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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 17.10.2002
Aktenzeichen: B 7 AL 72/00 R
Rechtsgebiete: SGB III, SGG
Vorschriften:
SGB III § 144 | |
SGG § 163 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
Az: B 7 AL 72/00 R
in dem Rechtsstreit
Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 17. Oktober 2002 durch die Vizepräsidentin Dr. Wolff, die Richter Eicher und Dr. Spellbrink sowie den ehrenamtlichen Richter Hohenstein und die ehrenamtliche Richterin Geppert
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 1. August 1999 bis 11. September 1999 (Sperrzeit von sechs Wochen).
Der im Jahre 1958 geborene Kläger wurde 1991 geschieden. Er ist Vater einer im Februar 1984 geborenen Tochter W., die seit der Trennung von seiner Ehefrau in seinem Haushalt lebt und von ihm betreut und erzogen wird. Der Kläger war seit 1. Juli 1995 in dem erlernten Beruf des Medizintechnikers auf der Insel Rügen beschäftigt. Im Juli 1996 lernte er Frau Dr. A. kennen, die seinerzeit als Doktorandin im Kernforschungszentrum Jülich tätig war. Im Januar 1997 verlobten sich der Kläger und Frau Dr. A. und beschlossen, eine Lebensgemeinschaft zu begründen. Der Kläger versuchte 1997 zunächst erfolglos, bei ca 40 Arbeitgebern einen Arbeitsplatz im Großraum Aachen zu finden. Daraufhin zog Frau Dr. A. zur Mitte des Jahres 1998 in die Wohnung des Klägers nach Rügen. Die Arbeitsplatzsuche von Frau Dr. A. in der Umgebung von Rügen blieb erfolglos. Deshalb bewarb sich Frau Dr. A. wieder in Aachen und ging zum 1. Februar 1999 ein Beschäftigungsverhältnis im Institut für Biotechnologie der Rheinisch-Westfälischen Hochschule Aachen ein. Der Kläger bewarb sich im Januar und Februar 1999 seinen Angaben zufolge erneut erfolglos (etwa 15 bis 20 Bewerbungen) um einen Arbeitsplatz als Medizintechniker im Großraum Aachen. Mit Schreiben vom 19. März 1999 meldete er sich beim Arbeitsamt (ArbA) Aachen arbeitssuchend und teilte mit, ab 1. August 1999 stünde er für eine neue Beschäftigung zur Verfügung. Sein Beschäftigungsverhältnis in Rügen kündigte der Kläger am 23. März 1999 zum 31. Juli 1999.
Zum 1. August 1999 meldete er sich beim ArbA Aachen arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Zur Begründung seiner Kündigung führte er aus, auf Grund der großen räumlichen Entfernung zwischen Rügen und Aachen habe er mit Frau Dr. A. noch nicht einmal eine Wochenendehe praktizieren können. Er habe den Arbeitsplatz vor allem im Interesse seiner Tochter W. aufgegeben, die eine gute Beziehung zu seiner neuen Lebenspartnerin entwickelt habe. Die Betreuung seiner Tochter durch eine weibliche Person sei dringend erforderlich gewesen. Die Beklagte zahlte Alg erst nach Ablauf einer Sperrzeit, die sie mit Bescheid vom 31. August 1999 zunächst vom 1. August 1999 bis 31. Oktober 1999 (zwölf Wochen) annahm. Ein wichtiger Grund für die Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses habe nicht vorgelegen. Die Beklagte erließ sodann einen Änderungsbescheid vom 15. September 1999, mit dem sie das Vorliegen einer besonderen Härte anerkannte und die Sperrzeit auf sechs Wochen (vom 1. August bis 11. September 1999) reduzierte. Den weiter gehenden Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 1999 zurück. Zur Begründung wurde ua ausgeführt, die Tochter W. sei keine gemeinsame Tochter des Klägers und seiner Lebensgefährtin, sodass der Kläger und Frau Dr. A. auch keine Erziehungsgemeinschaft hätten herstellen können.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Januar 2000). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 15. Juni 2000 das Urteil des SG geändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 31. August 1999 idF des Änderungsbescheides vom 15. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1999 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. August bis 11. September 1999 Alg zu "bewilligen". Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Beklagte habe die Bewilligung von Alg für den streitigen Zeitraum zu Unrecht abgelehnt, weil der Anspruch des Klägers während dieses Zeitraums nicht wegen des Eintritts einer Sperrzeit geruht habe. Der Kläger habe für sein Verhalten einen wichtigen Grund gehabt. Er habe seine Beschäftigung in Rügen aufgegeben, weil er mit seiner 15-jährigen Tochter zu seiner Verlobten habe ziehen wollen. Diese werde er am 23. Juni 2000 heiraten. Die Beziehung des Klägers zu Frau Dr. A. sei eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne der Definition des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gewesen. Zur Überzeugung des Senats sei diese Lebensgemeinschaft bereits im Zeitpunkt der Kündigung im März 1999 auf Dauer angelegt und hinsichtlich der inneren Beziehung der von Ehepartnern gleichwertig gewesen. Der Kläger habe sich bereits im Januar 1997 mit seiner Lebenspartnerin verlobt, die Ehe sei bereits zu diesem Zeitpunkt geplant gewesen, und sie hätten an ihrer Heiratsabsicht auch in den Folgejahren festgehalten. Für den Zeitpunkt der Kündigung sei dies aus der Tatsache zu schließen, dass Frau Dr. A. nach der glaubhaften Darstellung des Klägers in der Zeit von Mitte 1998 bis Anfang 1999 die Betreuung der Tochter W. mit übernommen habe. Sie habe W. mit regelmäßigen Mahlzeiten versorgt und ihren schulischen Lernprozess durch Nachhilfe in zahlreichen Fächern gefördert. Schließlich habe sie auch mit W. die für diese in dieser Lebensphase relevanten pubertätsbedingten Probleme erörtert. Damit habe Frau Dr. A. bereits geraume Zeit vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers für die Tochter W. die Rolle des weiblichen Elternteils übernommen. Hierdurch habe sie nicht nur für die Mitglieder dieser Dreiergemeinschaft, sondern auch nach außen deutlich gemacht, dass zwischen ihr, dem Kläger und seiner Tochter eine innere Bindung bestanden habe, die weit über das Maß einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgegangen sei. Der Senat folge der Rechtsprechung des 7. Senats des Bundessozialgerichts <BSG> (Hinweis auf das Urteil vom 29. April 1998 - B 7 AL 56/97 R -), wonach ein wichtiger Grund für die Arbeitsplatzaufgabe auch dann angenommen werden könne, wenn sie zu dem Zweck erfolge, durch Umzug vom arbeitsplatznahen Wohnort nach dem Ort der gemeinsamen Wohnung ein engeres Zusammenleben mit dem Partner zu ermöglichen, mit dem bereits eine eheähnliche Gemeinschaft bestanden habe. Soweit das BSG dort für kinderlose Partner die Auffassung vertrete, erst eine dreijährige Dauer der Beziehung bezeuge eine genügende Ernsthaftigkeit und Kontinuität, so sei dies auf den hier zu entscheidenden Fall nicht zu übertragen. Die Sachlage sei insoweit eine andere, als bereits innerhalb dieses Dreijahreszeitraums während des Zusammenlebens mit Frau Dr. A. auf der Insel Rügen sich diese wesentlich an der Erziehung der Tochter W. beteiligt habe. Der Umzug des Klägers nach Aachen habe somit auch der weiteren Entwicklung und Verfestigung dieser Erziehungsgemeinschaft gedient, die gerade in dem für die seelische Entwicklung der Tochter problematischen Zeitraum der Pubertät besondere Bedeutung gehabt habe. Eine längere Trennung hätte die positive Entwicklung gefährdet. Unter dem maßgebenden Gesichtspunkt des Kindeswohls könne nicht entscheidend sein, dass W. nicht das gemeinsame Kind der Frau Dr. A. und des Klägers sei. Es bestehe keinerlei Anlass, die Glaubwürdigkeit des Klägers in Zweifel zu ziehen.
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 144 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Dem Kläger habe kein wichtiger Grund zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zur Seite gestanden. Nach der Rechtsprechung des BSG könne nur die Begründung oder Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft einen wichtigen Grund zur Aufgabe der Beschäftigung abgeben. Der 11. Senat des BSG habe zuletzt am 5. November 1998 (B 11 AL 5/98 R) festgestellt, dass allein die Gründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keinen wichtigen Grund zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses darstelle. Nur in der "Wieder-Herstellung" einer ehelichen Lebensgemeinschaft oder einer Erziehungsgemeinschaft könne ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gesehen werden. Der Kläger sei mit seiner Partnerin nicht verheiratet gewesen; auch habe die Begründung der ehelichen Gemeinschaft nicht konkret in Aussicht gestanden. Ein Verlöbnis könne insoweit nicht ausreichen. Die Ankündigung des 7. Senats des BSG in seinem Urteil vom 29. April 1998, in Zukunft das Aufrechterhalten einer eheähnlichen Gemeinschaft als wichtigen Grund anerkennen zu wollen, sei zu Recht kritisiert worden (Hinweis auf Eichenhofer, SGb 1999, 167, 172). Die Priorität für die Anpassung des Rechts an den gesellschaftlichen Wandel liege beim Gesetzgeber. Nur dieser könne dafür Sorge tragen, dass das Recht nicht unzeitgemäß werde und seine befriedende Rolle nicht mehr erfüllen könne. Diese Frage stelle sich im vorliegenden Falle jedoch nicht, weil die nichteheliche Lebensgemeinschaft vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und vor dem Umzug nicht mindestens drei Jahre bestanden habe. Eine solche Lebensgemeinschaft habe vielmehr nur von Mitte 1998 bis Anfang 1999 bestanden. Der erkennende Senat betrachte die Dreijahresgrenze jedoch als zeitliche Grenze, bei deren Überschreiten erst genügende Ernsthaftigkeit, Kontinuität und Verfestigung der Lebensgemeinschaft angenommen werden könne. Hieran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Kläger mit seiner Partnerin verlobt gewesen sei. Die Bedeutung des Verlöbnisses in der Gesellschaft habe sich ständig verringert. Auch die angestrebte gemeinsame Betreuung des Kindes ergebe keinen wichtigen Grund zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses. Mit seinem Urteil vom 25. Oktober 1988 (SozR 4100 § 119 Nr 33) habe das BSG einen wichtigen Grund für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses insoweit nur anerkannt, wenn aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein gemeinsames Kind hervorgegangen sei und im Interesse des Kindeswohls die Erziehungsgemeinschaft aufrechterhalten bzw hergestellt werde. Das Kind W. sei jedoch kein gemeinsames Kind, sondern stamme aus der früheren Ehe des Klägers.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2000 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28. Januar 2000 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat durch Beschluss vom 7. Februar 2002 bei dem 11. Senat des BSG angefragt, ob er dem 7. Senat darin zustimme, dass entgegen den Urteilen vom 29. November 1988 - 11/7 RAr 31/87 - BSGE 64, 202 = SozR 4100 § 119 Nr 34 und vom 27. September 1989 - 11 RAr 127/88 - FamRZ 1990, 876 = AuB 1991, 121 allein der Zuzug zum Partner zur Fortsetzung einer bereits bestehenden eheähnlichen Lebensgemeinschaft einen wichtigen Grund iS des § 119 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz <AFG> (jetzt: § 144 Abs 1 SGB III) darstellen könne.
Der 11. Senat des BSG hat diese Frage mit Beschluss vom 29. August 2002 bejaht.
II
Die Revision der Beklagten ist zurückzuweisen. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger für den streitigen Zeitraum vom 1. August 1999 bis 11. September 1999 ein Anspruch auf Alg zusteht. Eine Sperrzeit ist nicht eingetreten, weil der Kläger einen wichtigen Grund gemäß § 144 Abs 1 SGB III für die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses in Rügen zum 31. Juli 1999 hatte. Auch liegen keine anderen Gesichtspunkte, wie etwa ein Verstoß des Klägers gegen Obliegenheiten aus der Rechtsbeziehung zur Beklagten etc vor, die gegen das Vorliegen eines wichtigen Grundes iS des § 144 Abs 1 SGB III sprechen würden. Eine Vorlage des Rechtsstreits an den Großen Senat des BSG gemäß § 41 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht erforderlich, weil der 11. Senat auf den Anfragebeschluss des erkennenden Senats vom 7. Februar 2002 durch Beschluss vom 29. August 2002 mitgeteilt hat, dass er dem 7. Senat des BSG darin zustimme, dass allein der Zuzug zum Partner zur Fortsetzung einer bereits bestehenden eheähnlichen Gemeinschaft einen wichtigen Grund iS des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG (§ 144 SGB III) darstellen kann (B 11 AL 11/02 S).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst der Bescheid der Beklagten vom 31. August 1999 idF des Änderungsbescheides vom 15. September 1999 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1999. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nicht nur über den Eintritt einer Sperrzeit bzw das Vorliegen von Ruhenszeiträumen befunden, sondern auch die Gewährung von Alg für den Zeitraum vom 1. August 1999 bis 11. September 1999 abgelehnt (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15 und BSGE 84, 225, 227 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17 mwN) und gleichzeitig die Minderung der Anspruchsdauer um 36 Tage verfügt. Diese Verfügungen korrespondieren mit denen des Bewilligungsbescheides vom 21. September 1999 über die Zahlung von Alg erst ab 12. September 1999. Alle Bescheide stellen insoweit eine einheitliche Regelung dar (vgl BSG SozR 3-1300 § 104 Nr 9 S 27; SozR 3-1500 § 144 Nr 12; BSGE 84, 225, 227 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 19).
Nach den Feststellungen des LSG stand dem Kläger ab 1. August 1999 ein Anspruch auf Alg gemäß §§ 117 ff SGB III zu. Andere Gründe als die Sperrzeit stehen dem Anspruch auf Alg für die Zeit vom 1. August bis 11. September 1999 nicht entgegen.
Ob für den streitigen Zeitraum eine Sperrzeit eingetreten ist, beurteilt sich nach § 144 SGB III (idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I, 594). Danach tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen ua dann ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (§ 144 Abs 1 Nr 1 SGB III). Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet (§ 144 Abs 2 Satz 1 SGB III). Sie verkürzt sich von zwölf Wochen auf sechs Wochen, wenn, wie hier von der Beklagten bereits in dem Änderungsbescheid vom 15. September 1999 angenommen, eine Sperrzeit von zwölf Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 144 Abs 3 Satz 1 SGB III).
Der Kläger hat sein Arbeitsverhältnis auf Rügen durch Kündigung zum 31. Juli 1999 gelöst. Er hatte - nach den bindenden Feststellungen des LSG - keine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz im Raume Aachen und hat dies auch gewusst. Damit hat er zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt.
Der Senat geht jedoch mit dem LSG davon aus, dass der Kläger für die Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses einen wichtigen Grund hatte. Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes iS des § 144 Abs 1 SGB III ist unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Die Versichertengemeinschaft soll sich gegen Risikofälle wehren, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (vgl: BSGE 66, 94, 97 = SozR 4100 § 119 Nr 36; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 12; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 14, 15, 16). Eine Sperrzeit tritt deshalb nur dann ein, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (BSGE 66, 94, 97 = SozR 3-4100 § 119 Nr 36; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 12; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 14, 15, 16). Insoweit muss der wichtige Grund nicht nur die Auflösung des Arbeitsverhältnisses überhaupt, sondern auch den konkreten Zeitpunkt der Auflösung decken.
Dies bedeutet zunächst, dass der Kläger, bevor er sein Arbeitsverhältnis kündigte, alle zumutbaren Anstrengungen übernommen haben muss, den Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Der 11. Senat des BSG ist in Fällen der vorliegenden Art davon ausgegangen, dass den Arbeitslosen bei einer Eigenkündigung zwecks Fortsetzung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aus dem Versicherungsverhältnis mit der Beklagten eine Obliegenheit trifft, den Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit zu vermeiden, und zwar ua durch die rechtzeitige Einschaltung des Arbeitsamtes mit der Bitte um Vermittlung in ein anderes Arbeitsverhältnis und durch eigene Bemühungen in eine neue Arbeitsstelle (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 14). Dem ist der erkennende Senat gefolgt (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15, S 64; vgl aber zur begrenzten Bedeutung dieser Entscheidung das Urteil des Senats vom heutigen Tage - B 7 AL 136/01 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Arbeitslose muss mithin rechtzeitige Bemühungen um einen Anschlussarbeitsplatz nachweisen. Auf die Frage, ob diese Bemühungen erfolgreich gewesen wären, kommt es dabei nicht an (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15, S 65 mwN).
Diesen Anforderungen hat der Kläger nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall genügt. Der Kläger hat sich bereits durch Schreiben vom 19. März 1999 beim ArbA in Aachen arbeitssuchend gemeldet und erst danach sein Arbeitsverhältnis in Rügen gekündigt. Nach den Feststellungen des LSG hat er zudem zahlreiche Bewerbungsversuche im Großraum Aachen bereits aus seinem Beschäftigungsverhältnis in Rügen heraus unternommen. Die Anstrengungen des Klägers insgesamt schließen den "Vorwurf" einer Obliegenheitsverletzung aus.
Ebenso wie beim Zuzug zum Ehepartner ist auch bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu fordern, dass die bisherige Arbeitsstelle von der gemeinsamen neuen Wohnung aus nicht zumutbar erreicht werden kann (grundlegend BSGE 42, 269 = SozR 4100 § 119 Nr 2 und BSG SozR 4100 § 119 Nr 33, S 161). Dies war hier nach den Feststellungen des LSG der Fall. Der Senat lässt offen, inwieweit die erhebliche Entfernung zwischen der Insel Rügen und dem Großraum Aachen bei der Prüfung des wichtigen Grundes zusätzlich berücksichtigt werden kann, weil nicht einmal ein Wochenendpendeln möglich bzw zumutbar war. Jedenfalls zeigt ein Vergleich mit den in § 121 Abs 4 SGB III normierten Zumutbarkeitsgrenzen, dass dem Kläger ein Tagespendeln (Hin- und Rückfahrt) von Aachen zu seiner bisherigen Arbeitsstelle in Rügen nicht zumutbar war, ebensowenig wie seiner Partnerin ein Pendeln von Aachen nach Rügen.
Der Kläger hatte auch einen wichtigen Grund iS des § 144 Abs 1 SGB III für die Aufgabe seiner Arbeitsstelle in Rügen und den Umzug nach Aachen zum 1. August 1999. Nach den Feststellungen des LSG wollte der Kläger durch seinen Umzug nach Aachen die bereits in Rügen begründete nichteheliche Lebensgemeinschaft mit seiner Verlobten aufrechterhalten. Wie der Senat in seinem Urteil vom heutigen Tage (B 7 AL 96/00 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) unter Bezugnahme auf seine frühere Entscheidung vom 28. April 1999 (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15) eingehend begründet hat, kann auch ein Ortswechsel zwecks Aufrechterhaltung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft einen wichtigen Grund zur Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses darstellen, wenn diese Gemeinschaft bei Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bereits bestanden hat und den Kriterien entsprochen hat, die das BVerfG zur Auslegung des Begriffs der "eheähnlichen Gemeinschaft" in § 137 Abs 2a AFG hinsichtlich der Ernsthaftigkeit und der gegenseitigen Bindungen innerhalb der Gemeinschaft aufgestellt hat (vgl BVerfGE 87, 234, insbesondere 264 ff). Dabei hat der Senat betont, dass auch im Rahmen des Sperrzeitrechts strenge Anforderungen an die Ernsthaftigkeit einer eheähnlichen Gemeinschaft zu stellen sind. Eheähnlich ist danach eine Bindung zweier Partner unterschiedlichen Geschlechts nur dann, wenn sie auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner in den Not- und Wechselfällen des Lebens begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Eine Entscheidung hierüber ist nur anhand bestimmter "Hilfstatsachen" möglich. Kriterien für die Ernsthaftigkeit einer Beziehung im vorbezeichneten Sinne sind insbesondere deren Dauerhaftigkeit und Kontinuität und eine bestehende Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft; daneben können weitere Umstände, wie etwa die gemeinsame Versorgung von Angehörigen, gewertet werden. Die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft setzt allerdings nicht voraus, dass zwischen den Partnern geschlechtliche Beziehungen bestehen.
Nach den Feststellungen des LSG liegt eine solche Ernsthaftigkeit der Gemeinschaft des Klägers mit seiner späteren Ehefrau vor. Nach der Verlobung im Jahr 1997 ist Frau Dr. A. zunächst für ein halbes Jahr (von Mitte 1998 bis Anfang 1999) in die Wohnung des Klägers nach Rügen gezogen. Erst nachdem sie dort keinen Arbeitsplatz gefunden hatte, beschlossen die Partner, ihren gemeinsamen Lebensmittelpunkt nach Aachen zu verlegen. Aus diesen Umständen ist vom LSG zu Recht geschlossen worden, dass beide Partner von einer ernsthaften und auf Dauer angelegten Beziehung ausgingen. Zu ihren Gunsten kann auch berücksichtigt werden, dass die Eheschließung nach den Feststellungen des LSG im Jahr 2000 "planmäßig" erfolgt ist. Die Ernsthaftigkeit und Stetigkeit der inneren Bindungen innerhalb einer solchen Gemeinschaft insgesamt festzustellen, ist Aufgabe der Tatsacheninstanzen, sodass hier - mangels Verfahrensrügen der Revisionsklägerin - das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne des Sperrzeitrechts auch als bindend festgestellt (§ 163 SGG) gelten kann.
Nach den Feststellungen des LSG bestand die Beziehung des Klägers zu seiner Partnerin zum Zeitpunkt der Beschäftigungsaufgabe und des Umzugs allerdings noch keine drei Jahre. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom heutigen Tage (B 7 AL 96/00 R) im Einzelnen begründet, dass die von ihm angenommene "Drei-Jahres-Grenze" (vgl BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15, S 70) nicht im Sinne einer absoluten zeitlichen Mindestvoraussetzung zu verstehen ist, unterhalb derer das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft immer und in jedem Fall verneint werden müsste. Insofern kommt es vielmehr auf das Vorliegen aller Umstände des Einzelfalls an, die für eine dauerhafte Einstehensgemeinschaft der beiden Partner sprechen könnten. Dabei ist allerdings die bisherige Dauer des Zusammenlebens ein wesentliches Indiz für die Ernsthaftigkeit der Beziehung. Auch bei diesem Merkmal handelt es sich aber um ein richterlich entwickeltes Hilfsmerkmal bzw Kriterium (vgl hierzu BSG SozR 3-2600 § 48 Nr 5). Solche Merkmale dürfen nicht losgelöst von ihrem Zweck gewertet und mithin nicht "verabsolutiert" werden. Sie haben nicht die Bedeutung von gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen, sondern sind nur mit heranzuziehen, um das Vorliegen des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals, hier des Vorliegens eines "wichtigen Grundes" iS des § 119 Abs 1 AFG, feststellen zu können.
In diesem Zusammenhang hat das LSG deshalb zu Recht berücksichtigt, dass bei einem Zusammenleben von kürzerer Dauer als drei Jahren andere Umstände von gleichem Gewicht an die Stelle der bisherigen Dauer der Beziehung treten können und hat als solchen Umstand die Tatsache angesehen, dass die Partnerin des Klägers sich bereits auf der Insel Rügen wesentlich an der Erziehung der Tochter W. beteiligt hatte. Der Umzug des Klägers (leiblichen Vaters) nach Aachen habe - so die Feststellungen des LSG - der weiteren Entwicklung und Verfestigung dieser Erziehungsgemeinschaft zwischen der Partnerin und seiner leiblichen Tochter gedient, die gerade in dem für die seelische Entwicklung der Tochter problematischen Zeitraum der Pubertät besondere Bedeutung gehabt habe. Eine längere Trennung hätte diese positive Entwicklung gefährdet. Auf Grund dieser Feststellungen durfte das LSG davon ausgehen, dass der Kläger und seine Partnerin eine ernsthafte Lebens- und Einstehensgemeinschaft begründet hatten, die insbesondere auch die gemeinsame Erziehung und Verantwortung für das Kind des Klägers mit beinhaltete. Unter Berücksichtigung dieser weiteren Umstände ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger einen wichtigen Grund zur Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses auf Rügen hatte, um die bestehende Lebensgemeinschaft mit Frau Dr. A. - auch und gerade im Interesse des Wohls seiner Tochter - fortzusetzen.
Insoweit kann hier dahinstehen, ob auch die beabsichtigte Herstellung bzw Aufrechterhaltung einer Erziehungsgemeinschaft für sich allein einen wichtigen Grund für die Aufgabe des Arbeitsverhältnisses des Klägers dargestellt hätte. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 12. November 1981 (BSGE 52, 276, 280 = SozR 4100 § 119 Nr 17) entschieden, dass der Zuzug einer Mutter zum Vater eines gemeinsamen Kindes - bei Hinzutritt weiterer Gründe des Kindeswohles - einen wichtigen Grund iS des § 119 Abs 1 AFG darstellen kann. Das BSG hat später in weiteren Entscheidungen die Herstellung bzw Aufrechterhaltung einer Erziehungsgemeinschaft als wichtigen Grund anerkannt (BSG SozR 4100 § 119 Nr 33, S 161 f; BSG SozR 4100 § 119 Nr 34, S 173; Urteil vom 27. September 1989 - 11 RAr 127/88 - FamRZ 1990, 876 = AuB 1991, 121), wobei es sich allerdings jeweils um leibliche Eltern gehandelt hat. Ob dieser Gesichtspunkt der Erziehungsgemeinschaft unter dem Blickwinkel eines weiten verfassungsrechtlichen Familienbegriffs - geschützt durch Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) ist das Zusammenleben von Erwachsenen mit Kindern (vgl nur Schmitt-Kammler in Sachs, GG, 2. Aufl, Art 6 RdNr 15 f mwN) - im vorliegenden Fall für die Annahme eines wichtigen Grundes allein ausgereicht hätte, braucht nicht entschieden zu werden, weil der Kläger einen wichtigen Grund hatte, die bestehende eheähnliche Gemeinschaft mit seiner Partnerin auch und gerade im Interesse des Wohles seiner Tochter fortzusetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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