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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 24.10.2007
Aktenzeichen: 1 BvR 1086/07
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 1 BvR 1086/07 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. Januar 2007 - 9 UF 339/06 -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, die Richterin Hohmann-Dennhardt und den Richter Hoffmann-Riem am 24. Oktober 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. Januar 2007 - 9 UF 339/06 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben und die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verurteilung des Beschwerdeführers zur Zahlung von Trennungsunterhalt an seine getrennt lebende Ehefrau. Zentraler Streitpunkt des Ausgangsverfahrens ist die Frage der Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau wegen ehelichen Fehlverhaltens oder Aufnahme einer neuen eheähnlichen Beziehung.

1. Aus der 1986 geschlossenen Ehe des Beschwerdeführers und seiner seit April 2001 getrennt lebenden Ehefrau sind drei Kinder hervorgegangen, welche seit der Trennung bei der Ehefrau leben.

a) Mit Urteil vom 4. Mai 2006 verurteilte das Amtsgericht Trier den Beschwerdeführer zur Zahlung von Trennungsunterhalt in wechselnder Höhe für unterschiedliche Zeiträume. Der Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt sei nicht verwirkt. Die Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung wegen Ausbrechens der Ehefrau aus einer intakten Ehe (§ 1579 Nr. 6 BGB) stünden nicht fest. Abgesehen davon könne auch ein nach der Trennung begründetes Verhältnis im Sinne einer festen sozialen Verbindung eine Verwirkung rechtfertigen (nach § 1579 Nr. 7 BGB), wenn dieses Verhältnis als ehegleich anzusehen sei. Indizien für eine feste soziale Verbindung seien ein harmonisches Verhältnis, langjähriges Zusammenleben, gemeinsamer Umzug, ganze oder teilweise Haushaltsversorgung durch den Unterhaltsberechtigten und das gemeinsame Verbringen der Freizeit. Ob eine solche feste Verbindung bestehe, könne erst ab einer Zeitdauer von etwa zwei bis drei Jahren festgestellt werden. Nach Auffassung des Gerichts seien diese Voraussetzungen nach Vernehmung der Ehefrau und des Zeugen H. im Scheidungsverfahren der Parteien nicht erfüllt. Beide hätten das Vorliegen eines eheähnlichen Verhältnisses in Abrede gestellt. Wenngleich der Zeuge seit dem 1. Januar 2004 in demselben Haus wohne wie die Ehefrau und er sich in einem Schreiben an die Umgangspflegerin selbst als Lebensgefährte bezeichnet habe, sei noch nicht von einer verfestigten Lebensgemeinschaft auszugehen. Allenfalls liege eine verfestigte Verbindung von wenig mehr als zwei Jahren vor. Dieser Zeitraum erscheine für die Annahme einer Verwirkung nicht ausreichend.b) Das Oberlandesgericht Koblenz wies mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil vom 24. Januar 2007 die Berufung des Beschwerdeführers zurück. Der Unterhaltsanspruch sei nicht verwirkt. Ein Unterhaltsanspruch könne nach § 1579 Nr. 6 BGB teilweise verwirkt sein, wenn dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last falle. Der Beschwerdeführer mache insofern geltend, seine Ehefrau sei aus intakter Ehe einseitig ausgebrochen, indem sie vor der Trennung ein intimes Verhältnis zu dem Zeugen H. aufgenommen habe. Einen solchen Sachverhalt habe der Beschwerdeführer nicht bewiesen.

Verwirkung könne auch anzunehmen sein, wenn der Unterhaltsberechtigte eine länger dauernde Beziehung zu einem anderen Partner eingegangen sei, die sich in einem solchen Maße verfestigt habe, dass sie als eheähnlich anzusehen sei. Dies könne nach etwa zwei bis drei Jahren fortdauernder fester sozialer Verbindung der Fall sein. Eine feste soziale Verbindung setze zwar regelmäßig einen gemeinsamen Haushalt voraus, dies sei aber nicht zwingend. Im Einzelfall könne auch bei einer andersartig gestalteten dauerhaften Verbindung je nach deren Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit auf ein eheähnliches Zusammenleben geschlossen werden, etwa bei einer so-genannten Wochenendgemeinschaft, auch wenn der neue Partner noch eine eigene Wohnung habe. Indizien seien vor allem, dass die Partner die überwiegende Zeit außerhalb der Berufstätigkeit miteinander verbrächten, sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewährten und gemeinsam wirtschafteten. Der Beschwerdeführer sei für den Verwirkungsgrund darlegungs- und beweispflichtig. Die Beweisaufnahme habe indes nicht ergeben, dass der Zeuge H. und die Ehefrau eheähnlich zusammenlebten. Allerdings stehe fest, dass die Ehefrau und der Zeuge nach der Trennung der Parteien im Jahre 2002 ein intimes Verhältnis aufgenommen hätten, große Teile der Freizeit einschließlich von Urlauben gemeinsam verbrächten und gegenüber Freunden und Bekannten als Paar aufträten. Dagegen habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass die Ehefrau und der Zeuge gemeinsam wirtschafteten oder zusammenlebten. Der Zeuge habe bekundet, die Ehefrau habe ein solches Zusammenleben nicht gewollt. Sie habe eine Trennung ihrer Bereiche gewünscht. So habe er nie mit ihr zusammengewohnt, wenn er auch das Wochenende regelmäßig bei ihr verbringe und dann bei ihr übernachte. Manchmal sähen sie sich auch täglich, im Durchschnitt aber nur an drei Tagen in der Woche. Man wirtschafte auch völlig getrennt und es gebe keine sonstigen finanziellen Verflechtungen.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, der Zeuge habe in dem Haus, in welchem auch die Ehefrau wohnte, nur pro forma eine Kleinwohnung gehalten, tatsächlich jedoch wegen eines Durchgangs über die Waschküche jederzeit Zutritt zu der Wohnung der Ehefrau gehabt und mit dieser zusammengelebt, werde durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Der Vernehmung der vom Beschwerdeführer benannten Zeugin M. bedürfe es nicht, weil die Zeugin nur über ein Gespräch mit der gemeinsamen Tochter A. berichten könne. Dabei solle das Kind einen Vorgang geschildert haben (Durchbruch zur Waschküche vor längerer Zeit und tägliche Benutzung des Durchgangs), welcher so gar nicht stattgefunden haben könne, weil das besagte Gespräch nach Angaben der Zeugin am 2. Januar 2004 gewesen sein solle, während der Zeuge H. die Wohnung erst zum 1. Januar 2004 angemietet habe.Bei dieser Sachlage halte der Senat den Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 7 BGB nicht für gegeben. Dabei sei er sich bewusst, dass eine eheähnliche Beziehung nicht voraussetze, dass die Partner zusammenlebten und gemeinsam einen Haushalt führten. Das Verhältnis sei jedoch wesentlich geprägt durch eine Distanz ganzer Lebensbereiche, nämlich hinsichtlich der Wohnungen, der Haushaltsführung, des finanziellen Bereichs sowie durch die Aufrechterhaltung eines teilweise getrennten Freundeskreises. Die Partner hätten ihre Beziehung bewusst auf Distanz angelegt, weil sie ein enges Zusammenleben wie in einer Ehe nicht wünschten. Dementsprechend sei die Beziehung gestaltet worden. Sie sähen sich überwiegend am Wochenende, hätten auch noch ihre eigenen Lebensbereiche und wollten keine gegenseitige finanzielle Verpflichtung. Der Senat halte es nicht für gerechtfertigt, solch eine Beziehung als eheähnlich zu bewerten und den Härtegrund der Verwirkung heranzuziehen.

c) Die Gehörsrüge des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht neben Anträgen auf Tatbestandsberichtigung mit Beschluss vom 28. Februar 2007 zurück.

Die Gehörsrüge sei unbegründet. Der Senat habe keinen Sachvortrag übergangen. Dass die der Zeugin M. in den Mund gelegte Behauptung sich auf einen anderen Zeitpunkt als den schriftlich von der Zeugin festgehaltenen 2. Januar 2004 habe beziehen sollen, sei reine Spekulation, zumal das entsprechende Datum nicht nur in dem Vermerk der Zeugin, sondern auch wiederholt in den schriftsätzlichen Behauptungen des Beschwerdeführers vorkomme. Es habe auch kein Anlass bestanden, darauf hinzuweisen, dass die Zeugin ein ungeeignetes Beweismittel sei. Zwar habe der Beschwerdeführer für den Fall, dass der Senat die Zeugin als ungeeignetes Beweismittel ansehe, um einen Hinweis gebeten, um ersatzweise die Tochter als Zeugin benennen zu können. Die Zeugin sei indes kein ungeeignetes Beweismittel gewesen, vielmehr sei das Beweisthema, zu welchem sie benannt worden sei, wegen des engen Zusammenhangs zum Einzug des Zeugen H. irrelevant gewesen.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer mehrere Verletzungen seiner Rechte aus Art. 103 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Ein Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs liege unter anderem in dem Übergehen des Beweisantrags auf Vernehmung der Zeugin M., welche ein Gespräch mit der Tochter der Eheleute bestätigen könne, in welchem die Tochter bekundet habe, der Zeuge H. habe in dem Haus, welches die Mutter bewohne, eine frühere Studentenwohnung angemietet, zu der ein Durchbruch in die Wohnung der Mutter hergestellt worden sei. Der Durchgang werde täglich genutzt. Die Wohnung sei nur "offiziell" voneinander getrennt. Tatsächlich lebe die Familie mit Herrn H. zusammen "wie bei einer normalen Familie". Es verstoße gegen Art. 103 GG, dass das Oberlandesgericht im Urteil und im Beschluss über die Anhörungsrüge davon ausgegangen sei, die Zeugin habe schon deshalb nicht gehört werden müssen, weil sie angegeben habe, das Gespräch mit der Tochter der Eheleute habe am 2. Januar 2004 stattgefunden, während der Zeuge H. die Wohnung erst zum 1. Januar 2004 angemietet habe. Es sei offensichtlich, dass sich die Zeugin mit der Datumsangabe auch geirrt haben könne. Dadurch sei der Inhalt des Gesprächs mit der Tochter indes noch nicht widerlegt. Bei einem entsprechenden Hinweis darauf, dass das Gericht wegen der Datumsangabe den Beweis nicht einholen wolle, hätte der Irrtum ohne weiteres ausgeräumt werden können. Daher verstoße die Nichteinholung des Beweises auch gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen und den Anspruch auf ein faires Verfahren. Hierin sehe sich der Beschwerdeführer auch deshalb verletzt, weil dem Beweisangebot hinzugesetzt worden sei, dass für den Fall, dass das Gericht das Angebot der Zeugin M. als ungeeignetes Beweismittel ansähe, um einen Hinweis gebeten werde. Für diesen Fall habe man sich ausdrücklich als Beweismittel die Vernehmung der Tochter A. als Zeugin vorbehalten.3. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens und die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers geboten ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). 1. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG.

a) Das Übergehen des Beweisangebots auf Vernehmung der Zeugin M. verstößt gegen das in Art. 103 Abs. 1 GG enthaltene Gebot der Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die von den Fachgerichten zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (vgl. BVerfGE 60, 247 <249>; 250, <252>; 65, 305 <307>; 69, 141 <143>). Zwar gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Die Nichtberücksichtigung eines von den Fachgerichten als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt aber dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32 <36>; 60, 250 <252>; 65, 305 <307>; 69, 141 <144>).bb) Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben hält die angegriffene Entscheidung nicht stand. Gegenstand der Vernehmung der Zeugin sollten Äußerungen der Tochter der Eheleute sein, wonach zwischen den im selben Haus befindlichen Wohnungen der Ehefrau und des Zeugen H. eine Verbindung (Durchgang) hergestellt worden sei und die Ehefrau und der Zeuge tatsächlich zusammenlebten. Aus den Entscheidungsgründen des Urteils des Oberlandesgerichts ergibt sich, dass die Frage des Zusammenlebens aus Sicht des Gerichts entscheidungserheblich war. Das Gericht führt zunächst aus, eine feste soziale Verbindung setze regelmäßig einen gemeinsamen Haushalt voraus, auch wenn dies nicht zwingend sei, sondern im Einzelfall je nach Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit auch bei getrennten Wohnungen auf ein eheähnliches Zusammenleben geschlossen werden könne. Sodann stellt das Gericht fest, die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass die Ehefrau und der Zeuge H. zusammenlebten.

Die Begründung des Gerichts für die trotz Entscheidungserheblichkeit unterlassene Vernehmung der Zeugin trägt nicht. Das Gericht stellt fest, einer Vernehmung der Zeugin habe es nicht bedurft, da die Tochter der Eheleute einen Vorgang geschildert haben solle, der so nicht stattgefunden haben könne. Da der Zeuge H. erst zum 1. Januar 2004 die besagte Wohnung angemietet habe, könne der geschilderte Vorgang (Durchbruch zur Waschküche und tägliche Benutzung des Durchgangs) nicht stattgefunden haben, weil das Gespräch zwischen der Zeugin M. und dem Kind am 2. Januar 2004 stattgefunden haben solle. Abgesehen davon, dass es objektiv möglich ist, dass der besagte Durchbruch bereits am Tag des Umzugs des Zeugen H. geschaffen wurde, womit sich das Oberlandesgericht nicht auseinandersetzt, misst das Gericht mit dieser Begründung dem von der Zeugin mitgeteilten Datum des Gesprächs mit der Tochter eine Bedeutung zu, die ihm objektiv nicht zukommt und die ihm auch von keinem Beteiligten zugeschrieben worden war. In der insoweit maßgeblichen Beweisbehauptung des Beschwerdeführers ist nur von "Anfang 2004" die Rede. Dem Beschwerdeführer ging es mit seinem Beweisantrag ersichtlich um den Inhalt des Gesprächs mit der Tochter und nicht um den Zeitpunkt. Der Schluss des Gerichts von der Unplausibilität des von der Zeugin angegebenen Zeitpunkts des Gesprächs auf die Unrichtigkeit des Gesprächsinhalts ist nicht nur vor dem Hintergrund, dass die Zeugin ihre schriftliche Äußerung erst im Juli 2005 verfasst hat und sich schlicht beim Datum geirrt haben könnte, sachlich nicht überzeugend, sondern stellt zudem eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar.

Der Beschwerdeführer hatte zudem das Schreiben der Zeugin M. vom 6. Juli 2005 inhaltlich zum Gegenstand seines Vorbringens gemacht. Die von der Zeugin geschilderten Äußerungen der Tochter sind in mehrfacher Hinsicht entscheidungserheblich für die Frage der Verwirkung des Unterhaltsanspruchs. So soll die Tochter berichtet haben, sie dürfe von der Mutter aus über das gemeinsame Wohnen mit dem Zeugen H., welches wie "bei einer normalen Familie" sei, nicht sprechen. Die Wohnungen seien nur offiziell getrennt, da keiner je erfahren dürfe, dass die Mutter und der Zeuge zusammen wohnen. Der täglich benutzte Durchgang könne jederzeit schnell wieder zugemacht werden. Auf diese für die Frage des Zusammenlebens oder Zusammenwohnens zentralen Tatsachen nahm der Beschwerdeführer in seiner Berufungsbegründung nochmals Bezug und rügte insoweit, dass sich das Amtsgericht hiermit nicht auseinandergesetzt habe. Zudem wies er darauf hin, dass die in den Äußerungen zum Ausdruck kommende Beeinflussung des Kindes, die Unwahrheit zu sagen, für sich allein den Verwirkungseinwand begründen könne und in den gegenteiligen Behauptungen der Ehefrau ein Prozessbetrug zu sehen sei, was ebenfalls zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führe. Durch die unterlassene Vernehmung der Zeugin und das Außerachtlassen der von der Zeugin schriftlich wiedergegebenen Äußerungen des Kindes hat das Oberlandesgericht daher auch wesentlichen Parteivortrag des Beschwerdeführers ungewürdigt gelassen.b) Auch die Behandlung des Antrags des Beschwerdeführers, ihm einen rechtlichen Hinweis zu erteilen und ihm dadurch die Benennung der Tochter als Zeugin zu ermöglichen, falls das Gericht in der Zeugin M. ein ungeeignetes Beweismittel sehen sollte, ist im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG und die Grundsätze eines fairen Verfahrens zu beanstanden.

aa) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt für die Prozessbeteiligten das Recht, sich vor einer gerichtlichen Entscheidung zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt sowie zur Rechtslage zu äußern. Daraus ergibt sich ein Schutz vor Überraschungsentscheidungen, die ohne vorherigen Hinweis des Gerichts auf einen Gesichtspunkt abstellen, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>). Zwar begründet Art. 103 Abs. 1 GG keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts, insbesondere nicht im Hinblick auf dessen Rechtsansichten (vgl. BVerfGE 66, 116 <147>; 74, 1 <5>). Die Beteiligten müssen aber erkennen können, auf welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommt (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144>). bb) Diesen Maßstäben ist das Oberlandesgericht nicht gerecht geworden. Das Unterlassen eines entsprechenden Hinweises wird in der Entscheidung über die Anhörungsrüge damit begründet, die Zeugin sei kein untaugliches Beweismittel, vielmehr sei das Beweisthema wegen des engen Zusammenhangs zum Einzug des Zeugen irrelevant gewesen. Der Hinweis sei nur für den Fall erbeten worden, dass das Gericht in der Zeugin ein untaugliches Beweismittel sehe. Diese Argumentation lässt den Sinn und das Rechtsschutzziel der Bitte des Beschwerdeführers um einen richterlichen Hinweis außer Acht. Der Beschwerdeführer wollte sich bei interessengerechter und fairer Würdigung seines Antrags mit der Bitte um einen Hinweis prozessual für den Fall wappnen, dass das Gericht der nur mittelbar durch die Zeugin wiedergegebenen Aussage des Kindes keine ausreichende Bedeutung beimäße und sich für diesen Fall die Vernehmung des Kindes vorbehalten. Diese prozessuale Zielrichtung erfasst auch den Fall, dass das Gericht nicht wegen der fehlenden Unmittelbarkeit der Wahrnehmung der zu beweisenden Tatsachen durch die Zeugin M., sondern wegen fehlender Plausibilität der schriftlichen Aufzeichnungen der Zeugin von deren Vernehmung absehen würde. Denn es ist naheliegend, dass sich der Beschwerdeführer zunächst deshalb auf die Zeugin M. als Zeugin vom Hörensagen beschränkte, weil er seiner Tochter eine Aussage vor Gericht ersparen wollte. Auch wenn der Beschwerdeführer ausdrücklich nur die Möglichkeit herausgriff, das Gericht könnte in der Zeugin M. ein untaugliches Beweismittel sehen, ergibt sich aus der erkennbar gewordenen Motivation, die Tochter zunächst aus dem Prozess herauszuhalten, dass der Beschwerdeführer sich allgemein für den Fall, dass dem Gericht die Aussage der Zeugin M. zum Nachweis des Verwirkungsgrunds nicht ausreiche, die Möglichkeit offenhalten wollte, die Tochter doch noch als unmittelbare Zeugin für das behauptete Geschehen zu benennen. Auch ein sorgfältiger und gewissenhafter Prozessbeteiligter musste in dieser Prozesskonstellation nicht damit rechnen, dass das Oberlandesgericht den Beweisantrag auf Vernehmung der Zeugin M. übergehen würde, ohne der beweisbelasteten Partei durch einen Hinweis die Möglichkeit einzuräumen, die Richtigkeit der Behauptungen durch Vernehmung der Tochter führen zu können.2. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Das Urteil vom 24. Januar 2007 wird aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG).

Da bereits der festgestellte Grundrechtsverstoß zur Aufhebung der Entscheidung führt, kann dahinstehen, ob auch die weiteren Rügen des Beschwerdeführers begründet sind.

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Ende der Entscheidung

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