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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 21.03.2002
Aktenzeichen: B 7 AL 64/01 R
Rechtsgebiete: GG, RBerG, SGB X, BVerfGG


Vorschriften:

GG Art 12 Abs 1
GG Art 2 Abs 1
RBerG Art 1 § 1
SGB X § 13 Zehntes Buch
BVerfGG § 31
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az: B 7 AL 64/01 R

in dem Rechtsstreit

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 21. März 2002 durch die Vizepräsidentin Dr. Wolff, die Richter Dr. Steinwedel und Dr. Spellbrink sowie die ehrenamtlichen Richter Gimpel und Kovar

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Juli 2000 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der Kläger ist Rentenberater; er begehrt die Feststellung, dass die Beklagte ihn nicht als Bevollmächtigten des Beigeladenen zurückweisen durfte.

Der Präsident des Landgerichts Würzburg hat dem Kläger mit Bescheid vom 28. Mai 1982 die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung - beschränkt auf das Gebiet der Rentenberatung - gemäß Art 1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) erteilt. Der Beigeladene, ein Mandant des Klägers, erhielt Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) auf Zeit bis zum 30. November 1996. Gegen die Ablehnung eines Weiterbewilligungsantrags legte der Kläger für den Beigeladenen Widerspruch ein. Der Beigeladene meldete sich am 16. Oktober 1996 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 1. Dezember 1996. Mit Bescheid vom 27. November 1996 lehnte die Beklagte den Leistungsantrag des Beigeladenen ab; dieser stehe der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Er habe erklärt, dass er bis auf weiteres arbeitsunfähig erkrankt sei; nach dem vorliegenden amtsärztlichen Gutachten könne er derzeit aus gesundheitlichen Gründen keine Beschäftigung nach den allgemeinen Bedingungen des Arbeitsmarkts ausüben. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger für den Beigeladenen Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 23. Januar 1997 (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 1997) wies die Beklagte den Kläger als Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren zurück; dieser besitze keine Erlaubnis nach dem RBerG, die sich auf das Gebiet des Arbeitsförderungsrechts beziehe.

Im Klage- und Berufungsverfahren hat sich der Kläger darauf gestützt, dass ihm im Verfahren des Beigeladenen eine so genannte Annexkompetenz für ein Tätigwerden auf dem Gebiet des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zugestanden habe. Mit dieser Argumentation konnte er sich jedoch in beiden Vorinstanzen nicht durchsetzen (klageabweisendes Urteil des Sozialgerichts <SG> Heilbronn vom 6. August 1998; die Berufung des Klägers zurückweisendes Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Baden-Württemberg vom 5. Juli 2000). Zur Begründung führt das Berufungsurteil aus, die dem Kläger nach Art 1 § 1 RBerG erteilte Teilerlaubnis als "Rentenberater" umfasse nicht bereits als solche eine Tätigkeit auf dem Gebiet des Arbeitsförderungsrechts einschließlich der Arbeitslosenversicherung <ArblV> (Hinweis auf das Senatsurteil vom 6. März 1997, SozR 3-1300 § 13 Nr 4). Auch die Voraussetzungen für eine so genannte Annexkompetenz lägen hier nicht vor. Insoweit sei ausschließlich die Gewährung von Alg streitig gewesen; unter keinem Gesichtspunkt sei es um die Gewährung einer Rente (wegen EU) durch den Rentenversicherungsträger gegangen. Nichts anderes ergebe sich daraus, dass die Beklagte Alg unter dem Gesichtspunkt des § 105a AFG bewilligt habe, da die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zunächst die Weitergewährung der EU-Rente abgelehnt habe. Auch durch die in dieser Vorschrift enthaltene Nahtlosigkeitsregelung werde kein rechtlicher Zusammenhang zwischen dem Anspruch auf Rentengewährung und dem Anspruch auf Bewilligung von Alg hergestellt, der die Annahme einer Annexkompetenz rechtfertigen würde.

Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision rügt der Kläger als Verfahrensfehler die Verletzung des rechtlichen Gehörs; ferner sei das LSG falsch besetzt gewesen. In materieller Hinsicht rügt er die Verletzung von Art 1 § 1 RBerG, von Richterrecht des Bundessozialgerichts (BSG), des § 13 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), ferner von Art 12 Abs 1, hilfsweise Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) und des § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG). Der Kläger macht geltend, das LSG habe ihn mit einem Überraschungsurteil überzogen. Während des Termins zur mündlichen Verhandlung am 15. März 2000 habe der Vorsitzende Richter S. dadurch dezidiert seine Rechtsmeinung kundgetan, dass die von der Beklagten vertretene Auffassung nicht mehr zu halten sei, indem er gegenüber dem Beklagtenvertreter geäußert habe: "Herr Dr. L. , ich bin der Meinung, Ihre Fronten bröckeln so langsam." Wegen dieser Äußerung habe er (der Kläger) dann auch auf die Übersendung einer Niederschrift über jenen Termin verzichtet und sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung erklärt. Er sei jedoch nicht darauf hingewiesen worden, dass das LSG seine Rechtsansicht bis zur Entscheidung über die Berufung ohne mündliche Verhandlung am 5. Juli 2000, an der der Vorsitzende Richter S. nicht mehr teilgenommen habe, geändert habe. In der Versagung des rechtlichen Gehörs liege ferner zugleich ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, die Bindung des LSG an Recht und Gesetz und gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art 103 Abs 1 GG). Dadurch, dass bei der Urteilsfassung am 5. Juli 2000 andere Richter über die Berufung entschieden hätten, als beim Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. März 2000 anwesend gewesen seien (nicht nur der Vorsitzende Richter am LSG S. sei durch den Richter am LSG B. als Vorsitzenden abgelöst worden, sondern auch die ehrenamtlichen Richter seien andere gewesen), sei gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter (§ 129 Sozialgerichtsgesetz <SGG>, § 16 Gerichtsverfassungsgesetz <GVG>, Art 101 Abs 1 GG) verstoßen worden. In materieller Hinsicht macht der Kläger geltend, er sei zur Vertretung des Beigeladenen im Verwaltungsverfahren auf Grund einer ungeschriebenen Annexkompetenz befugt gewesen. Dem für den Beigeladenen geltend gemachten Nahtlosigkeitsanspruch (§ 105a AFG) komme eine rentenersetzende Rechtsnatur zu; in jener Vorschrift werde ferner auch auf die gesetzliche Rentenversicherung Bezug genommen, auch im Übrigen bestehe ein enger Zusammenhang zum Recht der Rentenversicherung, das in seinen Tätigkeitsbereich als Rentenberater falle. Verwehre man ihm ein entsprechendes Tätigwerden, so liege hierin eine unangemessene Einschränkung seiner Berufsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG, hilfsweise der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG); gleichzeitig verletze das LSG seine Bindung an das so genannte Apotheken-Urteil des Bundesverfassungsgerichts <BVerfG> (vom 11. Juni 1958, BVerfGE 7, 377) nach § 31 BVerfGG. Schließlich bestehe ein praktisches Bedürfnis der Ausdehnung seiner Vertretungsbefugnis auf Fälle wie den vorliegenden; in der juristischen Ausbildung komme kein Sozialversicherungsrecht (mehr) vor, sodass die Rechtsanwälte - soweit sie nicht Fachanwälte für Sozialrecht seien - insoweit nicht rechtskundig seien.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Juli 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. August 1998 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 1997 rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Berufungsurteil und weist zusätzlich darauf hin, dass sich die vom Kläger in Anspruch genommene Annexkompetenz im vorliegenden Fall nicht ergebe. Es bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Gewährung von Alg und dem Rechtsgebiet der gesetzlichen Rentenversicherung, auch soweit es um den so genannten Nahtlosigkeitsanspruch des § 105a AFG/§ 125 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gehe. Die Berufsfreiheit des Klägers sei nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt (Hinweis auf das Senatsurteil vom 6. März 1997, SozR 3-1300 § 13 Nr 4 und den dieses Urteil nicht beanstandenden Beschluss des BVerfG vom 22. Dezember 2000 - 1 BvR 717/97, SozR 3-1300 § 13 Nr 6).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

II

Die Revision des Klägers ist zurückzuweisen.

Die Verfahrensrügen der Revision sind unbegründet (1). Die vom LSG zu Recht als Fortsetzungsfeststellungsklage (hierzu Senatsurteil vom 6. März 1997, SozR 3-1300 § 13 Nr 4 S 12 f) behandelte Klage führt nicht zum Erfolg. Die Beklagte hat den Kläger mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht als Bevollmächtigten zurückgewiesen (§ 13 Abs 5 SGB X). Weder durfte der Kläger bereits unmittelbar auf Grund der ihm erteilten Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung - beschränkt auf das Gebiet der Rentenberatung - den Beigeladenen durch Einlegung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. November 1996 vertreten (2), noch stand ihm insoweit eine "Annexkompetenz" zu (3). Verfassungsrechtliche Bedenken wirft das Ergebnis nicht auf (4).

(1) Die von der Revision gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor. Weder ist dem LSG ein Besetzungsfehler vorzuwerfen (a), noch hat es den Kläger mit einem Überraschungsurteil überzogen (b).

(a) Dass das LSG am 5. Juli 2000 in einer anderen Besetzung - durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) - entschieden hat, als sie beim Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15. März 2000 anwesend war, stellt als solches noch keinen Verfahrensfehler dar, insbesondere keinen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Der zuständige Senat des LSG entscheidet in seiner jeweiligen Besetzung (§ 33 SGG): Bei Verhinderung des Vorsitzenden wird dieser durch seinen Stellvertreter vertreten (s § 202 SGG iVm § 70 Abs 1, § 21 f Abs 2 GVG); ebenso wirken die ehrenamtlichen Richter in der Reihenfolge gemäß § 6 Nr 1 SGG mit. Dass gegen die insoweit geltenden Regeln, insbesondere auch gegen den Geschäftsverteilungsplan des LSG, verstoßen worden sei, trägt die Revision nicht vor und ist deshalb nicht zu überprüfen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG).

Der von der Revision offensichtlich angenommene Rechtssatz, dass das LSG auch bei Durchführung mehrerer Termine über eine Berufung stets nur in der selben Besetzung verhandeln und entscheiden dürfe, existiert nicht; vielmehr wird ein entsprechendes Erfordernis, wo es besteht, ausdrücklich angeordnet (s zB § 139 Abs 2 Satz 3 SGG). Die Vorschrift des § 129 SGG, wonach das Urteil nur von den Richtern gefällt werden darf, die an der dem Urteil zu Grunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben, gilt nicht, wenn die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 124 Abs 2 SGG), wie im vorliegenden Fall (s BSG vom 21. Dezember 1961, SozR Nr 4 zu § 124 SGG).

(b) Auch in der weiterhin gerügten Verhaltensweise des LSG liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs und damit kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip oder das Recht auf ein faires Verfahren.

Der Kläger meint insoweit zu Unrecht, dass das Berufungsurteil eine Überraschungsentscheidung darstelle: Er habe aus der unter I zitierten Äußerung des Vorsitzenden während des Termins zur mündlichen Verhandlung am 15. März 2000 entnommen, dass sich die Beklagte mit ihrer Rechtsansicht nicht durchzusetzen vermöge. Ohne ihn von einem Sinneswandel in Kenntnis zu setzen, habe dann das LSG seine Berufung zurückgewiesen.

Hierin liegt jedoch kein Verfahrensfehler. Selbst wenn der Vorsitzende im Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich seine Überzeugung geäußert hätte, dem Klageantrag folgen zu wollen - was aus der zitierten Äußerung kaum herzuleiten ist -, so läge in einer gegenteiligen Entscheidung des LSG-Senats keine Gehörsverletzung in Form einer Überraschungsentscheidung. Denn eine Äußerung des Vorsitzenden ist in jedem Fall eine Einzel-Meinung und kann für die nachfolgende Entscheidung des "Gerichts", dh des gesamten Spruchkörpers, nicht bindend sein. Im Berufungsverfahren entscheiden fünf Richter (drei Berufs- und zwei ehrenamtliche Richter), deren Stimme jeweils dasselbe Gewicht zukommt (vgl § 19 Abs 1 SGG). Selbst wenn also der zitierten Äußerung ein eindeutiger Aussagegehalt hinsichtlich der eigenen Meinung des Vorsitzenden über die Erfolgschancen hätte beigemessen werden können, hätte dem Kläger deutlich sein müssen, dass damit die endgültige Entscheidung des Senats - selbst in einer Besetzung mit seinem Vorsitzenden und erst recht bei Berücksichtigung einer unterschiedlichen Besetzung für die Urteilsberatung (s unter a) - noch nicht feststand. Dies hat das BSG (Beschluss vom 21. Juni 2000, SozR 3-1500 § 112 Nr 2) bereits für einen Fall entschieden, in dem der betroffene Beteiligte rechtskundig vertreten war. Es gilt jedoch für den Kläger, einen zum Verhandeln vor den Sozialgerichten zugelassenen Rentenberater, in gleicher Weise wie für einen Rechtsanwalt, wie er in dem vom BSG am 21. Juni 2000 entschiedenen Verfahren als Prozessbevollmächtigter beteiligt war.

(2) Der Senat hält nach nochmaliger Prüfung an der durch Urteil vom 6. März 1997 (SozR 3-1300 § 13 Nr 4 S 14 ff) begründeten Rechtsprechung fest, dass eine Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten als "Rentenberater" nach Art 1 § 1 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RBerG nicht als solche bereits das Tätigwerden auf dem Gebiet der ArblV umfasst. Das BVerfG hat in einem ausführlich begründeten Kammer-Beschluss (vom 22. Dezember 2000 - 1 BvR 717/97, SozR 3-1300 § 13 Nr 6) die Verfassungsbeschwerde gegen das og Senatsurteil nicht angenommen. Bereits zuvor hatte sich der 11. Senat des BSG im Urteil vom 5. November 1998 (BSGE 83, 100, 102 = SozR 3-1300 § 13 Nr 5) der Rechtsprechung des erkennenden Senats angeschlossen.

Ein hiervon abweichendes Ergebnis rechtfertigt sich auch nicht auf der Grundlage einer erneuten Würdigung der Entstehungsgeschichte (zusammenfassend beschrieben in BVerfG vom 5. Mai 1987, BVerfGE 75, 246, 250; ausführliche Schilderung bei Hoechstetter, Rbeistand 1998, 3, 5 f).

(a) Die Neuregelung des Art 1 § 1 Abs 1 RBerG idF des Fünften Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung vom 18. August 1980 (BGBl I 1503) hat den Beruf der (Voll-)Rechtsbeistände geschlossen. Die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten (außerhalb des Rechtsanwaltsberufs) wurde auf fünf enumerativ aufgeführte Sachgebiete beschränkt; in Art 1 § 1 Abs 1 Satz 2 RBerG heißt es seither: "Die Erlaubnis wird jeweils für einen Sachbereich erteilt: 1. Rentenberatern, 2. ...".

Nach den zitierten Unterlagen waren die Grundzüge der Neuregelung vorab in Gesprächen zwischen den Berufsorganisationen der Rechtsanwälte und Rechtsbeistände, dem Deutschen Anwaltverein (DAV) und den Bundesverband Deutscher Rechtsbeistände geklärt worden. Der vom DAV auf dieser Grundlage vorgelegte "Entwurf eines Gesetzes über die Einschränkungen der Zulassungen nach dem RBerG", der seinerseits den Parlamentsberatungen zu Grunde lag, hatte ua eine Teilerlaubnis zur Rechtsberatung "für die Beratung und Vertretung auf den Gebieten der Sozialversicherung (Rentenberater) ..." vorgesehen.

Demgegenüber fehlt in der vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages (BT) beschlossenen (BT-Rechtsausschuss, 8. Wahlperiode, Protokoll Nr 99, Anl 3, S 3) und später vom BT verabschiedeten Fassung des Gesetzes jegliche nähere Definition der Tätigkeit eines Rentenberaters. Dies erklärt Hoechstetter (Rbeistand 1998, 3, 5) damit, dass die erläuternde Formulierung als "zu eng" befunden worden sei; man habe übereinstimmend den Rentenberatern eine weiter gehende Tätigkeitsmöglichkeit eröffnen und ihnen Beratungsmöglichkeiten auch auf solchen Rechtsgebieten zubilligen wollen, die zwar Bedeutung für die Altersvorsorge hätten, aber nicht zur Sozialversicherung zählten. Es sei allgemeine Auffassung gewesen, das Berufsbild der Rentenberater wesentlich weiter zu fassen, als dies der früheren Rechtslage entsprochen habe und es durch die bloße Anführung der Berufsbezeichnung ohne genauere Umschreibung für die Zukunft offen zu halten; damit sollte ermöglicht werden, dass neue Entwicklungen bei der Altersvorsorge miteinbezogen werden könnten.

Vor diesem Hintergrund seien die einschlägigen Formulierungen im Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen BT (BT-Drucksache 8/4277 vom 20. Juni 1980) entstanden. Hierin heißt es: "Die Rentenberater (Nr 1) haben sich bei der Unübersichtlichkeit und der zunehmenden Bedeutung des Sozialversicherungsrechts im Rechtsleben - insbesondere auch bei der Kontrolle der Versicherungsanstalten - als unentbehrlich erwiesen, insbesondere gerade auch in der Zusammenarbeit mit der Anwaltschaft. Der Begriff Rentenberater in Nr 1 ist umfassend zu verstehen. Eine Erlaubnis soll nicht nur solchen Personen erteilt werden, die auf dem Gebiet der Sozialrenten beraten, sondern zB auch solchen, die auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung oder dem Versorgungsrecht tätig sind."

Hoechstetter (Rbeistand 1998, 3, 6) führt insoweit weiter aus, er persönlich habe keinen Zweifel daran, dass, wenn ein entsprechender Wunsch geäußert worden wäre, das Recht der Arbeitsförderung oder das der ArblV neben den beiden ausdrücklich genannten Rechtsgebieten (betriebliche Altersversorgung, Versorgungsrecht) auch ausdrücklich aufgeführt worden wäre. Im Übrigen (so Hoechstetter aaO) sei keineswegs zwingend, dass die ArblV nicht zu dem ebenfalls im Ausschussbericht erwähnten Begriff "Sozialversicherungsrecht" gehöre; dies entspreche zwar der Systematik des Sozialgesetzbuchs (SGB), nicht jedoch dem allgemeinen juristischen Sprachgebrauch.

(b) Hieraus folgt kein anderes Auslegungsergebnis als bisher vom Senat vertreten. Vielmehr verdeutlicht auch diese Darstellung, dass im Gesetzgebungsverfahren eine Beratungs- und Vertretungsbefugnis der Rentenberater auch für das Arbeitsförderungsrecht nicht zur Debatte stand; vielmehr wurde - wie auch dem unmittelbaren Wortsinn entsprechend - insoweit vor allem an den Bereich der Altersvorsorge gedacht.

Nichts anderes ergibt sich aus dem im Ausschussbericht erwähnten Begriff "Sozialversicherung" (s hierzu bereits Senatsurteil vom 6. März 1997, SozR 3-1300 § 13 Nr 4 S 14 f). Diesen Begriff hat nicht nur das SGB, sondern bereits die frühere Gesetzgebungspraxis in aller Regel entweder von vornherein im engeren Sinne (unter Ausschluss der ArblV) verstanden (so zB durchgängig das SGG vom 3. September 1953, etwa bei § 10 Abs 1 und § 51 Abs 1; ebenso § 11 Nr 3 Kündigungsschutzgesetz vom 10. August 1951; § 90 Bundesvertriebenengesetz vom 19. Mai 1953; § 59 Abs 1 Nr 1 Buchst e Konkursordnung idF des Gesetzes vom 23. Dezember 1976) oder durch Formulierungen wie "Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung" ausdrücklich über das grundsätzlich enge Verständnis des Begriffs hinaus erweitert (zB Art 74 Nr 12, Art 120 GG; § 1 Abs 3 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz vom 27. April 1953; § 754 Abs 1 Nr 5 Handelsgesetzbuch idF des Gesetzes vom 21. Juni 1972). Gegenbeispielen (wie § 6 Abs 2 Satz 3 des Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter vom 26. Juli 1957 und § 2 Abs 1 Nr 2 Buchst e des Gesetzes über die Statistik der Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte vom 11. Januar 1961) ist demgegenüber kein ausschlaggebendes Gewicht beizumessen.

Damit aber geht der Senat weiterhin davon aus, dass Rentenberatern die Beratung und Vertretung auf dem Gebiet der ArblV grundsätzlich nicht gestattet ist.

(3) Dem Kläger stand für die Vertretung des Beigeladenen auch keine Annexkompetenz zur Seite.

Hierfür kommt es darauf an, ob zwischen der konkreten Tätigkeit und dem eigentlichen Aufgabengebiet ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der so eng ist, dass die Wahrnehmung der eigentlichen Berufsaufgabe ohne die Annextätigkeit unmöglich gemacht oder doch unangemessen erschwert würde; darüber hinaus muss es sich bei der zusätzlichen Tätigkeit um eine den Zwecken des Hauptgeschäftes dienende Nebentätigkeit handeln (Senatsurteil vom 6. März 1997, SozR 3-1300 § 13 Nr 4 S 16; ganz entsprechend der 11. Senat des BSG im Urteil vom 5. November 1998, BSGE 83, 100, 103 = SozR 3-1300 § 13 Nr 5).

Eine Annexkompetenz kann daher von vornherein nur so weit tragen, wie sie zur Erfüllung der eigentlichen Berufsaufgaben erforderlich (zumindest jedoch dienlich) ist. Diese bestehen in der Beratung und Unterstützung der Versicherten bei Erlangung von Leistungen der Rentenversicherung und der Altersvorsorge (die evtl auch dem Rentenberater obliegende Tätigkeit innerhalb der Unfall- oder Krankenversicherung bzw der Sozialen Entschädigung spielt hier keine Rolle). Alg aber ist eine Leistung der Arbeitsverwaltung und keine Leistung der Rentenversicherung oder Altersvorsorge. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass nach dem Auslaufen seiner Zeitrente unter Ablehnung ihrer Weitergewährung durch Leistungen der Rentenversicherung der Lebensunterhalt des Beigeladenen nicht gesichert war. Hierfür zu sorgen, ist der Rentenberater lediglich ermächtigt, wenn es um Leistungen der Rentenversicherung oder Altersvorsorge geht (evtl auch um Leistungen der Unfall- oder Krankenversicherung bzw der Sozialen Entschädigung). Zur Erlangung der im konkreten Fall streitigen EU-Rente hat der Alg-Antrag nichts beigetragen: Der vorherige Bezug von Alg nach der Nahtlosigkeitsregelung des § 105a AFG ist keine Rentenvoraussetzung; Sinn und Zweck dieser Regelung ist es auch nicht, einem objektiv nicht verfügbaren Arbeitslosen so lange Alg zu verschaffen, bis Rente gewährt wird (Senatsurteil vom 29. April 1998, SozR 3-4100 § 105a Nr 5 S 23 f).

Zu Gunsten der vom Kläger in Anspruch genommenen Annexkompetenz spricht auch nicht, dass ein nach § 105a AFG (jetzt: § 125 SGB III) gewährtes Alg durchaus in einem engen Sachzusammenhang mit den Erwerbsminderungsrenten der Rentenversicherung steht, also mit dem Zuständigkeitsbereich eines Rentenberaters enge Berührung hat ("Verzahnungsargument"). Hierauf stellt jedoch die Definition der Annexkompetenz nicht ab. Auf ihrer Grundlage könnte bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden allenfalls der Antrag auf Alg als Hilfstätigkeit bei der angestrebten Erlangung der EU-Rente angesehen werden, und zwar zur Vergewisserung, ob sein Gesundheitszustand den Mandanten in der Tat hindert, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dies aber war dem Beigeladenen durch den Ablehnungs-Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit (BA) - und die vorausgegangene arbeitsamtsärztliche Untersuchung - bestätigt worden. Der Widerspruch konnte damit nur noch dem - durchaus nachvollziehbaren - Zweck dienen, den Lebensunterhalt des Beigeladenen bis zur angestrebten Rentengewährung durch Alg zu sichern. Dies aber ist ebenso wenig Aufgabe des Rentenberaters wie zB ein Antrag auf Sozialhilfe.

Die Fälle, in denen die Rechtsprechung bisher eine Annexkompetenz angenommen hat, betrafen anders gelagerte Sachverhalte, in denen es jeweils um - in ihren arbeitsförderungsrechtlichen Voraussetzungen grundsätzlich unstreitige - Ansprüche auf Alg ging, die die BA auf Grund gleichzeitigen Rentenbezugs nicht (mehr) für gegeben erachtet hatte:

In dem vom 11. Senat am 5. November 1998 entschiedenen Fall (BSGE 83, 100 = SozR 1300 § 13 Nr 5) hatte die BA eine Alg-Nachzahlung mit der Begründung einbehalten, es bestehe ein Erstattungsanspruch wegen einer gleichzeitig bezogenen Berufsunfähigkeitsrente; im Fall des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. August 2000 (L 6 AL 78/00 - Volltext in JURIS) wandte sich ein Bezieher von EU-Rente gegen die Rückforderung von Alg, bei der die BA übersehen hatte, dass der Rentenversicherungsträger für den Bewilligungszeitraum das Alg bereits berücksichtigt und vom Zahlbetrag der Rente abgezogen hatte. In beiden Fällen haben die Gerichte hervorgehoben, dass es letztlich um Bestand oder Höhe der Rente ging und insbesondere auch um die Anwendung der rentenversicherungsrechtlichen Vorschrift des § 95 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI); Vorschriften des Arbeitsförderungsrechts standen nicht im Streit (kritisch zur Annahme einer Annexkompetenz auch in solchen Fällen: Hansen, SGb 2000, 27).

Anders ist die Fallgestaltung jedoch im vorliegenden Fall, in dem das Arbeitsamt zunächst nicht, später jedoch in der Tat davon ausgegangen war, dass beim Beigeladenen die Voraussetzungen des § 105a AFG erfüllt waren. Gerade hiermit war ein im AFG höchst streitiger Bereich berührt (vgl hierzu zB einerseits BSG 7. Senat vom 29. April 1998, SozR 3-4100 § 105a Nr 5 S 24 f; andererseits BSG 11. Senat vom 9. September 1999, BSGE 84, 262, 264 f = SozR 3-4100 § 105a Nr 7).

Den Ausschlag zu Gunsten einer Annexkompetenz (oder gar einer originären Zuständigkeit) vermag schließlich auch nicht das Argument zu geben, eine Zeit des Alg-Bezugs sei für den Beigeladenen jedenfalls als rentenrechtliche Zeit (hier: evtl Versicherungspflicht auf Antrag nach § 4 Abs 3 Satz 1 Nr 1 iVm § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI) relevant; dann aber müsse dem Rentenberater die (Annex-)Kompetenz zustehen, für seinen Mandanten (durch Alg-Antrag oder Widerspruch), eine derartige Zeit zu schaffen. Denn mit einer derartigen Argumentation ließe sich - entgegen dem Regelungszusammenhang des RBerG - die Zuständigkeit des Rechtsberaters bis ins Uferlose ausdehnen. Würde man diesem Gedankengang folgen, wäre auch die Beratung auf arbeitsrechtlichem Gebiet (§ 7 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) sowie im Arbeitserlaubnis- und Ausländerrecht der Kompetenz des Rentenberaters zuzurechnen, womöglich auch - wegen der abgeleiteten Ansprüche - im Ehe-, Lebenspartnerschafts- und Familienrecht. Ebenso wenig kann das Argument weiterhelfen, dass in letzter Zeit die ArblV immer enger mit der Rentenversicherung "verzahnt" worden sei (Beispiel: das Altersteilzeitgesetz). Dies kann jedenfalls nicht das gesamte Arbeitsförderungs- (oder ArblV-)Recht zum Tätigkeitsbereich des Rentenberaters machen.

(4) War dem Kläger als Rentenberater ein Tätigwerden für den Beigeladenen in dem hier streitigen Umfang versagt, so liegt hierin in keinerlei Hinsicht ein Verfassungsverstoß (s BVerfG, Kammer-Beschluss vom 22. Dezember 2000 - 1 BvR 717/97, SozR 3-1300 § 13 Nr 6). Eine Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs für Rentenberater über die hier erläuterten Grenzen hinaus obliegt allein dem Gesetzgeber; dieser hätte im Zuge einer Neuregelung auch zu entscheiden, ob dann der Begriff "Rentenberater" noch angemessen ist.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Eine Veranlassung, die Kostenerstattung zu Gunsten des Beigeladenen anzuordnen, bestand nicht.

Ende der Entscheidung

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