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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 26.08.2008
Aktenzeichen: B 8/9b SO 10/06 R
Rechtsgebiete: SGB XII, BSHG, SGG, GG


Vorschriften:

SGB XII F: 09.12.2004 § 35 Abs. 1
SGB XII F: 09.12.2004 § 35 Abs. 2
SGB XII F: 09.12.2004 § 133a
BSHG F: 23.03.1994 § 21 Abs. 3 S. 4
SGG § 95
GG Art 3 Abs. 1
GG Art 20 Abs. 3

Entscheidung wurde am 16.02.2009 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt.
1. Personen, die sich vor dem 1.1.2005 nicht in einer vollstationären Einrichtung befanden, werden nicht dadurch in ihren Grundrechten verletzt, dass der zusätzliche Barbetrag bei vollstationären Sozialhilfeleistungen, der bis 31.12.2004 Hilfeempfängern wegen der Beteiligung an den Kosten des Aufenthalts in der Einrichtung zustand, ab 1.1.2005 nur noch denjenigen gezahlt wird, die am 31.12.2004 einen Anspruch darauf hatten.

2. Zur Beschränkung des Streitgegenstands bei Sozialhilfeleistungen.


BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 26. August 2008

in dem Rechtsstreit

Az: B 8/9b SO 10/06 R

Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. August 2008 durch den Vorsitzenden Richter Eicher, den Richter Coseriu und die Richterin Behrend sowie die ehrenamtlichen Richter Simon und Tesar für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22. August 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Im Streit sind höhere Leistungen des laufenden weiteren notwendigen Lebensunterhalts in vollstationären Einrichtungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit ab 1. August 2005, insbesondere ein höherer Barbetrag in Form des zusätzlichen Barbetrags für Hilfeempfänger, die sich an den Aufenthaltskosten in der Einrichtung beteiligen.

Die 1948 geborene Klägerin wird seit dem 17. Juni 2005 im evangelischen Pflegeheim Homberg vollstationär betreut. Sie bezieht ua eine gesetzliche Witwen- (im Juni 2005: 789,29 Euro monatlich) und eine betriebliche Werksrente (im Januar 2005: 156,26 Euro monatlich) sowie von ihrer Pflegekasse Leistungen zu den Aufwendungen der vollstationären Pflege (im Juni bzw Juli 2005: 1.023 Euro monatlich).

Der Beklagte bewilligte neben dem ab 17. Juni 2005 unmittelbar an das Pflegeheim gezahlten täglichen Pflegesatz (in Höhe von 82,55 Euro) für die Zeit ab 1. August 2005 einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung in Höhe von 89,70 Euro monatlich ohne den (weiteren) zusätzlichen Barbetrag des § 133a SGB XII für die Hilfeempfänger, die bereits am 31. Dezember 2004 wegen Beteiligung an den Kosten des Aufenthalts in einer Einrichtung einen Anspruch darauf nach § 21 Abs 3 Satz 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) hatten (Bescheid vom 19. August 2005; Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2005).

Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat die auf einen höheren Barbetrag gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 22. August 2006). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe ein zusätzlicher Barbetrag nach § 133a SGB XII nicht zu, weil sie am 31. Dezember 2004 keinen Anspruch auf diese Leistungen besessen habe. Die bis 31. Dezember 2004 geltende Regelung des § 21 Abs 3 Satz 4 BSHG sei - von den Übergangsfällen des § 133a SGB XII abgesehen - ersatzlos entfallen. Die Streichung des zusätzlichen Barbetrags sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG), weil dafür ein vernünftiger Grund bestehe. Mit dem Wegfall dieser Leistung zum 1. Januar 2005 habe die Ungleichbehandlung von Leistungsberechtigten innerhalb und außerhalb von stationären Einrichtungen beendet und der Grundsatz "ambulant vor stationär" in der Praxis umgesetzt werden sollen. Gründe des Vertrauensschutzes bzw das Sozialstaatsprinzip stünden nicht entgegen. Auch gegen die gesetzliche Übergangsregelung des § 133a SGB XII seien verfassungsrechtliche Bedenken nicht erkennbar.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG (Gleichheitssatz) und Art 1 Abs 1 GG (Menschenwürde). Sie erfahre eine Ungleichbehandlung, weil die Mehrzahl ihrer Mitbewohner in der Einrichtung, die sich ebenso wie sie mit ihren Renteneinkünften an den Pflegekosten beteiligten, weiterhin den zusätzlichen Barbetrag auf Grund der Übergangsregelung des § 133a SGB XII erhielten. Mittel- und langfristig werde damit gerade keine Gleichbehandlung erreicht, weil sogar junge Menschen, die sich bereits vor dem 1. Januar 2005 in stationärer Pflege befunden hätten, den zusätzlichen Barbetrag ohne zeitliche Begrenzung erhalten könnten. Wegen der erst wenige Wochen nach der Gesetzesänderung eingetretenen Verschlimmerung ihres gesundheitlichen Zustandes habe sie sich auf die Gesetzesänderung durch eine anderweitige Absicherung nicht einrichten können. Der Barbetrag zur persönlichen Verfügung reiche nicht aus für eine Finanzierung ihrer persönlichen Bedürfnisse.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 19. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ab August 2005 höhere laufende Leistungen des weiteren notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

II

Die zulässige Sprungrevision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das SG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des SG (§ 163 SGG) kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Zwar steht der Klägerin kein zusätzlicher Barbetrag (§ 133a SGB XII) zu; jedoch kann, weil das SG seine Prüfung allein auf diesen zusätzlichen Barbetrag beschränkt hat, nicht beurteilt werden, ob die Klägerin nicht über den ihr bewilligten Barbetrag zur persönlichen Verfügung in Höhe von 89,70 Euro monatlich hinaus laufende Leistungen des weiteren notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen beanspruchen kann.

Zu Recht ist die Klage gegen den Oberbürgermeister der Stadt Duisburg gerichtet. Die Stadt Duisburg ist als kreisfreie Stadt zuständiger Träger der Sozialhilfe (vgl §§ 97 Abs 1, 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 Satz 1 SGB XII und §§ 1, 2 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen <NRW> vom 16. Dezember 2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt <GVBl> NRW 816 - iVm der Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW vom 16. Dezember 2004 - GVBl NRW 817). Für diese handelt der Oberbürgermeister als beteiligtenfähige Behörde (§ 70 Nr 3 SGG iVm § 3 des Gesetzes zur Ausführung des SGG im Land NRW vom 8. Dezember 1953 - GVBl 412 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Februar 2008 - GVBl 162 -, iVm § 62 Abs 1 und § 63 Abs 1 Satz 1 Gemeindeordnung für das Land NRW idF der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 - GVBl 666).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 19. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2005 (§ 95 SGG), gegen den sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG) wehrt. Ob Folgebescheide ergangen sind, die nach § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden sind, ist vom Senat nicht zu prüfen (§ 161 Abs 4 SGG). Allerdings wird das SG dies nach der Zurückverweisung der Sache von Amts wegen zu untersuchen haben. Dabei ist zu beachten, dass über Leistungen grundsätzlich für die gesamte bis zu dem für die Tatsacheninstanz maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und rechtlichen Änderungen zu befinden ist, weil der Klageantrag nicht zeitlich beschränkt worden ist (Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - RdNr 8).

Inhaltlich ist die Klage beschränkt auf höhere laufende Leistungen des weiteren notwendigen Lebensunterhalts. Grundsätzlich wäre zwar nach dem so genannten Meistbegünstigungsgrundsatz (vgl hierzu nur Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21 ff mwN zur Rechtsprechung) davon auszugehen, dass sich die Klägerin gegen alle im angefochtenen Bescheid enthaltenen Verfügungssätze (= Verwaltungsakte iS des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) wehrt, die die Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 8 Nr 1 SGB XII) regeln. Vorliegend hat die Klägerin jedoch bereits erstinstanzlich ihre Klage begrenzt auf den zusätzlichen Barbetrag; dieser ist seinerseits untrennbarer Bestandteil des angemessenen Barbetrags zur persönlichen Verfügung (§ 35 Abs 2 Satz 1 SGB XII) und damit der laufenden Leistungen des weiteren notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen (§ 35 Abs 1 Satz 1 SGB XII). Einmalige Leistungen, die sich gegenüber den laufenden als abtrennbarer Streitgegenstand darstellen (vgl BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 22/06 R - RdNr 9), sind nicht im Streit. Das gleiche gilt für die Leistungen, die in der Einrichtung selbst erbracht werden, für die der Beklagte unter Übernahme der der Klägerin gegenüber dem Heim bestehenden Zahlungsverpflichtung (vgl dazu mittlerweile das Senatsurteil vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 R: Schuldbeitritt) an das Heim einen monatlichen Pflegesatz zahlt. Diese Leistung unterscheidet sich wesensmäßig von den laufenden Geldleistungen, sodass sie im Klageverfahren streitgegenständlich abgetrennt werden kann.

Mit diesem rechtlichen Befund deckt sich auch der Inhalt des angefochtenen Bescheides, der Ausgangspunkt jeder Bestimmung des Streitgegenstands sein muss. Formal ist insoweit zunächst zu prüfen, ob dem Bewilligungsbescheid auf Grund einer Auslegung mehrere gesonderte Verfügungssätze (Verwaltungsakte) zu entnehmen sind (vgl dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 19; SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 7). Bei der Auslegung sind, soweit der Bescheid nicht bereits ohne jeglichen Zweifel mehrere einzelne Verfügungen enthält, allerdings regelmäßig die materiell-rechtlichen Regelungen des jeweiligen Gesetzes heranzuziehen. Sieht dieses mehrere Leistungen vor, wie dies in § 35 SGB XII für den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen der Fall ist (s oben), ergeben sich schon hieraus bei entsprechender Formulierung mehrere Verfügungssätze; hieraus folgt dann auch die Möglichkeit zur Beschränkung der Klage.

Dies gilt nicht nur im Rahmen der stationären Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, sondern auch für Leistungen des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen nach § 28 SGB XII, weil dort ausdrücklich zwischen dem Regelsatz, den Leistungen für Unterkunft und Heizung und den Sonderbedarfen nach den §§ 30 bis 34 SGB XII unterschieden wird. Das SGB XII geht also nicht nur bei den (besonderen) Hilfen der §§ 47 bis 74 SGB XII, sondern auch bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und den "Leistungen" (so der Gesetzestext) der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff SGB XII) von Einzelansprüchen aus. Insoweit wird die im Urteil vom 16. Oktober 2007 geäußerte Rechtsansicht (B 8/9b SO 2/06 R -RdNr 21) aufgegeben. Es kann dahinstehen, ob dies nicht bei den Regelungen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ebenso gesehen werden könnte; jedenfalls wird dort in § 19 das "Arbeitslosengeld II" als einheitliche Leistung normiert. Der Senat weicht deshalb mit seiner Entscheidung über die Abtrennbarkeit von Streitgegenständen nicht von Entscheidungen des 14. Senats bzw des früheren 11b- oder 7b-Senats (s zu dieser Rechtsprechung nur Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 40 RdNr 119 mwN) iS des § 41 Abs 2 SGG ab. Bei den einzelnen Leistungen des SGB XII handelt es sich mithin nicht um reine Berechnungselemente einer Gesamtleistung, über die sich die Beteiligten allenfalls im Wege eines Teilvergleichs bzw Teilanerkenntnisses wirksam binden können (vgl dazu nur das Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 20/06 R - RdNr 14 mwN zur Rechtsprechung).

Gegen die streitgegenständliche Teilbarkeit kann nicht eingewandt werden, dass bei jeder Einzelleistung alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach geprüft werden müssten, insbesondere, in welchem Umfang Einkommen und Vermögen bei der jeweiligen Leistung zu berücksichtigen sind, soweit das vorhandene Einkommen und Vermögen nicht den gesamten Bedarf deckt (vgl in anderem Zusammenhang BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 21). Das SGB XII enthält hierzu in § 89 Abs 2 nur eine rudimentäre Regelung. Nur angemerkt sei, dass sich jedenfalls im Rahmen des SGB XII nicht die aus dem Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft des SGB II resultierenden Berechnungsprobleme ergeben. Es müssen deshalb aus der Systematik des Gesetzes und Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen Lösungen gefunden werden, soweit nicht gemäß § 92 Abs 1 SGB XII bei Eingliederungsleistungen zunächst ohne Rücksicht auf vorhandenes Vermögen und Einkommen die Leistungen zu erbringen sind und der Leistungsempfänger nur anteilig durch gesonderte Verfügung zu den Kosten heranzuziehen ist (so genanntes Bruttoprinzip). Vorliegend greift nach Aktenlage § 92 SGB XII nicht ein, der Bedarf der Klägerin ist andererseits durch vorhandenes Einkommen und Vermögen nicht gedeckt. Das SG mag dies für den gesamten streitigen Zeitraum ggf genauer prüfen. Nicht entscheidungserheblich ist, dass das so genannte Bruttoprinzip in der Praxis der Sozialhilfeträger generell bei Heimunterbringung üblich ist und diese rechtliche Handhabung auch unter Hinweis auf § 19 Abs 5 SGB XII zweifelhaft bleibt (s dazu nur Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, 1990, S 431 ff). Es ist deshalb nicht darauf einzugehen, dass der Beklagte offenbar die an das Heim gezahlten Renten und Leistungen der Pflegekasse mit dem Pflegesatz "verrechnet". Sollte ein ungedeckter Bedarf verbleiben, dürfte das Einkommen der Klägerin nicht zunächst bei den Leistungen des weiteren notwendigen Lebensunterhalts, die hier allein streitig sind, berücksichtigt werden, sondern bei dem in der stationären Einrichtung erbrachten notwendigen Lebensunterhalt; nach Aktenlage sind die Heimkosten bereits höher als das Einkommen der Klägerin. Würde man Einkommen zunächst bei den weiteren notwendigen Leistungen des Lebensunterhalts berücksichtigen, hätte dies regelmäßig zur Folge, dass diese Leistungen nicht erbracht werden müssten. Denn mehr als den Pflegesatz kann der Sozialhilfeträger als notwendigen (Grund-)Lebensunterhalt in Einrichtungen nicht übernehmen, und eine Auszahlung von Geld ist insoweit regelmäßig ausgeschlossen (vgl dazu mittlerweile das Senatsurteil vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 R).

Ansonsten sind, ohne dass hierüber im vorliegenden Verfahren entschieden werden müsste, als Grundregeln denkbar, das Einkommen und Vermögen zunächst bei laufenden, dann bei einmaligen Leistungen und - außerhalb vollstationärer Leistungen - zuerst bei den Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt und erst danach bei den sonstigen Hilfen zu berücksichtigen (vgl nur Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 89 RdNr 2 mwN zur Literatur) und im Rahmen der einzelnen Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt auf das anteilige Verhältnis zum Gesamtbedarf abzustellen (vgl etwa Schoch in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII <LPK-SGB XII>, § 89 SGB XII RdNr 6). Dabei ist zu beachten, dass die nicht streitigen Leistungen verbindlich festgestellt sind und ggf einer Korrektur durch die Behörde selbst bedürfen; eine Korrektur durch das Gericht durch "Ausgleich" im Rahmen der im Gerichtsverfahren streitigen Leistung ist nicht möglich.

Über die streitgegenständliche Trennbarkeit auf Grund der gesetzlichen Vorgaben mehrerer Leistungsansprüche hinaus muss eine Trennbarkeit außerdem bejaht werden, wenn sich innerhalb einer gesetzlichen Leistung wesensmäßige Unterschiede ergeben, etwa zwischen laufenden und einmaligen Leistungen. Vorliegend jedenfalls hat die Klägerin in ihrem Klageantrag deutlich gemacht, dass sie lediglich höhere laufende Leistungen des weiteren notwendigen Lebensunterhalts verlangt. Insoweit ist allerdings, unabhängig davon, dass der angefochtene Bescheid auch formal keinen Verfügungssatz über den "zusätzlichen Barbetrag" enthält, dieser rechtlich nicht abtrennbar vom angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung nach § 35 Abs 2 SGB XII.

Nach dessen Satz 1 umfasst der weitere notwendige Lebensunterhalt als laufende Leistung einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung. Leistungsberechtigte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, erhielten bis Dezember 2006 einen Betrag in Höhe von mindestens 26 - ab Januar 2007 von mindestens 27 - vom Hundert des Eckregelsatzes (§ 35 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Dieser Betrag wird nach § 133a SGB XII (idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 - BGBl I 3022) für Personen, die bereits am 31. Dezember 2004 einen Anspruch auf einen zusätzlichen Barbetrag nach § 21 Abs 3 Satz 4 BSHG besaßen, aufgestockt um den für den vollen Kalendermonat Dezember 2004 festgestellten Betrag. § 21 Abs 3 Satz 4 BSHG bestimmte, dass der Hilfeempfänger, der einen Teil der Kosten des Aufenthalts in der Einrichtung selbst trug, einen zusätzlichen Barbetrag in Höhe von 5 vom Hundert seines Einkommens, höchstens jedoch in Höhe von 15 vom Hundert des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes erhielt. Der zusätzliche Barbetrag war dabei, wie die gesetzliche Regelung des BSHG belegt, Bestandteil des angemessenen Barbetrags zur persönlichen Verfügung. Dieser gesamte Barbetrag diente der Erfüllung persönlicher Bedürfnisse des Hilfeempfängers. An dieser Untrennbarkeit des Grundbarbetrags und des zusätzlichen Barbetrags hat sich durch § 133a SGB XII nichts geändert.

Ob der Klägerin jedoch insgesamt höhere laufende Leistungen des weiteren notwendigen Lebensunterhalts nach § 19 Abs 1 SGB XII iVm § 35 Abs 1 und 2 SGB XII (beide in den jeweils maßgeblichen Fassungen) zustehen, kann nicht beurteilt werden, weil es an Feststellungen zur Höhe des angemessenen Barbetrags zur persönlichen Verfügung fehlt. Es kann also nicht entschieden werden, ob unter Beachtung von Einzelfallgesichtspunkten (§ 9 Abs 1 SGB XII) der gesetzliche Mindestbarbetrag ausreicht, um zusammen mit dem in der Einrichtung geleisteten Lebensunterhalt den notwendigen Lebensunterhalt der Klägerin vollständig sicherzustellen (vgl dazu: BVerwGE 121, 251, 255 f; Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, III.6 RdNr 71, Stand Februar 2007; Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 35 RdNr 7, Stand Mai 2007; Wenzel in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl 2005, § 35 SGB XII RdNr 11; Dauber in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 35 SGB XII RdNr 11, Stand August 2007; vgl auch zu einer Mindestbetragsregelung im anderen Zusammenhang das Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 22/06 R - RdNr 16). Eine - wenngleich geringe - Erhöhung des weiteren notwendigen Lebensunterhalts nach § 35 Abs 2 SGB XII dürfte sich bereits für einen Teilzeitraum daraus ergeben, dass § 35 Abs 2 Satz 2 SGB XII (idF des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 - BGBl I 2670) ab 1. Januar 2007 Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, einen Barbetrag in Höhe von mindestens 27 (statt zuvor 26) vom Hundert des Eckregelsatzes zugesteht (vgl zu Sinn und Zweck dieser Regelung das Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 22/06 R - RdNr 14). Allerdings ist vom SG nicht festgestellt, ob der Beklagte dem nicht ohnedies bereits durch Änderungsbescheid bzw Änderungsbescheide (§ 96 SGG) Rechnung getragen hat (s oben).

Jedenfalls ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass sich eine höhere Leistung des notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen nicht aus einem Anspruch der Klägerin auf den zusätzlichen Barbetrag nach § 133a SGB XII iVm § 21 Abs 3 Satz 4 BSHG ergibt. Die Klägerin besaß am 31. Dezember 2004, wie dies die Übergangsregelung des § 133a SGB XII voraussetzt, keinen Anspruch auf diesen zusätzlichen Barbetrag, weil sie erst seit Juni 2005 in der vollstationären Pflegeeinrichtung betreut wird und somit zuvor keinen Anteil an den Kosten des Aufenthalts in der Einrichtung getragen hat.

Dass sie vom Bezug dieses erhöhten Barbetrags ausgeschlossen ist, verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten. Die Regelungen des SGB XII verstoßen - bezogen auf die Klägerin -nicht gegen Art 20 Abs 1 GG (Sozialstaatsprinzip) iVm Art 1 Abs 1 GG (Menschenwürde; Gewährleistung des Existenzminimums). Das Existenzminimum der Klägerin ist vielmehr auch ohne diese Erhöhung gesichert. Mit der zum 1. April 1974 vorgenommenen Einführung des zusätzlichen Barbetrags durch das Dritte Gesetz zur Änderung des BSHG vom 25. März 1974 (BGBl I 777) sollten nämlich typisierend lediglich diejenigen Hilfeempfänger privilegiert werden, die während ihres Arbeitslebens durch Beiträge für ihre Alterssicherung vorgesorgt hatten und deren Renteneinkommen durch die mit den Lebenshaltungskosten steigenden und gestiegenen Heimkosten aufgezehrt wurde (BR-Bericht über die 403. Sitzung, 22. März 1974, S 101 B zu BR-Drucks 172/74). Dem Heimbewohner sollte also ein über die Bedarfsdeckung hinausgehender Betrag zur freien Verfügung erhalten bleiben (vgl BR-Drucks 256/82, S 6). Die Streichung des zusätzlichen Barbetrags durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch verfolgte vor diesem Hintergrund nur das Ziel, die mit dieser Barbetragserhöhung verbundene Ungleichbehandlung von Leistungsbeziehern innerhalb und außerhalb von Einrichtungen zu beenden (BT-Drucks 15/3977, S 7).

Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf Vertrauensschutz (Art 20 Abs 3 - ggf iVm Art 2 Abs 1 GG) berufen. Eine unechte Rückwirkung (vgl dazu nur: Spellbrink in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 39 RdNr 109 ff mwN zur Rechtsprechung des BVerfG) liegt bereits deshalb nicht vor, weil die Klägerin vor dem 1. Januar 2005 keine Rechtsposition besaß, in die der Gesetzgeber mit der Abschaffung des zusätzlichen Barbetrags eingegriffen hat. Die bloße Hoffnung auf das Fortbestehen bestimmter Sozialleistungen ohne vorausgehende Rechtsposition ist verfassungsrechtlich nicht geschützt.

Schließlich ist die Klägerin auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art 3 Abs 1 GG (Gleichheitsgrundsatz) verletzt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt erst dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (stRspr; vgl nur BVerfGE 109, 96, 123; 101, 239, 269). Zwar wird die Klägerin gegenüber den Heimbewohnern, die bereits am 31. Dezember 2004 einen Anspruch auf den zusätzlichen Barbetrag besaßen, dadurch ungleich behandelt, dass diesen dieser zusätzliche Barbetrag auf Grund der Übergangsvorschrift des § 133a SGB XII auf Dauer erhalten bleibt, während sie sich mit dem (normalen) angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung begnügen muss. Jedoch beruht diese Ungleichbehandlung auf sachgerechten Erwägungen.

Die Vorschrift trägt als Übergangsvorschrift dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes und damit der Verhältnismäßigkeit Rechnung (vgl nur: BVerfGE 67, 1, 15; Jarass/ Pieroth, GG, 9. Aufl 2007, Art 20 RdNr 75). Mit ihr sollte also lediglich den Personen, die sich auf die bestehende Regelung bereits tatsächlich eingestellt hatten, der erhöhte Barbetrag weiterhin erhalten bleiben (BT-Drucks 15/3977, S 7). Insoweit hat der Gesetzgeber im Rahmen seines weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Bereich der Leistungsgewährung (vgl BVerfGE 111, 160, 169 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 52; BVerfGE 99, 165, 178) eine Stichtagsregelung zu Gunsten des Personenkreises getroffen, der bereits in den Genuss dieser Leistung gekommen war. Dabei ist er zulässigerweise typisierend davon ausgegangen, dass es sich bei § 133a SGB XII um auslaufendes Recht handelt (vgl BT-Drucks 15/3977, S 7), weil grundsätzlich ältere Personen mit Bezug einer Rente betroffen sind. Dass im Einzelfall auch jüngere Personen begünstigt werden, macht die Regelung nicht sachwidrig. Die Stichtagsregelung ist deshalb vertretbar (vgl zu dieser Voraussetzung: BVerfGE 117, 272, 301; 101, 239, 270; 75, 78, 106; BSG, Urteil vom 23. Januar 2008 - B 10 EG 5/07 R - RdNr 18), soweit sie Personen von der Leistung des zusätzlichen Barbetrags ausschließt, die - wie die Klägerin - vor dem 1. Januar 2005 zu keinem Zeitpunkt entsprechende Leistungen erhalten hatten. Selbst wenn man es für unangemessen halten würde, dass der von § 133a SGB XII begünstigte Personenkreis den zusätzlichen Barbetrag ohne jegliche zeitliche Begrenzung erhält, würde daraus kein Anspruch der Klägerin aus Art 3 Abs 1 GG resultieren, die Leistung ebenfalls ohne jegliche zeitliche Begrenzung zu erhalten.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das SG zu beachten haben, dass ein ggf höherer angemessener Barbetrag zur persönlichen Verfügung - wie die gesetzliche Formulierung deutlich macht - nicht bereits gemindert werden darf, wenn eine bestimmungsgemäße Verwendung des Barbetrags tatsächlich nicht erfolgt, sondern erst dann, wenn diese - wie es im Gesetz ausdrücklich heißt - nicht möglich ist (Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 35 RdNr 16, Stand Mai 2007; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 35 SGB XII RdNr 9; Armborst in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 35 SGB XII RdNr 12). Ggf wird das SG zu klären haben, ob die Klägerin sich vorliegend auch gegen die Art der Auszahlung (Zahlung des Barbetrags an das Heim und Auszahlung durch das Heim) wehrt, die mit der gesetzlichen Regelung kaum vereinbar ist (vgl dazu nur: Wenzel in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl 2005, § 35 SGB XII RdNr 16; Schoch, Handbuch Barbetrag im Sozialhilferecht, 2. Aufl 1999, RdNr 157 ff), und bei seiner Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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