gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGG als auch eine Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG gegen die Zulassung des Beigeladenen zu 9. Die Klägerin erstrebt allerdings auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung von der Rechtswidrigkeit einer nur partiellen Entsperrung eines Planungsbereichs in erster Linie unabhängig vom Status des Beigeladenen zu 9. die eigene Zulassung. Ihr Vorbringen lässt aber zugleich erkennen, dass sie im Falle der Rechtmäßigkeit der Freigabe des Planungsbereichs Jena für die Zulassung nur eines weiteren Gynäkologen die Besetzung dieser Position durch den Beigeladenen zu 9. verhindern will, um an dessen Stelle selbst zugelassen zu werden (sog "offensive Konkurrentenklage"). Diese in statthafter Weise miteinander verbundenen Klageanträge (§ 56 SGG) sind zulässig. Insbesondere kann die Klägerin geltend machen, als Mitbewerberin um eine nur einmal zu vergebende Berechtigung durch die vom Beklagten verfügte Zulassung des Beigeladenen zu 9. in eigenen Rechten verletzt zu sein (Klagebefugnis gemäß § 54 Abs 1 Satz 2 SGG - vgl BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, jeweils RdNr 7 f).

Rechtsgrundlage für Entscheidungen der Zulassungsgremien über Anträge auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in einem bislang überversorgten Planungsbereich sind § 95 Abs 2 iVm § 103 Abs 3 SGB V sowie die konkretisierenden Bestimmungen des § 16b Ärzte-ZV und der Nr 23 Bedarfsplanungs-RL-Ärzte. Für das Vornahmebegehren der Klägerin sind grundsätzlich alle Änderungen der Sachlage bis zur mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz sowie alle Rechtsänderungen bis zum Abschluss der Revisionsinstanz zu berücksichtigen. Eine Ausnahme gilt aber, sofern diesem Vornahmebegehren notwendigerweise eine Abwehrklage in Gestalt einer Drittanfechtung der Begünstigung des Beigeladenen zu 9. vorangehen muss. Falls sich für die Berufszulassung des begünstigten Dritten die Sach- oder Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorteilhafter darstellt, ist dieser Zeitpunkt maßgeblich (BSG SozR 4-2500 § 117 Nr 2 RdNr 8 mwN; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Auflage 2004, § 108 RdNr 23 und 25). Somit ist das Klagebegehren zunächst nach den Vorschriften des SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG - vom 14. November 2003, BGBl I 2190) und nach den Bedarfsplanungs-RL-Ärzte des Gemeinsamen Bundesausschusses in Gestalt des letzten Änderungsbeschlusses vom 15. Juni 2004 (BAnz Nr 165 vom 2. September 2004, S 19677) zu beurteilen; gegebenenfalls sind aber diese Vorschriften in ihrer im September 1999 gültigen Fassung ergänzend heranzuziehen.

Hingegen hat die Vorschrift des § 102 SGB V, die vom Gesetzgeber als rechtzeitige Ankündigung des Vorhabens einer reinen Bedarfszulassung konzipiert war, keine Bedeutung für das Zulassungsbegehren der Klägerin. Die Bestimmung ist mittlerweile obsolet, da die nach § 102 Abs 1 Satz 1 SGB V erforderliche gesetzliche Festlegung von Verhältniszahlen bislang unterblieben ist. Deshalb sind auch weiterhin die §§ 101, 103 und 104 SGB V für die Beurteilung von Zulassungsbegehren in überversorgten Bereichen maßgeblich.

Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die vom dafür zuständigen Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (vgl § 90 SGB V) angeordnete Aufhebung der Zulassungssperre die Zulassung nur eines weiteren Gynäkologen in dem Planungsbereich ermöglichte und deshalb ein Auswahlverfahren unter mehreren vorliegenden Bewerbungen durchzuführen war.

Kommt der Landesausschuss zu dem Ergebnis, dass Überversorgung nicht mehr besteht, ist nach Nr 23 Satz 1 der Bedarfsplanungs-RL-Ärzte (inhaltsgleich Abschnitt F Nr 3 Satz 1 der Bedarfsplanungs-RL-Zahnärzte in der Fassung vom 21. September 1999, BAnz Nr 232, über den 31.12.2003 hinaus fortgeltend nach Art 35 § 6 Abs 4 GMG) der Aufhebungsbeschluss mit der Auflage zu versehen, dass Zulassungen nur in einem solchen Umfang erfolgen dürfen, bis für die Arztgruppe Überversorgung eingetreten ist. Diese Bestimmung über die partielle Aufhebung einer Zulassungsbeschränkung ist rechtmäßig. Der Bundesausschuss der (Zahn-)Ärzte und Krankenkassen und nunmehr der Gemeinsame Bundesausschuss haben diese Verfahrensregelung zum Vollzug der Bedarfsplanung ohne Verstoß gegen höherrangiges Recht wirksam erlassen. Die gegen die partielle Entsperrung erhobenen Bedenken (vgl Dahm in Rieger, Lexikon des Arztrechts, Stand Dezember 2002, Nr 720 RdNr 56 f; Reiter MedR 2001, 624, 625; zweifelnd auch Hess in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 2000, § 103 SGB V RdNr 17, sowie Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 4. Auflage 2004, RdNr 169) teilt der Senat nicht.

Das BSG hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in nicht zu beanstandender Weise die Befugnis zur Normkonkretisierung im Bereich der Bedarfsplanung durch Erlass von Richtlinien übertragen hat (BSGE 82, 41, 46 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 15 ff; s auch BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 1 RdNr 5 ff). Dasselbe gilt für die nunmehr vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu verantwortenden Richtlinien zur Bedarfsplanung (§ 91 iVm § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 9 SGB V in der Fassung des GMG). Der parlamentarische Gesetzgeber hat dem Gemeinsamen Bundesausschuss in § 101 Abs 1 und 2 SGB V ein detailliertes Normprogramm für die Ausgestaltung der Regelungen zur Bedarfsplanung und zu Ausnahmen von der Zulassungsbeschränkung in überversorgten Gebieten vorgegeben. Ergänzend ist in § 104 Abs 2 SGB V (in der Fassung des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes <2. GKV-NOG> vom 23. Juni 1997, BGBl I 1520) bestimmt, dass das Nähere über das Verfahren bei der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen bei vertragsärztlicher Überversorgung "nach Maßgabe des § 101" in den Zulassungsverordnungen nach § 98 SGB V zu regeln ist. Dabei umfasst das Verfahren zur Anordnung der Zulassungssperren kraft Sachzusammenhangs auch den "actus contrarius" einer Aufhebung von bereits verfügten Zulassungsbeschränkungen.

In der Ärzte-ZV ist zum Verfahren bei der Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen lediglich festgelegt, dass die Prüfung, ob eine Überversorgung noch fortbesteht, jeweils spätestens nach sechs Monaten zu erfolgen hat (§ 16b Abs 3 Ärzte-ZV) und dass die Aufhebung einer Zulassungsbeschränkung bekannt zumachen ist (§ 16b Abs 4 Ärzte-ZV). Darüber hinaus wird der zuständige Landesausschuss in § 16b Abs 3 Satz 1 iVm Abs 1 Satz 3 Ärzte-ZV verpflichtet, bei dieser Prüfung "die in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vorgesehenen Maßstäbe, Grundlagen und Verfahren zu berücksichtigen". An deren Stelle sind nunmehr die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses maßgeblich, der ab dem 1. Januar 2004 die Rechtsnachfolge des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen angetreten hat (Art 35 § 6 Abs 1 Satz 2 und Abs 4 GMG). Damit sind die Verfahrensvorschriften nur zum Teil in der Zulassungsverordnung selbst normiert; zum anderen Teil verweist § 16b Abs 1 Satz 3 Ärzte-ZV auf die Verfahrensregelungen in den Bedarfsplanungs-RL-Ärzte. Nr 23 Satz 1 Bedarfsplanungs-RL-Ärzte enthält eine solche Verfahrensvorschrift, die der Landesausschuss im Falle eines Unterschreitens der Schwelle zur Überversorgung von 110 % in einem bislang mit Zulassungssperren versehenen Planungsbereich zu berücksichtigen hat.

Die Übertragung von Regelungsbefugnissen zur Verfahrensweise bei der Anordnung oder Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen auf den Gemeinsamen Bundesausschuss begegnet keinen Bedenken. Sie beinhaltet insbesondere keine kompetenzwidrige Subdelegation. Vielmehr enthält bereits § 104 Abs 2 SGB V den Auftrag an den Verordnungsgeber, die Regelung des Verfahrens "nach Maßgabe des § 101" - also auch nach Maßgabe der dort vorgezeichneten Bedarfsplanungs-Richtlinien - vorzunehmen. Zudem steht § 16b Abs 1 Ärzte-ZV ebenfalls im Rang eines formellen Gesetzes. Der parlamentarische Gesetzgeber des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266, dort Art 9 Nr 10) hat diese ursprünglich im Jahr 1987 vom Verordnungsgeber erlassene Vorschrift auch in ihren unverändert gebliebenen Teilen vollständig wiederholt. Dadurch ist der Bestätigungswille des Gesetzgebers deutlich geworden (vgl BSGE 91, 164, RdNr 8 ff = SozR 4-5520 § 33 Nr 1, RdNr 7 ff; BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 1 RdNr 10; BSG, Urteile vom 23. Februar 2005 - B 6 KA 69/03 R und B 6 KA 70/03 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; ebenso Kamps, MedR 2004, 40, 42). Aus dem Zusammenspiel der gesetzlichen Vorschriften in § 104 Abs 2 SGB V und in § 16b Abs 1 Satz 3 Ärzte-ZV ergibt sich deshalb, dass die Verfahrensweise bei der Anordnung oder Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses näher ausgestaltet werden kann, soweit in der Ärzte-ZV selbst nicht bereits solche Regelungen enthalten sind. Es handelt sich damit um eine abgestufte Form der Normsetzungsdelegation an den Verordnungsgeber einerseits und den Gemeinsamen Bundesausschuss andererseits, wie sie auch in der Vorschrift des § 94 Abs 1 Satz 3 SGB V zum Ausdruck kommt.

Die Regelung in Nr 23 Satz 1 Bedarfsplanungs-RL-Ärzte zur lediglich partiellen Entsperrung eines nicht mehr überversorgten Planungsbereichs ist auch inhaltlich mit der höherrangigen Vorschrift des § 103 Abs 3 SGB V, die in § 16b Abs 3 Satz 2 Ärzte-ZV wiederholt wird, vereinbar. Wenn dort bestimmt ist, dass zuvor angeordnete Zulassungsbeschränkungen "aufzuheben" sind, sobald die Voraussetzungen für eine Überversorgung entfallen, so erfordert dies nicht die völlige Freigabe von Zulassungen. Bereits der Wortlaut der Vorschrift umfasst neben einer vollständigen Suspendierung der Zulassungssperre zwanglos auch eine nur teilweise Aufhebung der Beschränkungen. Werden zudem Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung berücksichtigt, ist offenkundig, dass nur die Verfahrensweise einer partiellen Entsperrung geeignet ist, die Ziele der Bedarfsplanung zu erreichen. Denn die vollständige Freigabe eines gerade nicht mehr überversorgten Planungsbereichs hätte auf Grund der Regelung in § 19 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV zur Folge, dass die Zulassungsgremien zunächst beliebig viele Anträge auf Neuzulassung genehmigen müssten. Dies könnte binnen kürzester Zeit zu einer deutlich erhöhten und langfristig zementierten Überversorgung führen, selbst wenn der Landesausschuss sofort nach diesen ersten Neuzulassungen, die wiederum eine Überschreitung der Schwelle von 110 % bewirken, unverzüglich eine erneute Zulassungssperre anordnen würde. Ein solches System einer "sprunghaften Bedarfssteuerung" wäre offensichtlich ungeeignet zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele der ärztlichen Bedarfsplanung; die mit ihm verbundenen Beschränkungen der Berufsfreiheit der Bewerber sowie die sehr unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Bewerbergenerationen wären kaum zu rechtfertigen.

Die Umgestaltung und Verschärfung des Instrumentariums der Bedarfsplanung durch das GSG hatte aber eine wirksamere Begrenzung der Überversorgung - als Vorstufe zu der angekündigten Bedarfszulassung - zum Ziel (Begr zum Gesetzentw der BReg, BT-Drucks 12/3209 S 50 f <zu Nrn 22 und 24>). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn bei Wegfall der Überversorgung die Freigabe für neue Zulassungen nur in dem Umfang erfolgt, bis wiederum Überversorgung eintritt. Der nicht statisch angelegte, sondern fortlaufend an die Veränderungen der Wirklichkeit anzupassende Prozess der Bedarfsplanung und Angebotssteuerung durch Zulassungsbeschränkungen erfordert zwar zur Wahrung der Interessen der Zulassungsbewerber eine engmaschige Überprüfung, ob die rechtfertigenden Gründe für eine Zulassungssperre noch vorliegen (§ 16b Abs 3 Ärzte-ZV). Aus dem Zusammenspiel der Regelungen zur zwingenden Anordnung (§ 103 Abs 1 SGB V) und Aufhebung (§ 103 Abs 3 SGB V) der Zulassungsbeschränkungen ergibt sich aber notwendigerweise, dass das Instrument nur funktionstauglich sein kann, wenn die Aufhebung einer momentan nicht mehr erforderlichen Zulassungsbeschränkung kontrolliert und vorausschauend lediglich in dem Umfang vorgenommen wird, bis erneut die Schwelle zur Überversorgung erreicht ist. Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge können daher § 103 Abs 3 SGB V und § 16b Abs 3 Satz 2 Ärzte-ZV nur so verstanden werden, dass der Landesausschuss in einem gesperrten Planungsbereich bei späterer Unterschreitung der Schwelle zur Überversorgung eine Aufhebung des Zulassungshindernisses nur "insoweit" für eine solche Zahl von Neuzulassungen anordnen darf, bis erneut Überversorgung eintreten würde.

Dem steht nicht entgegen, dass in anderem Zusammenhang Beschränkungen für im Tätigkeitsumfang begrenzte Zulassungen vorzeitig enden bzw entfallen, wenn Zulassungssperren aufgehoben werden (§ 101 Abs 3 Satz 2 SGB V für job-sharing-Zulassungen, § 103 Abs 7 Satz 3 Halbsatz 2 SGB V für die Sonderzulassung als Belegarzt, Nr 25 Satz 2 Halbsatz 2 Bedarfsplanungs-RL-Ärzte für bestimmte umfangsbegrenzte Sonderbedarfszulassungen nach § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V - sog "vinkulierte Zulassungen"). Denn wenn nach dem Sinn und Zweck der Regelung in § 103 Abs 3 SGB V stets nur eine partielle, genau dosierte Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen möglich ist, gilt dies aus denselben Gründen und in gleicher Weise auch für den vorzeitigen Wegfall von Umfangsbeschränkungen einer Zulassung. Dies folgt daraus, dass die Umfangsbeschränkungen eingeführt wurden, um zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für Ärzte zu schaffen, ohne mit diesen Regelungen die Gefahr einer Leistungsausweitung auszulösen und damit die Bedarfsplanung zu gefährden (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf des 2. GKV-NOG, BT-Drucks 13/7264, S 65, zu Art 1 Nr 27c <§ 101 SGB V>). Aus jenen Regelungen kann daher nur entnommen werden, dass die zur Flexibilisierung der Bedarfsplanung ausnahmsweise eröffneten Zulassungen mit Umfangsbeschränkung im Falle der Aufhebung einer Zulassungssperre mit einzubeziehen sind. Das bedeutet, dass bei lediglich partieller Aufhebung der Sperre höchstens so viele Vertragsärzte mit beschränkter Zulassung von den Leistungsbegrenzungen befreit - und als Folge dessen bei der Ermittlung des Versorgungsgrades künftig mitgerechnet - werden können, bis in dem Planungsbereich die Schwelle zur Überversorgung erneut überschritten ist. In Umsetzung dieser Vorgaben ist in Nr 23 Sätze 3, 5 und 6 Bedarfsplanungs-RL-Ärzte vorgesehen, dass die job-sharing-Zulassungen in der Reihenfolge der jeweils längsten Dauer der gemeinsamen Berufsausübung zu einer Vollzulassung erstarken und dass jenen bereits erteilten und schon versorgungswirksamen Zulassungen in der Konkurrenz zu Anträgen auf Neuzulassung Vorrang zukommt. Entsprechendes gilt nach Nr 25 Satz 2 letzter Halbsatz Bedarfsplanungs-RL-Ärzte für die Sonderbedarfszulassung gemäß Nr 24 Satz 1 Buchst e) der Richtlinien. Aus den Regelungen zu diesen umfangsbegrenzten Zulassungen kann daher nicht hergeleitet werden, dass § 103 Abs 3 SGB V nur eine vollständige Aufhebung der Zulassungssperren gestattet. Die Vorschriften der §§ 101, 103 und 104 SGB V über die Bedarfsplanung und die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen in überversorgten Planungsbereichen sind, wie der Senat bereits entschieden hat, ihrerseits mit dem Grundgesetz vereinbar (BSGE 82, 41 = SozR 3-2500 § 103 Nr 2; BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 1 RdNr 7; ebenso BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 27. April 2001, MedR 2001, 639). Die ersatzlose Streichung der Regelung in § 101 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V (in der Fassung des 2. GKV-NOG) durch Art 1 Nr 41 Buchst a des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 (vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2626) hat daran nichts geändert. Die in der Literatur insoweit erhobenen Einwände (Reiter, MedR 2001, 624, 627; Hildebrandt, MedR 2003, 705) greifen nicht durch.

Nach § 101 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V aF waren die Verhältniszahlen in der Bedarfsplanung erforderlichenfalls so anzupassen, dass der Zugang einer ausreichenden Mindestzahl von Vertragsärzten in den einzelnen Arztgruppen gewährleistet blieb. Der Senat hat in seinem Urteil vom 18. März 1998 (BSGE 82, 41, 42 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 11 ff) jene Bestimmung ergänzend zum Beleg dafür herangezogen, dass die Zulassungsbeschränkungen den Ärzten in keinem Fachgebiet die Möglichkeit einer Zulassung völlig versperrten. Weil sie keine absoluten Zugangshindernisse enthielten, seien die lediglich örtlichen Zulassungssperren nur als Berufsausübungsregelungen, die durch ausreichende Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt würden, zu qualifizieren. Der Wegfall der Regelung in § 101 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V aF führt indes nicht dazu, dass das System der vertragsärztlichen Bedarfsplanung mit Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung nunmehr einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Ärzte bewirkt und deshalb vor Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) keinen Bestand mehr haben kann.

Für die Arztgruppe der Klägerin ergibt sich dies bereits daraus, dass nach dem aktuellen Bedarfsplan für die ambulante ärztliche Versorgung im Freistaat Thüringen (Stand: 14. Dezember 2004) in drei Planungsbereichen noch insgesamt fünf Vertragsarztsitze für die Zulassung von Gynäkologen offen stehen. Im gesamten Bundesgebiet bestand Anfang 2004 noch in 45 Planungsbereichen für insgesamt 80 Gynäkologen die Möglichkeit einer Zulassung (Tabellen I.25 und I.26 der "Grunddaten zur Vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland 2004", herausgegeben von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung <KÄBV>). Im Fachgebiet der Gynäkologie sind deshalb bis heute die Voraussetzungen, unter denen § 101 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V aF eine Reduzierung der Verhältniszahlen zur Gewährleistung des weiteren Zugangs einer Mindestzahl von neuen Ärzten in das vertragsärztliche Versorgungssystem vorschrieb, nicht gegeben.

Aber auch soweit bei einzelnen Facharztgruppen künftig die Situation eintreten sollte, dass nach den Vorgaben der Bedarfsplanung für alle Planungsbereiche im Land oder gar im gesamten Bundesgebiet Zulassungsbeschränkungen bestehen, wären dadurch nicht sämtliche Chancen für eine Zulassung im Sinne eines absoluten Zugangshindernisses völlig versperrt. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, dass für interessierte Ärzte auch in solchen Planungsbereichen, die nach § 103 Abs 1 und 2 SGB V wegen Überversorgung mit einer Zulassungsbeschränkung belegt sind, weiterhin verschiedene Möglichkeiten bestehen, in die vertragsärztliche Versorgung einbezogen zu werden. Sie können eine Zulassung auf Grund Sonderbedarfs erhalten, wenn sie ein spezifisches Leistungsspektrum anbieten, für das zur Wahrung der Qualität der Versorgung auch im überversorgten Bereich noch Bedarf besteht (§ 101 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V iVm Nr 24 Bedarfsplanungs-RL-Ärzte, vgl BSG SozR 3-2500 § 101 Nr 1 und 4; BSGE 86, 242 = SozR 3-2500 § 101 Nr 5). Außerdem können sie die Nachfolge eines - etwa wegen Erreichens der Altersgrenze (§ 95 Abs 7 Satz 3 SGB V) - im überversorgten Gebiet ausscheidenden Vertragsarztes antreten (§ 103 Abs 4 und 6 SGB V). Solche Praxisübernahmen stellen mittlerweile für junge Ärzte den wichtigsten Weg zum Eintritt in das System der vertragsärztlichen Versorgung dar (vgl DÄ 2004, A-2342 mwN; s auch BSGE 83, 135, 142 f = SozR 3-2500 § 95 Nr 18 S 70 f zur Funktion der Höchstaltersgrenze, die Zulassungschancen der jungen Ärzte zu wahren). In diesem Zusammenhang wird berichtet, dass vor allem in ländlichen Bezirken bzw in peripheren Bereichen der neuen Bundesländer ausscheidende Ärzte zunehmend keinen Praxisnachfolger mehr finden, sodass Praxen geschlossen werden müssen und mittelfristig in einzelnen Fachgebieten Unterversorgung droht (vgl Kapitel XII des Jahresberichts 2003 der KÄBV). Weitere Zulassungsmöglichkeiten in überversorgten Gebieten sind zur Förderung der Belegarzttätigkeit in Krankenhäusern geschaffen worden (§ 103 Abs 7 SGB V, s BSGE 88, 6 = SozR 3-2500 § 103 Nr 6). Darüber hinaus besteht die bereits erwähnte Möglichkeit, zusätzliche Zulassungen oder die Anstellung von Ärzten zur Umsetzung des sog "job-sharing" im vertragsärztlichen Bereich ohne wesentliche Leistungsausweitung der bislang bestehenden Praxis zu genehmigen (§ 101 Abs 1 Satz 1 Nr 4 und 5 SGB V iVm Nr 23a bis 23h der Bedarfsplanungs-RL-Ärzte). Ende 2003 waren im Bundesgebiet bereits 910 solcher "Partner-Ärzte" und 1.942 angestellte Ärzte tätig (Tabelle I.11 der Grunddaten zur Vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland 2004).

Auf Grund dieser zwischenzeitlich geschaffenen vielfältigen Möglichkeiten für eine Zulassung in an sich zulassungsgesperrten Planungsbereichen haben zulassungswillige Ärzte im Falle einer - seit dem 1. Januar 2000 prinzipiell möglichen - bundesweiten Zulassungsbeschränkung für ihr Fachgebiet bei ausreichender Flexibilität weiterhin eine reale Chance, eine Zulassung zu erhalten, und zwar insbesondere durch Übernahme von frei werdenden Praxen der aus dem Berufsleben ausscheidenden Vertragsärzte (vgl Haage, MedR 2000, 262, 265). Die Bestimmungen des SGB V zur ärztlichen Bedarfsplanung und zu Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung treffen die Ärzte deshalb weiterhin nicht übermäßig (vgl Francke in Wannagat, Sozialgesetzbuch, Stand August 2002, § 103 SGB V RdNr 20). Wer eine Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung anstrebt, wird durch jene Beschränkungen nicht dauerhaft an der Berufsausübung in diesem Tätigkeitsfeld gehindert, sondern muss gegebenenfalls lediglich gewisse Einschränkungen hinsichtlich des Ortes, des Zeitpunkts und/oder der Modalitäten einer Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit - etwa Übernahme einer bestehenden Praxis statt Neugründung - hinnehmen. Demgegenüber wiegen die öffentlichen Interessen, denen die Zulassungsbeschränkungen zu dienen bestimmt sind, schwer. Sie tragen zur Sicherung der finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung bei - ein Gemeinwohlbelang von überragender Bedeutung, der sogar Berufswahlregelungen in Gestalt einer Begrenzung der Niederlassungsfreiheit zu rechtfertigen vermag (BVerfGE 103, 172, 184 ff = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27 ff; BVerfG <Kammer>, SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 21, 25). Die Regelungen zur Bedarfsplanung und zu Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung sind somit weiterhin mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar.

Allerdings bedarf die Regelung in Nr 23 Satz 2 Bedarfsplanungs-RL-Ärzte zum Verfahren bei der Auswahl unter mehreren Bewerbern um einen nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs zu besetzenden Vertragsarztsitz noch einer weiteren Konkretisierung, um den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen. Die bisherige Festlegung, dass über die Anträge allein nach Maßgabe der Reihenfolge ihres Eingangs beim Zulassungsausschuss zu entscheiden ist, genügt den aus Art 12 Abs 1 GG abzuleitenden Anforderungen an eine angemessene Verfahrensgestaltung nicht in vollem Umfang.

Die Vorschriften der §§ 99 ff SGB V über die Bedarfsplanung und Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung wirken auf die Berufsfreiheit der Bewerber ein. Eingriffe in dieses Recht sind nach Art 12 Abs 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung zulässig, aus der sich hinreichend deutlich die Entscheidung des Gesetzgebers über den Umfang und die Grenzen des Eingriffs erkennen lässt. An die Bestimmtheit und Erkennbarkeit von gesetzlichen Regelungen zur Einschränkung der Freiheit der Berufswahl sind strengere Anforderungen zu stellen als an Bestimmungen, die nur die Berufsausübung betreffen (BVerfGE 110, 304, 321). Für die Vorschriften über die Zulassungsbeschränkungen, die als Berufsausübungsregelungen zu qualifizieren sind, denen keine einer Berufswahl nahe kommende Bedeutung zukommt (vgl BSGE 82, 41, 43 f = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 12 f), muss deshalb die Regelungstiefe im Gesetz selbst nicht besonders intensiv ausgeprägt sein. Gleichwohl erfordert der Grundrechtsschutz auch hier eine angemessene Verfahrensgestaltung. Da die Gestaltung des Auswahlverfahrens für einen - wenn auch nur in örtlicher Hinsicht - beschränkt möglichen Berufszugang unmittelbar Einfluss auf die Konkurrenzsituation und damit auf das Ergebnis der Auswahlentscheidung nimmt, ist vor allem bei der Art der Bekanntgabe der offenen Stellen und bei der Terminierung von Bewerbungen und Besetzungsentscheidungen die Komplementärfunktion des Verfahrens für die Verwirklichung der Berufsfreiheit der Bewerber zu beachten (vgl BVerfGE 73, 280, 296; s auch Badura, Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, 2003, 785, 797 f und Hömig, aaO, 273, 278). Durch die Art der Verfahrensgestaltung muss insbesondere gewährleistet werden, dass eine lediglich von zufälligen Umständen abhängige und für Manipulationen anfällige Zuteilung der Vertragsarztzulassung nicht stattfindet.

Zu dem Verfahren ist in § 16b Abs 4 Ärzte-ZV bestimmt, dass die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen in den für die amtlichen Bekanntmachungen der KÄV vorgesehenen Blättern zu veröffentlichen ist. Dieses Publikationserfordernis soll sicherstellen, dass die potenziellen Zulassungsbewerber über die nunmehr wieder bestehenden Zulassungsmöglichkeiten informiert werden (vgl BSGE 79, 152, 154 = SozR 3-2500 § 103 Nr 1 S 3). Hierin kommt deutlich die Verpflichtung zum Ausdruck, vor einer Entscheidung über Zulassungsanträge in dem bislang gesperrten Planungsbereich alle potenziellen Bewerber in gleichmäßiger Weise und so rechtzeitig über die Zulassungsmöglichkeiten in Kenntnis zu setzen, dass die Bewerber in der Lage sind, ihr Niederlassungsvorhaben zu konkretisieren und einen vollständigen Zulassungsantrag vorzulegen. Sie müssen daher, bevor nach der Veröffentlichung einer partiellen Entsperrung eine Auswahlentscheidung getroffen wird, eine reelle Chance haben, die jetzt erst sinnvollen Vorbereitungsmaßnahmen - zB Erschließung geeigneter Praxisräume, Abklärung der Finanzierung der Niederlassung und Beendigung eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses - einzuleiten und ihren Zulassungsantrag nach § 18 Ärzte-ZV entsprechend zu gestalten. Der Zulassungsausschuss wird dazu in der Regel zumindest sechs bis acht Wochen nach Bekanntgabe der neu eröffneten Zulassungsmöglichkeit abwarten müssen, ehe er seine Auswahlentscheidung unter den bis dahin vollständig vorgelegten Zulassungsanträgen trifft. Nur wenn ausnahmsweise der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad in dem betroffenen Planungsbereich bereits unterschritten sein sollte, kann im Interesse einer raschen Sicherstellung der Versorgung der Versicherten ein beschleunigtes Verfahren gerechtfertigt sein. Im Rahmen einer fairen und transparenten Verfahrensgestaltung wird der Zulassungsausschuss die Bewerber auch über den Zeitpunkt seiner Auswahlentscheidung unterrichten müssen, damit diese sich auf den Termin einstellen und die notwendigen Unterlagen für eine Zulassung bis dahin beibringen können.

Die Auswahlentscheidung selbst wird in der ergänzenden verfahrensrechtlichen Regelung in Nr 23 Satz 2 Bedarfsplanungs-RL-Ärzte bislang ausschließlich an die Reihenfolge des Eingangs der Zulassungsanträge beim Zulassungsausschuss geknüpft. Das alleinige Abstellen auf den in tatsächlicher Hinsicht oftmals von vielen Zufälligkeiten abhängigen Eingang der vollständigen Zulassungsanträge bei dem Ausschuss wird der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Auswahlentscheidung für die Berufschancen der Bewerber jedoch nicht gerecht. Die Interessenten für eine Zulassung als Vertragsarzt in einem bislang gesperrten Planungsbereich haben bis zur Bekanntgabe einer partiellen Entsperrung in den Bekanntmachungsblättern der KÄV keine Veranlassung, sich auf bloße Vermutungen hin nähere Informationen über die künftige Entwicklung bei entsprechend Sachkundigen zu beschaffen, um auf dieser Grundlage im Wettbewerb mit anderen potenziellen Konkurrenten einen Zulassungsantrag möglichst optimal zu positionieren. Zu einem geordneten Auswahlverfahren für eine exklusiv zu vergebende Position gehört vielmehr, dass für alle potenziellen Bewerber dieselbe von vornherein in der Ausschreibung bekannt gegebene Frist zur Verfügung steht, um sich zu bewerben und die hierfür erforderlichen Unterlagen beizubringen. Dies kann das sog "Windhundprinzip" in Nr 23 Satz 2 Bedarfsplanungs-RL-Ärzte nicht gewährleisten.

Der Gemeinsame Bundesausschuss wird deshalb nähere Regelungen treffen müssen, nach denen künftig in einem für alle Bewerber fairen Verfahren die Auswahl unter mehreren Zulassungsanträgen erfolgen soll. Hierfür kommt einerseits der Rückgriff auf Kriterien in Frage, welche die bestmögliche Versorgung der Versicherten in dem betreffenden Planungsbereich zum Ziel haben (berufliche Eignung bzw Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit), die aber in § 103 Abs 4 Satz 4 SGB V bislang nur für die Auswahl im Rahmen einer Praxisnachfolge gesetzlich normiert sind. Andererseits stellt auch das Prioritätsprinzip, das ebenfalls in § 103 Abs 4 Satz 4 SGB V - in Gestalt des Approbationsalters - und zudem in § 103 Abs 5 SGB V - in Form der Wartelisten für gesperrte Planungsbereiche - geregelt ist, prinzipiell ein geeignetes Auswahlkriterium dar (zu Wartelisten als Mittel zur Festlegung der Reihenfolge des Berufszugangs vgl BVerwGE 79, 130 und hierzu BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 1. Juni 1988, 1 BvR 588/88 - juris; BVerwGE 51, 235, 238 f; 64, 238; s auch BSG SozR 3-5520 § 24 Nr 3 S 6). Es obliegt dem Gemeinsamen Bundesausschuss, im Rahmen seines Auftrags zur näheren Ausgestaltung der Bedarfsplanung im Einzelnen festzulegen, welche dieser Kriterien in welcher Weise bei der Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze in bislang gesperrten Planungsbereichen zur Anwendung kommen sollen.

Hiernach kann die von der Klägerin angefochtene Auswahlentscheidung des Beklagten und das diese Entscheidung bestätigende Urteil des LSG keinen Bestand haben. Der Beklagte hat seine Auswahlentscheidung entsprechend der mit höherrangigem Recht nicht vereinbaren Bestimmung in Nr 23 Satz 2 Bedarfsplanungs-RL-Ärzte allein daran ausgerichtet, welcher der Zulassungsanträge als Erster vollständig vorgelegen hat. Damit hat er den Anspruch der Klägerin auf eine ihrem Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG angemessene Verfahrensgestaltung bei der Auswahl verletzt. Dies führt zur Aufhebung sowohl der Ablehnung ihres eigenen Zulassungsantrags als auch der an den Beigeladenen zu 9. erteilten Zulassung. Die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten erfordert unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes bei Drittanfechtungsklagen keine abweichende Beurteilung, nachdem die für diese Entscheidung maßgeblichen Rechtsvorschriften bereits im September 1999 in derselben Fassung galten. Hingegen hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, ohne Vornahme bzw Wiederholung der Auswahlentscheidung für den von ihr begehrten Vertragsarztsitz zugelassen zu werden. Das SG hat deshalb zutreffend den Beklagten zu einer erneuten Entscheidung über die Zulassungsanträge der Klägerin und des Beigeladenen zu 9. verurteilt.

Der Beklagte ist nicht verpflichtet, mit seiner erneuten Entscheidung bis zu einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden Neuregelung der Auswahlkriterien in Nr 23 Satz 2 Bedarfsplanungs-RL-Ärzte durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zuzuwarten. Dies würde die Verwirklichung des Grundrechts auf Berufsfreiheit für beide Bewerber unter Umständen für längere Zeit vereiteln und damit der verfassungsrechtlichen Ordnung noch ferner stehen (vgl BVerfGE 73, 280, 297). Sofern daher sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene zu 9. nach Abschluss des Revisionsverfahrens ihre Zulassungsbegehren weiterverfolgen, ist der Beklagte in dieser Situation befugt, nach pflichtgemäßem Ermessen eines der in § 103 Abs 4 Satz 4 SGB V bzw in § 103 Abs 5 SGB V normierten und nicht spezifisch auf eine Nachfolgezulassung zugeschnittenen Auswahlkriterien, welche in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden sind, zur Anwendung zu bringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Ende der Entscheidung

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