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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 04.08.2004
Aktenzeichen: 1 BvR 1076/04
Rechtsgebiete: SGB V, BVerfGG, GKV
Vorschriften:
SGB V § 31 | |
SGB V § 34 Abs. 1 | |
SGB V § 34 Abs. 1 Satz 1 | |
SGB V § 34 Abs. 1 Satz 2 | |
SGB V § 34 Abs. 1 Satz 3 | |
SGB V § 34 Abs. 1 Satz 4 | |
SGB V § 34 Abs. 1 Satz 5 | |
BVerfGG § 93 a | |
BVerfGG § 93 a Abs. 2 | |
BVerfGG § 93 b | |
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3 | |
GKV Art. 1 Nr. 22 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1076/04 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 bis 5 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (BGBl I S. 2190)
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, den Richter Steiner und die Richterin Hohmann-Dennhardt gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 4. August 2004 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Versorgung gesetzlich Krankenversicherter mit Arzneimitteln der Anthroposophie auf Grund des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I S. 2190).
I.
Die gesetzlich krankenversicherten Beschwerdeführer greifen unmittelbar die Sätze 1 bis 5 des § 34 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) an, die durch Art. 1 Nr. 22 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des GKV-Modernisierungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2004 (vgl. Art. 37 Abs. 1 GMG) eingefügt worden sind. Damit werden im Grundsatz - also unter Zulassung von Ausnahmen - nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Die Beschwerdeführer machen geltend, dieser Ausschluss treffe Arzneimittel, die der anthroposophischen Therapierichtung zugehörten, in besonderer Weise; denn gerade diese seien zum großen Teil nicht verschreibungspflichtig. Darin sehen sie eine Verletzung ihres Grundrechts auf Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG).
Die Beschwerdeführer zu 1 bis 4 haben zudem beantragt, die streitigen Bestimmungen im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen von § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg, weil sie unzulässig ist.
1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Die Beschwerdeführer haben den Rechtsweg, der hier durch Anrufung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist, nicht erschöpft. Sie haben die Möglichkeit, im Falle der auf die angegriffene Regelung gestützten Ablehnung einer Leistung durch die gesetzlichen Krankenkassen die Sozialgerichte anzurufen. Darauf sind sie zu verweisen (vgl. BVerfGE 69, 122 <125>; stRspr).
2. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor Erschöpfung dieses Rechtswegs kommt nicht in Betracht. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Abwägung der für und gegen eine vorzeitige Entscheidung sprechenden Umstände (vgl. BVerfGE 86, 15 <26> m.w.N.; stRspr) ergibt, dass auf eine Befassung der Fachgerichte vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht verzichtet werden kann. Das Vorbringen der Beschwerdeführer macht deutlich, dass es vor einer verfassungsrechtlichen Prüfung der angegriffenen Vorschriften zunächst einer Klärung auf der Ebene des einfachen Rechts bedarf, ob und inwieweit die Beschwerdeführer im Einzelfall vom Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V beschwert sind. Immerhin eröffnet das Gesetz weiterhin die Möglichkeit der Versorgung mit solchen Arzneimitteln, die bei der Behandlung schwieriger Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Dabei ist gegebenenfalls auch zu prüfen, ob die auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegte Liste von zugelassenen Ausnahmen (vgl. jetzt Beschluss über die Änderung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung <Arzneimittel-Richtlinien/AMR> vom 16. März 2004, Deutsches Ärzteblatt 2004, Heft 14, B 799 unter Nr. 16) mit den gesetzlichen Vorgaben und insbesondere mit § 34 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Einklang steht. Sollte die Liste den gesetzlichen Maßgaben nicht entsprechen, ist nicht ausgeschlossen, dass der vorgetragenen Beschwer bereits im fachgerichtlichen Verfahren abgeholfen werden kann. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein Beschreiten des Rechtswegs den Beschwerdeführern unzumutbar sein könnte. In Eilfällen besteht die Möglichkeit, bei den Sozialgerichten einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.
III.
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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