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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 17.06.2002
Aktenzeichen: 1 BvL 9/01
Rechtsgebiete: BVerfGG, ZPO, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 81 a
ZPO § 850 k
ZPO § 732 Abs. 2
ZPO § 850 k Abs. 1
ZPO § 850 k Abs. 2
ZPO § 850 k Abs. 3
ZPO § 850 c Abs. 3
ZPO § 835 Abs. 3 Satz 2
GG Art. 20
GG Art. 14
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 100 Abs. 1
GG Art. 100 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvL 9/01 -

In dem Verfahren

zur verfassungsrechtlichen Prüfung des § 850 k ZPO

- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Passau (Zweigstelle Vilshofen) vom 2./3. August 2001 (3 M 338/01) -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier und die Richter Steiner, Hoffmann-Riem gemäß § 81 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 17. Juni 2002 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe:

Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass Pfändungsschutz für wiederkehrende Einkünfte, die auf das Konto des Schuldners bei einem Geldinstitut überwiesen worden sind, gemäß § 850 k Abs. 1 ZPO nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Schuldners vom Vollstreckungsgericht gewährt wird.

I.

1. § 850 k ZPO wurde durch Gesetz vom 28. Februar 1978 eingeführt (BGBl I S. 333). Nach § 850 k Abs. 1 ZPO ist eine Pfändung des Guthabens, wenn wiederkehrende Einkünfte der in §§ 850 bis 850 b ZPO bezeichneten Art auf das Konto des Schuldners bei einem Geldinstitut überwiesen werden, auf Antrag des Schuldners vom Vollstreckungsgericht insoweit aufzuheben, als das Guthaben dem der Pfändung nicht unterworfenen Teil der Einkünfte für die Zeit von der Pfändung bis zu dem nächsten Zahlungstermin entspricht. Gemäß § 835 Abs. 3 Satz 2 ZPO darf bei Kontopfändungen erst nach zwei Wochen ab der Zustellung des Überweisungsbeschlusses vom Geldinstitut aus dem Guthaben des Schuldners an den Gläubiger geleistet werden. Die Vorschrift ergänzt somit § 850 k ZPO, indem sie dem Schuldner eine gewisse Zeit einräumt, um den Antrag auf Pfändungsschutz zu stellen. Bei Verzögerung der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts kann in dringenden Fällen nach § 850 k Abs. 2 ZPO auch eine Vorabfreigabe erfolgen. Gemäß § 850 k Abs. 3 ZPO besteht für das Gericht weiterhin die Möglichkeit, eine einstweilige Anordnung gemäß § 732 Abs. 2 ZPO zu erlassen.

2. Im Ausgangsverfahren beantragte die Gläubigerin wegen einer Gesamtforderung von 601,77 DM im März 2001 die Pfändung und Überweisung von Ansprüchen der Schuldnerin unter anderem gegen die örtliche Sparkasse.

Der zuständige Rechtspfleger erließ am 3. April 2001 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, allerdings unter Beifügung einer Anlage mit folgendem an die Sparkasse gerichteten "Hinweis für die Drittschuldnerin":

"Wenn die nachfolgenden Anordnungen zutreffen, tritt keine Kontosperrung ein.

1) ...

2) Anordnungen:

Bei Kontogutschriften aus Überweisungen von Lohn- oder Gehaltszahlungen oder bei Versäumung der 7-Tagefrist nach § 55 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs wird angeordnet:

a) der Schuldner hat der Bank monatlich seine Lohn- oder Gehaltsabrechnungen bzw. die Bescheide über Sozialleistungen vorzulegen,

b) ergibt sich daraus, dass bereits der pfändbare Betrag des Nettoeinkommens gem. der Tabelle zu § 850 c Abs. 3 ZPO durch den Arbeitgeber bzw. Sozialträger abgezogen wird, so bleibt der jeweils überwiesene Restarbeitslohn pfandfrei.

c) Sollte das Lohn- oder Gehaltseinkommen des Schuldners noch nicht gepfändet sein, hat die Bank nur den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens für den Gläubiger einzubehalten. Der pfändbare Betrag ergibt sich aus der Tabelle zu § 850 c Abs. 3 ZPO unter Berücksichtigung der Unterhaltspflichten des Schuldners.

3) Teilzurückweisung:

Der Antrag d. Gläubigers wird insoweit zurückgewiesen, als diese Anlage seinen Antrag einschränkt."

Der Erinnerung der Gläubigerin half der Rechtspfleger nicht ab.

3. Mit Beschluss vom 2. August 2001 hat das Amtsgericht Passau - Zweigstelle Vilshofen - das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt und anschließend dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 850 k ZPO insofern mit dem Grundgesetz vereinbar sei, als der dort geregelte Pfändungsschutz nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Schuldners gewährt werde.

Zur Begründung trägt das Amtsgericht im Wesentlichen vor:

Bei Gültigkeit des § 850 k ZPO wären die vorgenommenen Einschränkungen des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufzuheben, da diese im Gesetz keine Stütze hätten. Die Vorschrift sei jedoch in dem genannten Umfang verfassungswidrig. Die Kontopfändung bewirke eine sofortige und totale Beschlagnahme jener Geldmittel, die der Schuldner häufig aus einer einzigen Geldquelle beziehe und in den meisten Fällen dazu da seien, um mit ihnen die laufenden täglichen Ausgaben des Schuldners und seiner Familienangehörigen zu bestreiten. Der Schuldner verliere momentan die Möglichkeit des Zugriffs auf leicht verfügbare Gelder und sei dadurch gehindert, die laufenden finanziellen Verpflichtungen, etwa zur Bezahlung der Miete, zu erfüllen. Von der Kontopfändung, die mit dem Datum der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Bank wirksam werde, erfahre der Schuldner häufig erst, wenn er am Bankschalter oder Geldautomaten sich die nötigen Barmittel beschaffen wolle. Dieser Umstand sei besonders misslich und greife ganz erheblich in die Lebensführung des Schuldners ein, wenn er beispielsweise auswärts arbeite oder sich auf Reisen befinde und dringend Geld brauche, aber auch, wenn er an einem Wochenende oder vor Feiertagen ohne Vorwarnung erfahre, dass sein Konto gesperrt sei. Der Schuldner könne augenblicklich, weil ihm in dieser Situation auch der Zugriff auf Erspartes verwehrt sei, in Not geraten und deshalb auf fremde Hilfe angewiesen sein. Die Möglichkeit, die der Gesetzgeber in § 850 k ZPO zum Schutz des Schuldners vorgesehen habe, sei gemessen an der Verpflichtung des Gesetzgebers, den Schutz der Menschenwürde ausreichend zu berücksichtigen und sicherzustellen, unzulänglich. Die Möglichkeit, auf Antrag Pfändungsschutz zu erhalten, stelle nicht nur keinen Ausgleich dar für die die Menschenwürde (Art. 1 GG) verletzende Diskriminierung, die der Schuldner urplötzlich erfahre, sie bleibe willkürlich und auch hinter dem zurück, was der Gesetzgeber an anderer Stelle aus sozialstaatlichen Gesichtspunkten (Art. 20 GG) sehr wohl als erforderlichen Pfändungsschutz erkannt habe.

Gegen den Gleichheitssatz verstoße § 850 k ZPO insofern, als der Arbeitnehmer, der seinen Arbeitslohn, wie heute allgemein üblich, auf ein Bankkonto ausbezahlt erhalte, nicht minder schützenswert sei, als wenn sein Geld noch beim Arbeitgeber "deponiert" sei. Der Umstand, dass nach der Gutschrift des Lohns auf dem Bankkonto der dort befindliche Betrag rechtlich kein Arbeitseinkommen mehr sei, der Schuldner vielmehr aufgrund des Girovertrages gegenüber der Bank einen Anspruch aus Ausbezahlung seines Kontoguthabens besitze, ändere nichts an der Tatsache, dass es sich in beiden Fällen um zum Leben notwendige Geldmittel handele. Eine willkürliche Andersbehandlung sei nicht gerechtfertigt.

Der in §§ 850 ff. ZPO gewährte Schutz des Arbeitseinkommens werde durch § 850 k ZPO verkürzt. Denn das nach §§ 850 ff. ZPO unpfändbare Einkommen, das der Schuldner im Falle einer vorangegangenen Pfändung des Arbeitseinkommens beim Arbeitgeber auf das Konto ausbezahlt erhalte, verliere auf dem Konto auch bei Ausschöpfung der in § 850 k ZPO vorgesehenen nachträglichen Antragsmöglichkeit den Pfändungsschutz. Das gesamte auf dem Konto des Schuldners eingehende Arbeitsentgelt unterliege der Pfändung mit der Folge, dass dem Schuldner auch im Fall nachträglicher, auf Antrag hin erfolgter Korrektur weniger verbleibe, als ihm nach dem Schutzzweck der §§ 850 ff. ZPO verbleiben solle. § 850 k ZPO unterlaufe aber nicht nur den Schutz der §§ 850 ff. ZPO, sondern ermögliche aufgrund seiner Regelungsstruktur auch eine Mehrfachpfändung, der ein Schuldner, der faktisch gezwungen sei, sich ein Bankkonto zuzulegen, nicht entgehen könne. Wie weitgehend der Eingriff beim Schuldner letztlich auch nach Antragstellung sei, sei abhängig von der Zufälligkeit des Zeitpunkts der Kontopfändung. Denn je näher der Zahlungstermin rücke, desto weniger dürfe dem Schuldner verbleiben.

Der durch nachträgliche Antragstellung erreichbare eingeschränkte Pfändungsschutz lasse sich vielfach in der Praxis nur umständlich und mit zeitlicher Verzögerung, das heißt nach mehreren Vorsprachen des Schuldners bei Gericht, verwirklichen, weil dieser bei der ersten Vorsprache aus Unwissenheit die zu einem ordnungsgemäßen Antrag notwendigen zahlreichen Nachweise nicht vorlegen könne.

Aus den bisherigen Ausführungen ergebe sich, dass durch § 850 k ZPO nicht nur Art. 1, Art. 3 und Art. 20 GG verletzt seien, sondern auch Art. 2, Art. 6 und Art. 14 GG. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Schuldners sei tangiert durch die Vorenthaltung auch geringster Geldreserven auf Tage und Wochen. Der von einer Kontopfändung ausgehende Eingriff betreffe nicht nur den Schuldner, sondern benachteilige im Regelfall auch dessen Familie, besonders Unterhaltsberechtigte. Die Eigentumsgarantie werde verletzt durch den zeitweilig totalen Zugriff auf vermögenswerte Ansprüche des Schuldners.

Das in § 850 k ZPO normierte Antragserfordernis sei auch nicht mit der Begründung, dass die Banken bei einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Pfändungsschutz vor zu große Probleme gestellt würden, zu rechtfertigen. Derartige Schwierigkeiten ließen sich zwar nicht leugnen und bestünden insbesondere dann, wenn eine Bank weder die Art der Geldquelle noch den Umfang der schutzwürdigen Gesichtspunkte (z.B. Kinderzahl) kenne. Da die modernen Bankauszüge jedoch Angaben über die Adressaten der Habeneingänge und Sollabgänge enthielten, dürfte der Bank durchaus nicht unbekannt sein, welcher Arbeitslohn eingehe. Dennoch verbleibende Schwierigkeiten gestatteten es aber dem Gesetzgeber nicht, den Pfändungsschutz ausschließlich im Nachhinein auf entsprechenden Antrag und damit unzulänglich zu gestalten. Soweit den Banken noch nicht alle Unterlagen zur Ermittlung des pfändungsfreien Betrages zur Verfügung stünden, sei der Schuldner auf der Grundlage einer vom Gesetzgeber zu schaffenden, einfach handhabbaren Fiktion oder Vermutung etwa derart, dass immer mindestens der "Sozialhilfesatz plus X" zu belassen sei, zu schützen.

Nach alledem erscheine der vom Rechtspfleger beschrittene Weg, dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss eine Anlage mit einschränkenden Bestimmungen beizufügen, ein praktikabler Weg zur Erlangung des notwendigen Pfändungsschutzes. In Betracht komme aber auch, dass der Gläubiger, der häufig aus einer abgegebenen eidesstattlichen Versicherung des Schuldners entsprechende Kenntnisse über dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse gewonnen habe, bereits im Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die notwendigen Angaben mache.

II.

Die Vorlage ist unzulässig.

1. Eine Richtervorlage ist nach Art. 100 Abs. 1 GG nur zulässig, wenn der Richter von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt ist und seine Rechtsauffassung begründet. Die Begründung muss nach § 80 Abs. 2 BVerfGG angeben, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängt und mit welchen übergeordneten Rechtsnormen sie unvereinbar ist. Dem genügt eine Richtervorlage nur, wenn das Gericht die für seine Entscheidung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegt und sich dabei mit nahe liegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten auseinander setzt (vgl. BVerfGE 86, 52 <57>; stRspr). Hierbei muss es insbesondere auch die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 65, 308 <316>; 94, 315 <325>; stRspr), auf einschlägige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eingehen und sich gegebenenfalls mit den Motiven des Gesetzgebers auseinander setzen (vgl. BVerfGE 92, 277 <312>; stRspr).

2. Diesen Anforderungen wird die Richtervorlage nicht gerecht.

a) Die Vorlage lässt eine vertiefte Auseinandersetzung mit den als verletzt bezeichneten Bestimmungen des Grundgesetzes vermissen. Anstatt im Einzelnen die für verfassungswidrig erachtete Regelung des § 850 k ZPO am Maßstab der nach Ansicht des vorlegenden Gerichts einschlägigen Grundgesetznormen zu messen, beschränkt sich die Vorlage im Wesentlichen darauf, die vermeintlich verletzten Verfassungsbestimmungen zu benennen. Dies geschieht, ohne sich auch nur ansatzweise mit dem Gewährleistungsgehalt der jeweiligen Normen näher zu befassen.

b) Das Amtsgericht hat es im Übrigen auch verabsäumt, unter Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des § 850 k ZPO sowie der insoweit einschlägigen Rechtsprechung und Literatur die tatsächliche und einfachrechtliche Lage im Falle einer Kontopfändung in ihrer Gänze, das heißt insbesondere auch unter Berücksichtigung der Rechtspositionen des jeweiligen Gläubigers und Drittschuldners, zu erfassen und zu würdigen.

aa) Der Vorlagebeschluss konzentriert sich im Wesentlichen auf die Darstellung der als misslich bezeichneten Situation, in die ein Schuldner bei einer Kontopfändung geraten kann. Dabei stellt das Amtsgericht maßgeblich auf die besonderen Schwierigkeiten ab, die dem Schuldner durch eine Kontopfändung erwachsen, wenn er auswärtig arbeitet, sich auf Reisen befindet oder das Wochenende bevorsteht. In tatsächlicher Hinsicht lässt das Amtsgericht insoweit unberücksichtigt, dass im Regelfall die Kontopfändung für den Schuldner nicht überraschend kommt, da er von der Existenz des notwendigen Vollstreckungstitels weiß und daher auch, wenn er nicht von sich aus zahlt, der Möglichkeit einer zwangsweisen Vollstreckung gewärtig sein muss. In rechtlicher Hinsicht fehlt es im Vorlagebeschluss an jeder Überlegung zu der Frage, ob sich der Gesetzgeber bei Ausgestaltung des Schuldnerschutzes von Verfassungs wegen gerade an den vom Amtsgericht angeführten außergewöhnlichen Situationen orientieren muss. Das Amtsgericht hätte darlegen müssen, dass der Gesetzgeber seine gesetzliche Normierung gerade nicht am Regelfall, in dem der Schuldner über eine Vorabentscheidung des Vollstreckungsgerichts nach § 850 k Abs. 2 ZPO ausreichend und rechtzeitig Pfändungsschutz erlangen kann, ausrichten durfte.

bb) Das Amtsgericht hätte auch erwägen müssen, dass dem Gesetzgeber nach dem Grundgesetz grundsätzlich ein Gestaltungsspielraum verbleibt, wenn er - wie hier - verschiedene widerstreitende, auch grundrechtlich geschützte Belange zum Ausgleich bringen muss. Aus den Ausführungen des Vorlagebeschlusses ergibt sich nicht hinreichend, dass dieser Gestaltungsspielraum von Verfassungs wegen im Sinne der vom Amtsgericht angestrebten Lösung verengt gewesen wäre. Eine solche Feststellung hätte eine umfassendere Klärung der Sach- und Rechtslage erfordert, die der Vorlagebeschluss vermissen lässt.

(1) So ist insbesondere die Situation des Drittschuldners nur unzureichend erfasst. Das Amtsgericht räumt im Vorlagebeschluss selbst ein, die Bank als Drittschuldnerin könnte bei einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Pfändungsschutz vor erhebliche Schwierigkeiten gestellt werden, wenn sie weder die Art der Geldquelle noch den "Umfang der schutzwürdigen Gesichtspunkte" kenne. Der Vorlagebeschluss verharrt indes insoweit in der Forderung, dass die aufgezeigten Probleme es nicht rechtfertigten, den Pfändungsschutz nur auf Antrag zu gewähren. Er weist keinen rechtlich und tatsächlich gangbaren Weg auf, wie diese Schwierigkeiten behoben werden könnten. Insbesondere fehlen jegliche Überlegungen, ob aufgrund dieser Sachlage, die sich insoweit wesentlich von der einer Pfändung des Arbeitseinkommens beim Arbeitgeber unterscheidet, der Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 1 GG Pfändungsschutz nur nach entsprechendem Antrag vorsehen durfte. Nach der Begründung der Bundesregierung zu ihrem Gesetzentwurf war diese besondere Sachlage gerade der maßgebliche Gesichtspunkt für das Antragserfordernis des § 850 k ZPO. Der Pfändungsschutz werde von dem Vollstreckungsgericht - so die Begründung der Bundesregierung - deshalb nur auf Antrag des Schuldners gewährt, weil das Geldinstitut im Regelfall nicht in der Lage sei, den pfändungsfreien Betrag von sich aus zu berechnen, da es zum Beispiel im Falle des § 850 c ZPO die Zahl der Unterhaltsberechtigten des Schuldners nicht kenne (BTDrucks 8/693, S. 49).

Eine vertiefte Befassung mit den Motiven des Gesetzgebers bei Erlass dieser Regelung, wie sie für einen zulässigen Vorlagebeschluss geboten gewesen wäre, fehlt ebenso wie eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere den umfangreichen Ausführungen des Landgerichts Koblenz in seinem Beschluss vom 10. September 1997 (RPfl 1998, S. 76 f.), auf den auch der vom Amtsgericht selbst in Bezug genommene Aufsatz von Hofmann verweist (RPfl 2001, S. 113 <118, Fußnote 29>). Das Landgericht Koblenz hatte in diesem Beschluss ausführlich dargelegt, dass es einer Bank als Drittschuldnerin nicht zugemutet werden könne, den unpfändbaren Teil des auf einem von ihr geführten Konto eingegangenen Arbeitseinkommens des Schuldners zu ermitteln. Diese Berechnung erfordere nämlich nicht nur eine genaue Kenntnis des Einkommens des Schuldners, sondern setze auch Informationen über die familiären Verhältnisse des Schuldners und insbesondere dessen Unterhaltsverpflichtungen voraus. Einen Einblick in die persönlichen Umstände des Schuldners habe das als Drittschuldner fungierende Geldinstitut in der Regel nicht, so dass es ohne freiwillige Mitwirkung des Schuldners nicht genau berechnen könnte, welcher Teil des auf das gepfändete Konto überwiesenen Arbeitseinkommens unpfändbar sei. Eine Auskunft des Schuldners könnte das Geldinstitut nicht zwangsweise durchsetzen. Auch die Richtigkeit einer gegebenenfalls erteilten Auskunft des Schuldners könnte das Geldinstitut als Drittschuldner nicht überprüfen. Mangels einer solchen Auskunftspflicht des Schuldners gegenüber der Drittschuldnerin helfe dieser auch nicht die in einer Anlage zum Pfändungs- und Überweisungsbeschluss enthaltene Anordnung, dass der überwiesene Arbeitslohn pfandfrei bleibe, sofern sich aus den vom Schuldner vorzulegenden Lohnabrechnungen ergebe, dass bereits der pfändbare Betrag des Nettoeinkommens durch den Arbeitgeber abgezogen werde. Überdies sei aus Lohnabrechnungen, in denen Pfändungsabzüge aufgeführt seien, nicht immer zweifelsfrei zu entnehmen, dass der insgesamt pfändbare Betrag des Nettoeinkommens bereits durch den Arbeitgeber abgezogen worden sei. Vielmehr sei es auch möglich, dass nur ein Teil des pfändbaren Nettoeinkommens von einem weiteren Gläubiger gepfändet und diesem zur Einziehung überwiesen worden sei. Im Hinblick darauf wäre das Geldinstitut gehalten, anhand der Lohnabrechnung zunächst den Pfändungsfreibetrag unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen des Schuldners festzustellen. Die dafür erforderlichen Ermittlungen könnten jedoch nicht von einem Geldinstitut verlangt werden. Vielmehr sei allein das Vollstreckungsgericht auf einen entsprechenden Antrag des Schuldners hin verpflichtet, den pfändungsfreien Teilbetrag des Kontoguthabens selbst zu berechnen. Durch diese Verfahrensweise werde der pfändungsfreie Betrag des Kontoguthabens für alle Beteiligten verbindlich festgelegt. Eine solche umfassende Regelung könnte das Geldinstitut als Drittschuldner nicht treffen. Zudem biete das gerichtliche Pfändungsschutzverfahren eine höhere Gewähr dafür, dass dem Schuldner nur der ihm tatsächlich zutreffende unpfändbare Teil des Kontoguthabens belassen werde. Das Vollstreckungsgericht könne nämlich dem Schuldner, den die Beibringungs- und Beweislast hinsichtlich der Schutzvoraussetzungen treffe, aufgeben, die Tatsachen, welche für die Bemessung der Pfändungsfreigrenze maßgeblich seien, darzulegen und nachzuweisen (vgl. Landgericht Koblenz, Beschluss vom 10. September 1997 - 2 T 510/97 -, RPfl 1998, S. 76 <77>).

Soweit das vorlegende Amtsgericht darauf verweist, dass der Gläubiger selbst in seinem Antrag die notwendigen Angaben zu machen habe, ist nicht dargetan, dass der Gläubiger selbst regelmäßig über diese notwendigen Kenntnisse aus dem persönlichen Bereich des Schuldners verfügt. Schließlich verkennt der Verweis auf einen in jedem Falle zu schützenden Betrag in Höhe des "Sozialhilfesatzes plus X", dass auch die Höhe des Regelsatzes nach dem Bundessozialhilfegesetz wiederum von den persönlichen Umständen des Schuldners abhängig ist. Im Übrigen bleibt unklar, auf welche Weise der mit "X" bezeichnete offene Betrag bestimmt werden soll.

Die aufgezeigten Schwierigkeiten mit der bloßen Zielvorgabe abzutun, dass in jedem Falle ein ausreichender Schuldnerschutz zu gewährleisten sei, trägt vor diesem Hintergrund keinesfalls.

(2) Zudem blendet der Vorlagebeschluss auch die widerstreitenden Gläubigerinteressen an einer wirksamen und effektiven Durchsetzung der titulierten Forderung aus. So geht das Amtsgericht etwa nicht der Frage nach, wie bei einem von Amts wegen zu gewährenden Pfändungsschutz zu verfahren sei, wenn der Schuldner über ein weiteres oder mehrere andere Konten verfügt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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