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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 29.01.2008
Aktenzeichen: B 7/7a AL 58/06 R
Rechtsgebiete: AFG, SGB III, SGB X


Vorschriften:

AFG F: 24.03.1997 § 110 S 1 Nr 1
AFG F: 24.03.1997 § 117 Abs 2
AFG F: 24.03.1997 § 117 Abs 3
AFG F: 24.03.1997 § 117 Abs 4 S 1
SGB III F: 24.03.1997 § 128 Abs 1 Nr 1
SGB III F: 26.12.1997 § 427 Abs 6
SGB X § 115 Abs 1

Entscheidung wurde am 27.08.2008 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Erhält die Bundesagentur, die wegen der Nichtzahlung einer zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs führenden Entlassungsentschädigung des Arbeitgebers an den Arbeitslosen Arbeitslosengeld zahlt (Gleichwohlgewährung), Ersatz vom Arbeitgeber, indem dieser den auf die Bundesagentur übergegangenen Anspruch auf Entlassungsentschädigung erfüllt, entfällt die Minderung der Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes für die entsprechende Anzahl von Tagen. Dabei ist nicht zu Lasten des Arbeitslosen zu berücksichtigen, dass der Bundesagentur die Sozialversicherungsbeiträge aus dem Arbeitslosengeld vom Arbeitgeber nicht erstattet werden.
BUNDESSOZIALGERICHT

Im Namen des Volkes

Urteil

Verkündet am 29. Januar 2008

in dem Rechtsstreit

Az: B 7/7a AL 58/06 R

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung von 29. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Eicher, den Richter Dr. Koloczek und die Richterin Behrend sowie den ehrenamtlichen Richter Kovar und die ehrenamtliche Richterin Geppert für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. Juni 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Im Streit ist die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 21. September bis 6. November 2000.

Der 1942 geborene Kläger war seit 1. Oktober 1970 bei der T AG beschäftigt. Durch Vertrag vom 2. Januar 1997 wurde das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. September 1997 gegen Zahlung eines monatlichen Überbrückungsgeldes aufgelöst; das Überbrückungsgeld sollte dem Kläger unter Anrechnung von Drittleistungen gezahlt werden. Die Beklagte bewilligte dem Kläger nach dessen Arbeitslosmeldung Alg zunächst für die Zeit vom 24. bis 31. Dezember 1994 sowie später auch für die Zeit vom 1. Oktober bis 23. Dezember 1997 in Höhe von 73,60 DM pro Leistungstag (Montag bis Samstag) und für die Zeit ab 1. Januar 1998 in Höhe von 65,51 DM kalendertäglich mit einer Gesamtdauer von 971 Kalendertagen (Bescheide vom 6. November 1997 und 9. Februar 1999). Nachträglich stellte sie dann das "Ruhen" des Alg-Anspruchs für die Zeit von Oktober 1997 bis 2. Januar 1998 fest, weil das Beschäftigungsverhältnis ohne Einhaltung der für die Arbeitgeberin geltenden Kündigungsfrist aufgelöst worden sei und der Kläger gegen seine frühere Arbeitgeberin einen Anspruch auf Entlassungsentschädigung besessen habe (bestandskräftiger Bescheid vom 12. März 2001).

Die Arbeitgeberin zahlte nach Erlass dieses Feststellungsbescheids an die Beklagte im April 2001 auf entsprechende Anforderung 5.941,20 DM an Überbrückungsgeld für das während des Zeitraums vom 1. Oktober 1997 bis 2. Januar 1998 gezahlte Alg. Die Beklagte bewilligte dem Kläger deshalb im Wege einer "Gutschrift" Alg für weitere 47 Tage, ohne die bestandskräftig verfügte Gesamtanspruchsdauer zu ändern (Bescheid vom 15. Mai 2002; Widerspruchsbescheid vom 28. August 2002), weil die Minderung der Anspruchsdauer nach § 128 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) aus Billigkeitsgründen in dem Umfang entfalle, in dem sie (die Beklagte) von der Arbeitgeberin Ersatz aus einem übergegangen Anspruch auf Überbrückungsgeld erhalten habe; allerdings werde die Minderung der Anspruchsdauer nicht in vollem Umfang hinfällig, weil der durch die Arbeitgeberin ersetzte Betrag um die für die Alg-Zahlung aufgewandten Sozialversicherungsbeiträge gekürzt werden müsse, für die sie keinen Ersatz bekommen habe. Alg bezog der Kläger bis 20. September 2000; vom 21. September bis 31. Oktober 2000 erhielt er Anschluss-Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Während das Sozialgericht (SG) Kassel die Klage abgewiesen hat (Gerichtsbescheid vom 5. November 2003; Berichtigungsbeschluss vom 26. November 2003), hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) den Gerichtsbescheid aufgehoben, den "Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2002 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 21. September 2000 bis 6. November 2000 unter Berücksichtigung der im Zeitraum vom 21. September bis 31. Oktober 2000 gewährten Arbeitslosenhilfe zu zahlen" (Urteil vom 26. Juni 2006). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der am 1. Oktober 1997 entstandene Alg-Anspruch mindere sich eigentlich um die Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf Alg auch in der Zeit vom 1. Oktober 1997 bis 2. Januar 1998 erfüllt worden sei. Diese Minderung entfalle indes aus Billigkeitsgründen, weil die Arbeitgeberin der Beklagten Überbrückungsgeld in Höhe des Alg gezahlt habe. Nachdem die Beklagte von der Arbeitgeberin Ersatz für insgesamt 94 Kalendertage erhalten habe, stehe dem Kläger über die von der Beklagten bereits zugebilligten 47 Kalendertage hinaus eine weitere "Gutschrift" von 47 Kalendertagen an Alg zu. Darauf, dass die Beklagte für die Sozialversicherungsbeiträge keinen Ersatz erhalten habe, könne sie sich bei der Berechnung der "Gutschrift" nicht berufen. Eine Belastung des Klägers mit den von der Beklagten getragenen Sozialversicherungsbeiträgen finde im Gesetz keine Stütze und sei umso weniger billig, als die Beklagte trotz regelmäßiger Zahlung von Überbrückungsgeld durch die Arbeitgeberin an den Kläger in der Zeit von Oktober bis Dezember 1997 Alg gezahlt habe.

Mit der Revision rügt die Beklagte, der Kläger dürfe bei einer "Gutschrift" von Tagen mit Alg-Anspruch nach einer Alg-Gleichwohlgewährung (Zahlung von Alg, wenn der Arbeitgeber einer Pflicht zur Zahlung einer Entlassungsentschädigung nicht nachkommt und der Alg-Anspruch bei Zahlung der Entlassungsentschädigung ruhen würde) wegen Zahlung des ihr auf Grund gesetzlichen Forderungsübergangs zustehenden Überbrückungsgeldes nicht begünstigt werden. Bei der Ermittlung der "Gutschrift" seien deshalb die Beiträge zur Sozialversicherung zu berücksichtigen, die sie während des Gleichwohlgewährungs-Zeitraums gezahlt und für die sie keinen Ersatz erhalten habe. Nur soweit ihre (der Beklagten) gesamten Aufwendungen erstattet würden, entfalle die Minderung der Alg-Anspruchsdauer; der Umfang der "Gutschrift" reduziere sich deshalb um die entsprechende Anzahl der Tage.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

II

Die Revision ist iS einer Aufhebung des Urteils des LSG sowie der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Der Senat konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen (§ 163 SGG) des LSG nicht beurteilen, ob dem Kläger für die Zeit vom 21. September bis 6. November 2000 Alg zusteht.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2002 (§ 95 SGG). Mit diesem Bescheid hat die Beklagte, ausgehend von der bestandskräftig festgestellten Alg-Anspruchsdauer, Leistungen für den Zeitraum vom 5. August bis 20. September 2002 ausdrücklich bewilligt; Kehrseite dieser Bewilligung ist die Verfügung, dass danach jedenfalls kein Alg-Anspruch mehr besteht. Hiergegen wehrt sich der Kläger mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG); mit dieser Klage verbunden (§ 56 SGG) ist eine allgemeine Leistungsklage iS des § 54 Abs 5 SGG, weil sich mit einer Kassation des angefochtenen Teils des Bescheides allein aus der bestandskräftig bewilligten Leistungsdauer von insgesamt 971 Tagen ein weiterer Zahlungsanspruch ergeben würde. Insoweit ist die Konstellation anders als bei der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 und Abs 4 SGG.

Ein solcher Zahlungsanspruch für den streitigen Zeitraum ist abhängig davon, ob die Anspruchsdauer des Alg nach § 110 Arbeitsförderungsgesetz <AFG> (für die Zeit vor dem 1. Januar 1998) bzw § 128 SGB III (idF, die die Norm durch das Arbeitsförderungs-Refomgesetz <AFRG> vom 24. März 1997 - BGBl I 594 - erhalten hat) am 20. September 2000 bereits in vollem Umfang gemindert, die Anspruchsdauer also erschöpft war. Insoweit fehlen Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III. Danach mindert sich der Anspruch auf Alg um die Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf Alg erfüllt worden ist; zu beachten ist ggf auch, ob andere Minderungstatbestände des § 128 Abs 1 SGB III vorliegen. Auch hierzu fehlen die erforderlich tatsächlichen Feststellungen. Nicht nachvollziehbar ist dabei im Rahmen der Beurteilung des § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III bzw des § 110 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG, ob dem Kläger über die von der Beklagten zugestandene "Gutschrift" von 47 Tagen hinaus weitere 47 Tage zuzubilligen sind. Dies wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der Fall, wenn die Minderung der Anspruchsdauer auf Grund des im Zeitraum vom 1. Oktober 1997 bis 2. Januar 1998 gezahlten Alg wegen Vorliegens einer Gleichwohlgewährung nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG und Zahlung des Überbrückungsgeldes der Arbeitgeberin an die Beklagte unbeachtlich wäre (vgl nur: BSGE 60, 168, 173 f = SozR 4100 § 117 Nr 16 S 75 f; Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III, § 128 Rz 53 f, Stand November 2004; Voelzke in Kasseler Handuch des Arbeitsförderungsrechts, § 12 RdNr 85; Valgolio in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 10 RdNr 289; Pilz in Gagel, SGB III mit SGB II, § 128 SGB III RdNr 17, Stand Mai 2007). Diese Unbeachtlichkeit (von der Beklagten als "Gutschrift" bezeichnet) setzt indes voraus, dass der Anspruch des Klägers auf Überbrückungsgeld gemäß § 115 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) iVm § 117 Abs 4 Satz 1 AFG auf die Beklagte übergegangen ist. Nur dann nämlich wäre der Kläger iS der Rechtsprechung unbillig belastet, weil er neben dem Alg-Anspruch für die entsprechende Dauer auch den auf die Beklagte übergegangenen Anspruch auf Überbrückungsgeld in der Höhe des gezahlten Alg verloren hätte.

Nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG (hier idF, die die Norm durch das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand vom 23. Juli 1996 - BGBl I 1078 - erhalten hat), wird das Alg auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch auf Alg ruht, soweit der Arbeitslose die Entlassungsentschädigung iS des Abs 2, die zum Ruhen des Alg-Anspruchs führt, (Arbeitsentgelt iS des § 115 SGB X) tatsächlich nicht erhält. Insoweit ist vorliegend nicht mehr zu prüfen, ob überhaupt gemäß § 117 Abs 2 Satz 1 AFG, der ebenso wie § 117 Abs 4 Satz 1 AFG gemäß § 242x Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG iVm § 427 Abs 6 SGB III (idF, die die Norm durch das AFRG erhalten hat) weiterhin anzuwenden ist, das Arbeitsverhältnis des Klägers ohne Einhaltung der für die Arbeitgeberin geltenden ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden ist und der Kläger wegen der Beendigung eine Entlassungsentschädigung beanspruchen konnte. Ebenso wenig ist der nach § 117 Abs 3 AFG maßgebliche Zeitraum zu überprüfen.

Dies ergibt sich daraus, dass die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. März 2001 ausdrücklich festgestellt hat, der Alg-Anspruch habe in der Zeit vom 1. Oktober 1997 bis 2. Januar 1998 geruht. Wegen der Bestandskraft dieses Bescheides ist es unerheblich, dass dieser Bescheid - nimmt man ihn wörtlich - nach der früheren Rechtsprechung des BSG rechtswidrig wäre (BSG SozR 4100 § 117 Nr 21 S 117 f), weil er dem Bewilligungsbescheid für den bezeichneten Zeitraum widerspricht. Dabei beruhte diese Rechtsprechung zum einen auf der zutreffenden Überlegung, dass das Ruhen des Alg-Anspruchs und der Forderungsübergang (§ 115 Abs 1 SGB X) von Gesetzes wegen eintreten, zum anderen aber bei einer rechtmäßigen Gleichwohlgewährung der Alg-Anspruch entgegen dem ungenauen Gesetzeswortlaut gerade nicht ruht (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 71 mwN) und die Zahlung von Alg auch nach Ersatz des Alg-Betrages durch den Arbeitgeber im Rahmen der Erfüllung des übergegangenen Anspruchs rechtmäßig bleibt (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f). Das BSG hat früher feststellende Ruhensbescheide selbst dann für unzulässig erachtet, wenn der Anspruch tatsächlich geruht hat, weil die Bundesagentur für Arbeit über den Anspruch zu entscheiden habe, und nicht lediglich Teilelemente feststellen dürfe (vgl dazu Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 143 Rz 38, Stand Dezember 2007, mwN). Diese Rechtsprechung haben die für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate (der erkennende Senat und der 11. Senat) mittlerweile aufgegeben (vgl Henke, aaO).

Vor diesem Hintergrund ist der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2001 auszulegen. Hierbei kommt es darauf an, wie der Empfänger nach den Umständen des Einzelfalles die Erklärung bei verständiger Würdigung zu deuten hatte; in Betracht kommen dabei die Umstände vor und beim Ergehen der behördlichen Maßnahme und uU auch solche, die ihr folgen (BSG Urteil vom 21. Juni 1983 - 4 RJ 49/82 - juris RdNr 13; BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; vgl auch BSGE 17, 124, 126 = SozR Nr 1 u Art 2 § 1 AnVNG). Seinem Wortlaut nach ist der Verfügungssatz des Bescheids vom 12. März 2001 - wie der Gesetzestext des § 117 AFG - widersprüchlich. Denn einerseits wird das Ruhen eines Alg-Anspruchs festgestellt; andererseits wird aber die bereits erfolgte Bewilligung von Alg für den festgesetzten Ruhenszeitraum nicht aufgehoben, eine Erstattung des im Ruhenszeitraum gezahlten Alg nicht bestimmt und im Zusammenhang mit dem Bescheid die Erstattung von Überbrückungsgeld von der Arbeitgeberin gefordert, deren Voraussetzung gerade das Nichtruhen des Alg-Anspruchs ist. Jedoch ergibt sich der Inhalt des Bescheides aus dem, was der Kläger nach einem verständigen Empfängerhorizont auf Grund der mit dem Erlass des Verwaltungsakts verbundenen Umstände verstehen durfte. Die Beklagte hatte die Arbeitgeberin bereits im November 1997 darüber informiert, dass sie ab 24. Dezember 1997 an den Kläger Alg zahlen werde und auf eine mögliche Gleichwohlgewährung und einen Anspruchsübergang gemäß § 115 Abs 1 SGB X hingewiesen. Gleichzeitig mit dem Bescheid vom 12. März 2001 forderte die Beklagte die Arbeitgeberin im Hinblick auf einen wegen Gleichwohlgewährung von Alg übergegangenen Anspruch auf Entlassungsentschädigung zum Ersatz des Betrages auf, der dem in der Zeit vom 1. Oktober 1997 bis 2. Januar 1998 gezahlten Alg entsprach; dieses Schreiben an die Arbeitgeberin lag dem Bescheid bei. All diese Umstände machen deutlich, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger lediglich aus Gründen der Rechtsklarheit den Zeitraum festgelegt hat, innerhalb dessen der Anspruch des Klägers auf Alg nach § 117 Abs 2 und 3 AFG geruht hätte, sofern die Arbeitgeberin dem Kläger die Entlassungsentschädigung iS des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG gezahlt hätte. Weder kann dem Bescheid entnommen werden, dass die Beklagte die Voraussetzungen einer Gleichwohlgewährung von Alg bindend festgestellt hat, noch dass die Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Oktober 1997 bis 2. Januar 1998 aufgehoben hat. Damit steht der Bescheid vom 12. März 2001 auch nicht den Bewilligungsbescheiden entgegen; er bestimmt nur deklaratorisch den nach § 117 Abs 2 und 3 AFG zur Prüfung einer Gleichwohlgewährung von Alg nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG maßgeblichen Zeitraum.

Das LSG hat deshalb nach der Zurückverweisung nicht mehr zu prüfen, ob der nach § 117 Abs 2 und 3 AFG maßgebliche Zeitraum unter Berücksichtigung der Rechtsprechung richtig berechnet worden ist (vgl zur Notwendigkeit einer Kapitalisierung bei monatlichen Zahlungen: BSG SozR 4100 § 118 Nr 13 S 77; vgl zur Situation eines Spitzbetrags: BSGE 85, 116, 119 = SozR 3-4100 § 117 Nr 19 S 131), und zwar insbesondere nicht, wie der maßgebliche Zeitraum zu berechnen ist, wenn - wie vorliegend - die monatliche Entschädigungszahlung in ihrer Höhe abhängig ist von der Zahlung und Höhe des Alg, also sich Entschädigungsleistungen und Alg gegenseitig in der Höhe bedingen. Das LSG wird nur noch zu prüfen haben, ob im bescheidmäßig fixierten Zeitraum vom 1. Oktober 1997 bis 2. Januar 1998 die Voraussetzungen einer Gleichwohlgewährung von Alg gemäß § 117 Abs 4 Satz 1 AFG vorgelegen haben, ob also die Arbeitgeberin dem Kläger in dieser Zeit - ggf in welchen Zeiträumen - welchen Betrag aus der zu beanspruchenden monatlichen Abfindung (Überbrückungsgeld) nicht gezahlt hat.

Hat die Arbeitgeberin den Anspruch des Klägers auf die monatlichen Überbrückungsgeldbeträge erfüllt, bevor die Beklagte diesem für denselben Zeitraum Alg bewilligt hatte, wofür - jedenfalls für die Zeit von Oktober bis Dezember 1997 - die Aktenlage spricht, liegt überhaupt kein Fall der Gleichwohlgewährung nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG vor; denn die Gleichwohlgewährung setzt gerade voraus, dass die Arbeitgeberin den Anspruch des Klägers auf Entlassungsentschädigung nicht erfüllt hat (BSGE 85, 116, 119 = SozR 3-4100 § 117 Nr 19 S 131). Die Bewilligung von Alg wäre dann ggf nach den §§ 45 ff SGB X rückabzuwickeln (vgl: BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 77; BSGE 72, 111, 115 f = SozR 3-4100 § 117 Nr 9 S 54; SozR 3-4100 § 117 Nr 10 S 60 f), und die Zahlung der Arbeitgeberin an die Beklagte über die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff Bürgerliches Gesetzbuch) zu korrigieren (vgl BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 21 S 149). Dies würde auch gelten, wenn Beklagte, Kläger und/oder Arbeitgeberin nachträglich die Durchführung der Alg-Gewährung anhand der Regelungen der Gleichwohlgewährung vereinbart hätten; die gesetzlich angeordneten Rechtsfolgen unterliegen nicht der Dispositionsmöglichkeit der Beteiligten.

Sollte das LSG - ggf auch für Teilzeiträume zu dem Ergebnis gelangen, dass die Arbeitgeberin den dem Alg entsprechenden Anteil des monatlichen Überbrückungsgeldes trotz entsprechender Verpflichtung ganz oder teilweise nicht vor der Bewilligung von Alg gezahlt hat, läge - für diese Teilzeiträume bzw Teilbeträge - allerdings ein Fall des § 117 Abs 4 Satz 1 AFG vor. Im Umfang des ersetzten Alg wäre die durch den Bezug von Alg eingetretene Minderung der Anspruchsdauer dann nach § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III unbeachtlich geworden, wobei wegen der Umstellung der Alg-Zahlung von Leistungstagen auf Kalendertage mit Beginn des Jahres 1998 unbeachtlich gewordene Leistungstage des Jahres 1997 analog § 427 Abs 4 SGB III in Kalendertage umzurechnen wären.

Dabei kann die Beklagte jedoch nicht geltend machen, der Umfang der eingetretenen Unbeachtlichkeit der Anspruchsminderung sei zu verkürzen, weil im Zeitraum der Gleichwohlgewährung Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt worden seien, für die die Beklagte keinen Ersatz erhalten habe (so aber wohl Düe in Niesel, SGB III, 4. Aufl, § 143a RdNr 45). Schon bisher hat das BSG in seinen Entscheidungen über die Unbeachtlichkeit der eingetretenen Minderung der Alg-Anspruchsdauer, ohne dies gesondert zu problematisieren, immer nur den Ersatz des Betrages gefordert, der dem von der Beklagten gezahlten Alg entsprach (BSG SozR 4100 § 117 Nr 16 S 76 sowie Nr 18 S 90; SozR 3-4100 § 105a Nr 6 S 30 f). Nicht vorausgesetzt wurde, dass alle im Zusammenhang mit der Alg-Zahlung stehenden Aufwendungen der Beklagten ersetzt wurden.

Zu den lediglich im Zusammenhang (iS eines Annexes) mit der Alg-Zahlung stehenden Aufwendungen gehören die Beiträge zur Sozialversicherung (im Ergebnis auch BSG SozR 3-4100 § 105a Nr 6 S 30). Diese Beiträge zählten weder nach dem AFG, noch zählen sie nach dem SGB III zur Alg-Leistung selbst. Soweit in der Entscheidung des BSG vom 23. Juli 1998 (SozR 3-4100 § 105a Nr 6 S 31) angedeutet ist, die Beklagte müsse vollen Ersatz ihrer Aufwendungen erhalten, beziehen sich diese Ausführungen allein auf denjenigen Betrag, den die Beklagte als Alg gezahlt hatte, nicht auf sonstige im Zusammenhang damit stehende Ausgaben.

Sowohl das AFG (§ 160 Abs 1, § 166a) als auch das SGB III (§ 335) enthielten bzw enthalten Regelungen über den Ersatz bzw die Erstattung abgeführter Beiträge zur Sozialversicherung durch den Arbeitslosen, den Arbeitgeber, eine Krankenkasse oder sonstige Dritte, die zeigen, dass der Gesetzgeber die Probleme des Ausgleichs unnütz erbrachter Sozialversicherungsbeiträge ausdrücklich regeln wollte, selbst wenn diese Regelungen für Entlassungsentschädigungen keine Lösung bieten sollten. Dies gilt umso mehr vor dem historischen Hintergrund, dass die BA vor Inkrafttreten der genannten Regelungen im AFG bzw SGB III entsprechende Ansprüche gegen den Alg-Empfänger vergeblich gerichtlich durchzusetzen versucht hatte (vgl dazu nur: Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl, § 40 RdNr 18 mwN). Die Fälle der sog Gleichwohlgewährung bei Entlassungsentschädigungen werden durch die bezeichneten Regelungen des AFG und des SGB III aber gerade nicht erfasst. Ob dies eine unbewusste Lücke ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ergäbe sich hieraus nicht die Zulässigkeit der von der Beklagten gewünschten Rechtsfolge. Die von ihr als unbillig empfundene Situation, dass ein Alg-Empfänger im Gleichwohlgewährungszeitraum in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung versicherungspflichtig war, obwohl bei rechtzeitiger Auszahlung der Entlassungsentschädigung durch den Arbeitgeber zunächst sein Alg-Anspruch geruht hätte, er in diesem Zeitraum grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht nicht unterlegen hätte, damit selbst für seinen sozialen Schutz zuständig gewesen wäre, und später zusätzlich im Zeitraum der "Gutschrift" auf Kosten der Beklagten sozialversicherungspflichtig ist, hat der Gesetzgeber nicht geregelt. Vor einer solcher Normierung besteht keine Grundlage für eine Korrektur im Wege der Rechtsfortbildung (vgl zu dieser Überlegung in einer vergleichbaren Konstellation: BSG SozR 3-4100 § 105a Nr 6 S 30 f). Gerade § 335 Abs 3 SGB III mit seiner Ersatzpflicht des Arbeitgebers für im Gleichwohlgewährungszeitraum gezahlte Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge (nur) in Fällen des nicht gezahlten Arbeitsentgelts beweist die Richtigkeit dieser These.

Soweit das LSG eine Anrechnung der bis 31. Oktober 2000 gezahlten Alhi bestimmt hat, ist über die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung mangels Revision des Klägers nicht zu befinden. Ggf wird das LSG nach der Zurückverweisung der Sache bei seiner neuen Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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