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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 03.08.2004
Aktenzeichen: 1 BvR 1086/01
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 1 BvR 135/00 - - 1 BvR 1086/01 -

In den Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerden

gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. Dezember 1999 - 12 VA 5/99 -,

b) das Schreiben des Amtsgerichts Alzey vom 27. Oktober 1999

- 1 BvR 135/00 -,

gegen a) den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 28. Mai 2001 - 12 Va 2/00 -,

b) den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 19. Dezember 2000 - 12 Va 2/00 -

- 1 BvR 1086/01 -

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde am 3. August 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

I. 1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. Dezember 1999 - 12 VA 5/99 - verletzt den Beschwerdeführer zu I. in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes; der Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer zu I. die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

II. 1. Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 28. Mai 2001 - 12 Va 2/00 - verletzt den Beschwerdeführer zu II. in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes; der Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Das Land Schleswig-Holstein hat dem Beschwerdeführer zu II. die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Verfassungsbeschwerden betreffen Fragen der Vorauswahl von Insolvenzverwaltern durch das Gericht.

I.

1. Nach § 56 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) ist zum Insolvenzverwalter eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen. Ausschließlich zuständig für das Insolvenzverfahren ist nach § 2 Abs. 1 InsO das Amtsgericht; die funktionelle Zuständigkeit ist zwischen Richter und Rechtspfleger aufgeteilt: Nach § 18 des Rechtspflegergesetzes ist dem Richter die Zuständigkeit für das Eröffnungsverfahren einschließlich der Entscheidung über den Eröffnungsantrag und die Person des Verwalters vorbehalten. Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nach § 6 Abs. 1 InsO nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht. Das ist bei der Entscheidung über die Bestellung eines Insolvenzverwalters nicht der Fall.

2. Zum Insolvenzverwalter sollen nur geeignete Personen bestellt werden. Darüber, wie sich der Richter einen Überblick über den in Frage kommenden Personenkreis verschafft, wer also als Insolvenzverwalter in Betracht kommen kann, wenn die regelmäßig in kurzer Zeit zu treffende Entscheidung ansteht, enthält das Gesetz keine Regelung. Um dieses Vorauswahlverfahren des Gerichts, also die Entscheidung, ob ein Bewerber um die Bestellung als Insolvenzverwalter in den Kreis derjenigen Personen aufgenommen wird, aus dem der Richter im Einzelfall die Person auswählt, die nach seiner Meinung den Anforderungen des § 56 Abs. 1 InsO am ehesten entspricht, und welchen Rechtsschutz es im Hinblick auf diese Entscheidung gibt, geht es in den vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren.

II.

1. Der Beschwerdeführer zu I. ist Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in A. Nach vergeblichen Bemühungen, vom Amtsgericht A. zum Insolvenzverwalter bestellt zu werden, teilte ihm der Insolvenzrichter mit dem angegriffenen Schreiben mit, dass er mit mehreren Rechtsanwaltskanzleien bei Insolvenzverwaltungen mit gutem Erfolg zusammenarbeite und kein Anlass bestehe, die Zahl der Verwalter zu erhöhen.

Den Antrag des Beschwerdeführers zu I. auf gerichtliche Entscheidung gemäß den §§ 23 ff. EGGVG wies das Oberlandesgericht als unzulässig zurück. Das Schreiben des Insolvenzrichters sei mangels Bindungswirkung kein Justizverwaltungsakt. Zudem handele der Richter bei der Insolvenzverwalterbestellung in richterlicher Unabhängigkeit als Organ der Rechtspflege. Die Entscheidung falle deshalb nicht unter den Schutz des Art. 19 Abs. 4 GG.

2. Der Beschwerdeführer zu II. ist Rechtsanwalt und Notar und seit vielen Jahren im Bereich der Konkurs- und Vergleichsabwicklung tätig. Er wurde vom Amtsgericht O. regelmäßig bei Insolvenzen hinzugezogen. Nachdem diesem aufgrund organisatorischer Umstrukturierungen die Aufgaben eines Insolvenzgerichts genommen worden waren, bemühte sich der Beschwerdeführer bei dem nunmehr zuständigen Amtsgericht E. um die Übernahme von Insolvenzverfahren. Damit hatte er keinen Erfolg. Im Mai 2000 teilte ihm die Insolvenzrichterin des Amtsgerichts E. mit, dass sie zur Zeit keinen Bedarf für die Erweiterung des Kreises der von ihr regelmäßig eingesetzten Sachverständigen, Verwalter und Treuhänder in Insolvenzverfahren habe. Sie nehme aber zur Kenntnis, dass der Beschwerdeführer zu II. weiterhin interessiert sei, Aufgaben für das Insolvenzgericht zu übernehmen.

a) Durch den angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19. Dezember 2000 wurde der Antrag des Beschwerdeführers zu II. auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen. Es sei bereits zweifelhaft, ob das richterliche Schreiben überhaupt einer gerichtlichen Überprüfung gemäß den §§ 23 ff. EGGVG zugänglich sei. Jedenfalls sei die Antragsfrist nicht eingehalten.

b) Im Rahmen von Gegenvorstellungen wandte sich der Beschwerdeführer zu II. gegen die permanente Nichtberücksichtigung bei der Vergabe von Insolvenzverwaltungen. Er führte ein weiteres Schreiben der Insolvenzrichterin des Amtsgerichts E. vom 26. Januar 2001 in das Verfahren ein, wonach sein Interesse an der Übernahme von Insolvenzverwaltungen stets berücksichtigt worden, er aber dennoch bislang nicht zum Zuge gekommen sei.

Durch den ebenfalls angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts vom 28. Mai 2001 wurden die Gegenvorstellungen zurückgewiesen. Soweit der Beschwerdeführer seinen Antrag darauf stütze, dass er dauerhaft bei der Vergabe von Insolvenzverfahren nicht berücksichtigt werde, sei er unzulässig, da Auswahl und Bestellung von Insolvenzverwaltern Akte der Rechtsprechung seien. Die Streitfrage, ob der Beschwerdeführer einen klagbaren Anspruch auf Aufnahme in eine Bewerberliste habe, stelle sich im vorliegenden Fall nicht, weil sich aus den Schreiben der Richterin ergebe, dass einerseits eine solche "Liste" beim Amtsgericht E. nicht geführt, andererseits aber das Interesse des Beschwerdeführers an der Übernahme von Insolvenzverwaltungen berücksichtigt werde. Die unterbliebene Bestellung des Beschwerdeführers als Insolvenzverwalter sei Ausprägung der richterlichen Ermessensentscheidung und könne nicht überprüft werden.

3. Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Die insolvenzgerichtliche Auswahlentscheidung sei als administrative Vergabeentscheidung und damit als Akt öffentlicher Gewalt im Sinne der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu qualifizieren. Mangels ausreichender gesetzlicher Grundlagen in § 56 InsO verstoße die Nichtberücksichtigung ihrer jeweiligen Bewerbungen gegen das durch Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf gleichen Zugang zum Amt des Insolvenzverwalters.

4. Zu den Verfassungsbeschwerden haben Stellung genommen das Bundesministerium der Justiz, der Präsident des Bundesgerichtshofs, die Bundessteuerberaterkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Steuerberaterverband e.V., der Deutsche AnwaltVerein, der Arbeitskreis der Insolvenzverwalter Deutschland e.V. und der Bundesverband deutscher Banken e.V. Das Bundesministerium der Justiz, der Arbeitskreis der Insolvenzverwalter Deutschland e.V. und der Ausschuss Insolvenzrecht des Deutschen AnwaltVereins halten die Verfassungsbeschwerden für unbegründet, während die Bundessteuerberaterkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Steuerberaterverband e.V. und der Verfassungsausschuss des Deutschen AnwaltVereins sie für zumindest überwiegend begründet halten. Der Präsident des Bundesgerichtshofs verweist darauf, dass die Insolvenzrichter einen breiten Beurteilungsspielraum benötigen. Der Bundesverband deutscher Banken e.V. betont, dass Insolvenzverwalter im Interesse der Gläubiger bestellt werden; es gehe weniger um eigene berufliche Entfaltung.

B.

Die Verfassungsbeschwerden erfüllen nicht in vollem Umfang die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG.

I.

1. Soweit der Beschwerdeführer zu I. rügt, das Schreiben des Amtsgerichts verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG, liegen die Annahmevoraussetzungen nicht vor (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG); es fehlt bisher an einer materiellen gerichtlichen Nachprüfung, weil das Oberlandesgericht den Rechtsweg unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG nicht eröffnet hat (vgl. dazu sogleich unter III.2.).

2. Der Beschwerdeführer zu II. wird durch den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19. Dezember 2000 in der Sache nicht mehr beschwert. Das Oberlandesgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 28. Mai 2001 den Antrag des Beschwerdeführers nach dem letzten Sach- und Streitstand erneut beschieden. Insoweit hat die Verfassungsbeschwerde Erfolg (vgl. dazu sogleich unter III.3.). Allein wegen des Kostenpunktes ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde im Übrigen gemäß § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG nicht angezeigt.

II.

Im Übrigen nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an. Zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten ist dies angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Insoweit liegen auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung vor. Die Beschwerdeführer werden in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG unter besonderer Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.

III.

1. Die Verfassungsbeschwerden werfen keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG).

a) Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Begründetheit der Verfassungsbeschwerden zu erörternden Fragen zum Schutzumfang des Art. 19 Abs. 4 GG und zur Reichweite des Rechtsprechungsbegriffs des Grundgesetzes schon entschieden.

aa) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des Einzelnen durch die vollziehende Gewalt (vgl. BVerfGE 73, 339 <372>; 76, 93 <98>; 107, 395 <403 ff.>). Als öffentliche Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG sind auch die Gerichte einzuordnen, wenn sie außerhalb ihrer spruchrichterlichen Tätigkeit aufgrund eines ausdrücklich normierten Richtervorbehalts tätig werden. In diesen Fällen handeln die Gerichte zwar in voller richterlicher Unabhängigkeit, aber nicht in ihrer typischen Funktion als Instanzen der unbeteiligten Streitentscheidung (vgl. BVerfGE 107, 395 <406>).

Ob die Wahrnehmung einer Aufgabe als Rechtsprechung im Sinne von Art. 92 GG anzusehen ist, richtet sich maßgeblich nach der konkreten sachlichen Tätigkeit. Um Rechtsprechung in einem materiellen Sinn handelt es sich, wenn bestimmte hoheitliche Befugnisse bereits durch die Verfassung den Richtern zugewiesen sind oder dem traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung zugehören. Daneben ist rechtsprechende Gewalt im Sinne des Art. 92 GG auch dann gegeben, wenn der Gesetzgeber für einen Sachbereich, der nicht schon materiell dem Rechtsprechungsbegriff unterfällt, eine Ausgestaltung wählt, die bei funktioneller Betrachtung auf die rechtsprechende Gewalt zugeschnitten ist. In funktioneller Hinsicht handelt es sich - ungeachtet des jeweiligen sachlichen Gegenstandes - um Rechtsprechung, wenn der Gesetzgeber ein gerichtsförmiges Verfahren hoheitlicher Streitbeilegung vorsieht und den dort zu treffenden Entscheidungen eine Rechtswirkung verleiht, die unabhängigen Gerichten vorbehalten ist. Zu den wesentlichen Begriffsmerkmalen der Rechtsprechung in diesem Sinne gehört das Element der Entscheidung, der letztverbindlichen, der Rechtskraft fähigen Feststellung und des Ausspruchs dessen, was im konkreten Fall rechtens ist in einem Verfahren, das die hierfür erforderlichen prozessualen Sicherungen gewährleistet. Nach Art. 92 GG ist Kennzeichen rechtsprechender Tätigkeit typischerweise die letztverbindliche Klärung der Rechtslage im Rahmen besonders geregelter Verfahren (vgl. BVerfGE 103, 111 <137 f.>).

bb) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist auch hinreichend geklärt, welche Anforderungen sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG für die Erfordernisse eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Der Bürger hat einen substantiellen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; 93, 1 <13>; stRspr). Zur Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes gehört vor allem, dass dem Richter eine hinreichende Prüfungsbefugnis hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Seite eines Streitfalls zukommt, damit er einer Rechtsverletzung abhelfen kann (vgl. BVerfGE 61, 82 <111>). Das Gebot effektiven Rechtsschutzes schließt allerdings nicht aus, dass je nach Art der zu prüfenden Maßnahme wegen der Einräumung von Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräumen eine unterschiedliche Kontrolldichte anzunehmen ist (vgl. BVerfGE 61, 82 <111>; 84, 34 <53 ff.>).

b) Weiterhin sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die hier maßgeblichen Fragen zu Art. 12 Abs. 1 GG schon geklärt. Der Begriff des Berufs ist weit auszulegen. Beruf im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG sind nicht nur Tätigkeiten, die sich in bestimmten, traditionellen oder sogar rechtlich fixierten "Berufsbildern" darstellen, sondern auch die vom Einzelnen frei gewählten untypischen Betätigungen, aus denen sich wiederum neue, feste Berufsbilder ergeben mögen (vgl. BVerfGE 7, 377 <397>; 78, 179 <192 f.>; 97, 12 <33 f.>). Abgegrenzt wird der selbständige Beruf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von solchen Tätigkeiten, die nur als Bestandteil eines umfassenderen oder als Erweiterung eines anderen Berufs ausgeübt werden und deren Regelung die eigentliche Berufstätigkeit als Grundlage der Lebensführung unberührt lässt (vgl. BVerfGE 16, 147 <163 f.>; 48, 376 <388>).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu I. ist zur Durchsetzung seines Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist insoweit begründet im Sinne des § 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

a) Das Oberlandesgericht verstößt mit seinem Beschluss gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, indem es der Mitteilung im Vorauswahlverfahren sowohl die Qualität eines Justizverwaltungsaktes im Sinne der §§ 23 ff. EGGVG als auch die Justiziabilität überhaupt abspricht. Hiermit verweigert es dem Beschwerdeführer einen wirksamen Schutz gegen einen Eingriff der öffentlichen Gewalt in seine verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit.

aa) Die hier allein streitgegenständliche Entscheidung im Vorauswahlverfahren ist kein Rechtsprechungsakt. Sie ist weder Rechtsprechung im materiellen Sinne noch unterfällt sie dem funktionellen Rechtsprechungsbegriff, da der Richter zwar in richterlicher Unabhängigkeit tätig wird, aber nicht in seiner Funktion als Instanz der unbeteiligten Streitbeilegung. Ob die Insolvenzverwalterbestellung selbst rechtsprechende Tätigkeit ist, weil sie in Zusammenhang mit dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergeht, kann vorliegend offen bleiben. Die Vorauswahlentscheidung befindet jedenfalls lediglich über den Kreis potentieller Insolvenzverwalter ohne Verbindung zu einem konkreten Insolvenzverfahren. Rechtlich stehen die Vorauswahl und die schließliche Auswahlentscheidung nebeneinander. Die Vorprüfung mit dem Ergebnis der grundsätzlichen Eignung bestimmter Bewerber eröffnet diesen eine Chance, im Zuge künftiger Anträge auf Eröffnung von Insolvenzverfahren zu Sachverständigen, Treuhändern, Sachwaltern oder Insolvenzverwaltern bestellt zu werden.

bb) Die Vorauswahl hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf die beruflichen Betätigungsmöglichkeiten der Interessenten. Auch wenn der Insolvenzrichter von Rechts wegen an eine abschlägige Vorauswahlentscheidung bei der späteren Auswahl von Sachverständigen oder Insolvenzverwaltern nicht gebunden ist, wird der abgelehnte Interessent hierdurch in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG berührt.

(1) Für den Zugang zum Beruf des Notars hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass die Verwirklichung der Grundrechte auch eine dem Grundrechtsschutz angemessene Verfahrensgestaltung fordert (vgl. BVerfGE 73, 280 <296>; BVerfG, NJW 2004, S. 1935). Denn durch die Gestaltung des Auswahlverfahrens wird unmittelbar Einfluss auf die Konkurrenzsituation und damit auf das Ergebnis der Auswahlentscheidung genommen. Deshalb muss ein Verfahren, soll es den Anforderungen des Art. 12 in Verbindung mit Art. 33 GG entsprechen, in der Bewerbung um ein öffentliches Amt gewährleisten, dass tatsächlich von allen potentiellen Bewerbern derjenige gefunden wird, der am ehesten den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

(2) Bei der Bewerbung um eine Tätigkeit im Rahmen von Insolvenzverfahren, die nur von hoheitlich tätigen Richtern vergeben wird, muss jedenfalls jeder Bewerber eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden. Das ist auch dann zu verlangen, wenn man mit dem Bundesverband Deutscher Banken vor allem die Interessen der Gläubiger im gesamten Verfahren betont. Das Gläubigerinteresse muss in die Eignungsbewertung durch den Richter eingehen. Es kommt besonders dadurch zur Geltung, dass die Gläubigerversammlung den vom Richter bestellten Insolvenzverwalter abberufen kann. Die Belange der Gläubiger stehen einer verfahrensmäßigen Absicherung der Berufsinteressen geeigneter Insolvenzverwalter nicht entgegen; die Gläubiger sind gerade auf solche Personen angewiesen. Aus ihrer Sicht muss lediglich vermieden werden, dass Konflikte um die Auswahl eines geeigneten Bewerbers das Insolvenzverfahren verzögern oder auf andere Weise belasten.

Die Tätigkeit von Insolvenzverwaltern wird angesichts der Entwicklung in den letzten zwei Jahrzehnten auch nicht mehr als bloße Nebentätigkeit der Berufsausübung von Rechtsanwälten oder von Kaufleuten angesehen werden können. Vielmehr ist die Betätigung als Insolvenzverwalter zu einem eigenständigen Beruf geworden, der vielen Personen maßgeblich zur Schaffung und Aufrechterhaltung der Lebensgrundlage dient, sei es als alleiniger Beruf oder neben einem anderen Beruf. Rechtsanwälte bilden sich beispielsweise spezialisiert zum Fachanwalt für Insolvenzrecht fort. Kanzleien halten in erheblichem Umfang geschultes Personal vor, um den Arbeitsanfall bei Großinsolvenzen bewältigen zu können. Es hat sich insoweit ein neuer "Markt" für Rechtsanwälte, Steuerberater und Kaufleute gebildet. Durch ein Übergehen bei der Bestellungsentscheidung wird die Berufsfreiheit schon deshalb berührt, weil der Beruf des Insolvenzverwalters nur aufgrund der Zuteilung durch einen Träger öffentlicher Gewalt wahrgenommen werden kann. Die Vorauswahl geeigneter Bewerber bereitet diese Entscheidung maßgeblich vor.

cc) Ob bei der eigentlichen Ernennung von Sachverständigen, Treuhändern und Insolvenzverwaltern - die vorliegend nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerden ist - lediglich die Berufsausübungsfreiheit berührt wird, da nur die Beteiligung an einer konkreten Insolvenz verweigert wird, oder ob im Einzelfall die Berufswahl tangiert ist, wenn durch die Handhabung der Gerichte bestimmten Bewerbern die Berufstätigkeit gänzlich versperrt wird, kann offen bleiben. In jedem Fall gebietet die Komplementärfunktion des Verfahrensrechts eine der Bedeutung des Rechts aus Art. 12 Abs. 1 GG angemessene Verfahrensgestaltung schon im Vorfeld.

Auch wenn dem Richter bei der Insolvenzverwalterbestellung ein weites Auswahlermessen zugestanden wird und er nur verpflichtet ist, eine geeignete Person zum Insolvenzverwalter zu ernennen, kann dies angesichts der weitreichenden Entscheidung für oder gegen bestimmte Berufsangehörige nicht ohne jede Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG geschehen. Es geht nicht länger um die Verschonung von einer Inpflichtnahme Privater für eine öffentliche Aufgabe, als die Konkursverwaltung möglicherweise früher einmal begriffen worden ist, sondern um die Eröffnung von Chancen in einem Wirtschaftssektor, zu dem die Entscheidung eines Amtsrichters die Tür öffnet. Das belegt die Tatsache, dass sich bestimmte Personengruppen speziell der Insolvenzverwaltung zuwenden und hierin ihre Lebensgrundlage finden.

Eine Chance auf eine Einbeziehung in ein konkret anstehendes Auswahlverfahren und damit auf Ausübung des Berufs hat ein potentieller Insolvenzverwalter nur bei willkürfreier Einbeziehung in das Vorauswahlverfahren. Dieses ist so bedeutsam, weil der Richter wegen der Eilbedürftigkeit der Bestellungsentscheidung eines Rahmens bedarf, wenn er die Auswahl für ein konkretes Insolvenzverfahren trifft. Die Chancengleichheit der Bewerber ist gerichtlicher Überprüfung zugänglich. Allein sie gewährleistet insoweit die Beachtung subjektiver Rechte.

b) Diesen Maßstäben genügt die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht. Sie ordnet nicht nur die Insolvenzverwalterbestellung selbst als Rechtsprechungstätigkeit ein, die keiner weiteren Kontrolle bedarf, sondern spricht auch der Vorauswahl jede rechtliche Relevanz ab.

Der Berufszugang wird damit weitgehend von den Zufälligkeiten der Bekanntheit eines Insolvenzbüros oder der Bekanntschaft zwischen potentiellen Insolvenzverwaltern, Richtern und Rechtspflegern abhängig. Die Entscheidung ist frei und unkontrolliert. Für den Zugang zum Bewerberpool, also zu dem Beruf, fehlen präzisierte rechtliche Maßstäbe und deren richterliche Kontrolle, obwohl Fragen der Eignung losgelöst von dem Zeitdruck einer konkret anstehenden Insolvenz in Ruhe geprüft und entschieden werden könnten.

Für eine solche justiziable Vorentscheidung besteht umso mehr Bedarf, als sich die Insolvenzen von Großunternehmen oder von Freiberuflern, die Fortführung von Betrieben in der Insolvenz je nach Branchenzugehörigkeit und die Verbraucherinsolvenzen - um nur einige Teilbereiche zu nennen - erheblich unterscheiden. An die Insolvenzverwalter werden insoweit ganz unterschiedliche Anforderungen gestellt. Ob die Richter auf den verschiedenen Auswahlebenen diesen Kriterien der Eignungsfeststellung gerecht werden, ist prüfungsfähig und -bedürftig. Auch Ermessensentscheidungen unterliegen rechtlicher Bindung. Sie müssen den jeweiligen Sachbereich angemessen vollständig in den Blick nehmen, dürfen keine allgemeingültigen Bewertungsmaßstäbe verletzen und sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Die korrekte Handhabung liegt sowohl im Interesse des Gemeinschuldners und der Gläubiger, aber ebenso im öffentlichen Interesse an einer geordneten und effizienten Rechtspflege. Vor allem greift jedoch der Vorgang gestaltend in die beruflichen Chancen und Betätigungsmöglichkeiten potentieller Insolvenzverwalter ein. Deshalb verstößt die Verweigerung von Rechtsschutz auf dieser Verfahrensebene gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.

3. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu II. gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 28. Mai 2001 ist ebenfalls zur Durchsetzung seines Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt und in diesem Rahmen auch begründet.

a) Zwar hat das Oberlandesgericht zu Recht zwischen der eigentlichen Insolvenzverwalterbestellung und dem Vorauswahlverfahren unterschieden und deshalb die Streitfrage auf die Aufnahme in etwa geführte Bewerberlisten begrenzt. Soweit es indessen gemeint hat, auch die konkrete Frage nicht entscheiden zu müssen, ob der Beschwerdeführer einen einklagbaren Anspruch auf Aufnahme in eine solche Liste habe, weil dieser erfüllt sei und der Beschwerdeführer der Sache nach von der entscheidenden Amtsrichterin ausreichend berücksichtigt werde, ist das Oberlandesgericht dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht geworden. Eine gerichtliche Prüfung, die ohne jede Plausibilitätskontrolle lediglich innere Tatsachen einer Entscheidungsfindung billigend zur Kenntnis nimmt, gewährleistet keinen effektiven Rechtsschutz.

b) Wie unter B.III.2.a) ausgeführt, ist im Rahmen der Vorauswahl geeigneter Bewerber für die Aufgaben eines Sachverständigen, Treuhänders oder Insolvenzverwalters ein justiziables Vorauswahlverfahren verfassungsrechtlich geboten. Diese Möglichkeit hat das Oberlandesgericht in Betracht gezogen, insofern aber nicht beachtet, dass ein solcher Rechtsschutz auch effektiv sein und der Bevorzugung bekannter und bewährter Berufstätiger entgegenwirken soll, wenn die öffentliche Hand die Verantwortung für den Marktzugang übernimmt (vgl. BVerwG, NVwZ 1984, S. 585). Wirksame gerichtliche Kontrolle setzt voraus, dass auch in Verfahren mit geringer Kontrolldichte und einem der Sache nach unvermeidbaren Mangel an überprüfbaren Unterlagen ein Mindestmaß an Rechtsschutz gewährleistet wird. Das Gericht hat sich aufdrängenden Zweifeln nachzugehen. Dies ist vorliegend nicht geschehen.

Ersichtlich hatte die staatliche Organisationsentscheidung mit der Konzentration des Insolvenzrechts beim Amtsgericht E. Auswirkungen auf die beim Amtsgericht O. bekannten und von ihm in zurückliegender Zeit bestellten Insolvenzverwalter. Die zuständige Insolvenzrichterin beim Amtsgericht E. hatte zunächst, obwohl ihr Zuständigkeitsbereich um den Bezirk des Amtsgerichts O. vergrößert worden war, keine Veranlassung gesehen, den von ihr bei Insolvenzen hinzugezogenen Personenkreis um sonstige Interessenten aus dem Bereich des Amtsgerichts O. zu erweitern, obwohl sich der Arbeitsanfall im Bezirk des Amtsgerichts E. entsprechend erhöht haben dürfte. Auch Gesichtspunkte größerer Ortsnähe und -kenntnis bei den zuvor vom Amtsgericht O. hinzugezogenen Insolvenzverwaltern können insoweit von der Amtsrichterin nicht berücksichtigt worden sein. Sie hat die ihr bekannten Personen, die sich in der Aufgabenerfüllung als Insolvenzverwalter bewährt hatten, vermehrt beauftragt. Deshalb ist ihre durch tatsächliche Umstände nicht belegte Behauptung im weiteren Verfahren, sie habe dennoch das Interesse des Beschwerdeführers stets berücksichtigt, wenig plausibel. Sie hätte einer inhaltlichen gerichtlichen Kontrolle bedurft. Auch Ermessensentscheidungen können hinsichtlich der Maßstäbe, insbesondere der zu berücksichtigenden tatsächlichen Gesichtspunkte und der für maßgeblich erachteten Kriterien für die Eignung von Bewerbern, überprüft werden.

4. Die Entscheidungen der Oberlandesgerichte beruhen auf den aufgezeigten Verfassungsverstößen. Das Ergebnis der nachzuholenden inhaltlichen Kontrolle ist hierdurch aber nicht vorgegeben.

5. Die Entscheidungen über die Auslagenerstattung beruhen auf § 34 a Abs. 2 und 3 BVerfGG. Die Festsetzung der Gegenstandswerte ergibt sich aus § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 f.>).

Ende der Entscheidung

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