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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 28.01.1999
Aktenzeichen: B 8 KN 9/97 R
Rechtsgebiete: FRG
Vorschriften:
FRG § 22 |
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
in dem Rechtsstreit
Az: B 8 KN 9/97 R
Klägerin und Revisionsbeklagte,
Prozeßbevollmächtigter:
gegen
Bundesknappschaft, Pieperstraße 14/28, 44789 Bochum,
Beklagte und Revisionsklägerin.
Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 28. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Wiester, die Richter Dr. Steinwedel und Schenk sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Schneider und Bauer
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. Oktober 1995 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlußrevision der Klägerin wird die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 8. Juni 1995 verurteilt, der Klägerin eine höhere Altersrente zu gewähren, indem die Zeit vom 1. Juni 1969 bis 31. Mai 1973 mit dem Entgelt der Leistungsgruppe 3 nach der Anlage 1 C II c zu § 22 Abs 1 Fremdrentengesetz bewertet wird.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten nur noch darüber, ob die Tätigkeit der Mutter der Klägerin (Versicherte) als Buchhalterin in einem bergbaulichen Betrieb der früheren DDR bereits in der Zeit vom 1. Juni 1969 bis 31. Mai 1973 der Leistungsgruppe 3 nach Anlage 1 C II c zu § 22 Abs 1 Fremdrentengesetz (FRG) zuzuordnen ist.
Die am 17. Mai 1935 geborene Versicherte war am 2. November 1989 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt. Die Beklagte bewilligte ihr ab diesem Tag Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 27. Juni 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 1991). Das Sozialgericht (SG) Hannover hat mit Urteil vom 7. Juni 1994 die Beklagte in Abänderung dieser Bescheide verurteilt, die streitige Zeit der Leistungsgruppe 3 statt der Leistungsgruppe 4 zuzuordnen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat die Beklagte unter Übernahme ihrer bisherigen Leistungsgruppenzuordnung mit dem dem Landessozialgericht (LSG) mitgeteilten Bescheid vom 8. Juni 1995 ab 1. Juni 1995 die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in das (vorgezogene) Altersruhegeld umgewandelt. Das LSG Niedersachsen hat mit Urteil vom 19. Oktober 1995 sowohl die Berufung der Beklagten als auch die Anschlußberufung der Versicherten zurückgewiesen, versehentlich ohne auf den Bescheid vom 8. Juni 1995 einzugehen: Die Versicherte habe zu Beginn des streitigen Zeitraums über Qualifikations- und Tätigkeitsmerkmale verfügt, die über diejenigen der von der Beklagten anerkannten Leistungsgruppe 4 hinausgingen und der Leistungsgruppe 3 entsprächen. Sie habe eine Ausbildung zur Industriekauffrau mit Erfolg abgeschlossen, tatsächlich als Buchhalterin gearbeitet, das 30. Lebensjahr überschritten und ab dem 1. Juni 1969 auch das weitere Definitionsmerkmal der (knappschaftlichen) Leistungsgruppe C II c 3 der Anlage 1 zu § 22 FRG erfüllt - die sechsjährige Dienstzeit als Angestellte auf einer Zeche oder bei einem gleichartigen Unternehmen. Eine zehnjährige Berufserfahrung als Buchhalterin mit einem kaufmännischen Abschluß, wie von der Beklagten gefordert, sei dagegen mit Blick auf diese Sonderregelung nicht erforderlich.
Die Beklagte begründet ihre - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassene - Revision zum einen damit, § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei verletzt worden, weil der Bescheid vom 8. Juni 1995 Gegenstand des Verfahrens geworden sei, ohne daß das LSG darüber entschieden habe. Zum anderen sei § 22 FRG in Verbindung mit der Anlage 1 fehlerhaft angewandt worden, denn als - ungeschriebenes - Definitionsmerkmal setze die Leistungsgruppe C II c 3 eine "mehrjährige Berufserfahrung" voraus (vgl die Einstufungskriterien vergleichbarer Versicherter in der Rentenversicherung der Angestellten, Anlage 1 B 3 und 4 zu § 22 FRG).
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. Oktober 1995 sowie das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 7. Juni 1994, soweit die Beklagte verurteilt wurde, aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen,
außerdem, die Anschlußrevision zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen und - im Wege der Anschlußrevision -, die Beklagte in Änderung des Bescheides vom 8. Juni 1995 zu verurteilen, ihr eine höhere Altersrente zu gewähren, indem die Zeit vom 1. Juni 1969 bis 31. Mai 1973 mit dem Entgelt der Leistungsgruppe 3 nach der Anlage 1 C II c zu § 22 Abs 1 Fremdrentengesetz bewertet wird.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Anschlußrevision der Klägerin (§ 556 Zivilprozeßordnung iVm § 202 SGG) ist begründet. SG und LSG haben zu Recht die Zeit vom 1. Juni 1969 bis 31. Mai 1973 der Leistungsgruppe 3 nach der Anlage 1 C II c zu § 22 Abs 1 FRG zugeordnet. Insoweit sind alle angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig.
Klagegegenstand des Verfahrens ist gemäß § 153 Abs 1 iVm § 96 Abs 1 SGG auch der während des Berufungsverfahrens ergangene Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 1995 geworden, mit dem die Beklagte die Knappschaftrente wegen Erwerbsunfähigkeit der Versicherten ab 1. Juni 1995 durch das (vorgezogene) Altersruhegeld unter Beibehaltung der bisherigen Leistungsgruppenzuordnung nach dem FRG (§ 88 Abs 1, § 259a, § 300 Abs 3 Satz 2, § 306 Abs 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch <SGB VI>) ersetzt hat. Hierauf beziehen sich auch die im Revisionsverfahren gestellten Anträge der Beteiligten. Sie haben damit den Bescheid vom 8. Juni 1995 zulässigerweise zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht. Dieser Folgebescheid hat über die umstrittene Zuordnung in derselben Weise entschieden wie der Bescheid vom 27. Juni 1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 1991. Dementsprechend reichen die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen für den erkennenden Senat aus, um auch über den Folgebescheid gemäß § 170 Abs 2 SGG in der Sache selbst zu entscheiden.
Die Bewertung der nach § 15 FRG anerkannten und nach § 20 Abs 1 FRG der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnenden Beitragszeiten der Versicherten in der früheren DDR richtet sich nach § 22 Abs 1 FRG in der bis 30. Juni 1990 geltenden Fassung (eingeführt durch Art 1 des Fremdrenten- und Auslandsrenten Neuregelungsgesetzes <FANG> vom 25. Februar 1960, BGBl I 93). Die neuen Bewertungsvorschriften nach § 22 FRG in den ab 1. Juli 1990 geltenden Fassungen, ua mit der Zuordnung zu Wirtschaftsbereichen (Art 15 Abschn B Nr 3, Art 85 Abs 6 Rentenreformgesetz <RRG> 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl I 2261), sind nicht einschlägig. Denn das bis zum 30. Juni 1990 geltende Recht ist nach Art 6 § 4 Abs 2 und 3 FANG idF durch Art 16 Nr 1 RRG 1992 weiterhin anzuwenden, wenn der Berechtigte bis zum 30. Juni 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik genommen und bis zu diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Zahlung der Rente hat. Beide Voraussetzungen erfüllt die Versicherte.
Zur Ermittlung der für den Berechtigten maßgeblichen Rentenbemessungsgrundlage erfolgt nach Maßgabe der Anlage 1 zu § 22 Abs 1 FRG die Zuordnung zu einzelnen Leistungsgruppen anhand der dort angeführten Definitionen. Jene sind Bestandteil des Gesetzestextes und deshalb nicht anders auszulegen als der Gesetzestext selbst. Die Anlage 1 C II c zu § 22 Abs 1 FRG umschreibt für kaufmännische Angestellte in der knappschaftlichen Rentenversicherung fünf Leistungsgruppen. Die Definitionen der hier in Betracht kommenden Leistungsgruppen 4 und 3 lauten:
Leistungsgruppe 4
Angestellte, deren Tätigkeit in der Erledigung der in den Büros oder Verwaltungen üblicherweise vorkommenden Arbeiten besteht.
Leistungsgruppe 3
Angestellte, die eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung oder entsprechende Vorbildung haben, alle in ihrem Geschäftsbereich vorkommenden Arbeiten selbständig verrichten und deren Tätigkeit über den Rahmen der übrigen Angestellten (Leistungsgruppen 4 und 5) hinausgeht. Sie müssen mindestens sechs Dienstjahre als Angestellte auf einer Zeche oder bei einem gleichartigen Unternehmen beschäftigt sein.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist eine Vermengung dieser Definitionsmerkmale mit denjenigen der Anlage 1 B - Rentenversicherung der Angestellten - zu § 22 Abs 1 FRG auch dann nicht zulässig, wenn es sich um gleichartige auch außerhalb des Bergbaus vorkommende Berufe handelt, wie im Falle der Versicherten der Beruf der Buchhalterin. Vielmehr handelt es sich bei dem Abschnitt C dieser Anlage - Knappschaftliche Rentenversicherung - sowohl hinsichtlich der Arbeiter (I) als auch der Angestellten (II) innerhalb des Leistungsgefüges des FRG um ein eigenständiges Regelungssystem, das auf die Besonderheiten des Bergbaus und die dort bestehenden Entlohnungsstrukturen zur Zeit der Normierung der Anlage 1 zu § 22 Abs 1 FRG abstellt. So wird bei den Arbeitern zwischen solchen unter und über Tage (Anlage 1 C I a und b) und bei den Angestellten zwischen technischen Angestellten über und unter Tage sowie kaufmännischen Angestellten (Anlage 1 C II a bis c) unterschieden. Im Gegensatz zu den Einstufungsmerkmalen für Versicherte, die der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zuzuordnen sind (Anlage 1 A und B zu § 22 Abs 1 FRG), orientierte sich der Gesetzgeber nicht an den Gliederungsmerkmalen der allgemeinen für alle Wirtschaftszweige geltenden Lohnstatistik (Gesetz über die Lohnstatistik, BGBl III Nummer 800-16, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Oktober 1994, BGBl I 2911), sondern offensichtlich an dem damals in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Lohngruppengefüge für Arbeiter und Angestellte speziell im Steinkohlenbergbau. Dies hat der Senat für die Arbeiter, die der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen sind, in den Urteilen vom 14. November 1989 (SozR 5050 § 22 Nr 20) und 6. August 1992 (SozR 3-5050 § 22 Nr 2) bereits hervorgehoben. Für Angestellte, die der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen sind, gilt nichts anderes. So weist die Beklagte zutreffend darauf hin, daß die Definitionsmerkmale der Anlage 1 C II c Leistungsgruppen 2 bis 5 - kaufmännische Angestellte - nahezu identisch sind mit denjenigen der Gruppen A1 bis C nach Teil II Abschnitt A § 2 Abs 1 des ab 1. Mai 1959 gültigen Manteltarifvertrages für die technischen und kaufmännischen Angestellten des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus vom 20. April 1954 und denjenigen für die gleichen Gruppen nach dem Berufsgruppenkatalog der Anlage A - kaufmännische Angestellte - zum Manteltarifvertrag für die Angestellten im Ruhrbergbau, gültig vom 1. Juli 1965 bis 31. Januar 1967.
Diese enge Anlehnung des Gesetzgebers des FRG an die damaligen Tarifverträge des Steinkohlenbergbaus rechtfertigt es, zur Interpretation der Gruppendefinitionen der Anlage I C zu § 22 Abs 1 FRG auf diese Tarifverträge zurückzugreifen. Es wird jedoch nicht im gesetzestechnischen Sinne auf jene Tarifverträge verwiesen, erst recht nicht im Sinne einer sog dynamischen Verweisung, mit der Folge, daß die Definitionsmerkmale der Anlage 1 C zu § 22 Abs 1 FRG überholt und unmaßgeblich werden, sobald das Tarifgefüge sich ändert (Urteil des Senats vom 14. November 1989, aaO). Die Beklagte verkennt, daß der Leitsatz des Urteils des Senats vom 14. November 1989, für die Einordnung von Arbeitern unter Tage in die Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 zu § 22 Abs 1 FRG seien die Tarifverträge und Lohnordnungen in der zur Beschäftigungszeit geltenden Fassung maßgebend, nicht die kaufmännischen Angestellten betrifft, die der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen sind. Diese Bezugnahme auf die jeweiligen Tarifverträge erfolgte nur ausnahmsweise mit Blick auf eine Sonderregelung, nämlich die "offene" und der jeweiligen Ergänzung bedürftige Definition der Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 C I a zu § 22 Abs 1 FRG: "Gelernte Grubenhandwerker und Arbeiter, die eine Tätigkeit mit entsprechender Entlohnung (Schichtlohn in oberen Lohnklassen) verrichten". Ob eine Tätigkeit verrichtet wird, für die der Schichtlohn in den oberen Lohnklassen gezahlt wird, richtet sich entsprechend der bereits im FRG vorgegebenen Systematik nach dem jeweiligen im Bundesgebiet (Eingliederungsprinzip) gültigen Tarifvertrag. Nur bei dieser Lohngruppendefinition stellt sich die Problematik der Aktualisierung.
Der ab 1. Februar 1967 gültige Tarifvertrag über die Änderung des Berufsgruppenkatalogs und der Gehaltstafel für die kaufmännischen Angestellten des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus vom 20. Januar 1967 ordnet aber für die kaufmännischen Angestellten das Lohngruppengefüge, auf dem die Anlage 1 C II c zu § 22 Abs 1 FRG aufbaut, neu. Dessen Anlage A führt für die kaufmännischen Angestellten anstelle von vier nunmehr sechs Lohngruppen ein, formuliert die Begriffsbestimmungen anders und unterlegt sie jeweils mit Beispielen. Damit wird deutlich, daß die Übernahme dieser andersgearteten Gruppensystematik, gerade wenn Grenzfälle zu entscheiden und die neu eingeführten Zwischengruppen in der Anlage I C II c zu § 22 Abs 1 FRG nicht zu finden sind, zu einer Abkehr vom FRG führen würde. Solange der Gesetzgeber aus der Neuregelung des tariflichen Entlohnungssystems nicht selbst die Konsequenzen zieht und die Leistungsgruppen der Anlage I C II c zu § 22 Abs 1 FRG neu definiert, muß es deshalb für die Gesetzesanwendung bei den bisherigen Definitionsmerkmalen verbleiben. Die Subsumtion des Sachverhalts unter die Begriffsbestimmungen des Tarifvertrages vom 20. Januar 1967, die von der Beklagten in der Revisionsbegründung in aller Ausführlichkeit vorgenommen wird, ist deshalb verfehlt.
Die Beklagte vertritt die Meinung, entweder über eine Umformulierung der Eingruppierungskriterien des Tarifvertrags vom 20. Januar 1967 oder über eine Ergänzung der Anforderungen für die Leistungsgruppen 3 und 4 der Anlage 1 C II c zu § 22 Abs 1 FRG seien die Definitionsmerkmale der Leistungsgruppen für Versicherte, die der Rentenversicherung der Angestellten zuzuordnen sind (Anlage 1 B zu § 22 Abs 1 FRG), auch auf die kaufmännischen Angestellten zu erstrecken, die der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen sind. Dieser Auslegungsversuch ist aber wegen des bereits erwähnten grundsätzlich unterschiedlichen Eingruppierungssystems unzulässig. "Mehrjährige Berufserfahrung oder besondere Fachkenntnisse und Fähigkeiten..." (Anlage 1 B Leistungsgruppe 3) fordern die Eingruppierungskriterien der Anlage 1 C II c zu § 22 Abs 1 FRG jedenfalls nicht ausdrücklich. Auch wird hier keine Qualifikationsabstufung mit Erreichen von Lebenssaltersstufen, wie in den Beispielsfällen der Anlage 1 B Leistungsgruppen 4 und 3, vorgenommen. Ganz abgesehen davon hat die Rechtsprechung des BSG von der aus den Altersstufen abgeleiteten Schlußfolgerung der Beklagten, wonach eine "mehrjährige Berufserfahrung" für den Aufstieg in die Leistungsgruppe 3 der Anlage 1 B zu § 22 Abs 1 FRG eine Tätigkeit von zehn Jahren in der Leistungsgruppe 4 voraussetze, Ausnahmen gemacht. Es kann danach zwar davon ausgegangen werden, daß die geforderte Qualifikation normalerweise erst bei Erreichen der genannten Altersgrenzen erworben ist, was umgekehrt jedoch nicht bedeutet, daß allein aus dem Lebensalter auf das Fehlen oder das Vorliegen von besonderen Erfahrungen zu schließen ist. Die Grenze für "mehrjährige Berufserfahrung" iS der Leistungsgruppe 3 der Anlage 1 B zu § 22 Abs 1 FRG kann deshalb, vor allem bei beruflichen Aufsteigern, die sich relativ spät qualifiziert haben, weit unterhalb des von der Beklagten anhand ihrer Beispielsfälle ermittelten Zehnjahreszeitraums liegen (vgl mwN BSG vom 2. November 1983, SozR 5050 § 22 Nr 15; neuerdings Urteil des 13. Senats des BSG vom 24. April 1997 - 13/4 RA 123/94 - , nicht veröffentlicht). Dies braucht indes hier nicht weiter erörtert zu werden.
Denn die Definitionsmerkmale der Leistungsgruppen 4 und 3 der Anlage 1 C II c zu § 22 Abs 1 FRG stellen auf andere Qualifikationsmerkmale ab; dabei hatte sich der Gesetzgeber ersichtlich an dem Eingruppierungssystem der damals gültigen, oben angegebenen, Tarifverträge orientiert: Die Definition der Leistungsgruppe 4, die nach ihrem Wortlaut nur "die Verrichtung der in den Büros und Verwaltungen üblicherweise vorkommenden Arbeiten" anführt, muß dahingehend ergänzt werden, daß es sich zum einen nicht um besonders einfache Arbeiten handeln darf (Abgrenzung zur Leistungsgruppe 5 bzw zur tarifvertraglichen Gruppe C der bis 31. Januar 1967 gültigen Tarifverträge) und zum anderen grundsätzlich eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung vorliegen muß. Letzteres ergibt sich aus Teil II - Kaufmännische Angestellte - Abschnitt A § 2 Abs 1 Satz 1 und § 2 Abs 2 des Tarifvertrags vom 20. April 1954 in der ab 1. Mai 1959 geltenden Fassung, wonach die Eingruppierung zu Beginn der Beschäftigung, eine abgeschlossene Ausbildung vorausgesetzt, grundsätzlich nach der Gruppe B (entspricht der Leistungsgruppe 4) erfolgt. Der Berufsgruppenkatalog der Anlage A zum ab 1. Juli 1965 gültigen Manteltarifvertag - Kaufmännische Angestellte - übernimmt diese Regelungen wörtlich. Die abgeschlossene Berufsausbildung allein rechtfertigt deshalb nicht den Aufstieg in die Leistungsgruppe 3. Letztere wird für die Leistungsgruppe 3 vielmehr vorausgesetzt. Zusätzlich ist das selbständige Verrichten aller im jeweiligen Geschäftsbereich vorkommenden Arbeiten erforderlich, wobei jene über dem Anforderungsprofil der Tätigkeiten der Leistungsgruppen 4 und 5 liegen müssen. Beide Kriterien hat die Versicherte im streitigen Zeitraum nach den (für den Senat gemäß §163 SGG verbindlichen) Feststellungen des LSG erfüllt. Dem weiteren Erfordernis - "mindestens sechs Dienstjahre Beschäftigung als Angestellte auf einer Zeche oder bei einem gleichartigen Unternehmen" - genügte die Versicherte Ende Mai 1969, da sie ab Juni 1963 in einem bergbaulichen Betrieb der früheren DDR beschäftigt war. Der Senat vermag der Auffassung der Beklagten nicht zu folgen, es handele sich hierbei um "eine Mindestanforderung, die sich auf Erfahrungen im Bergbaubetrieb stützt, nicht hingegen auf berufs- und fachspezifische Erfahrung." Weder der Wortlaut noch die Gliederungssystematik der Anlage 1 zu § 22 Abs 1 FRG rechtfertigen hier die Auslegung, daß zusätzlich der Qualifikationserwerb im Einzelfall und, wie die Beklagte meint, in Anlehnung an die Kriterien der Anlage 1 B zu § 22 Abs 1 FRG festgestellt werden müßte. Vielmehr ergibt sich aus den zur Interpretation heranzuziehenden Tarifverträgen, daß der Gesetzgeber - wie die Tarifvertragsparteien - nach einer sechs Jahre dauernden Verwaltungstätigkeit, gleich welcher Art, auf einer Zeche bei pauschalierender Betrachtung von einem zusätzlichen Qualifikationserwerb ausgegangen ist, der es rechtfertigt (ähnlich dem Erreichen einer Lebensaltersstufe in den Beispielsfällen der Anlage 1 B zu § 22 Abs 1 FRG), eine Höhergruppierung vorzunehmen. Denn die Definition der Gruppe A (entspricht der Leistungsgruppe 3) in den genannten Tarifverträgen enthält den zusätzlichen - zu Lasten der Berechtigten in der Definition der Leistungsgruppe 3 der Anlage 1 C II c zu § 22 Abs 1 FRG fehlenden - Satz "Von diesem Erfordernis ist abzusehen, wenn besondere Befähigung und besondere Leistungen vorliegen." Daraus folgt, daß die Tarifvertragsparteien den Sechsjahreszeitraum als Qualifikationszeitraum für den beruflichen Aufstieg angesehen haben. Diese Einschätzung hat der Gesetzgeber übernommen. Damit wird dem Eingliederungsgedanken des FRG Rechnung getragen, und die in knappschaftlichen Betrieben der Vertreibungsgebiete Tätigen werden so behandelt, als ob sie in tarifgebundenen knappschaftlichen Betrieben der Bundesrepublik Deutschland tätig gewesen wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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