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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 18.03.2008
Aktenzeichen: B 8/9b SO 9/06 R
Rechtsgebiete: BSHG, SGB XII, SGB II, GSiG, SGG, BGB, GG


Vorschriften:

BSHG § 15
BSHG § 25 Abs 2 Nr 1
BSHG § 88 Abs 1
BSHG § 88 Abs 2
BSHG § 88 Abs 3 S 1
BSHG § 88 Abs 3 S 2
BSHG § 92a Abs 1
SGB XII F: 27.12.2003 § 26 Abs 1 S 1 Nr 1
SGB XII § 41 Abs 3
SGB XII §§ 41ff
SGB XII § 74
SGB XII F: 27.12.2003 § 90 Abs 1
SGB XII F: 27.12.2003 § 90 Abs 2
SGB XII F: 27.12.2003 § 90 Abs 3 S 1
SGB XII F: 27.12.2003 § 90 Abs 3 S 2
SGB XII F: 27.12.2003 § 103 Abs 1
SGB II F: 09.11.2004 § 12 Abs 3 S 1 Nr 6
GSiG § 2 Abs 3 S 2
GSiG § 3 Abs 2
SGG § 95
BGB § 242
BGB § 649
GG Art 1 Abs 1;
GG Art 4 Abs 1

Entscheidung wurde am 13.11.2008 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt.
Vermögen aus einem angemessenen Bestattungsvorsorgevertrag ist bei der Gewährung von Sozialhilfe nicht zu berücksichtigen; seine Verwertung stellt eine Härte dar, es sei denn, durch den Abschluss des Bestattungsvorsorgevertrags wurde das Vermögen in der Absicht gemindert, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Leistung herbeizuführen.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 18. März 2008

in dem Rechtsstreit

Az: B 8/9b SO 9/06 R

Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Eicher, den Richter Dr. Koloczek und die Richterin Behrend sowie die ehrenamtlichen Richter Walter und Lübking für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 29. Mai 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Im Streit sind "Sozialhilfeleistungen" ab April 2004.

Die 1917 geborene Klägerin lebt seit dem 16. April 2004 in einem Alten- und Pflegeheim; vor der Aufnahme in dieses Heim wurde sie von ihrer Tochter gepflegt. Am 6. April 2004 hatte die Klägerin einen Bestattungsvorsorgevertrag abgeschlossen und insgesamt 6.000 Euro für Bestattungskosten sowie Grab- und Grabpflegekosten auf ein Treuhandkonto eingezahlt. Der Vertrag beinhaltet die Bestattung in einem Kiefersarg einschließlich weiterer Leistungen für insgesamt 2.897,10 Euro sowie einen Grabpflegevertrag für 30 Jahre mit weiteren Leistungen über insgesamt 3.102,90 Euro (davon 1.740 Euro Grabpflege und 1.011,90 Euro für eine Marmorgrabplatte).

Den Antrag der Klägerin vom 19. April 2004, Leistungen für die nicht durch eigene Einkünfte gedeckten Heimkosten zu gewähren, lehnte der Beklagte ab. Zwar bestehe unter Berücksichtigung der Witwenrente, der Leistungen der Pflegekasse und eines Pflegewohngeldes grundsätzlich ein Anspruch in Höhe von monatlich 320,60 Euro. Die Klägerin verfüge jedoch über ein Vermögen in Höhe von 6.000 Euro (auf Treuhandkonto hinterlegtes Geld), das nach Abzug des geschützten Vermögens (2.301 Euro) in Höhe von 3.699 Euro zunächst zu verwerten sei (Bescheid vom 26. August 2004; Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005).

Nachdem die Klägerin beim Verwaltungsgericht (VG) Schleswig Klage erhoben und das VG das Verfahren an das Sozialgericht (SG) Schleswig verwiesen hatte, hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 26. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Februar 2005 verurteilt, "der Klägerin Sozialhilfeleistungen, ohne Anrechnung des Vermögens der Klägerin in Form des Bestattungsvorsorgevertrages, zu gewähren" (Urteil vom 12. Dezember 2005). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil das SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Mai 2006). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Bestattungsvorsorgevertrag sei verwertbares Vermögen iS von § 88 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), weil er gekündigt werden könne und dann das auf das Treuhandkonto gezahlte Geld abzüglich des dem Unternehmer verbleibenden Gewinns zur Verfügung stehe. Die generelle Verschonung eines Bestattungsvorsorgevertrags nach § 88 Abs 2 BSHG scheitere daran, dass ein solcher Vertrag in dieser Vorschrift nicht aufgeführt sei. Entscheidend seien deshalb die Umstände des Einzelfalls. Diese begründeten allerdings vorliegend keine Härte iS des § 88 Abs 3 BSHG. Die Klägerin habe durch Abschluss des Vertrages kurz vor Aufnahme in das Pflegeheim ihr gesamtes Vermögen dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht, weil durch die Übernahme der Bestattungskosten nach § 15 BSHG (ab 1. Januar 2005: § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - <SGB XII>) jedem mittellosen Hilfebedürftigen eine angemessene Bestattung garantiert werde.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 88 BSHG und des § 90 SGB XII. Das zum Zweck einer angemessenen Beerdigung und Grabpflege angelegte Vermögen sei im Hinblick auf den Schutz der Menschenwürde (Art 1 Abs 1 Grundgesetz <GG>) und der Glaubensfreiheit (Art 4 Abs 1 GG) auf Grund der Härtefallregelungen des § 88 Abs 3 BSHG (in Kraft bis 31. Dezember 2004) und des § 90 Abs 3 SGB XII (in Kraft ab 1. Januar 2005) nicht verwertbar. Das LSG habe es zudem unterlassen, die Verwertbarkeit des Vermögens nach den vertraglichen Regelungen zu überprüfen; zumindest handele es sich nicht um bereites Vermögen, weil es nicht in angemessener Zeit zu realisieren sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

II

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen (§ 163 SGG), die das LSG - ausgehend von seiner Rechtsansicht -nicht getroffen hat, kann der Senat nicht entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe (bzw nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung <GSiG>) besitzt.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 26. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Februar 2005 (§ 95 SGG), gegen den sich die Klägerin mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach §§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG wehrt. Im Streit ist damit - nach dem zeitlich unbefristeten Klageantrag - zulässigerweise die gesamte bis zum für die Tatsacheninstanz maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit (Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - RdNr 8, zur Veröffentlichung vorgesehen). Inhaltlich sind Streitgegenstand nicht nur die Sozialhilfe, zu der ab 1. Januar 2005 auch die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zählt (§§ 8, 41 ff SGB XII), sondern auch (für die Zeit vor dem 1. Januar 2005) Leistungen nach dem GSiG, die gegenüber Leistungen nach dem BSHG vorrangig waren (Seidel in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 19 SGB XII RdNr 14 mwN, Stand Dezember 2005; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII und Asylbewerberleistungsgesetz, § 19 SGB XII RdNr 50, Stand Mai 2006). Insoweit ist nach dem im Sozialrecht entwickelten Meistbegünstigungsprinzip (vgl: Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III, § 323 RdNr 27 mwN, Stand Dezember 2007; Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr 16) bzw dem Gesamtfallgrundsatz der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl nur Wahrendorf und Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl, § 9 RdNr 11 und § 18 RdNr 32; Rothkegel, Sozialhilferecht, 2005, Teil IV Kap 1 RdNr 9 ff mwN) sowohl der Antrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren als auch beim SG nicht nur als solcher auf Leistungen nach dem BSHG bzw SGB XII, sondern auch - obwohl nicht wörtlich so formuliert (vgl auch § 123 SGG) - auf Leistungen nach dem GSiG zu werten. Dass der Beklagte im Verwaltungsverfahren nicht ausdrücklich - auch nicht im Widerspruchsbescheid - seine Entscheidung auf diese Leistungen bezogen hat, ändert hieran nichts; insbesondere ist, weil Leistungen insgesamt versagt worden sind, die Zulässigkeit einer Klage insoweit nicht abhängig von einem noch durchzuführenden förmlichen Verwaltungsverfahren.

Selbst der Umstand, dass das SG nicht expressis verbis über vorrangige Leistungen nach dem GSiG für die Zeit bis 31. Dezember 2004 entschieden hat - für die Zeit ab 1. Januar 2005 erfasst die Tenorierung des SG alle denkbaren Sozialhilfeleistungen -, hindert die Rechtsmittelinstanz nicht daran, von Amts wegen auch über vorrangige Leistungsansprüche zu befinden; die Entscheidung des SG über "Sozialhilfeleistungen" ist vielmehr für die gesamte streitige Zeit in einem umfassenden Sinn zu verstehen. Schließlich ist auch nach dem Revisionsvorbringen der Revisionsantrag bei einer umfassenden und verständigen Würdigung der klägerischen Interessen über seinen Wortlaut hinaus zusätzlich als Antrag auf Leistungen nach dem GSiG (für die Zeit bis 31. Dezember 2004) zu werten. Dabei geht es neben den bezeichneten Leistungen nach dem GSiG (bis 31. Dezember 2004) bzw den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den §§ 41 ff SGB XII (ab 1. Januar 2005) in der Sache um alle denkbaren Leistungsarten der Sozialhilfe. Es kommt deshalb nicht nur die Hilfe zum Lebensunterhalt, sondern auch die Hilfe zur Pflege oder die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Betracht. Allerdings könnten Leistungen nach dem GSiG bzw den §§ 41 ff SGB XII anders als die übrigen Leistungen (dazu später) bereits daran scheitern, dass die Klägerin ihre Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat (§ 2 Abs 3 Satz 2 GSiG, § 41 Abs 3 SGB XII aF); das LSG hat hierzu keine Feststellungen getroffen.

Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel, die einer Sachentscheidung entgegenstehen, liegen nicht vor. Insbesondere ist die Klagefrist von einem Monat (§ 87 SGG) gewahrt. Die Klägerin hat gegen den Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005 - wenn auch beim VG - am 9. März 2005 Klage erhoben. Zwar war die Verwaltungsgerichtsbarkeit für das vorliegende Verfahren nicht mehr zuständig, weil es sich um eine Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialhilfe handelt, die nach § 51 Abs 1 Nr 6a SGG (idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 - BGBl I 3022) seit dem 1. Januar 2005 in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fällt. Mit der Verweisung des Rechtsstreits durch das VG an das SG ist der Rechtsstreit jedoch beim SG anhängig geworden, wobei die Wirkungen der Rechtshängigkeit bereits mit der Klage beim VG eingetreten sind (§ 202 SGG iVm § 17b Abs 1 Gerichtsverfassungsgesetz). Der Rechtsstreit ist also so zu behandeln, als ob Klage von Anfang an beim SG erhoben worden wäre.

Zu Recht ist die Klage auch gegen den Landrat als beteiligtenfähige Behörde des Kreises Stormarn als nach dem GSiG, dem BSHG und dem SGB XII iVm den Landesausführungsgesetzen zuständigen Leistungsträgers gerichtet worden (§ 70 Nr 3 SGG; vgl zur Beteiligtenfähigkeit der Behörde: BSG, Urteil vom 16. Oktober 2007 - B 8/9b SO 8/06 R - RdNr 12, zur Veröffentlichung vorgesehen; Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 21/06 R - RdNr 11 f, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Denkbare Anspruchsgrundlagen für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch sind für die Zeit bis 31. Dezember 2004 §§ 11, 21 ff BSHG, §§ 27, 28 BSHG iVm §§ 68 ff BSHG bzw §§ 39 ff BSHG sowie §§ 1, 2 GSiG und für die Zeit ab 1. Januar 2005 § 19 Abs 1, 2 und 3 SGB XII iVm §§ 41 ff SGB XII, 27 ff SGB XII, 61 ff SGB XII bzw §§ 53 ff SGB XII. Alle diese Regelungen setzen voraus, dass die Klägerin ihren Bedarf nicht durch Einkommen oder Vermögen beschaffen kann; dabei gelten für die Zeit bis 31. Dezember 2004 die §§ 76 bis 88 BSHG (vgl für das GSiG § 3 Abs 2 GSiG) und für die Zeit ab 1. Januar 2005 die §§ 82 bis 92 SGB XII. Die Ausführungen des LSG in seinem Urteil ermöglichen es dem Senat - abgesehen von den fehlenden sonstigen tatsächlichen Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen und der Anspruchshöhe - auch nicht, eine abschließende Entscheidung darüber zu treffen, ob der von der Klägerin abgeschlossene Bestattungsvorsorgevertrag bzw die sich daraus ergebenden Rechte als einzusetzendes Vermögen einer Leistung für den gesamten streitigen Zeitraum entgegenstehen. Es ist bereits nicht ermittelt, ob sich die Sachlage seit der Entscheidung durch den Beklagten nicht zu Gunsten der Klägerin dahin geändert hat, dass zumindest zu einem späteren Zeitpunkt kein verwertbares Vermögen mehr vorhanden war. Aber auch unabhängig hiervon lassen die Ausführungen des LSG keine abschließende Entscheidung darüber zu, welches aus den Rechtsbeziehungen der Klägerin mit dem Bestattungsunternehmer resultierende Recht als verwertbares Vermögen anzusehen und ob bzw inwieweit dies überhaupt verwertbar ist.

Vermögen sind alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst werden auch Forderungen bzw Ansprüche gegen Dritte (vgl nur Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl, § 90 SGB XII RdNr 5 f und 10; W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl, § 90 SGB XII RdNr 4 und 7; s auch Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl, § 12 RdNr 13 mwN). Vermögen der Klägerin ist damit zum einen deren Hauptleistungsanspruch gegen den Unternehmer aus dem Bestattungsvorsorgevertrag, zum anderen sind Vermögen aber auch alle aus dieser vertraglichen Beziehung resultierenden Rückabwicklungsansprüche nach Auflösung dieses Vertrags bzw Ansprüche der Klägerin gegen denjenigen, bei dem die 6.000 Euro auf einem Treuhandkonto hinterlegt sind. Ob diese Ansprüche im Sinne der gesetzlichen Regelung verwertbar sind, beurteilt sich unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten; der Vermögensinhaber muss über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen können (vgl nur Mecke, aaO, § 12 RdNr 30 ff). Beide Aspekte verlangen darüber hinaus eine Berücksichtigung des zeitlichen Moments: Der Vermögensinhaber verfügt nicht über bereite Mittel, wenn er diese nicht in angemessener Zeit realisieren kann (Mecke, aaO, RdNr 33 mwN).

Soweit es den vertraglichen Hauptleistungsanspruch der Klägerin gegen den Bestattungsunternehmer aus dem Bestattungsvorsorgevertrag betrifft, dürfte davon auszugehen sein, dass dieser Anspruch, selbst wenn die Klägerin darüber verfügen darf, jedenfalls faktisch nicht verwertbar ist. In Betracht käme ohnedies allenfalls ein Verkauf dieses Rechts an einen Dritten. Allerdings dürfte dieser Verkauf daran scheitern, dass Bestattungsvorsorgeverträge üblicherweise so individuell gestaltet sind, dass ein anderer an der Übernahme eines solchen Rechts keinerlei Interesse haben dürfte. Genauere Feststellungen des LSG hierzu fehlen indes. Das LSG hat sich vielmehr bei seiner Entscheidung auf die Prüfung der Rückabwicklungsansprüche beschränkt und dabei nur erörtert, ob der von der Klägerin geschlossene Bestattungsvorsorgevertrag hätte gekündigt werden können. Selbst diese Überlegung greift zu kurz; sie beachtet nicht - eine Kündigungsmöglichkeit unterstellt - die Rechtsbeziehungen der Klägerin zu der Person, bei der die 6.000 Euro auf einem Treuhandkonto hinterlegt sind. Die Rechtsbeziehungen bedürfen deshalb noch näherer Untersuchung. Selbst wenn man unterstellt, dass die Klägerin das hinterlegte Geld oder Teile des hinterlegten Geldes nach einer Kündigung des Bestattungsvorsorgevertrages ohne weiteres herausverlangen kann, fehlt es an ausreichenden Feststellungen des LSG dazu, dass sie überhaupt berechtigt war, den Bestattungsvorsorgevertrag zu kündigen.

Der am 6. April 2004 von der Klägerin abgeschlossene Bestattungsvorsorgevertrag ist ein sog gemischter, überwiegend dem Werkvertragsrecht unterliegender Vertragstyp (vgl nur: Jacobsen, ZfS 2007, 132 f). Hieraus ergibt sich zwar ein grundsätzliches Kündigungsrecht des Bestellers (§ 649 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>), wonach dieser bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen kann, der Unternehmer jedoch dann berechtigt ist, die vereinbarte Vergütung unter Anrechnung der ersparten Aufwendungen und des durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft Erlangten zu verlangen. Die gesetzliche Regelung ist allerdings vertraglich abdingbar; hierzu fehlen ebenfalls Feststellungen des LSG. Nicht klar ist außerdem, welcher Betrag der Klägerin im Falle einer Kündigung des Vertrags tatsächlich zur Verfügung stünde (hierzu später), sodass nicht beurteilt werden kann, welches Vermögen der Klägerin nach Abzug des geschützten Vermögens in Höhe von 2.301 Euro (vgl bis 31. Dezember 2004: § 88 Abs 2 Nr 8 BSHG iVm § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs 2 Nr 8 BSHG) bzw in Höhe von 2.600 Euro (ab 1. Januar 2005: § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII iVm § 1 Abs 1 Satz 1 Buchst a der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII) verbleibt (vgl zur Auslegung des Begriffs der kleineren Barbeträge oder sonstigen Geldwerte: Brühl/Geiger in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII <LPK-SGB XII>, 8. Aufl, § 90 SGB XII RdNr 57 mwN).

Selbst wenn man eine rechtliche Verwertbarkeit mit dem Resultat eines über dem Schonvermögen liegenden Betrags annähme, bliebe immer noch zu prüfen, ob die Klägerin rechtlich und tatsächlich in der Lage gewesen wäre, diesen Betrag innerhalb angemessener Zeit tatsächlich zu verwerten, ohne dass ihr deshalb nur ein Darlehen gemäß § 89 BSHG bzw § 91 SGB XII gewährt werden dürfte (vgl dazu im Rahmen des § 9 Abs 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - <SGB II>: BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 46/06 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Es bedarf zum gegenwärtigen Zeitpunkt keiner Entscheidung darüber, ob die Rechtsprechung des 14. Senats des Bundessozialgerichts zum SGB II auf das SGB XII und das BSHG bzw das GSiG übertragen werden kann.

Wäre Verwertbarkeit im bezeichneten Sinne zu bejahen, käme jedenfalls eine Verschonung der Mittel nach § 88 Abs 2 BSHG (in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung) bzw nach § 90 Abs 2 SGB XII (ab 1. Januar 2005) nicht in Betracht. Nach diesen Normen darf die Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe vom Einsatz oder von der Verwertung bestimmter in den Nr 1 bis 8 (bis 31. Dezember 2004) bzw den Nr 1 bis 9 (ab 1. Januar 2005) aufgeführter Vermögenswerte (sog Schonvermögen) nicht abhängig gemacht werden. Zu den in den Normen abschließend aufgezählten Fallgruppen ist der Bestattungsvorsorgevertrag nicht zu rechnen.

Eine Verwertung des Vermögens würde auch nicht an § 88 Abs 3 Satz 2 BSHG (bis 31. Dezember 2004) bzw § 90 Abs 3 Satz 2 SGB XII (seit 1. Januar 2005) scheitern. Danach ist bei Hilfe in besonderen Lebenslagen bzw (seit 1. Januar 2005) nach dem 5. bis 9. Kapitel des SGB XII eine Härte insbesondere zu bejahen, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Auch für diese besonderen Leistungen außerhalb der Hilfe zum Lebensunterhalt bzw der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erfasst die Norm nicht den vorliegenden Bestattungsvorsorgevertrag. Die "angemessene Lebensführung" und die "angemessene Alterssicherung" findet begriffsnotwendig ihr Ende mit dem Tod des Betreffenden. Eine Vorsorge des Hilfesuchenden für die Zeit nach seinem Tod kann unter diese Norm nicht subsumiert werden (Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 5 C 84.02 -, FEVS 56, 302, 305).

Denkbar ist jedoch eine Vermögensverschonung nach § 88 Abs 3 Satz 1 BSHG (bis 31. Dezember 2004) bzw nach § 90 Abs 3 Satz 1 SGB XII (seit 1. Januar 2005). Nach diesen Vorschriften darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für denjenigen, der das Vermögen einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde. Auch zur abschließenden Beurteilung dieser Frage fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen des LSG.

Insoweit hat bereits das BVerwG (Urteil vom 11. Dezember 2003 - 5 C 84.02 -, FEVS 56, 302 ff) dem Wunsch des Menschen, für die Zeit nach seinem Tod durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen, Rechnung getragen und Vermögen aus einem Bestattungsvorsorgevertrag sowohl für eine angemessene Bestattung als auch für eine angemessene Grabpflege als Schonvermögen im Sinne der Härtefallregelungen angesehen. Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Für sie spricht nicht zuletzt, dass die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative des Bundesrates, mit der die ausdrückliche Privilegierung eines Bestattungsvorsorgevertrages im Gesetz vorgesehen war, mit der Begründung abgelehnt hat, die vorgesehene Regelung sei nicht erforderlich, weil bereits nach geltendem Recht mit der Härtefallregelung in § 90 Abs 3 SGB XII sowie mit der Vorschrift des § 74 SGB XII eine menschenwürdige Bestattung für Sozialhilfeempfänger sichergestellt sei (BT-Drucks 16/239, Art 3 Nr 4, S 10, 15 und 17).

Soweit der Beklagte vorbringt, die Rechtsprechung des BVerwG sei vorliegend nicht einschlägig, weil die Klägerin im Gegensatz zu dem vom BVerwG entschiedenen Fall den Bestattungsvorsorgevertrag nicht einmal zwei Wochen vor Aufnahme in das Alten- und Pflegeheim geschlossen habe, ändert sich hieran grundsätzlich nichts. Insbesondere führt das vorsätzliche bzw grob fahrlässige Herbeiführen der Leistungsvoraussetzungen (§ 92a Abs 1 BSHG, § 103 Abs 1 SGB XII) anders als bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (s o) nicht zu einem Entfallen des Leistungsanspruchs, sondern nur zu einer Erstattungspflicht (auf Grund eines Bescheids). Wenn die Klägerin den Bestattungsvorsorgevertrag allerdings in der Absicht (direkter Vorsatz) geschlossen hätte, die Gewährung von Sozialhilfe herbeizuführen, muss der Rechtsgedanke des § 25 Abs 2 Nr 1 BSHG bzw § 26 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII herangezogen werden. Diese Wertung des Gesetzes muss mithin in die Prüfung des Härtefalls mit einfließen, ohne dass es - wie ansonsten für eine Absenkung erforderlich - eines entsprechenden Verwaltungsaktes bedürfte. Selbst wenn also die Vorsorge der Klägerin der Höhe nach angemessen war, könnte es nicht unberücksichtigt bleiben, wenn sie diese angemessene Bestattungsvorsorge lediglich vereinbart hat, um Sozialhilfeleistungen zu erhalten.

Ob ein solcher direkter Vorsatz bei der Klägerin vorlag, wird das LSG ggf zu ermitteln haben. Nicht genügend ist es, wenn die Klägerin, wie dies für einen Kostenersatz nach § 92a BSHG bzw § 103 SGB XII vorgesehen ist, die Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, ohne dass es ihr zielgerichtet um den Erwerb eines Leistungsanspruchs ging (s dazu Schaefer in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl, § 26 SGB XII RdNr 10). Beruht die Anerkennung eines angemessenen Bestattungsvorsorgevertrags als Schonvermögen auf dem Gedanken der Selbstbestimmung und Menschenwürde auch für die Zeit nach dem Ableben, so kann nicht bereits das Herbeiführen späterer Bedürftigkeit der Annahme eines Härtefalls entgegenstehen; vielmehr kann sich dies nur aus der individuellen Einstellung des Betreffenden ergeben, wenn sein Ziel nicht eine würdige Gestaltung seiner Beerdigung und der Grabpflege, sondern die Leistungsgewährung an sich ist. Es wird dann aber zu erwägen sein, ob es sich rechtfertigen lässt, der Klägerin so lange Sozialhilfeleistungen zu versagen, wie überhaupt noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, oder ob nicht nur eine zeitlich befristete Versagung der Leistungen gerechtfertigt ist (vgl dazu iRd § 26 SGB XII: Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 26 RdNr 30, Stand Februar 2007; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII und Asylbewerberleistungsgesetz, § 26 SGB XII RdNr 39, Stand Juli 2006). Ob der von der Klägerin abgeschlossene Bestattungsvorsorgevertrag allerdings unter Berücksichtigung der einzelnen vorgesehenen Leistungen und den örtlichen Preisen angemessen ist, lässt sich nach den Feststellungen des LSG wiederum nicht beurteilen. Das LSG wird dies ggf nachzuholen haben.

Selbst wenn eine Angemessenheit (vgl dazu auch BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 5 C 84.02 -, FEVS 56, 302, 306) abzulehnen wäre, könnte sich ein Härtefall auch daraus ergeben, dass die Verwertung des Bestattungsvorsorgevertrags völlig unwirtschaftlich wäre. Dieses Kriterium ist im SGB XII im Gegensatz zum SGB II (§ 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II) nicht ausdrücklich erwähnt; es ist indes kein Grund ersichtlich, diesen Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkt anders als im SGB II gänzlich außen vor zu lassen (Brühl/Geiger in LPK-SGB XII, 8. Aufl, § 90 RdNr 22, allerdings systemwidrig für die Verwertbarkeit). Ob hierbei die Kriterien, die zum Arbeitslosenhilferecht und zum SGB II für die Verwertung von Lebensversicherungen entwickelt worden sind (BSG SozR 4-4220 § 6 Nr 2 RdNr 13; BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 66/06 R - RdNr 12, 20, 21 und 23 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen), zu übernehmen sind, bedarf gegenwärtig keiner Entscheidung, weil sich der Verlust der Klägerin bei einer möglichen Kündigung des Bestattungsvorsorgevertrags (§ 649 BGB) wohl in einem Rahmen halten dürfte, der eine Unwirtschaftlichkeit in dem Umfang verneinen ließe, wie sie für die Annahme eines Härtefalls erforderlich wäre. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass der Vergütungsanspruch des Unternehmers nach Abzug der ersparten Aufwendungen nur etwa zehn Prozent der Gesamtvergütung beträgt (Jacobsen, ZfS 2007, 132; vgl auch BT-Drucks 16/511 S 6 und 18: 5 Prozent). Wäre dies der Fall, ist jedenfalls die für die Annahme einer Härte erforderliche Schwelle nicht überschritten. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob und inwieweit der Rechtsprechung des BVerwG zu folgen ist, die offenbar bei der Annahme einer Härte strengere Maßstäbe ansetzt als die Sozialgerichtsbarkeit im Rahmen des SGB II (vgl nur zum Rückkaufswert einer Lebensversicherung: BVerwGE 106, 105, 109 f; 121, 34, 35 f; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl, § 90 RdNr 42). Dies gilt um so mehr, als vorliegend für die Beurteilung der Härte aus wirtschaftlichen Gründen die Wertung des § 92a BSHG bzw § 103 SGB XII nicht außer Betracht bleiben darf. Hat sich der Hilfebedürftige grob fahrlässig oder vorsätzlich hilfebedürftig gemacht, so kann er sich nicht darauf berufen, eine Verwertung des Vermögens sei offensichtlich unwirtschaftlich. Dies verstieße gegen Treu und Glauben.

Das LSG wird ggf auch über den Leistungsbeginn (§ 5 BSHG; § 6 GSiG) und die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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