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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 12.01.2001
Aktenzeichen: 1 BvQ 1/01
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 32 Abs. 1
BVerfGG § 93 d Abs. 2
GG Art. 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvQ 1/01 -

In dem Verfahren

über

den Antrag,

unter Aufhebung der Beschlüsse des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 8. Januar 2001 - 3 B 179/00 - und des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig vom 11. Januar 2001 - 4 M 7/01 - im Wege der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Landrates des Kreises Pinneberg vom 21. Dezember 2000 - 22-3 - dahingehend wieder herzustellen, dass die vom Antragsteller für Samstag, den 13. Januar 2001 in Elmshorn angemeldete Demonstration zum Thema "Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden" nicht allein als stationäre Kundgebung zugelassen wird, sondern auch in Form eines Umzugs,

Antragsteller: Herr W...

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richter Steiner, Hoffmann-Riem gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 12. Januar 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft die für sofort vollziehbar erklärte Auflage, eine für den 13. Januar 2001 in Elmshorn angemeldete Demonstration allein als stationäre Kundgebung und nicht auch in Form eines Aufzugs durchzuführen. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des gegen diese Verfügung eingelegten Widerspruchs wieder herzustellen, ist vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben.

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Wegen der meist weit tragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 87, 107 <111>). Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, sie erwiesen sich von vornherein als unzulässig oder unbegründet. Bleibt diese Frage offen, muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, eine Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, einer Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 88, 185 <186>; 91, 252 <257 f.>).

Im Zuge der anzustellenden Folgenabwägung ist es regelmäßig ausgeschlossen, in eine eigenständige Ermittlung und Würdigung des dem Eilrechtsschutzbegehren zu Grunde liegenden Sachverhalts einzutreten. Vielmehr sind in aller Regel die Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigungen in den angegriffenen Entscheidungen zugrundezulegen (vgl. BVerfGE 34, 211 <216>; 36, 37 <40>; BVerfG, EuGRZ 1997, S. 522). Anderes gilt nur dann, wenn die getroffenen Tatsachenfeststellungen offensichtlich fehlsam sind oder die angestellte Tatsachenwürdigung unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtsnorm offensichtlich nicht trägt.

Unter Beachtung dieser Grundsätze bleibt der Eilantrag ohne Erfolg.

Der Antrag ist weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die Ordnungsbehörde befürchtet, dass von dem angemeldeten Aufzug nachhaltige einschüchternde Wirkungen ausgehen und dass wegen der Überschneidung des von dem Antragsteller geplanten Demonstrationsweges mit den Wegen der von Dritten angemeldeten Kundgebungen die Gefahr gewalttätiger Auseinandersetzungen besteht. Die hierauf aufbauende Entscheidung, die vom Antragsteller geplante Demonstration nur stationär zuzulassen, begegnet im Rahmen der hier vorzunehmenden Prüfung keinen durchgreifenden Bedenken. Sie lässt das aus Art. 8 GG hergeleitete Demonstrationsrecht als solches unberührt. Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen handelt es sich bei dem für die streitige Veranstaltung vorgesehenen Ort um eine belebte Kreuzung, auf der eine Demonstration das Interesse der Öffentlichkeit wie auch der Medien in nicht geringem Maße hervorrufen kann. Damit ist der vom Antragsteller verfolgte Zweck, auf seine politischen Ziele hinzuweisen, in erheblichem Umfang zu erreichen. Die gebotene Abwägung zwischen den Rechten des Antragstellers und den Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lässt damit Fehler von einem im Eilverfahren beachtlichen Gewicht nicht erkennen.

Inwieweit die übrigen, zum Teil zeitlich früher angemeldeten Demonstrationen nur aus Gründen der Blockade einer Versammlung des Antragstellers angekündigt worden sind und inwieweit dem Antragsteller für einen Aufzug andere geeignete Wege hätten zur Verfügung stehen können, vermag die Kammer nicht nachzuprüfen. Jedenfalls lassen sich den angegriffenen Hoheitsakten insoweit Anhaltspunkte für sachfremde Erwägungen nicht entnehmen.

Die mit Verfahren der vorliegenden Art verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen wären gegebenenfalls in einem Hauptsacheverfahren zu klären.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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