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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 12.12.2001
Aktenzeichen: 1 BvQ 48/01
Rechtsgebiete: GG, BNotO, StBerG


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
BNotO § 14 Abs. 5
StBerG § 49 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvQ 48/01 -

In dem Verfahren über den Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung,

den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 8. November 2001 - Not 25/01 - vorläufig auszusetzen und die Antragsgegnerin anzuweisen, die verfügte Notarbestellung eines Mitbewerbers und die Aushändigung der Bestallungsurkunde an diesen einstweilen zu unterlassen,

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung

vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 12. Dezember 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das Verfahren betrifft die Ablehnung der Bestellung zum Anwaltsnotar.

Der Antragsteller ist selbständiger Rechtsanwalt und war Alleingesellschafter einer in seiner Kanzlei geschäftsansässigen Steuerberatungsgesellschaft mbH. Er bewarb sich im Jahr 2000 auf eine Stelle als Anwaltsnotar für den Bezirk des Amtsgerichts A.

Unter den drei Bewerbern wies er die höchste Punktzahl auf, wurde jedoch von der Justizverwaltung darauf hingewiesen, dass seine Stellung als Alleingesellschafter der Steuerberatungsgesellschaft mbH einer Bestellung zum Notar entgegenstehe. Ihm wurde daher aufgegeben, seine Gesellschaftsbeteiligung auf unter 50 vom Hundert zu reduzieren, und hierzu eine Frist bis zum 25. Juli 2001 gesetzt.

Durch Beschluss vom 24. Juli 2001 wurde die Steuerberatungsgesellschaft mbH in eine Steuerberatungsgesellschaft Bürgerlichen Rechts umgewandelt. Mit weiterem Vertrag vom 26. August 2001 übertrug der Antragsteller Beteiligungen an der Gesellschaft von insgesamt 50 vom Hundert auf zwei Mitgesellschafter.

Mit Bescheid vom 7. August 2001 wurde das Bestellungsbegehren des Antragstellers unter Hinweis auf seine Stellung als Alleingesellschafter der Steuerberatungsgesellschaft mbH abschlägig beschieden.

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wies das Oberlandesgericht zurück. Über den Antrag in der Hauptsache ist bislang nicht entschieden.

Es sei bereits jetzt absehbar, dass der Antrag zur Hauptsache aus Rechtsgründen erfolglos bleiben müsse. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Justizverwaltung für die Feststellung der persönlichen Eignung auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist abgestellt habe, da nur dies die Chancengleichheit der Bewerber gewährleiste. Die Regelung des § 14 Abs. 5 Satz 2 der Bundesnotarordnung (BNotO) sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

II.

Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rügt der Antragsteller die Verletzung seiner Rechte aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Rechtsstaatsprinzip. § 14 Abs. 5 BNotO sei verfassungswidrig. Es sei keine Interessenkollision mit den Pflichten des Notars bei einer Beteiligung an einer Steuerberatungsgesellschaft gegeben. Jedenfalls sei die Auslegung des § 14 Abs. 5 BNotO durch die Justizverwaltung verfassungsrechtlich nicht haltbar. Die Vorschrift untersage lediglich die Beteiligung an einer Steuerberatungsgesellschaft, wenn dem Notar ein beherrschender Einfluss zukomme. Dies sei nicht der Fall, wenn sich ein Anwaltsnotar, der nicht zugleich Steuerberater ist, an einer Steuerberatungsgesellschaft im Sinne des § 49 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) beteilige. Zudem erfasse die Vorschrift nicht die Fälle, in denen ein Notar an einer Steuerberatungsgesellschaft Bürgerlichen Rechts beteiligt sei. Für die Entscheidung sei nicht auf den Ablauf der Bewerbungsfrist abzustellen, sondern auf die Entscheidung über den Antrag.

III.

1. Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Entscheidungen vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, der in der Hauptsache gestellte Antrag ist insgesamt unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die angegriffenen Maßnahmen außer Vollzug gesetzt würden, sie sich aber im Hauptsacheverfahren als verfassungsgemäß erweisen würden (vgl. BVerfGE 91, 320 <326>; stRspr).

2. Diese Folgenabwägung fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus.

Bei Ablehnung des Antrags entsteht für den Antragsteller der Nachteil, in dem laufenden Bewerbungsverfahren nicht zum Zuge zu kommen und sich - mit ungewissem Ausgang - erneut auf eine Notarstelle bewerben zu müssen. Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller bei dem in Rede stehenden Bewerbungsverfahren nach seiner Punktzahl eine Notarstelle hätte erhalten können, ist davon auszugehen, dass er auch bei künftigen Bewerbungsverfahren gute Erfolgschancen haben wird.

Demgegenüber steht das allgemeine Interesse daran, dass ein Notar als Träger eines öffentlichen Amtes sich nicht erwerbswirtschaftlich betätigt. Dieses Kriterium sichert die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars. Im Hinblick auf die zahlreichen und häufigen Berührungspunkte, die sich aus der Tätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft für die Inanspruchnahme notarieller Amts-, insbesondere Urkundsgeschäfte in der Praxis ergeben, wollte der Gesetzgeber den Gefährdungen entgegenwirken, die bei einer Beteiligung des Notars an einer derartigen Gesellschaft für die notarielle Unparteilichkeit auftreten (BTDrucks 13/4184, S. 24 f.). Entscheidend soll sein, dass die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit des Notars nicht gegenüber seinen Amtspflichten in den Vordergrund tritt, wie dies bei einer beherrschenden Stellung innerhalb einer Steuerberatungsgesellschaft der Fall wäre.

Die Abwägung ergibt, dass hier das öffentliche Interesse an einer Klärung der Beteiligungsfragen im Hauptsacheverfahren überwiegt. Auch nach der Umstrukturierung der Gesellschaftsbeteiligung besteht der Bedarf an einer sorgfältigen Prüfung aller Umstände des Einzelfalles fort. Demgegenüber wiegt der Nachteil für den Antragsteller, der zunächst auf seinen bisherigen Status als Rechtsanwalt verwiesen ist, weniger schwer.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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