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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 02.09.2004
Aktenzeichen: B 7 AL 78/03 R
Rechtsgebiete: AFG


Vorschriften:

AFG § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 2. September 2004

Az: B 7 AL 78/03 R

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Udsching, die Richter Eicher und Dr. Spellbrink sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Brandenburg und Liedtke für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Juli 2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die Klägerin wendet sich gegen eine Forderung der Beklagten zur Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. August 1995 bis 30. September 1996 in Höhe von insgesamt 65.095,66 DM (39.626,50 DM Alg, 8.499,86 DM Beiträge zur Krankenversicherung, 16.427,40 DM Beiträge zur Rentenversicherung und 541,90 DM Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung). Sie verlangt außerdem die Rückzahlung dieses Betrags, weil sie die Forderung im Rahmen der Zwangsvollstreckung beglichen habe.

Die Klägerin ist seit 25. November 1999 (mit geändertem Firmennamen; zuvor: H. GmbH & Co KG) auf Grund einer Umwandlung (Verschmelzung) Rechtsnachfolgerin der D. GmbH & Co KG , die zuvor bis 20. April 1997 unter dem Namen IDAC GmbH & Co KG (IDAC) firmierte.

Bei der IDAC war der am 20. September 1935 geborene Arbeitnehmer Q. (Q.) seit 1. Juli 1964 beschäftigt. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1994 (Zugang nicht festgestellt) sprach die Arbeitgeberin eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichen Gründen zum 31. Juli 1995 aus. Anschließend trafen die Arbeitsvertragsparteien eine von der Klägerin am 9. Dezember 1994 unterschriebene, als "Abwicklungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung (Datum der Vereinbarung nicht festgestellt), nach der sich die Vertragsparteien einig waren, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund arbeitgeberseitiger, betriebsbedingter Kündigung vom 2. Dezember 1994 unter Einhaltung der ordnungsgemäßen Kündigungsfrist zum 31. Juli 1995 sein Ende finde. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte die Klägerin die entsprechenden Bezüge zahlen; Q. verpflichtete sich, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht gerichtlich geltend zu machen. Aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und als Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes sollte an Q. in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eine Abfindung in Höhe von 75.000 DM zum Austrittstermin am 31. Juli 1995 gezahlt werden. Q. sollte jedoch bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1995 unter Anrechnung noch bestehender Urlaubsansprüche unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt werden. Er meldete sich am 1. August 1995 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte ihm dieses für die Dauer von 832 Kalendertagen. Q. bezog die Leistung in dem gesamten streitigen Zeitraum. Mit Wirkung ab 1. Oktober 1996 wurde ihm Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bewilligt.

Nach entsprechender Anhörung stellte die Beklagte zunächst fest, dass die IDAC dem Grunde nach gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ab 1. August 1995 für längstens 624 Tage das an Q. gezahlte Alg samt Krankenversicherungs- und Rentenversicherungsbeiträgen zu erstatten habe (Bescheid vom 23. Januar 1996; Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 1997), und verlangte dann die Erstattung von insgesamt 65.095,65 DM (richtig: 65.095,66 DM) an gezahltem Alg für die Zeit vom 1. August 1995 bis 30. September 1996 einschließlich der Beiträge zur Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung (Bescheid vom 25. Februar 1997). Die Klage blieb beim Sozialgericht (SG) erfolglos (Urteil vom 1. Juni 2001), nachdem die Beklagte zuvor den Erstattungsbescheid vom 25. Februar 1997 nach Anhörung durch einen neuen Bescheid gleichen (aber berichtigten) Inhalts ersetzt hatte (Bescheid vom 22. Dezember 1998).

Die Berufung, die von der jetzigen Klägerin eingelegt und betrieben worden war, hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 24. Juli 2003). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die Erstattung von Alg und Sozialversicherungsbeiträgen verlangt (§ 128 AFG). Insbesondere greife nicht der "Befreiungstatbestand" des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG ein. Danach trete zwar die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlege und beweise, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertige Kündigung beendet habe. Die von der Arbeitgeberin ausgesprochene Kündigung sei jedoch nur eine "leere Hülse" gewesen. Q. habe bereits innerhalb der Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch die Unterschrift unter dem "Abwicklungsvertrag" auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet. Kündigung und "Abwicklungsvertrag" stünden daher nicht eigenständig nebeneinander, sondern hingen untrennbar miteinander zusammen, sodass sie mit der Folge als Einheit zu bewerten seien, dass das gestaffelte Vorgehen rechtlich wie ein Aufhebungsvertrag zu behandeln sei, für den § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG nicht gelte.

Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG. Sie ist der Ansicht, diese Vorschrift komme wegen der dem "Abwicklungsvertrag" vorausgegangenen Kündigung zur Anwendung. Es handele sich nach dem Willen der Vertragsparteien um zwei getrennte Rechtsgeschäfte. Sie behauptet, der "Abwicklungsvertrag" habe nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten die Kündigung nicht ersetzen sollen. Vorsorglich habe sie bereits den "Abwicklungsvertrag" wegen Irrtums über den Inhalt der Erklärung angefochten. Das LSG habe sich über die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hinweggesetzt. Danach sei entscheidend, ob durch den Aufhebungsvertrag die früher ausgesprochene Kündigung zurückgenommen worden und der Vertrag nach dem Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärungen konstitutiv als neuer Rechtsgrund an die Stelle der Kündigung getreten sei. Die Annahme, Kündigung und Abwicklungsvertrag stünden nicht eigenständig nebeneinander, wenn der "Abwicklungsvertrag" innerhalb der für die Erhebung der Kündigungsschutzklage geltenden Frist geschlossen sei, sei nicht haltbar und verstoße gegen die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das LSG habe entgegen § 133 BGB den wirklichen Willen der Vertragsparteien nicht erforscht. Dem stehe das Urteil des 11. Senats des BSG zu § 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) vom 18. Dezember 2003 (B 11 AL 35/03 R) nicht entgegen. Dieses sei nicht übertragbar auf § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG. Außerdem habe das LSG ihren (der Klägerin) Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art 103 Abs 1 Grundgesetzgesetz, § 62 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Es habe den Vortrag in der Berufungsbegründungsschrift nicht in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und nicht in seine Erwägungen einbezogen. Dies gelte insbesondere für das Vorbringen zur vorsorglich erklärten Anfechtung des "Abwicklungsvertrags" und für den Antrag auf Beweiserhebung (Vernehmung des Zeugen Q. zur Ermittlung des Willens der Vertragsparteien). Hierdurch habe das LSG auch gegen § 128 Abs 1 SGG (Beweiswürdigung) und § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) verstoßen. Schließlich seien §§ 136 Abs 1 Nr 6, 153 Abs 2 SGG verletzt, weil das LSG die Berufung im Wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des SG zurückgewiesen habe, ohne sich mit den detaillierten, im Berufungsverfahren neu vorgebrachten Einwänden gegen die Ausführungen des SG im Einzelnen auseinander gesetzt zu haben.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 33.282,88 € zurückzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das LSG habe richtig entschieden. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler lägen nicht vor.

II

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob die Voraussetzungen für das Nichteintreten der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 2 Satz 2 Nr 4 AFG vorliegen, und, falls dies nicht der Fall sein sollte, ob der Erstattungsbetrag von der Beklagten in der Höhe richtig festgesetzt worden ist.

Gegenstand des Rechtsstreits und damit des Revisionsverfahrens ist nur noch der Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 1998, der die früheren Bescheide ersetzt hat und gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Ob und wann dieser Bescheid der früheren Arbeitgeberin und früheren Klägerin zugegangen ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist die jetzige Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin im Laufe des Verfahrens bei den Instanzgerichten in den Besitz dieses Bescheides gelangt; er ist damit auch zugegangen und vor Beginn des Revisionsverfahrens wirksam geworden (§ 37 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz <SGB X> iVm § 39 Abs 1 SGB X). Gegen diesen Bescheid wehrt sich die Klägerin mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG), verbunden (§ 56 SGG) mit einer Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGB) auf Folgenbeseitigung iS des § 131 Abs 1 Satz 1 SGG.

Die Klageänderung im Berufungsverfahren durch gewillkürten Klägerwechsel (wegen Rechtsnachfolge; § 20 Umwandlungsgesetz) war gemäß § 99 Abs 1 und 2 SGG zulässig. Dieser Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass der Klägerwechsel erst in der Berufungsinstanz erfolgt ist (BSGE 8, 113, 15).

Der mögliche Anspruch der Beklagten auf Erstattung des Alg und der Beiträge zur Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung war unabhängig davon, wann genau der Bescheid vom 22. Dezember 1998 bekannt gegeben worden ist, noch nicht verjährt. Denn die Verjährungsfrist von vier Jahren (vgl BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 13 S 120) war bereits durch die früheren Bescheide unterbrochen (§ 52 SGB X iVm Art 229 § 6 Einführungsgesetz zum BGB), ohne dass die Ersetzung der früheren Bescheide durch den späteren Bescheid die Unterbrechungswirkung beseitigt hätte (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 13 S 120).

Die Erstattungspflicht der Klägerin für das dem Arbeitnehmer Q. im streitigen Zeitraum gezahlte Alg unter Einschluss der Sozialversicherungsbeiträge folgt aus § 128 Abs 1 und 4 AFG idF, die die Norm durch das Beschäftigungsförderungsgesetz 1994 vom 26. Juli 1994 - BGBl I 1786 - und durch das Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 - BGBl I 1824 - erhalten hat (vorliegend iVm § 431 Abs 1 SGB III und § 242x Abs 6 AFG sowie § 242m Abs 10 AFG). Nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt für Arbeit (jetzt Bundesagentur für Arbeit) vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage; dabei stellt das Vierteljährlichkeitserfordernis nur eine Fälligkeitsregelung dar. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Verpflichtung traf die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der früheren, durch die Verschmelzung untergegangenen IDAC, der früheren Arbeitgeberin des Q. (vgl dazu Pawlak in Eicher/Schlegel, SGB III, § 147a RdNr 117 und 120, Stand April 2002; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 14 S 122 f).

Ausnahmetatbestände von dieser die Klägerin - nach den tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG - im Grundsatz treffenden Erstattungspflicht sind nicht gegeben. Insbesondere liegen nach den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte vor, dass der Arbeitslose die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 AFG genannten Sozialleistungen erfüllte (§ 128 Abs 1 Satz 2 AFG).

Ob allerdings § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG (vgl nunmehr § 147a Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB III) eingreift, kann nicht entschieden werden. Danach tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Insoweit hält der Senat an der bisherigen Rechtsprechung des BSG fest, dass die Antwort darauf, ob eine Vereinbarung, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt und damit die Anwendung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG ausschließt, einen so genannten "Abwicklungsvertrag" oder einen Aufhebungsvertrag darstellt, abhängig ist von dem Inhalt der rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen (BSG, Urteile vom 4. September 2001 - B 7 AL 64/00 R - und 20. September 2001 - B 11 AL 30/01 R -, DBlR Nr 4724 zu § 128 AFG). In beiden zitierten Entscheidungen ist dem "Abwicklungsvertrag" bzw Aufhebungsvertrag wie vorliegend eine arbeitgeberseitige Kündigung vorausgegangen. In seiner Entscheidung vom 4. September 2001 (B 7 AL 64/00 R) hat der erkennende Senat ausgeführt, dass die Entscheidung, ob die einer Kündigung folgende Vereinbarung, einen so genannten "Abwicklungsvertrag" darstellt, mit dem lediglich die Folgen der rechtlich fortbestehenden Kündigung geregelt werden sollen, oder ob es sich um einen Aufhebungsvertrag handelt, durch den die ursprüngliche Kündigung zurückgenommen wird und der als neuer Rechtsgrund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses konstitutiv ist, von dem Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärungen abhängt. Deren Feststellung fällt in den Aufgabenbereich der Tatsachengerichte. Die Überprüfung des Revisionsgericht bezieht sich nur darauf, ob die Feststellungen des Inhalts rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen durch das Tatsachengericht anerkannte Auslegungsgrundsätze verletzt; vorrangig kommt es auf den übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien an. Gleiches hat der 11. Senat in seiner Entscheidung vom 20. September 2001 ausgeführt (B 11 AL 30/01 R).

Nach beiden Entscheidungen ist mithin eine Auslegung des von den Vertragsparteien Gewollten erforderlich (§§ 133, 157 BGB); dabei ist zunächst zu ermitteln, was die Beteiligten übereinstimmend - ohne Rücksicht auf das Erklärte - gewollt haben, und erst dann, wie ggf entsprechende Erklärungen aus dem Empfängerhorizont zu verstehen waren, falls sich die einander gegenüberstehenden Erklärungen nicht gedeckt haben sollten. Dies gilt zum einen für die Frage, ob nicht trotz formaler Aufspaltung in eine vorausgehende Kündigung und eine nachfolgende vertragliche Regelung in Wirklichkeit (§ 117 BGB) ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne eines Aufhebungsvertrags vorlag (BSGE 77, 48, 51 ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 9), und zum anderen, ob eine ernsthaft gewollte Kündigung nachträglich durch eine vertragliche Vereinbarung ersetzt worden ist. Erst danach käme es auf die von der Klägerin behauptete Anfechtung an. Das LSG wird jedoch ggf zu beachten haben, ob die Klägerin die behauptete (ernsthafte) Anfechtung, die dem Anfechtungsgegner zugegangen sein muss (§ 143 BGB), innerhalb der Anfechtungsfrist des § 121 BGB erklärt hat, ob die Anfechtung eine unzulässige Bedingung enthält (dazu nur Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl 2004, Überblick Vor § 104 RdNr 17) und ob es sich bei dem geltend gemachten Anfechtungsgrund nicht um einen unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum handelt (dazu Palandt/Heinrichs aaO, § 119 RdNr 15). Es kann deshalb offen bleiben, ob nicht ohnedies im Rahmen des § 128 AFG eine Anfechtung an den bereits eingetretenen Fakten nichts mehr ändern kann.

Das LSG hat mit seiner Entscheidung die individuellen vertraglichen Abmachungen der Beteiligten nicht in der bezeichneten Weise ausgelegt, sondern den Rechtssatz aufgestellt, dass bei Abschluss eines Vertrags nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber, aber innerhalb der für die Kündigungsschutzklage geltenden Frist (§ 4 KSchG), mit dem sich der Arbeitnehmer verpflichtet, auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu verzichten, ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne einer zweiseitigen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses vorliegt. Ähnliches hat der 11. Senat des BSG zu § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III entschieden (Sperrzeit wegen Lösung des Beschäftigungsverhältnisses). Nach dieser Entscheidung löst ein Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sperrzeitreglung, wenn er nach Ausspruch einer Kündigung des Arbeitgebers mit diesem innerhalb der Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage eine Vereinbarung über die Hinnahme der Kündigung ("Abwicklungsvertrag") trifft (BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 6 RdNr 13 ff). Der 11. Senat hat diese Entscheidung jedoch mit dem spezifischen Zweck der Sperrzeitregelung begründet, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, sich an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und damit dem Eintritt des Versicherungsfalls aktiv zu beteiligen. Es könne bei einer Bewertung des tatsächlichen Geschehensablaufs unter Einbeziehung der zu Grunde liegenden Interessen der Beteiligten nicht zweifelhaft sein, dass der Arbeitnehmer auch durch den Abschluss eines so genannten "Abwicklungsvertrags" innerhalb der Frist, die für die Erhebung der Kündigungsschutzklage gilt, dadurch, dass er ausdrücklich oder konkludent auf die Geltendmachung seines Kündigungsrechts verzichtet, einen wesentlichen Beitrag zur Herbeiführung seiner Beschäftigungslosigkeit leistet. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeit, die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat, mache es keinen wesentlichen Unterschied, ob der Arbeitnehmer an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags mitwirke oder ob seine aktive Beteiligung darin liege, dass er hinsichtlich des Bestandes der Kündigung und deren Folgen verbindliche Vereinbarungen treffe. In beiden Fällen trage er eine wesentliche Verantwortung für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.

Bei § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG ist das gesetzliche Ziel dagegen ein anderes. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl nur die oben zitierten Urteile vom 4. und 20. September 2001), dass im Rahmen des § 128 AFG - wie auch der Folgeregelung des § 147a SGB III - für die Frage des Nichtentstehens der Erstattungspflicht typisierend auf die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgestellt wird und diese als Indiz dafür zu sehen ist, ob die Arbeitslosigkeit in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fällt; die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Grunde liegenden Interessen spielen keine Rolle. Gerade diese sind jedoch die Basis der Entscheidung des 11. Senats zu § 144 SGB III. Mit anderen Worten: War das Arbeitsverhältnis bereits durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet und bleibt diese in ihrem Bestand durch die spätere Vereinbarung unbeeinträchtigt, kann dies nichts an dem Nichteintritt der Erstattungspflicht ändern; der Arbeitgeber trägt dann nicht die für § 128 AFG erforderliche Verantwortung für die Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers.

Sollte unter diesen Voraussetzungen das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung, und nicht durch die Vereinbarung der Vertragsparteien, beendet worden sein, wird das LSG weiter zu prüfen haben, ob die erfolgte Kündigung sozial gerechtfertigt war (§ 1 KSchG). Ggf wird es die Höhe des Erstattungsbetrages genau zu untersuchen haben (vgl zu der dabei erforderlichen Überprüfung des Alg-Anspruchs nach Grund und Höhe BSG SozR 4-4300 § 434c Nr 4 RdNr 16). Insbesondere wird es prüfen müssen, ob, wann und inwieweit der Alg-Anspruch des Arbeitnehmers Q. wegen §§ 117, 117a, 119, 119a AFG geruht und sich dadurch der Erstattungsanspruch gemindert hat. Dabei ist ggf auch zu entscheiden, ob die Abfindung wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses (zum 31. Dezember 1994) oder des Arbeitsverhältnisses (zum 31. Juli 1995) gezahlt worden ist. Davon wäre die Lage der Ruhenszeiträume abhängig. Zum Eintritt einer Sperrzeit wird uU auch das Senatsurteil vom 7. Oktober 2002 (SozR 3-4300 § 144 Nr 12) zu beachten sein. Wegen der ohnedies erforderlichen Zurückverweisung der Sache an das LSG bedarf es keiner Entscheidung, ob die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler vorliegen; zur Ermittlung des von den Vertragsparteien Gewollten sind jedoch die Beweisangebote der Klägerin zu berücksichtigen. Das LSG wird außerdem über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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