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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 26.10.2004
Aktenzeichen: B 7 AL 2/04 R
Rechtsgebiete: SGB III


Vorschriften:

SGB III § 193
SGB III § 194
SGB III § 194 Abs 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 26. Oktober 2004

Az: B 7 AL 2/04 R

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Udsching, die Richter Eicher und Dr. Spellbrink sowie den ehrenamtlichen Richter Kovar und die ehrenamtliche Richterin Geppert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Oktober 2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Im Revisionsverfahren streiten die Beteiligten noch darum, ob der Klägerin ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) für den Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 1999 zusteht.

Die im Jahre 1949 geborene Klägerin war als Sachbearbeiterin und Arzthelferin beschäftigt und stand zuletzt bis 27. November 1996 bei der Beklagten im Bezug von Arbeitslosengeld (Alg). Vom 28. November 1996 bis 31. Dezember 1996 arbeitete sie als Sachbearbeiterin. Zum 1. Januar 1997 beantragte sie die Bewilligung von Alhi. Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Alhi ab 1. Januar 1997 wegen fehlender Bedürftigkeit ab (Bescheid vom 7. März 1997; Widerspruchsbescheid vom 19. September 1997). Zur Begründung führte die Beklagte aus, die der Klägerin zustehende Alhi betrage ab 1. Januar 1997 130,80 DM wöchentlich. Abzüglich aller Freibeträge, Versicherungsprämien und Werbungskosten verbleibe bei dem Einkommen des Ehegatten der Klägerin ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 203,81 DM wöchentlich. Da dieses Einkommen den Alhi-Anspruch der Klägerin übersteige, liege keine Bedürftigkeit vor.

Die Klägerin hat am 30. September 1997 Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben, das diese durch Urteil vom 9. März 2000 abgewiesen hat. Das SG hat dabei auf den Zeitraum ab 1. Januar 1997 abgestellt und die Bedürftigkeit der Klägerin verneint. Selbst wenn man 1.000,00 DM weitere Werbungskosten zu Gunsten des Ehegatten der Klägerin anerkenne, ergebe sich keine Bedürftigkeit. Später vom Finanzamt geforderte Steuernachzahlungen müssten außer Betracht bleiben, weil diese zunächst nicht bezahlten Steuern jedenfalls im Leistungszeitraum der Klägerin und ihrem Ehegatten aktuell zur Verfügung gestanden hätten. Die Klägerin legte im April 2000 Berufung ein. Vom 15. August 2000 bis 30. November 2000 nahm sie an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme teil. Das Landessozialgericht (LSG) forderte die Beklagte im Berufungsverfahren im Jahr 2002 auf, Bescheide über den Alhi-Anspruch der Klägerin für die Zeiträume vom 1. Januar 1998 bis zum 14. August 2000 zu erlassen. Durch drei Bescheide vom 26. September 2002 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die Zeiträume vom 1. Januar 1998 bis 27. November 1998, 28. November 1998 bis 27. November 1999 und 28. November 1999 bis 14. August 2000 ab. Die Klägerin machte vor dem LSG weiterhin geltend, im Jahre 1999 seien teilweise gestundete Steuernachzahlungen für die Jahre 1995 bis 1997 fällig geworden. Sie und ihr Ehegatte hätten im Jahre 1999 zwischen März und April 1999 diese Steuerforderungen beglichen.

Das LSG hat durch Urteil vom 23. Oktober 2003 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Die Bescheide der Beklagten hat es abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 1999 Alhi zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin sei ab 1. Januar 1997 auf Grund des zu berücksichtigenden Einkommens ihres Ehegatten nicht bedürftig gewesen. Für das Jahr 1999 stehe der Klägerin allerdings ein Anspruch auf Alhi zu, weil Bedürftigkeit vorgelegen habe und auch die übrigen Voraussetzungen gegeben gewesen seien. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten in diesem Zeitraum nicht über Vermögen verfügt, noch hätten sie in Folge der fälligen Steuernachzahlungen für 1995 bis 1998 Einkommen in anspruchsmindernder Höhe gehabt. Die Klägerin habe sich in den erforderlichen zeitlichen Abständen regelmäßig persönlich beim Arbeitsamt gemeldet. Insoweit habe die Neuregelung der Alhi im Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) hier nicht zu beachtlichen Veränderungen gegenüber den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) geführt. Ausschlaggebend für die Bejahung eines Anspruchs für 1999 seien die folgenden Überlegungen: Zu Recht gehe die Beklagte zwar davon aus, dass bei der Bedürftigkeitsprüfung auf das im konkreten Zahlungszeitraum tatsächlich verfügbare Nettoeinkommen abzustellen sei und etwaige Steuerfreibeträge grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien. Das bedeute, dass in Jahren, in denen Steuerfreibeträge in Anspruch genommen würden, ein hohes Nettoeinkommen tatsächlich zur Verfügung stehe. Komme es in der Folgezeit jedoch zu tatsächlichen Steuernachzahlungen - wie hier im Jahre 1999 - müsse dann aber auch konsequenterweise von einem entsprechend geminderten Nettoentgelt ausgegangen werden. Andernfalls bliebe die aktuelle tatsächliche Einkommenslage im Jahre 1999 unberücksichtigt, was der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zuwiderliefe (Hinweis auf das Urteil vom 10. Juli 2003 - B 11 AL 71/02 R). Die im Jahre 1999 fällig gewordenen Steuernachzahlungen seien anteilig auf das Jahr zu verteilen. Nur diese Sichtweise erlaube eine den tatsächlichen Einkommensverhältnissen gerecht werdende praktische Handhabung. Dies gelte vorliegend umso mehr, als tatsächlich über einen Großteil des Jahres hinweg Raten auf die Steuernachzahlungen erbracht worden seien.

Die Beklagte rügt mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung der §§ 193, 194 SGB III. § 194 Abs 2 Satz 1 SGB III normiere einen eigenständigen, grundsätzlich gegenüber dem Einkommensteuerrecht selbstständigen Einkommensbegriff. Insbesondere solle hierdurch ein Verlustausgleich, wie er im Steuerrecht zwischen den einzelnen Einkommensarten möglich sei, bei der Alhi nicht stattfinden. Es seien nur die Beträge abzusetzen, die in § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 1 bis 3 SGB III ausdrücklich als absetzbare Beträge anerkannt seien. Darüber hinaus seien keine Beträge absetzbar, die das Einkommen schmälern könnten, auch keine Schulden und sonstige Verpflichtungen. § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III enthalte eine abschließende Aufzählung (Hinweis auf BSG SozR 4100 § 138 Nr 7). Nach § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III seien lediglich die auf das Einkommen entfallenden Steuern abzusetzen. Damit seien die Steuern gemeint, die an die Erzielung von Einkünften in diesem Zeitraum anknüpften. Nicht absetzbar seien hingegen Steuern, die nicht aktuell an die Erzielung von Einkommen anknüpften. Eine Steuernachzahlung könne nicht berücksichtigt werden, da sich § 194 Abs 2 Nr 1 SGB III auf das Prinzip der Konnexität stütze. Hiernach seien nur diejenigen Steuern abzusetzen, die auf das anzurechnende Einkommen entfallen. Würden Steuern für vergangene Zeiträume nachentrichtet, sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Dies zeige auch ein Vergleich mit dem normal ohne Steuernachzahlungen seine Steuer begleichenden Steuerschuldner. Der Steuerschuldner, der seine Steuerschuld zutreffend im Fälligkeitszeitraum beglichen habe, würde keine Alhi bekommen, dagegen würde der Steuerschuldner, der zu wenig bezahlt und vom Staat quasi ein Darlehen erhalten habe, bei Rückzahlung seiner Steuerschuld dadurch begünstigt, dass er nunmehr Alhi bekäme. Insofern würde die Versichertengemeinschaft entweder ganz oder teilweise die Steuerschulden des potenziellen Alhi-Empfängers bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Oktober 2003 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.

II

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Auf Grund der Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Klägerin für den - hier allein noch streitigen - Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 1999 ein Anspruch auf Alhi zustand (sogleich 1.). Allerdings trifft die Rechtsauffassung der Beklagten zu, dass das Einkommen des Ehegatten der Klägerin im Jahre 1999 nicht auf Grund der in diesem Jahre von der Klägerin behaupteten Einkommensteuernachzahlungen gemindert werden darf. § 194 Abs 2 SGB III enthält insofern - wie der Senat bereits entschieden hat (BSG SozR 4-4300 § 194 Nr 1, S 5) - einen abschließenden Katalog der vom Einkommen gemäß § 194 Abs 1 Satz 1 SGB III abzusetzenden Beträge. Die Steuernachzahlung für vergangene Zeiträume kann auch nicht unter § 194 Abs 2 Nr 1 SGB III - die auf das Einkommen entfallenden Steuern - subsumiert werden (sogleich unter 2.).

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind insoweit nur noch die Bescheide der Beklagten vom 26. September 2002 über die Ablehnung von Alhi für den Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 1999. Über diese Bescheide hat das LSG im Klageverfahren entschieden (§ 153 Abs 1 iVm § 96 Sozialgerichtsgesetz). Betroffen sind dabei der Bescheid der Beklagten über die Ablehnung von Alhi für die Zeit vom 28. November 1998 bis 27. November 1999 und der Bescheid über die Ablehnung von Alhi vom selben Tag für den Zeitraum vom 28. November 1999 bis 14. August 2000.

Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Alhi ist unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Dies setzt zunächst voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen auf Alhi dem Grunde nach vorliegen. Ein Anspruch auf Alhi setzt nach dem hier maßgeblichen § 190 SGB III (idF des Arbeitsförderungsreformgesetzes <AFRG> vom 24. März 1997 - BGBl I 594) voraus, dass der Arbeitnehmer 1. arbeitslos ist, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat, 3. einen Anspruch auf Alg nicht hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, 4. die besonderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt hat und 5. bedürftig ist. Das LSG hat diese Anspruchsvoraussetzungen nicht im Einzelnen geprüft. Insbesondere fehlt es an Feststellungen zur Verfügbarkeit der Klägerin im streitigen Zeitraum gemäß § 198 Abs 1 Satz 2 Nr 1 iVm § 119 Abs 1 Nr 2, Abs 2 SGB III. Insofern hat das LSG lediglich festgestellt, dass sich die Klägerin in diesem Zeitraum persönlich arbeitslos gemeldet hat gemäß § 198 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB III iVm § 122 SGB III, was Feststellungen zur Verfügbarkeit nicht ersetzt.

Die Höhe der Alhi errechnet sich gemäß § 195 SGB III (idF des 1. SGB III-ÄndG vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970) unter Berücksichtigung des Leistungsentgelts, der sich nach dem Familienstatus (Existenz eines berücksichtigungsfähigen Kindes) richtenden Nettolohnersatzquote sowie nach dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen. Das aus der Leistungsentgeltverordnung ersichtliche Leistungsentgelt (§ 141 Abs 2 Nr 2, § 198 Satz 2 Nr 4 SGB III) ergibt sich seinerseits aus zwei Kriterien, zum einen aus dem Bemessungsentgelt und zum anderen aus der die (pauschalen) gesetzlichen Entgeltabzüge vom Bemessungsentgelt bestimmenden Lohnsteuerklasse (§§ 136, 137 SGB III idF des AFRG iVm § 198 Satz 2 Nr 4 SGB III). Das Bemessungsentgelt selbst ist grundsätzlich - von den jährlichen Dynamisierungen und Sonderregelungen abgesehen - das Arbeitsentgelt des Bemessungszeitraums (§ 132 Abs 1 SGB III iVm § 200 Abs 1 Satz 1 SGB III). Das Urteil des LSG enthält indes ausschließlich Ausführungen dazu, ob die von dem Ehepaar zu leistenden Einkommensteuernachzahlungen im Jahre 1999 im Rahmen der Einkommensberücksichtigung nach § 194 Abs 1 und Abs 2 SGB III (ebenfalls idF des 1. SGB III-ÄndG vom 16. Dezember 1997 aaO) absetzbar sind (hierzu sogleich unter 2.). Selbst wenn man der Rechtsauffassung des LSG beitreten und das Einkommen des Ehegatten der Klägerin im Jahre 1999 um die - behaupteten - Steuernachzahlungen mindern würde, wäre dem Senat eine abschließende Entscheidung über die Höhe der der Klägerin dann möglicherweise zustehenden Alhi nicht möglich. Aus den Feststellungen des LSG wird nämlich nicht ersichtlich, in welcher Höhe die Klägerin (auf Grund welchen Bemessungsentgelts) im Jahre 1999 einen eigenen Anspruch auf Alhi gehabt hätte. Ebenso ist nicht festgestellt, über welches Einkommen der Ehegatte der Klägerin im Jahre 1999 verfügte. Insbesondere ist nicht festgestellt und auch nicht nachvollziehbar, von welchem berücksichtigungsfähigen Einkommen iS des § 194 SGB III (nach Abzug aller - welcher? - Freibeträge, Werbungskosten etc) auf Seiten des Ehegatten der Klägerin auszugehen ist. Erst wenn diese beiden Rechnungsgrößen - Alhi-Anspruch der Klägerin; zu berücksichtigendes Einkommen des Ehegatten der Klägerin - feststehen, könnte entschieden werden, ob die behaupteten Steuernachzahlungen - wenn sie denn zu Gunsten der Klägerin Berücksichtigung finden könnten - sich überhaupt auswirken. Das LSG hat hierzu auch nicht festgestellt bzw nachgerechnet, in welcher Höhe der Ehegatte der Klägerin Steuernachzahlungen geleistet hat und ob diese Nachzahlung bei einer Umrechnung auf 52 Wochen im Jahr tatsächlich dazu geführt hätte, dass der Klägerin ein Anspruch auf Alhi - in welcher Höhe? - hätte zustehen können. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, weil - entgegen der Rechtsansicht des LSG - die im Jahre 1999 geleistete Steuernachzahlung für vergangene Steuerzeiträume nicht zu einer Minderung des Einkommens des Ehegatten der Klägerin gemäß § 194 Abs 2 SGB III führen kann (sogleich unter 2.). Der Senat hat dennoch den Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen, weil er auf Grund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden kann, ob - und ggf in welcher Höhe - der Klägerin im Jahre 1999 - aus anderen Gründen - ein Anspruch auf Alhi gemäß § 190 SGB III zustehen kann.

2. Der Senat folgt nicht der Rechtsauffassung des LSG, dass die für das Jahr 1999 behaupteten Steuernachzahlungen (auf gestundete Forderungen des Finanzamts für zurückliegende Veranlagungszeiträume) des Ehegatten der Klägerin zu einer Minderung des zu berücksichtigenden Einkommens des Ehegatten bei der Alhi-Bedürftigkeitsprüfung führen können. Nach § 194 Abs 1 Nr 2 SGB III ist zu berücksichtigendes Einkommen das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, soweit es den Freibetrag übersteigt. Freibetrag iS des § 194 Abs 1 Satz 2 SGB III ist ein Betrag in Höhe der Alhi, die dem Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten entspricht. Dabei ist bei der Bedürftigkeitsprüfung grundsätzlich das Einkommen des Ehegatten zu berücksichtigen, das in dem jeweilig konkreten Zahlungszeitraum angefallen ist (vgl grundlegend BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 17, S 91). Der Senat hat bereits entschieden, dass die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit während der Dauer der Arbeitslosigkeit wegfallen oder neu eintreten kann, jeweils mit der Folge, dass die Änderung vom Zeitpunkt ihres Eintritts an zu berücksichtigen ist. Entscheidend ist jeweils, ob der Lebensunterhalt während des Zeitraums gesichert ist, für den Alhi beansprucht wird (vgl grundlegend BSGE 84, 48, 50 = SozR 3-4220 § 6 Nr 7, S 22). Insofern hätte das LSG im vorliegenden Fall also das jeweilige Einkommen des Ehegatten der Klägerin für das Jahr 1999 auf Wochen umrechnen und das auf die Woche entfallende Einkommen dem wöchentlich Leistungssatz der Alhi der Klägerin gegenüberstellen müssen (BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 17, S 92 mwN).

Ob und inwieweit vom Einkommen Abzüge vorzunehmen sind, beurteilt sich ausschließlich nach § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III. Nach dieser Norm sind lediglich abzusetzen: 1. die auf das Einkommen entfallenden Steuern, 2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, 3. die notwendigen Aufwendungen für den Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und 4. (jedenfalls noch im Jahre 1999) ein Betrag in angemessener Höhe von den Erwerbsbezügen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten. Wie der Senat bereits entschieden hat (BSG SozR 4-4300 § 194 Nr 1), ist die Vorschrift des § 194 Abs 2 SGB III einer analogen Rechtsanwendung nicht zugänglich. Für eine erweiternde Auslegung ist angesichts des abschließenden Charakters des § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III kein Raum. Dementsprechend hat es der Senat seinerzeit (aaO) abgelehnt, Unterhaltsleistungen eines Alhi-Empfängers als Schulden bei dessen Einkommen einkommensmindernd zu berücksichtigen. Dies folgt ua daraus, dass die Alhi nicht am individuellen Bedarf des Antragstellers, sondern typisierend am zuletzt erzielten Bemessungsentgelt des Alhi-Empfängers anknüpft (vgl BSG SozR 4-4300 § 194 Nr 1, S 6 f).

Die von der Klägerin behaupteten Steuernachzahlungen im Jahre 1999 können aber auch nicht unter § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III subsumiert werden. Hiernach sind vom Einkommen abzusetzen, "die auf das Einkommen entfallenden Steuern". Zu Recht hat die Revision hierzu ausgeführt, dass mit den auf das Einkommen entfallenden Steuern iS des § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III lediglich die Steuern gemeint sind, die jeweils aktuell das Einkommen des Arbeitslosen bzw des zu berücksichtigenden Partners des Arbeitslosen mindern. Im Rahmen des § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III sind also nur die Steuern abzugsfähig, die bereits im Zeitpunkt des Zuflusses des Einkommens an den Betroffenen abgezogen werden und damit das aktuell zur Bestreitung des Lebensunterhalts vorhandene Einkommen tatsächlich mindern. Aufgelaufene Steuerschulden stellen demgegenüber strukturell nichts anderes dar als sonstige Schulden auch, die - ebenso wie etwa Unterhaltsverpflichtungen (vgl BSG SozR 3-4300 § 193 Nr 1) - mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 194 Abs 2 SGB III gerade nicht vom aktuellen Einkommen abgezogen werden können. Maßgeblich hierfür ist der Gesichtspunkt, dass eine Berücksichtigung von Schulden zu Gunsten des Arbeitslosen letztlich dazu führen würde, dass dann die Versichertengemeinschaft bzw der Steuerzahler über eine Gewährung von Alhi zur Tilgung individueller Schulden beitragen würde. Insofern vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass - wie das LSG offenbar meint - aus der Entscheidung des 11. Senats vom 10. Juli 2003 (B 11 AL 71/02 R = SozR 4-4300 § 194 Nr 3) etwas Gegenteiliges gefolgert werden könnte. Der 11. Senat hatte sich dort mit dem Begriff der Werbungskosten bzw mit einer Auslegung der Norm des § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGB III zu befassen. Zum anderen hat das BSG mehrfach entschieden, dass das AFG bzw das SGB III von einem selbstständigen Einkommensbegriff ausgeht, bei dem ein Verlustausgleich zwischen den einzelnen Einkommensarten gerade nicht möglich sein soll (vgl BSG SozR 4100 § 138 Nr 2 und Nr 15). Dieser spezifische Einkommensbegriff des Alhi-Rechts verbietet eine ausweitende Auslegung des § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III ebenso wie einen großzügigen Verlustausgleich unter Anrechnung von früheren Steuerschulden auf das aktuelle Einkommen.

Die Klägerin und ihr Ehegatte verfügten zwar im vorliegenden Fall möglicherweise - Feststellungen hierzu fehlen - in früheren Zeiträumen gerade deshalb über ein höheres Einkommen, weil die damals aktuell erfolgende Besteuerung seitens des Finanzamtes zu niedrig ausfiel. Ob dieser Umstand einen Anspruch auf Alhi bzw eine höhere Leistung für zurückliegende Zeiträume begründen kann, war hier nicht zu entscheiden.

Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.



Ende der Entscheidung

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