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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: B 7a AL 2/06 R
Rechtsgebiete: SGB III, SGB X, AlhiV, GG
Vorschriften:
SGB III F: 10.12.2001 § 330 Abs 1 Alt 2 | |
SGB III § 193 Abs 1 | |
SGB III F: 13.09.2001 § 194 Abs 2 S 2 Nr 2 | |
SGB III F: 24.03.1997 § 206 Nr 4 | |
SGB X § 44 Abs 1 S 1 | |
AlhiV J: 2002 F: 23.12.2001 § 3 Abs 2 | |
GG Art 3 Abs 1 |
Entscheidung wurde am 06.06.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Az: B 7a AL 2/06 R
Der 7a. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 8. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Udsching, die Richter Eicher und Dr. Koloczek sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Dörr und Hesse
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 3. November 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 30. April 2002 bis 27. April 2003.
Der im Jahre 1955 geborene, verheiratete Kläger bezog bis 29. April 2000 Arbeitslosengeld. Anschließend stand er im Bezug von Alhi, die ihm die Beklagte unter Berücksichtigung des Einkommens (9,73 Euro) seiner Ehefrau bis 29. April 2002 in Höhe von 124,74 Euro wöchentlich zahlte (wöchentliches Bemessungsentgelt 345 Euro; Leistungsgruppe A; ein Kind). Bei erneuter Antragstellung im April 2002 verfügten der Kläger und seine Ehefrau über ein Girokonto (Guthaben: 1.200 Euro) sowie ein Sparbuch in Höhe von 16968,71 DM (Zins in 2001: 228,41 DM = 116,78 Euro). Darüber hinaus sind im Jahr 2002 folgende monatliche Versicherungsbeiträge angefallen: 5,35 Euro für Hausratversicherung (jährlich: 64,20 Euro), 1,47 Euro für Gebäudeversicherung (jährlich: 17,64 Euro), 9,41 Euro für Unfallversicherung, 72,87 Euro für eine Lebensversicherung, 148,48 Euro für eine zweite Lebensversicherung, 65,71 Euro - nach Ausführungen des LSG - für eine "Sachversicherung", 5,89 Euro für eine private Haftpflichtversicherung (jährlich: 70,68 Euro), 29,44 Euro für eine Kfz-Haftpflichtversicherung sowie 11,69 Euro für eine Rechtsschutzversicherung (jährlich: 140,28 Euro).
Nach Ablauf des am 29. April 2002 endenden Bewilligungszeitraums bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 30. April 2002 bis 29. April 2003 Alhi nur noch in Höhe von wöchentlich 11,76 Euro (Bescheid vom 31. Mai 2002) bzw ab 1. Juli 2002 in Höhe von 2,38 Euro (Änderungsbescheid vom 11. Juli 2002: Leistungsgruppe A; kein Kindermerkmal; Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2002). Im Berücksichtigungsbetrag vom 121,94 Euro seien das Zinseinkommen, das nach Werbungskosten, Freibetrag und Pauschbetrag verminderte Einkommen der Ehefrau sowie die Aufwendungen für den privaten Versicherungsschutz in Höhe von 3 % ihres monatlichen Bruttoeinkommens - hier: 72,77 Euro - berücksichtigt.
Am 24. November 2002 beantragte der Kläger die Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide gemäß § 44 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <SGB X>). Die Absetzung von Versicherungsbeiträgen lediglich in Höhe von 3 % des Einkommens sei rechtswidrig. Die Beklagte lehnte eine höhere Leistung ab (Bescheid vom 20. Dezember 2002; Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2003). Am 28. April 2003 hat der Kläger eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen. Die Beklagte hat die Bewilligung deshalb ab diesem Zeitpunkt aufgehoben.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2003 verurteilt, die Bescheide vom 31. Mai 2002 und vom 11. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2002 abzuändern und dem Kläger ab 30. April 2002 Alhi in Höhe von 85,62 Euro wöchentlich zu zahlen (Urteil vom 30. September 2003). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG insoweit aufgehoben, "als die Beklagte verpflichtet wurde, die Bescheide vom 31. Mai 2002 und 11. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2002 über die Bewilligung eines Betrages in Höhe von wöchentlich 66,40 Euro hinaus abzuändern"; insoweit wurde die Klage abgewiesen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 3. November 2005). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Berufung der Beklagten sei im Wesentlichen unbegründet. Wie das Bundessozialgericht (BSG) mehrfach entschieden habe (BSG, Urteile vom 9. Dezember 2004 - B 7 AL 22/04 R und B 7 AL 24/04 R; Urteil vom 17. März 2005 - B 7a/7 AL 90/04 R), sei die Pauschalierung des § 3 Abs 2 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) 2002, wonach lediglich ein Betrag von 3 % des Einkommens abzusetzen sei, nicht ermächtigungskonform und wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nicht anzuwenden. Es seien vielmehr die tatsächlich angefallenen und auch angemessenen Versicherungsbeiträge vom Einkommen abzuziehen. Die Rücknahme des Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit werde nicht durch § 330 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) ausgeschlossen, da der Kläger seinen Antrag bereits im November 2002, also vor den Entscheidungen des BSG zum Entstehen einer ständigen Rechtsprechung, gestellt habe. Jedoch belaufe sich die Höhe des Leistungsbetrags, wie die Beklagte zutreffend berechnet habe, bei einem Abzugsbetrag von 57,92 Euro auf 66,40 Euro pro Woche.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 330 Abs 1 SGB III iVm § 206 Nr 4 SGB III und mit § 3 Abs 2 AlhiV 2002. § 330 Abs 1 SGB III sei - ebenso wie schon § 152 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) - eine verfahrensrechtliche Sonderregelung im Arbeitsförderungsrecht, die bei unanfechtbaren Verwaltungsakten der Rechtssicherheit Vorrang vor dem Rechtsschutz des Einzelnen gebe und damit die von § 44 Abs 1 SGB X normierte Rücknahme für die Vergangenheit einschränke. § 330 Abs 1 SGB III verstoße nicht dadurch gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz, dass der Kläger anders als die Versicherten behandelt werde, welche die die Rechtslage klärenden Urteile erwirkt hätten. Die Vorschrift wirke sich vielmehr in ähnlicher Weise aus wie eine Stichtagsregelung, da es jeder Versicherte grundsätzlich in der Hand habe, durch Einlegung von Rechtsmitteln die Bestandskraft eines Verwaltungsakts zu verhindern. Die ständige Rechtsprechung des BSG, dass § 3 Abs 2 AlhiV 2002 nicht ermächtigungs- und nicht verfassungskonform sei, sei erst mit dem Urteil vom 17. März 2005 - B 7a/7 AL 90/04 R - entstanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG sowie das Urteil des SG insgesamt aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
II
1. Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung der LSG-Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Zwar hat das LSG zu Recht entschieden, dass § 330 Abs 1 SGB III vorliegend die Anwendung von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht modifiziert, da der Kläger den Antrag auf Überprüfung bereits vor Entstehen der ständigen Rechtsprechung des BSG gestellt hat (dazu unter 2). Für die Entscheidung, ob und in welcher Höhe Versicherungsbeiträge vom Einkommen der Ehefrau nach § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III abzusetzen sind und damit dem Kläger die vom LSG zugesprochene höhere Alhi zusteht, fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen (dazu unter 3).
Im Streit ist der Zeitraum vom 30. April 2002 bis 27. April 2003. Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2003 (§ 95 SGG), mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, die bestandskräftigen Bescheide vom 31. Mai 2002 und 11. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 2002 zu Gunsten des Klägers zu ändern. Hiergegen wehrt sich der Kläger mit einer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG). Darüber hinaus dürfte jedoch für die Zeit ab 1. Januar 2003 wegen Inkrafttretens einer neuen Leistungsentgeltverordnung ein weiterer Bescheid und damit ein Folgebescheid gemäß § 96 SGG analog ergangen sein, über den der Senat mangels entsprechender Rüge im Revisionsverfahren nicht zu befinden hat. Das LSG wird jedoch nach der Zurückverweisung der Sache einen eventuell ergangenen Folgebescheid zu beachten haben.
2. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Abzug nur einer Pauschale von 3 vH des Einkommens für Versicherungsbeiträge rechtswidrig ist und Einschränkungen des § 330 Abs 1 SGB III für die Aufhebung von Verwaltungsakten zulasten des Klägers nicht gelten.
Nach § 330 Abs 1 SGB III (idF, die § 330 durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente <Job-AQTIV-Gesetz> vom 10. Dezember 2001 - BGBl I 3443 - erhalten hat) ist ein Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder nach dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen, wenn die in § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch das Arbeitsamt (jetzt: Agentur für Arbeit) ausgelegt worden ist.
Ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG), ob das Recht bei Erlass des Verwaltungsakts unrichtig angewandt worden ist und damit die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X erfüllt sind, hat das LSG jedoch nicht getroffen; dies wird nachzuholen sein (vgl unter 3). Jedenfalls hat die Beklagte den Bescheid vom 31. Mai 2002 fehlerhaft auf den auf Grund von § 206 Nr 4 SGB III (idF, die § 206 durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997 - BGBl l 594 - erhalten hat) erlassenen § 3 Abs 2 AlhiV 2002 (idF, die § 3 durch das Gesetz vom 13. Dezember 2001 - BGBl I 3734 - erhalten hat) gestützt. Danach ist als Pauschbetrag für die nach § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III (idF, die § 194 durch das Gesetz zur Reform des Wohnungsbaurechts vom 13. September 2001 - BGBl I 2376 - erhalten hat) vom Einkommen abzusetzenden Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, die gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, ein Betrag in Höhe von 3 % des Einkommens abzusetzen, wenn der Arbeitslose und sein Partner in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig sind, in den übrigen Fällen ein Betrag in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen. Dazu hat der Senat entschieden, dass die in der AlhiV 2002 vorgesehene pauschale Regelung, wonach 3 vH des Einkommens für Versicherungsbeiträge von dem bei der Alhi leistungsmindernd zu berücksichtigenden Einkommen abzusetzen sind, nicht ermächtigungs- und nicht verfassungskonform ist, sodass hinsichtlich der vom Einkommen abzusetzenden Beträge grundsätzlich nur auf § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III abzustellen ist (vgl BSG SozR 4-4220 § 3 Nr 1, BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - B 7 AL 22/04 R -, sowie Urteile vom 17. März 2005 - B 7 AL 70/04 R und B 7 AL 90/04 R).
Die zeitliche Einschränkung der rückwirkenden Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes, der eine Leistung vorenthalten hat, gilt dann nicht, wenn das Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X schon vor der Entstehung der ständigen Rechtsprechung in Gang gesetzt worden ist (vgl im Ansatz schon BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - B 7a AL 12/05 R -, SozR 4-4300 § 71 Nr 2 RdNr 11). Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger hat im November 2002 einen Antrag nach § 44 SGB X gestellt. Es kann daher offen bleiben, ob bereits mit den Entscheidungen des Senats vom 9. Dezember 2004 (aaO; so Gabke, juris PraxisReport Sozialrecht 12/2005, Anm 2) eine ständige Rechtsprechung entstanden ist.
Die Vorschrift des § 330 SGB III dient ausschließlich den Interessen der Beklagten. Nach der Begründung zur Vorgängerregelung des § 152 AFG (BT-Drucks 12/5502, S 37 zu Nr 43; siehe auch BT-Drucks 8/2034, S 37) soll sie dem Umstand Rechnung tragen, dass die Arbeitsämter - anders als die meisten Sozialversicherungsträger - die Leistungen überwiegend kurzfristig zu erbringen haben, sodass Überzahlungen praktisch nicht zu vermeiden sind. Die Beklagte soll damit von einer massenhaft rückwirkenden Korrektur von Verwaltungsakten entlastet werden. Ob diese - aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bedingte - Abweichung von den Regeln der §§ 44 ff SGB X, die zwischen dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auf der einen Seite und dem Vertrauensschutz der Versicherten auf der anderen Seite ausgewogene Lösungen enthalten, sinnvoll ist, wird in der Literatur bezweifelt (vgl Vor in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 31 RdNr 9). Zwar bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 330 Abs 1 SGB III nicht (vgl BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 10 S 39 f mwN); die sozialpolitisch zweifelhafte Zielsetzung der Norm legt jedoch eine enge Auslegung nahe. Denn es ist nicht verständlich, dass sich Fehler bei einem Versicherungsträger, nur weil sie angeblich gehäuft vorkommen, weniger einschneidend auswirken sollen als in anderen Bereichen des Sozialrechts (vgl Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 330 Rz 18 und Rz 2, Stand November 2006). Jedenfalls wenn ein Betroffener - wie vorliegend - bereits vor dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung einen Antrag nach § 44 SGB X gestellt hat, darf er nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der eine "ständige Rechtsprechung" iS von § 330 Abs 1 SGB III herbeigeführt hat. Denn dieser ist den Beschränkungen des § 330 Abs 1 SGB III noch nicht unterworfen. § 330 Abs 1 Alt 2 SGB III soll nur verhindern, dass so genannte "Trittbrettfahrer" von den Entscheidungen des BSG profitieren. Das kann dem Kläger nicht vorgehalten werden.
3. Für eine abschließende Entscheidung darüber, ob dem Kläger im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X höhere Alhi zusteht, fehlen allerdings ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG).
Es fehlen insbesondere hinreichende Feststellungen für eine Entscheidung über das bei der zu gewährenden Alhi zu Grunde zu legende Bemessungsentgelt (§ 200 SGB III), zu dem Nebeneinkommen des Klägers (§ 198 Satz 2 Nr 6 SGB III iVm § 141 SGB III) und zur Beurteilung der Bedürftigkeit (§ 190 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB III) mit Rücksicht auf vorhandenes Vermögen (§ 193 Abs 2 SGB III). Gleiches gilt für das zu berücksichtigende Einkommen der Ehefrau des Klägers (§§ 193 Abs 1, 194 SGB III). Wegen der fehlenden tatsächlichen Feststellungen zum Einkommen der Ehefrau des Klägers ist auch die endgültige Bestimmung des Freibetrags nach § 194 Abs 1 Satz 2 SGB III nicht möglich. Auch die Höhe der nach § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGB III anerkannten, vom Einkommen abzusetzenden Werbungskosten ist in der Sache nicht nachprüfbar. Zumindest nicht in vollem Umfang nachprüfbar ist darüber hinaus der vom Einkommen ebenfalls abzusetzende Betrag für Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen (§ 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III); für den Teilzeitraum ab 1. Januar 2003 fehlen insoweit Feststellungen gänzlich. Welche Versicherungsbeiträge vom Einkommen der Ehefrau des Klägers nach § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III für das Jahr 2003 abzusetzen sind, ist deshalb überhaupt nicht überprüfbar. Das LSG hat zu den Beiträgen für das Jahr 2003 keine Feststellungen getroffen. Die Beiträge für das Jahr 2002 können hierfür nicht herangezogen werden.
Soweit es das Jahr 2002 betrifft, handelt es sich bei den geltend gemachten und vom LSG festgestellten Beiträgen jedenfalls um solche zu öffentlichen und privaten Versicherungen. Zu unterscheiden ist nach § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III zwischen gesetzlich vorgeschriebenen und nach Grund und Höhe angemessenen Beiträgen. Gesetzlich vorgeschrieben sind die Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung nach § 1 Pflichtversicherungsgesetz. Diese Beiträge sind in Höhe von 29,44 Euro pro Monat zu berücksichtigen. Gegen die Qualifizierung als gesetzlich vorgeschrieben kann nicht eingewandt werden, der Kläger und seine Ehefrau könnten auf das Auto verzichten, sodass diese Beiträge nicht zwingend anfielen. Das Kfz des Arbeitslosen oder seiner Ehefrau ist privilegiertes Vermögen iS des § 1 Abs 3 Nr 2 AlhiV 2002. Dem muss auch bei der Auslegung des § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III Rechnung getragen werden (BSG SozR 4-4220 § 3 Nr 1 RdNr 27; vgl zum Recht des Sozialgesetzbuches Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R - RdNr 26).
Alle sonstigen vom LSG festgestellten Versicherungsbeiträge sind gesetzlich nicht vorgeschrieben. Sie müssen deshalb nach Grund und Höhe angemessen sein. Ob dies für alle geltend gemachten Beiträge zu bejahen ist, kann nicht endgültig entschieden werden. Bei der Auslegung des Begriffs der Angemessenheit ist auf die bisherige Lebensstellung des Arbeitslosen und seiner Ehefrau abzustellen, weil die Alhi dem Arbeitslosen als Lohnersatzleistung einen prozentualen Anteil seines bisherigen Lebensstandards erhalten soll (Lebensstandardprinzip: BVerfGE 87, 234, 257 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3 S 31). Die Höhe der Alhi richtet sich mithin nach dem vor der Arbeitslosigkeit erzielten pauschalierten Nettoarbeitsentgelt, nicht nach dem existenziellen Bedarf (BSG, aaO, RdNr 16). Die engere Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 116, 342, 344) zur Vorschrift des § 76 Abs 2 Nr 3 Bundessozialhilfegesetz, die ua darauf abstellt, ob Bezieher geringerer Einkommen knapp über der Sozialhilfe entsprechende Aufwendungen zu tätigen pflegen, und voraussetzt, dass dadurch eine Entlastung der Sozialhilfe eintritt, ist insbesondere wegen des Lebensstandardprinzips der Alhi auf diese nicht übertragbar (Krauß in Praxiskommentar SGB III, 2. Aufl 2004, § 194 RdNr 52).
Die Angemessenheit dieser Versicherungsbeiträge bestimmt sich daher danach, ob sie wirtschaftlich sinnvoll sind (BSG, aaO, RdNr 29). Dabei ist jedenfalls für die Angemessenheit der Beiträge dem Grunde nach davon auszugehen, dass dieses Kriterium schon dann erfüllt ist, wenn entsprechende Versicherungen üblicherweise abgeschlossen werden. Der Senat geht aus Praktikabilitätsgründen von einer Üblichkeit aus, wenn in mehr als 50 % aller Haushalte entsprechende Versicherungen abgeschlossen sind (BSG, aaO, RdNr 29); unerheblich ist es, ob Versicherungsnehmer der Arbeitslose selbst oder sein Ehegatte ist (BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 4 S 23). Alternatives Kriterium für die Angemessenheit ist jedoch die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit einer entsprechenden Versicherung. Insoweit hat der Senat in seiner Entscheidung (BSG, aaO, RdNr 31) bereits die Angemessenheit einer privaten Haftpflicht- und einer Hausratversicherung - hier unter Einschluss einer Gebäudeversicherung - dem Grunde nach bejaht, sodass insoweit lediglich die Angemessenheit der Beitragshöhe vom LSG näher überprüft werden muss.
Dagegen sind die Unfallversicherung und die private Rechtsschutzversicherung (vgl BSG, aaO, RdNr 31) bereits dem Grunde nach auf ihre Angemessenheit zu überprüfen. Diese bestimmt sich entweder nach der Üblichkeit im bezeichneten Sinne oder danach, ob und inwieweit sie unter Berücksichtigung der besonderen Umstände dem Grunde und der Höhe nach anzuerkennen sind. Eine solche Prüfung wird das LSG auch für die freiwilligen Beiträge zur - nicht näher benannten - Sachversicherung (monatlich: 65,71 Euro) vorzunehmen haben, falls es sich nicht um gesetzlich vorgeschriebene Versicherungsbeiträge handelt.
Von den vom LSG festgestellten Beiträgen zu den drei Lebensversicherungen (Gesamtbeitrag: 261,35 Euro) wird eine Lebensversicherung in Höhe von 40 Euro vom Arbeitgeber finanziert; dieser Beitrag ist damit in Übereinstimmung mit dem LSG nicht abzugsfähig. Dass im Übrigen Beiträge zu bestimmten Lebensversicherungen nicht von vornherein ausgeschlossen sind, hat der Senat ebenfalls in seinem Urteil vom 9. Dezember 2004 dargelegt (BSG, aaO, RdNr 32). Voraussetzung für eine Absetzbarkeit ist aber, dass die bestehenden Lebensversicherungen tatsächlich der Altersvorsorge dienen. Dies wird das LSG zu ermitteln haben. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III kann jedoch eine Angemessenheit dem Grunde nach nur bejaht werden, soweit der Wert der Lebensversicherung höhenmäßig dem durch die AlhiV 2002 privilegierten Betrag entspricht. Denn es kann nicht Aufgabe der Arbeitslosenversicherung sein, die Zahlung von Beiträgen zu Lebensversicherungen zu unterstützen, die ihrerseits nicht mehr privilegiert wären, wenn sie verwertbar wären und ihre Verwertbarkeit nicht offensichtlich unwirtschaftlich wäre. Auch dies wird das LSG bei seiner Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zu beachten haben (vgl BSG, aaO, RdNr 34 f).
Das LSG wird außerdem über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Ende der Entscheidung
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