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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 27.09.2004
Aktenzeichen: 1 BvQ 41/04
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 5 Abs. 3 | |
GG Art. 19 Abs. 3 | |
GG Art. 19 Abs. 4 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvQ 41/04 -
In dem Verfahren
über den Antrag,
im Wege der einstweiligen Anordnung
die Wirkung des Beschlusses des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. September 2004 - 2 BS 360/04 - für die Dauer von sechs Monaten, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, auszusetzen,
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Hömig, Hoffmann-Riem, Bryde gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 27. September 2004 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe:
Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung will die Antragstellerin, die Juristische Fakultät der Technischen Universität Dresden, erreichen, dass die Wirkung eines Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vorläufig ausgesetzt wird und damit die Universität und der Freistaat Sachsen verpflichtet werden, im kommenden Wintersemester 2004/2005 einen rechtswissenschaftlichen Studiengang anzubieten.
I.
1. Der Senat der Universität stimmte im Juli 2003 dem so genannten Hochschulkonsens mit dem Freistaat Sachsen (Vereinbarung über die Entwicklung bis 2010 zwischen den Staatlichen Hochschulen in Sachsen und der Sächsischen Staatsregierung) zu und beschloss in Umsetzung dieser Vereinbarung die Aufhebung des rechtswissenschaftlichen Studiengangs und die Einstellung der Neuimmatrikulation von Studenten für diesen Studiengang zum Wintersemester 2004/2005. Über die von der Antragstellerin erhobene verwaltungsgerichtliche Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit dieses Beschlusses ist noch nicht entschieden.
Im August 2004 erwirkte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Universität und der Freistaat Sachsen im Wesentlichen verpflichtet wurden, es bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen, den Beschluss umzusetzen, und es insbesondere zu unterlassen, die Immatrikulation von Erstsemestern in den rechtswissenschaftlichen Studiengang zum Wintersemester 2004/2005 abzulehnen.
Auf die Beschwerde der Universität und des Freistaates Sachsen hat das Oberverwaltungsgericht den Beschluss des Verwaltungsgerichts geändert und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Da die Antragstellerin eine zumindest teilweise Vorwegnahme der Hauptsache begehre, müsse für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben sein, was nicht der Fall sei. Die Erfolgsaussichten ihrer Klage seien offen.
Ein Anordnungsgrund sei nicht ersichtlich, der Antragstellerin drohe kein unwiederbringlicher Rechtsverlust. Durch die Nichtimmatrikulation von Studienanfängern im Wintersemester 2004/2005 sei die Weiterführung des Studiengangs nicht gefährdet, einer Immatrikulation in späteren Semestern stehe weder rechtlich noch faktisch etwas entgegen.
2. Die Antragstellerin beantragt den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, die Wirkung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vorläufig auszusetzen. Mit der noch einzulegenden Verfassungsbeschwerde werde sie die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 5 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG rügen. Diese Verfassungsbeschwerde sei weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet, vielmehr sei sie offensichtlich begründet. Zumindest müsse eine Folgenabwägung zugunsten der Antragstellerin ausfallen. Ergehe keine einstweilige Anordnung, werde die Antragstellerin in ein Abwicklungsstadium gezwungen, womit ein erster gravierender Schritt zu ihrer beabsichtigten Schließung getan sei. Mangels Neuimmatrikulationen werde mindestens für den Studienjahrgang 2004/2005 die rechtswissenschaftliche Lehre entfallen. Diese Folge sei irreparabel.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.
1. Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Wegen der meist weit reichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsrechtlichen Verfahren auslöst, gilt für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg versagt bliebe (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 87, 107 <111>; 88, 185 <186>; 91, 252 <257 f.>; stRspr).
2. Danach bleibt der Antrag ohne Erfolg.
a) Eine Verfassungsbeschwerde kann zulässig eingelegt werden und wäre nicht offensichtlich unbegründet. Es kann erst im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt werden, ob die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Verfassungsrechte der Antragstellerin verletzt.
b) Die demnach gebotene Beurteilung und Abwägung der Folgen, die im Falle des Erfolgs oder Misserfolgs einer Verfassungsbeschwerde einträten, führen zu einem Überwiegen derjenigen Gründe, die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen.
Erginge die beantragte einstweilige Anordnung und hätte eine Verfassungsbeschwerde später keinen Erfolg, wäre die dann erfolgte Aufnahme von Erstsemestern faktisch und rechtlich nicht mehr rückgängig zu machen. Die von dem zuständigen Gremium der Universität zur Umsetzung des Hochschulkonsenses mit dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst getroffene Entscheidung, im Wintersemester 2004/2005 keinen Studienbeginn im Fach Rechtswissenschaft zu ermöglichen, wäre nicht mehr umsetzbar, die hochschulorganisatorischen Mitwirkungsrechte der an der Entscheidung Beteiligten blieben vereitelt. Die für die Aufnahme der Studenten verwendeten Sach- und Personalmittel wären verbraucht und fehlten endgültig anderen Fakultäten und Einrichtungen der Universität.
Würde hingegen die beantragte einstweilige Anordnung abgelehnt und hätte die Verfassungsbeschwerde später Erfolg, könnte die Antragstellerin künftig keine Studenten betreuen, die im Wintersemester 2004/2005 ihr rechtswissenschaftliches Studium an ihrer Universität aufgenommen haben. Der sonstige Betrieb der Antragstellerin wäre aber weder in der Lehre noch in der Forschung betroffen. Die Antragstellerin wäre bei einem Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde auch nicht gehindert, im Sommersemester 2005 Zweitsemester von anderen Universitäten aufzunehmen und damit ein lückenloses Studienprogramm auch für diesen Studienjahrgang anzubieten. Auch in der Vergangenheit hat die Universität jeweils nur in einem Semester des Kalenderjahres Erstsemester zum rechtswissenschaftlichen Studium zugelassen, ohne dass dies zu einem Ende der Antragstellerin geführt hätte. Im Falle des Erfolgs der Verfassungsbeschwerde stünde einer Aufnahme von Erstsemesterstudenten im kommenden Sommersemester 2005 auch die Studienordnung der Antragstellerin nicht entgegen, die nämlich nur die grundsätzliche Beschränkung des Studienbeginns auf die jeweiligen Wintersemester vorsieht.
Angesichts dessen erscheint der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht geboten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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