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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 10.05.2007
Aktenzeichen: B 7a AL 14/06 R
Rechtsgebiete: AFG, SGB III, SGG
Vorschriften:
AFG F: 18.12.1992 § 128 Abs 2 Nr 2 S 1 Alt 2 | |
AFG § 128 Abs 1 S 1 | |
AFG § 128 Abs 1 S 2 Nr 4 | |
AFG § 128 Abs 1 S 2 Nr 6 | |
AFG § 128 Abs 1 S 2 Nr 7 | |
SGB III § 147a Abs 2 Nr 2 | |
SGG § 103 |
Entscheidung wurde am 06.09.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Verkündet am 10. Mai 2007
Az: B 7a AL 14/06 R
Der 7a. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Udsching, die Richter Eicher und Dr. Koloczek sowie die ehrenamtlichen Richter Liedtke und Rohkamm
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Oktober 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Im Streit ist die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung (KV, RV), die die Beklagte für J A (A.) für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 30. April 1995 (Höhe: 34.332,28 DM) sowie für J E (E.) für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 30. September 1994 (Höhe: 21.814,23 DM) aufgewendet hat.
Die Klägerin (AG) beschäftigte 1993 in mehreren Betrieben in Deutschland ca 1.600 Arbeitnehmer. An dem größten Standort in M mit insgesamt 680 Mitarbeitern waren in der Tonchemie 450, in dem Katalysatorenwerk 120 und im Bergbau 110 Arbeiter beschäftigt, von denen in der Zeit von Ende 1992 bis Ende 1996 333 Arbeitnehmer ausschieden. Außerdem war die Klägerin in der Zeit von 1993 bis 1995 an mehreren anderen deutschen und ausländischen Gesellschaften beteiligt.
Bei der Klägerin war der am 13. Januar 1935 geborene A. als Bohrgeräteführer im Werk Bergbau in M in der Zeit vom 23. November 1954 bis 31. Dezember 1993 beschäftigt. Mit Schreiben vom 28. Juni 1993 erklärte die Klägerin die "betriebsbedingte" Kündigung zum 31. Dezember 1993 und verwies in diesem Schreiben gleichzeitig auf eine "Vereinbarung, die die Abwicklungsmodalitäten" regele und die nach Unterzeichnung zurückgegeben werden solle. In der "Vereinbarung" vom selben Tag wurden ua eine Abfindung in Höhe von 7.800 DM und ein "steuerfreier Zuschuss" zum Alg vereinbart, und A. verzichtete auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage. A. erhielt von der Beklagten vom 1. Januar 1994 bis 30. April 1995 Alg in Höhe von 20.603,30 DM. Die Beklagte entrichtete Beiträge zur KV in Höhe von 7.881,09 DM und zur RV in Höhe von 5.847,89 DM. Ab 1. Mai 1995 bezog A. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die Beklagte verlangte von der Klägerin die Erstattung des in dem og Zeitraum gezahlten Alg sowie der hierauf entfallenden Beiträge zur KV und PV in Höhe von insgesamt 34.332,28 DM (Bescheid vom 18. Dezember 1998; Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2000).
Der am 26. Juni 1933 geborene E. war bei der Klägerin als Schwergerätefahrer im Werk Bergbau in M in der Zeit vom 2. März 1953 bis 30. September 1993 beschäftigt. Mit Schreiben vom 30. März 1993 erklärte die Klägerin die "betriebsbedingte" Kündigung zum 30. September 1993, da der E. die Arbeitsleistung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erbringen könne, und wies - wie bei A. - ebenfalls auf die zu unterschreibende Vereinbarung über die Abwicklungsmodalitäten hin. In der als "Aufhebungsvertrag" bezeichneten Vereinbarung vom 24. März 1993 wurden ua eine Abfindung in Höhe von 8.000,00 DM und ein Zuschuss zum Alg vereinbart. E. erhielt von der Beklagten vom 1. Oktober 1993 bis 30. September 1994 Alg; ab 1. Oktober 1994 bezog er Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die Beklagte verlangte zunächst (Bescheid vom 17. Dezember 1998) die Erstattung des in dem og Zeitraum gezahlten Alg sowie der hierauf entfallenden Beiträge zur KV und RV in Höhe von insgesamt 29.485,33 DM. Auf den Widerspruch, wonach zumindest die Forderung für das Jahr 1993 verjährt sei, forderte die Beklagte nur noch Erstattung der für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1994 erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 21.814,23 DM (Alg = 14.531,40 DM, KV = 4.492,80 DM, RV = 2.790,03 DM) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Bescheid vom 16. Mai 2000; Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2000). Daneben hat die Beklagte weitere Erstattungsforderungen wegen weiterer Arbeitnehmer geltend gemacht.
Das Sozialgericht (SG) München hat die gegen beide Erstattungsforderungen gerichteten Klagen nach Verbindung abgewiesen (Urteil vom 7. November 2003). Auf die Berufung der Klägerin hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG und "die Bescheide der Beklagten vom 2. Dezember 1998, 26. April 2000 und 16. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2000 sowie die Bescheide vom 3. und 18. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2000" aufgehoben (Urteil vom 7. Oktober 2005). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, eine Erstattungspflicht entfalle, weil eine Erstattung für die Klägerin eine "unzumutbare Belastung" nach dem noch anwendbaren § 128 Abs 2 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bedeute. Die Summe der gesamten Erstattungsforderungen der Beklagten anlässlich der Personalreduzierungen belaufe sich auf 5 Millionen DM. Diese Forderungen könnten nur aus der Substanz des Unternehmens beglichen werden, sodass die verbliebenen Arbeitsplätze dadurch gefährdet würden. So habe die Klägerin in den Jahren von 1993 bis 1995 im operativen Bereich ihrer Betriebe Verluste in Millionenhöhe erwirtschaftet (12,5, 21,2 und 9,2 Mio DM). Die zugeflossenen Erträge aus den Beteiligungsfirmen in Höhe von 20,7, 30,8 und 20,3 Mio DM, die bei der Klägerin im og Zeitraum noch zu Jahresüberschüssen in Höhe von 4,8, 6,9 und 8,2 Mio DM geführt hätten, dürften insoweit nicht berücksichtigt werden. Denn maßgebend sei nicht, ob die Erstattungsforderung für den Konzern eine unzumutbare Belastung darstelle, sondern ob dies das Unternehmen als rechtlich selbstständige Einheit treffe, was zu bejahen sei.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG. Eine unzumutbare Belastung durch die Erstattungsforderungen scheitere schon daran, dass die beträchtlichen Gewinne aus Beteiligungen an anderen Unternehmen in die Gewinn- und Verlustrechnung bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens zu berücksichtigen seien. Sie wiesen einen besonders engen Bezug zum Gegenstand des Unternehmens auf und stellten keine unzulässige konzernbezogene Betrachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens dar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Oktober 2005 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. November 2003 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Der Senat folgt der Auslegung des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG durch das LSG nicht. Für eine abschließende Entscheidung durch den Senat reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG jedoch nicht aus.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, soweit es um die Erstattung wegen des an A. gezahlten Alg geht, der Bescheid vom 18. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2000. Der vom LSG im Tenor genannte "Bescheid vom 3. Dezember 1998" ist in Wahrheit ein Schreiben, mit dem die Beklagte ihrer Anhörungspflicht nach § 24 Abs 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <SGB X> nachgekommen ist. Ein isoliert anfechtbarer Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X liegt darin nicht.
Soweit es um die Erstattung wegen des an E. gezahlten Alg geht, ist Streitgegenstand der Bescheid vom 16. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2000. Nicht Streitgegenstand sind die vom LSG im Tenor genannten "Bescheide vom 26. April 2000 und 2. Dezember 1998". Mit dem ersten Bescheid wird eine Teilabhilfe bezüglich des Bescheids vom 17. Dezember 1998 vorgeschlagen, die dann erst der Bescheid vom 16. Mai 2000 umgesetzt hat. Diese (interne) Verfügung vom 26. April 2000 ist mangels Außenwirkung kein Verwaltungsakt iS von § 31 SGB X. Bei dem Schreiben vom 2. Dezember 1998 handelt es sich nur um eine Anhörung.
Grundlage für die Pflicht der Klägerin, Alg und die hierauf entfallenden Beiträge zur KV und RV zu erstatten, ist § 128 Abs 1 und 4 AFG (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung von Fördervoraussetzungen im AFG und anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 - BGBl I 2044 - erhalten hat, in Kraft bis 31. März 1997) iVm § 242m Abs 10 AFG (Fassung: 18. Dezember 1992). Nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt für Arbeit (BA) - heute: Bundesagentur für Arbeit - vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Soweit nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG Alg zu erstatten ist, schließt dies die auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ein (§ 128 Abs 4 AFG).
Nach § 128 Abs 2 Nr 2 Alt 2 AFG entfällt die Erstattungspflicht, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass die Erstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch die Erstattung die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären. Dabei handelt es sich nicht lediglich um einen Unterfall der Existenzgefährdung nach § 128 Abs 2 Nr 2 Alt 1 AFG. Mit diesem Tatbestand sollen vielmehr diejenigen Konstellationen erfasst werden, bei denen eine Belastung unterhalb der Schwelle der Existenzgrundlage zur Unzumutbarkeit führt, weil durch die Erstattung Arbeitsplätze gefährdet werden (BT-Drucks 12/3211, S 26; vgl auch BSGE 87, 132, 141 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10).
Ob ein solcher Fall vorliegt, kann nach den Feststellungen des LSG nicht entschieden werden. Eine durch die Erstattungspflicht eintretende unzumutbare Belastung konnte jedoch entgegen der Rechtsauffassung des LSG nicht schon damit begründet werden, dass allein auf die Ertragssituation des von der Beklagten betriebenen operativen Geschäfts abzustellen und eine Berücksichtigung von Erträgen aus Beteiligungen der Klägerin nicht zulässig sei. Die auch vom LSG im Grundsatz befürwortete unternehmensbezogene Betrachtungsweise (vgl Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 147a Rz 289, Stand Juni 2004; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, K § 147a RdNr 209, Stand Mai 2003) macht stattdessen eine umfassende Bewertung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens erforderlich (BSGE 88, 31, 39 = SozR 3-4100 § 128 Nr 12). Hieraus kann nicht der Schluss gezogen werden, die Einbeziehung der Erträge aus Unternehmensbeteiligungen führe zu einer nicht statthaften konzernbezogenen Betrachtungsweise. Das LSG hat es vielmehr abgelehnt, bei der Prognose der Belastungssituation Finanzmittel mit einzubeziehen, die dem von der Klägerin als juristischer Person betriebenen Unternehmen tatsächlich zugeflossen sind. Diese Auffassung lässt sich schon mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (<BVerfG> BVerfGE 81, 156, 189 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1) zur Lenkungsfunktion des § 128 AFG nicht vereinbaren. Stellte man - wie das LSG - nur auf den operativen Bereich ab, so käme es zu einer fiktiven prognostischen Bewertung.
Die umfassende Betrachtung der wirtschaftlichen Situation entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Danach wird nicht auf die Situation im Betrieb oder in Teilen des Unternehmens, sondern im gesamten Unternehmen abgestellt (BSGE 88, 31, 39 = SozR 3-4100 § 128 Nr 12). Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) behandelt in seiner Rechtsprechung zu § 16 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz <BetrAVG>) das "operative Ergebnis" eines Wirtschaftsjahres nur als Anhaltspunkt für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (BAGE 83, 1, 9 f = AP Nr 35 zu § 16 BetrAVG). Aussagekräftig ist es nur, wenn es Schlüsse auf die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung zulässt.
Die hier vertretene umfassende Betrachtung liegt im Übrigen auch den Regelungen über Kapitalgesellschaften nach dem HGB zu Grunde. So sind Anteile an verbundenen Unternehmen bzw Beteiligungen in die Bilanz einzustellen (vgl § 266 HGB). Gleichzeitig sind Erträge aus Beteiligungen und Erträge aus anderen Wertpapieren ebenso wie Abschreibungen auf Finanzanlagen Bestandteile der Gewinn- und Verlustrechnung (vgl § 275 HGB). Dies ist im Hinblick auf den Zweck der Regelung in § 128 AFG zwar nicht ausschlaggebend, macht aber deutlich, dass andere Rechtsbereiche die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens ebenfalls umfassend bewerten.
Das LSG hat, ausgehend von seiner vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht, nicht alle für die Entscheidung über die Erstattungspflicht erforderlichen Tatsachen festgestellt. So steht bislang nicht fest, ob bzw in welchem Umfang nach Durchführung des Personalabbaus durch die Erstattungsforderung weitere Arbeitsplätze gefährdet sind. Zwar hat das BSG bereits entschieden (BSGE 87, 132, 141 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10), dass in einem solchen Fall nicht der Verlust von Arbeitsplätzen in einem bestimmten Mindestumfang drohen muss. Eine Bagatellgrenze ergibt sich bei der praktischen Umsetzung der Regelung aber daraus, dass sich ein Nachweis der weiteren Arbeitsplatzgefährdung unterhalb eines gewissen Schwellenwertes nicht führen lässt, weil das Unternehmen einer geringfügigen Kostenbelastung auf andere Weise begegnen kann. Der Senat geht nach seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl BSG, Urteil vom 10. Februar 2004 - B 7 AL 98/02 R - RdNr 22) in Anlehnung an § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG davon aus, dass ein Personalabbau iS von § 128 Abs 2 Nr 2 AFG nur dann wesentlich ist, wenn der in § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG genannte Schwellenwert von 3 vH überschritten ist. Dabei genügt der Vortrag des Arbeitgebers, dass der Verlust von weiteren Arbeitsplätzen abstrakt droht, die gefährdeten Arbeitsplätze oder Arbeitnehmer müssen nicht konkret bezeichnet werden (BSGE 88, 31, 38 = SozR 3-4100 § 128 Nr 12). Denn durch die Anwendung der Härteregelung soll gerade vermieden werden, dass dem Arbeitgeber hypothetische Darlegungen abverlangt werden.
Bezüglich der Gefährdung der verbleibenden Arbeitsplätze durch die Erstattung ist auf der Basis des Vortrags der Klägerin eine Prognose über die Auswirkungen der Erstattungsforderungen für die verbleibenden Arbeitsplätze notwendig, die vom LSG als Tatsacheninstanz vorzunehmen ist. Es gelten die allgemein für Prognoseentscheidungen geltenden Maßstäbe, sodass für die Richtigkeit der Prognose nicht entscheidend ist, ob sie durch die weitere wirtschaftliche Entwicklung bestätigt wird (BSGE 87, 132, 140 f = SozR 3-4100 § 128 Nr 10).
Zwischen der Gefährdung der verbliebenen Arbeitsplätze und der Erstattungspflicht muss schließlich ein ursächlicher Zusammenhang durch das LSG prognostiziert werden. Nach der im Sozialrecht und auch im Arbeitsförderungsrecht herrschenden Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSGE 69, 108, 111 f = SozR 3-4100 § 119 Nr 6 mwN) ist im Wege der Wertung zu beurteilen, welche Bedingungen wesentlich sind. Dabei wird das LSG bei seiner Prognoseentscheidung zu beachten haben, dass Gründe, die außerhalb der wirtschaftlichen Situation des von der Erstattungsforderung betroffenen Unternehmens liegen, außer Betracht zu bleiben haben (vgl BSGE 88, 31, 39 = SozR 3-4100 § 128 Nr 12). Nach Sinn und Zweck der Regelung sind alle von der Beklagten für die streitigen Zeiträume geforderten Erstattungen dabei zu berücksichtigen, und das LSG wird zu prüfen haben, ob die Erstattungsforderungen der Beklagten im Verhältnis zu den durch die Personalverminderungen eingesparten Kosten nicht unwesentlich sind (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 16 S 149 f). Dabei wird das LSG ggf aufzuklären haben, ob der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung des Kündigungsschutzgesetzes überhaupt weitere Kündigungen möglich waren. Das LSG wird für die erforderliche Prognose ggf die Klägerin zu einer Ergänzung ihrer Darlegung im Rahmen des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG anhalten müssen.
Eine Zurückverweisung entfällt auch nicht deshalb, weil aus anderen Gründen die Bescheide aufgehoben werden müssten. Die Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 1 AFG bezüglich des Alters von A. und E., des zeitlichen Umfangs der Erstattungen und der Vierteljährlichkeit sind erfüllt. Das LSG wird jedoch ggf zu prüfen haben, ob A. und E. andere Leistungen iS von § 128 Abs 1 Satz 2 AFG beanspruchen konnten oder ob Ausschlussgründe iS von § 128 Abs 1 Satz 2 AFG vorgelegen haben. So ist mangels Feststellungen des LSG nicht überprüfbar, ob die Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 6 und 7 AFG (keine Erstattungspflicht wegen Personalverminderung von mehr als 3 vH bzw mindestens 10 vH sowie wegen Personalverminderung um mindestens 20 vH) vorliegen. Die Feststellungen des LSG lassen zudem eine Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 4 AFG nicht zu. Nach dieser Vorschrift tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat.
Wenn aber das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag, nicht durch ordentliche Kündigung, beendet wurde, greift die Ausnahme von der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG nicht. Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, dass diese Regelung über ihren Wortlaut hinaus nicht auf Fälle einer einvernehmlichen (sozial gerechtfertigten) Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag oder Ähnliches erstreckt werden kann (vgl BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 5; BSG, Urteil vom 20. September 2001 - B 11 AL 30/01 R - mwN; BSG, Urteil vom 13. Juli 2006 - B 7a AL 32/05 R ). Dies verstößt nicht gegen Art 12 Abs 1 und Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (vgl BVerfG, Beschluss vom 9. September 2005 - 1 BvR 620/01 - SozR 4-4100 § 128 Nr 4). Ob allerdings eine Vereinbarung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt und damit als Aufhebungsvertrag die Anwendung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG ausschließt, hängt vom Inhalt der rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen ab (BSGE 93, 159, 161 = SozR 4-4100 § 128 Nr 3). Ggf ist zu klären, ob die Beteiligten nicht trotz formaler Aufspaltung in eine vorausgehende Kündigung und eine nachfolgende vertragliche Regelung in Wirklichkeit (§ 117 Bürgerliches Gesetzbuch) ein einheitliches Rechtsgeschäft iS eines Aufhebungsvertrages angestrebt haben (BSGE 77, 48, 51 ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 9), zumal Kündigung und Vereinbarung im Fall des A. das gleiche Datum tragen.
Sollten die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG bejaht werden, müsste das LSG auch die Höhe des Erstattungsbetrages überprüfen. Dabei ist nicht nur von Bedeutung, in welcher Höhe Alg bzw Beiträge gezahlt worden sind, sondern auch, ob Alg und Beiträge überhaupt und in dieser Höhe oder diesem Umfang hätten gezahlt werden müssen (vgl BSG SozR 3-4100 § 128a Nr 7 mwN; BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 3; BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 5). Die geltend gemachten Ansprüche sind jedenfalls nicht verjährt (vgl BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 13 S 119 f).
Das LSG wird gegebenenfalls auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Ende der Entscheidung
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