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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 07.12.2000
Aktenzeichen: B 8 KN 11/00 U B
Rechtsgebiete: SGG


Vorschriften:

SGG § 103
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Beschluß

in dem Rechtsstreit

Az: B 8 KN 11/00 U B

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozeßbevollmächtigte:

1.

2.

gegen

Bergbau-Berufsgenossenschaft, Hunscheidtstraße 18, 44789 Bochum,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat am 7. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Wiester, die Richter Dr. Steinwedel und Masuch sowie die ehrenamtlichen Richter Rückert und Weniger

beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren der Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. März 2000 ist durch Zurücknahme erledigt.

Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der Kläger begehrt bisher durchgehend erfolglos Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit (Bescheid vom 30. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 1997; Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25. Oktober 1999; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen <LSG> vom 23. März 2000).

Der Kläger hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch seinen Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt C eingelegt. Dieser hat mit Schriftsatz vom 18. Juli 2000, beim Bundessozialgerichts (BSG) am 19. Juli 2000 eingegangen, den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2000, beim BSG am 18. Juli 2000 eingegangen, hat Rechtsanwalt P angezeigt, "daß ich nunmehr die Interessen des Beschwerdeführers vertrete". Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe am 11. Juli 2000 dem Rechtsanwalt C die Vollmacht entzogen, da dieser das Verfahren nicht habe weiterführen wollen. Des weiteren rügt der Beschwerdeführer mit dem Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 23. Juli 2000 eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

II

Die Beschwerde hat sich durch die wirksame Zurücknahmeerklärung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, Rechtsanwalt C , vom 19. Juli 2000 erledigt. Dies folgt aus § 156 Abs 2 Satz 1 iVm §§ 165, 160a SGG (BSG vom 12. März 1976, SozR 1500 § 160a Nr 23). Danach bewirkt die Zurücknahme den Verlust des Rechtsmittels. Die Zurücknahme hat Rechtsanwalt C als Prozeßbevollmächtigter des Beschwerdeführers wirksam erklärt.

Dem steht nicht entgegen, daß der Mandatsvertrag von Rechtsanwalt C bei Abgabe der Zurücknahmeerklärung, wie vom Beschwerdeführer vorgetragen, bereits gekündigt war. Selbst wenn Rechtsanwalt C im Innenverhältnis zum Beschwerdeführer nicht mehr befugt gewesen sein sollte, für den Kläger Prozeßerklärungen abzugeben, so galt er kraft der ihm erteilten Prozeßvollmacht (§ 73 Abs 2 SGG) doch noch als dessen Prozeßbevollmächtigter. Damit mußte sich der Beschwerdeführer die Prozeßführung durch Rechtsanwalt C zurechnen lassen (§ 73 Abs 3 Satz 2 SGG). Dies schließt die Erklärung über die Rücknahme der Beschwerde ein.

Auch unter Berücksichtigung der Anzeige von Rechtsanwalt P als weiterem Prozeßbevollmächtigten des Beschwerdeführers folgt nichts anderes. Rechtsanwalt P hat sich mit Schriftsatz vom 17. Juli 2000 - vor Eingang der Zurücknahmeerklärung durch Rechtsanwalt C - zum Prozeßbevollmächtigten des Beschwerdeführers bestellt. Damit war aber die Vollmacht von Rechtsanwalt C nicht erloschen.

§ 73 Abs 4 SGG ordnet für den Umfang und die Wirkungen der Vollmacht die entsprechende Geltung der §§ 81, 84 bis 86 Zivilprozeßordnung (ZPO) an. Gemäß § 84 Satz 1 ZPO besteht die Möglichkeit, mehrere Bevollmächtigte zur Vertretung der Partei zu ermächtigen. Wenn zwei Bevollmächtigte die Vertretung nicht gemeinsam wahrnehmen sollen, muß dem Gericht gegenüber eindeutig angezeigt werden, daß die zunächst erteilte Prozeßvollmacht erloschen ist (vgl BGH vom 21. Mai 1980, NJW 1980, 2309 f). Eine Prozeßvollmacht endet auch nach der hierzu vorliegenden Rechtsprechung des BSG nicht ohne weiteres von selbst durch die Bestellung eines anderen Bevollmächtigten. Der Vollmachtgeber muß vielmehr dem Prozeßbevollmächtigten das Mandat entziehen und dem Gericht hiervon Kenntnis geben (BSG vom 1. Februar 2000 - B 10 LW 18/99 B -; 18. November 1997, SozR 3-1500 § 156 Nr 1 S 2 mwN). Die Kündigung einer Prozeßvollmacht durch den Vollmachtgeber wird mit der entsprechenden Mitteilung an das Gericht wirksam (BSG vom 18. November 1997 aaO; 27. August 1969, SozR Nr 16 zu § 73 SGG = Breithaupt 1970, 168, 170; LSG Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 1972, Breithaupt 1972, 1048 f mwN).

Dies gilt unbeschadet der Frage, ob und ggf in welchem Umfange § 87 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar ist. § 73 Abs 4 SGG sieht die (entsprechende) Geltung dieser Vorschrift im sozialgerichtlichen Verfahren nicht vor. Sie bestimmt, daß in Anwaltsprozessen die Kündigung des Vollmachtsvertrages dem Gegner gegenüber erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit erlangt. Es kann dahingestellt bleiben, ob und ggf in welchem Umfange § 87 ZPO, der in Anwaltsprozessen den Prozeßbetrieb sicherstellen will, im sozialgerichtlichen Verfahren - etwa im Wege der Lückenausfüllung - Anwendung finden kann, insbesondere mit Blick auf den Vertretungszwang vor dem BSG (§ 166 SGG; bejahend Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 73 Rz 17).

Selbst wenn § 87 ZPO auf das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG angewandt würde, ergäbe sich daraus nicht, daß mit der Bestellung von Rechtsanwalt P die Vollmacht von Rechtsanwalt C erloschen (s § 87 Abs 1 Alternative 2 ZPO) und damit die Zurücknahmeerklärung unwirksam gewesen wäre. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) - in Übereinstimmung mit der vorliegenden Literatur zu § 87 ZPO - ausgeführt hat, muß auch im Anwendungsbereich dieser Vorschrift dem Gericht gegenüber eindeutig angezeigt werden, daß die Prozeßvollmacht erloschen ist. In Anwaltsprozessen muß dazu noch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts kommen. Eine solche Anzeige enthält aber für sich allein nicht ohne weiteres den Widerruf der Bestellung des früheren Prozeßbevollmächtigten, und zwar weder im Partei- noch - trotz des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts des § 87 Abs 1 ZPO - im Anwaltsprozeß. Das ergibt sich schon aus der oben genannten Möglichkeit (§ 84 ZPO), mehrere Prozeßbevollmächtigte nebeneinander zu bestellen. In der Bestellung eines neuen Prozeßbevollmächtigten kann der Widerruf der Bestellung eines früheren Bevollmächtigten nur dann gesehen werden, wenn zum Ausdruck kommt, daß der neue Bevollmächtigte anstelle des früheren bestellt werden soll (so auch BGH vom 21. Mai 1980 aaO S 2310 mwN). Dem vorliegenden Schriftsatz von Rechtsanwalt P vom 17. Juli 2000 ist nicht ein Wille zu entnehmen, daß die Vollmacht von Rechtsanwalt C zum Erlöschen gekommen sein soll. Weder ist dies ausdrücklich ausgeführt noch den Umständen zu entnehmen. Insbesondere hat Rechtsanwalt P im Rubrum seines Schriftsatzes sich nicht selbst als ausschließlichen Prozeßbevollmächtigten bezeichnet (vgl zu einem solchen Sachverhalt: BSG vom 26. Juli 1989, SozR 1500 § 73 Nr 6 S 13, 15; zur Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten für die höhere Instanz: BSG vom 27. August 1969 aaO). Wegen der im Prozeßrecht zu fordernden klaren Verhältnisse (vgl BGH vom 21. Mai 1980 aaO S 2310) kann es auf späteres Vorbringen (hier: die angebliche Kündigung des Vollmachtsvertrages vor der Zurücknahmeerklärung von Rechtsanwalt C ) nicht ankommen.

Als Folge der Erledigung der Beschwerde kann der Senat nicht in die Prüfung der erhobenen Verfahrensrüge eintreten.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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