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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 13.11.2008
Aktenzeichen: 1 BvR 1192/08
(1)
Rechtsgebiete: BGB, BVerfGG, GG
Vorschriften:
BGB §§ 1600 ff. | |
BGB § 1600b Abs. 1 | |
BGB § 1600b Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 1600a Abs. 4 | |
BVerfGG § 34a Abs. 2 | |
BVerfGG § 93a Abs. 2 Buchstabe b | |
BVerfGG § 93c Abs. 1 Satz 1 | |
GG Art. 1 Abs. 1 | |
GG Art. 2 Abs. 1 | |
GG Art. 6 | |
GG Art. 6 Abs. 2 | |
GG Art. 6 Abs. 2 Satz 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES
- 1 BvR 1192/08 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen
a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 25. März 2008 - 10 WF 71/08 -,
b) den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 20. März 2008 - 10 WF 71/08 -,
c) das Zwischen-Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 29. November 2007 - 001 F 00648/06 -
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
und Beiordnung eines Rechtsanwalts
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Hohmann-Dennhardt und die Richter Gaier, Kirchhof am 13. November 2008 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 20. März 2008 - 10 WF 71/08 - sowie das Zwischen-Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 29. November 2007 - 001 F 00648/06 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 20. März 2008 wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Nürnberg zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die durch das Verfahren der einstweiligen Anordnung und das Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
I.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die angeordnete Verpflichtung, Untersuchungen zu dulden, die in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren feststellen sollen, dass das am 4. Dezember 1999 geborene Kind, für das der Beschwerdeführer die Vaterschaft mit Zustimmung der Kindesmutter, bevor sie am 25. Januar 2002 die Ehe miteinander schlossen, am 18. Januar 2002 anerkannt hat, nicht von ihm abstammt.
1. Die Ehe der Eltern wurde im März 2004 geschieden. Die gemeinsame Sorge der Eltern für das Kind blieb danach zunächst bestehen, wobei das Kind bei der Kindesmutter lebte. Nach der Scheidung betreute der Beschwerdeführer das Kind zeitweise während der Wochenenddienste der Kindesmutter.
Seit 2005 besteht zwischen den Eltern hinsichtlich des Umgangs des Beschwerdeführers mit dem Kind Streit, der zunächst vor dem Amtsgericht München und nach dem Umzug der Kindesmutter vor dem Amtsgericht Landshut ausgetragen wurde. Nach einigen begleiteten Umgangsterminen aufgrund familienrichterlichen Beschlusses vom 31. Oktober 2006, in denen das Kind nach anfänglicher Reserviertheit "viel Spaß am gemeinsamen Spiel" mit dem Beschwerdeführer gehabt hatte, wie der Bericht der Katholischen Jugendfürsorge L. vom 27. April 2006 ausweist, zog die Kindesmutter erneut um.
Ab Mitte November 2006 bestand zwischen dem Kind und dem Beschwerdeführer zunächst kein Kontakt mehr.
Seit seiner Inobhutnahme aufgrund richterlichen Beschlusses vom 13. April 2007, der den Eltern zugleich die elterliche Sorge für die Bereiche "Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und das Recht, Sozialleistungen nach dem SGB VIII zu beantragen", vorläufig entzog und auf das Amt für Jugend und Familie S. als Pfleger übertrug, lebt das Kind in einem heilpädagogischen Heim. Hier besucht der Beschwerdeführer das Kind wöchentlich.
Durch Anwaltsschriftsatz vom 12. Juli 2006 begehrte die Kindesmutter die Anfechtung der Vaterschaft seitens des Kindes, "vertreten durch das Jugendamt als Ergänzungspfleger" mit der Begründung, sie könne nicht mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass auch ein anderer Mann als Vater des Kindes in Betracht komme.
Nachdem sich das Jugendamt mit Schreiben vom 21. September 2006 bereit erklärte, die Ergänzungspflegschaft für das Kind zu übernehmen, bestellte das Amtsgericht Straubing mit Beschluss vom 5. Oktober 2006 das Amt für Jugend und Familie S. als Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis "Vertretung des Kindes im Verfahren bezüglich Feststellung der Nichtehelichkeit".
In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Straubing sagte die Kindesmutter als Zeugin aus, sie habe in der gesetzlichen Empfängniszeit Anfang März 1999 in M. auf einer Feier mit zwei Männern, deren Namen sie aktuell nicht nennen könne, Geschlechtsverkehr gehabt und sei sich nicht hundertprozentig sicher, ob tatsächlich der Beschwerdeführer der Vater des Kindes sei.
Hierauf beschloss das Amtsgericht durch die Einholung eines Abstammungsgutachtens Beweis darüber zu erheben, ob der Beschwerdeführer als Vater des Kindes auszuschließen sei. Der Beschwerdeführer weigerte sich an der Untersuchung mitzuwirken, worauf das Amtsgericht mit Beschluss vom 26. April 2007 Zwangsmittel anordnete. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sei die Anfechtungsfrist nach § 1600b Abs. 1 Satz 1 BGB weder in der Person der Kindesmutter noch hinsichtlich des Ergänzungspflegers versäumt, bevor die Anerkennung wirksam geworden sei. Die Anfechtung durch den gesetzlichen Vertreter der Klägerin diene auch dem Wohl der Vertretenen, § 1600a Abs. 4 BGB. Das verfassungsrechtlich verbürgte Persönlichkeitsrecht des Kindes umfasse auch die Kenntnis der eigenen Abstammung. Der Feststellung der Vaterschaft komme besonderes Gewicht zu, wenngleich dem nicht von vornherein ein Vorrang vor den übrigen Gesichtspunkten eingeräumt werden könne. Im Hinblick auf die Auswirkungen des Anfechtungsverfahrens sei vorliegend zu bedenken, dass die Ehe der Kindesmutter und des Beschwerdeführers seit mehr als drei Jahren geschieden sei und seitdem zwischen der Kindesmutter und dem Beschwerdeführer massive, auch gerichtlich ausgetragene Auseinandersetzungen um den Umgang mit dem Kind stattfänden. Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweise, die Kindesmutter sei nicht in der Lage, einen anderen Vater zu benennen, sei zu bedenken, dass sich der Beschwerdeführer bislang nicht in der Lage gesehen habe, den gesetzlichen Mindestunterhalt für die Klägerin zu zahlen, möge er sich auch subjektiv nach Kräften darum bemüht haben. Im Hinblick auf das Recht des Kindes, sich soweit wie möglich Kenntnis von der eigenen Abstammung zu verschaffen, nicht zuletzt aber auch mit Rücksicht darauf, dass zwischenzeitlich auch noch die nicht endgültig geklärte Abstammung des Kindes als weiterer Streitpunkt in das ohnehin problematische Umgangsverfahren Eingang gefunden hätte, diene die Anfechtung dem Wohl des Kindes.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde hob das Oberlandesgericht Nürnberg den Beschluss mit der Begründung auf, dass der Beschwerdeführer Gründe für seine Weigerung vorgetragen habe, die es erforderten, hierüber in einem Zwischenverfahren zu befinden.
Nachdem das Oberlandesgericht Nürnberg auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers auch das hierauf ergangene Zwischen-Urteil des Amtsgerichts vom 2. Juli 2007 wegen mangelnder mündlicher Verhandlung aufgehoben hatte, erklärte das Amtsgericht nach mündlicher Verhandlung mit Zwischen-Urteil vom 29. November 2007 die Weigerung des Beschwerdeführers mit im Wesentlichen der gleichen Begründung wie im Beschluss vom 26. April 2007 und Zwischen-Urteil vom 2. Juli 2007 für unrechtmäßig.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde wies das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 20. März 2008 zurück. Die Beweiserhebung sei nicht entbehrlich. Die Anfechtungsklage scheitere nicht an der behaupteten Nichteinhaltung der Anfechtungsfrist. Es sei auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters abzustellen, der befugt sei, das Kind im Anfechtungsprozess zu vertreten. Die Kindesmutter sei ab Eheschließung insoweit nicht mehr vertretungsbefugt gewesen. Dies gelte auch für die Zeit nach der Scheidung, da eine Neuregelung der elterlichen Sorge unterblieben sei. Maßgeblich sei daher die Kenntniserlangung durch den Ergänzungspfleger. Zu diesem Zeitpunkt sei die Anfechtungsfrist nicht abgelaufen. Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich einen Verstoß gegen Treu und Glauben geltend mache, könne dies allenfalls Auswirkungen bei einer Anfechtung durch die Mutter haben. Die Anfechtung sei auch nicht unzulässig im Sinne des § 1600a Abs. 4 BGB. Die Anfechtung diene dem Wohle des Kindes. Dies sehe auch das als Ergänzungspfleger bestellte Jugendamt so. Das Amtsgericht habe zu Recht hervorgehoben, dass der Kenntnis der eigenen Abstammung besondere Bedeutung zukomme. Dies gelte umso mehr, als negative Auswirkungen einer erfolgreichen Anfechtung auf die Situation des Kindes nicht ernsthaft zu besorgen seien. Das Beschwerdevorbringen vermöge an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Insbesondere sei in Anbetracht der Entwicklung seit der Eheschließung nicht zu sehen, dass dem Kind eine "Bezugsperson" verloren ginge. Auch wirtschaftliche Einbußen seien nach derzeitigem Sachstand nicht zu erkennen. Hinzu komme, dass die Klärung der Abstammung der Klägerin für das Umgangsverfahren von Bedeutung sei, in dem die Frage der Vaterschaft ebenfalls ein Streitpunkt sei. Grundrechte des Beschwerdeführers stünden der angeordneten Blutentnahme nicht entgegen. Insbesondere sei sein Persönlichkeitsrecht beziehungsweise sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht höher zu bewerten als das Interesse der Klägerin an der Klärung ihrer Abstammung. Die Abwägung führe zum gegenteiligen Ergebnis. Auch das Recht des Beschwerdeführers auf körperliche Unversehrtheit sei in Anbetracht der Geringfügigkeit des Eingriffs nicht in relevanter Weise betroffen.
2. Der Beschwerdeführer greift die Entscheidungen mit der Rüge der Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, des Schutzes seiner Familie, seiner Elternschaft und seines Persönlichkeitsrechts an. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte für Zweifel an der Abstammung. Die Kindesmutter habe keine anderen Väter namentlich benennen können. Der Vaterschaftstest sei eine unzulässige Ausforschung. Die von der Kindesmutter geschilderten Umstände seien nicht glaubhaft. Sie stünden im Widerspruch zu einer eidesstattlichen Versicherung der Kindesmutter vom 23. Juni 2005, in der sie die Tochter als gemeinsame angebe. Auch im Ehevertrag sei das Kind als gemeinsames bezeichnet worden. Er habe den Kontakt zur Tochter stets aufrechterhalten. Die Anfechtung diene nicht dem Interesse des Kindes, insbesondere weil kein anderer Vater ersichtlich sei. Das Abstammungsinteresse eines Kindes könne jedenfalls dann keinen Vorrang vor den Grundrechten des Vaters haben, wenn das Anfechtungsverfahren auf Angaben der Kindesmutter hin betrieben werde, die offensichtlich unglaubhaft seien und gravierende Umstände gegen die Glaubwürdigkeit der Kindesmutter sprechen würden. Der Beschwerdeführer sei zwar nicht in der Lage, dem Kind ausreichend Unterhalt zu bezahlen, er sei aber eine nahe Bezugsperson für das Kind. Er wolle rechtlicher Vater bleiben. Würde eine möglicherweise fehlende biologische Vaterschaft aufgedeckt, hätte er es ungleich schwerer, Kontakt mit dem Kind, das er als sein eigenes ansehe, zu halten. Die Vater-Tochter-Beziehung werde bereits jetzt durch das Vaterschaftsanfechtungsverfahren gestört. Sollte das Verfahren zu dem Ergebnis führen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nicht der biologische Vater sei, so sei damit zu rechnen, dass das Kind auf Dauer eine ihm verpflichtete Bezugsperson verliere. Die Gerichte hätten im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht auf die finanziellen Verhältnisse Bezug nehmen dürfen; jedenfalls könne dies nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers gewertet werden.
Darüber hinaus sei die Anfechtungsfrist abgelaufen. Die Kindesmutter habe nach ihrer Aussage schon vor der Geburt des Kindes von den Umständen gewusst, welche eine Anfechtung begründet hätten. Sie hätte die Vaterschaft des Beschwerdeführers verhindern können, indem sie ihre Zustimmung zur Anerkennung verweigert hätte. Die Frist könne nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Vertretungsberechtigte einen Ergänzungspfleger bestellen lasse. Wenn die Kindesmutter seit über sechs Jahren von den Umständen der Anfechtung Kenntnis habe, sie aber gleichwohl zwei Jahre nach der Geburt der Tochter die Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung durch den Beschwerdeführer erteile und es weitere vier Jahre unterlassen habe, die Bestellung eines Ergänzungspflegers zu beantragen, sei die Zweijahresfrist abgelaufen beziehungsweise könne sich auch die Tochter, vertreten durch das Jugendamt, nicht mehr darauf berufen, dass die Frist eingehalten sei.
3. Mit Beschluss vom 21. Mai 2008 hat das Bundesverfassungsgericht die Erzwingung der Duldungspflicht aus dem Zwischen-Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 29. November 2007 - 001 F 00648/06 - einstweilen für die Dauer des Verfassungsbeschwerdeverfahrens, längstens für die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.
4. Der Beschwerdeführer hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.
5. Die Beteiligte des Ausgangsverfahrens und die Bayerische Staatsregierung hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Jugendamt S. teilte mit Schriftsatz vom 17. Juli 2008 zur aktuellen Situation mit, dass sich das Kind im Heim gut eingelebt habe, ihm aber die wöchentlichen Elternbesuche zu viel würden, so dass die Festlegung des Umgangskontakts nunmehr 14-tägig erfolge. An den massiven Auseinandersetzungen der Eltern habe sich nichts geändert. Für das Kindeswohl wäre es von allergrößter Wichtigkeit, dass die Vaterschaftsfrage einer Klärung zugeführt würde.
II.
Die Kammer nimmt die gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 20. März 2008 und das Zwischen-Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 29. November 2007 gerichtete Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG angezeigt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG).
Die insofern zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die Gerichte haben bei ihrer Anordnung der Untersuchung das mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Elternrecht des Beschwerdeführers und sein Interesse wie das des Kindes am Erhalt der zwischen ihnen bestehenden rechtlichen und sozialen familiären Beziehung nicht hinreichend gewürdigt.
1. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt das Interesse des rechtlichen Vaters auf Fortbestand seines Elternrechts auch dann, wenn im Einzelfall Zweifel an der Übereinstimmung von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft erhoben werden.
Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet den Eltern das Recht und die Verantwortung, Sorge für ihr Kind zu tragen. Dabei können die Eltern grundsätzlich frei von staatlichem Einfluss nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (vgl. BVerfGE 107, 104 <117>). Zur elterlichen Sorge gehört auch die Entscheidung, ob eine bestehende Vaterschaft angefochten werden soll. Das Anfechtungsverfahren gemäß § 1600 ff. BGB führt zu einer Beendigung der Elternschaft und damit zum Verlust des mit Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Rechts auf Pflege und Erziehung, insbesondere des Rechts auf elterliche Sorge (§ 1626 Abs. 1 BGB) und auf Umgang mit dem Kind (§ 1684 Abs. 1 BGB).
Das Interesse des rechtlichen Vaters am Fortbestand des Elternrechts korrespondiert mit dem Interesse des Kindes am Erhalt seiner rechtlichen und sozialen familiären Zuordnung (vgl. BVerfGE 38, 241 <251>; 108, 82 <107 f.>; 117, 202 <234 f.>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 1. April 2008 - 1 BvR 1620/04 -, FamRZ 2008, S. 845). Die erfolgreiche Anfechtung führt seitens des Kindes zum Verlust von Unterhaltsansprüchen, erbrechtlichen Ansprüchen und auch dazu, dass es für Notfälle eine besonders verpflichtete Person verliert (§ 1680 BGB).
Dem Interesse am Fortbestand des Elternrechts steht bei Zweifeln an der leiblichen Vaterschaft das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht des anderen Elternteils und das Interesse des Kindes gegenüber, die rechtliche Vaterschaft zu beenden und rechtlich dem leiblichen Vater zugeordnet zu werden.
Dagegen steht das mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung (BVerfGE 79, 256) dem Interesse des Vaters auf Erhalt seines Elternrechts im Anfechtungsverfahren nur indirekt gegenüber. Denn das Anfechtungsverfahren dient nicht vorrangig der Verwirklichung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung, vielmehr der Herstellung einer Übereinstimmung von biologischer und rechtlicher Vaterschaft (vgl. BVerfGE 108, 82 <104>; 117, 202 <234>). Für die Erlangung der Kenntnis der Abstammung hat der Gesetzgeber ein eigenständiges Verfahren unabhängig vom Anfechtungsverfahren eingeführt (BGBl I 2008 S. 441).
Ist aber kein anderer Mann ersichtlich, der biologischer Vater des Kindes sein könnte, kann das Kind im Anfechtungsverfahren entweder bestätigt erhalten, dass sein rechtlicher Vater auch der biologische ist oder dass es nicht von seinem rechtlichen Vater abstammt, und damit keine positive Kenntnis von seiner Abstammung erhalten. Deshalb hat hier vor allem auch sein Interesse am Bestand einer rechtlichen Vater-Kind-Beziehung Berücksichtigung zu finden.
2. Dies und das von Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht des Beschwerdeführers haben die Gerichte verkannt.
Die Gerichte haben die Erforderlichkeit der Klärung der Abstammung im Anfechtungsverfahren maßgeblich mit dem Interesse des Kindes an der Abstammung begründet und dabei unter Verkennung des Elternrechts des Beschwerdeführers sein Interesse und das des Kindes am Erhalt der zwischen ihnen bestehenden rechtlichen Bindung und sozialen Beziehung nicht hinreichend gewürdigt.
Bei der Begründung ihrer Entscheidung, dass ein problematischer Umgangsstreit anhängig sei, der durch die Zweifel an der leiblichen Abstammung erschwert werde, dass der Beschwerdeführer nicht den gesetzlichen Unterhalt zahlen könne und dem Kind durch die Anfechtung kein Nachteil entstehen würde, insbesondere keine Bezugsperson verloren ginge, haben die Gerichte außer Acht gelassen, dass im vorliegenden Fall kein anderer Mann als leiblicher Vater für die Übernahme der Elternverantwortung in Betracht kommt, das Kind bei Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht leiblicher Vater des Kindes sein kann, mithin nur den rechtlichen Vater verlieren, jedoch keine Kenntnis von seinem Vater erlangen würde und keine Aussicht hätte, wieder einen rechtlich für es verantwortlichen Vater zu erhalten. Sie haben auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer das Kind zeitweise betreut und nach der Trennung der Eltern Umgangskontakt mit dem Kind gepflegt hat, und haben die aktuelle Betreuungs- und Besuchssituation nicht in ihre Erwägungen einbezogen. Insofern haben die Gerichte auch die soziale Eltern-Kind-Beziehung nicht hinreichend berücksichtigt. Der Verlust des Elternrechts kann zudem nicht damit gerechtfertigt werden, dass dem Beschwerdeführer ein Umgangsrecht als nahe Bezugsperson (§ 1685 BGB) erhalten bliebe. Dies lässt außer Acht, dass das Elternrecht weit mehr umfasst, als den Kontakt zum Kind aufrechtzuerhalten. Insoweit haben die Gerichte das grundrechtlich geschützte Elternrecht des Beschwerdeführers grundlegend verkannt.
3. Es kann insofern dahingestellt bleiben, ob unter den diesem Verfahren zugrundeliegenden Voraussetzungen der für die Mutter des Kindes maßgebliche Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung durch den Beschwerdeführer als Beginn der Anfechtungsfrist auch für den Ergänzungspfleger hätte herangezogen werden müssen, um den durch die Anfechtungsfristen berücksichtigten und durch Art. 6 GG geschützten Interessen des Beschwerdeführers und des Kindes am Bestand ihrer rechtlichen und sozialfamiliären Beziehung genügend Rechnung zu tragen und zu verhindern, dass die Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB unterlaufen wird.
4. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 20. März 2008 beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Sie wird aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Nürnberg zurückverwiesen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG).
5. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Damit erledigt sich der Antrag auf Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. Februar 2002 - 1 BvR 1526/02 -).
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen.
Ende der Entscheidung
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