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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 18.01.2001
Aktenzeichen: 1 BvR 1273/96
Rechtsgebiete: ZPO, BVerfGG, GG


Vorschriften:

ZPO § 287 Abs. 1
ZPO § 286
ZPO § 286 Abs. 1
BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 93 a Abs. 2
BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2
BVerfGG § 92
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3
GG Art. 103 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1273/96 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

der T... GmbH & Co., vertreten durch den Geschäftsführer der Komplementärin,

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Burkhard Schaffeld, Markgrafenstraße 15, 10969 Berlin -

gegen

a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 1996 - VI ZR 226/95 -,

b) das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. Juni 1995 - 16 U 74/94 -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richter Steiner, Hoffmann-Riem gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 18. Januar 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz wegen einer Presseveröffentlichung im Zusammenhang mit der - später wirksam angefochtenen - Wahl des Klägers zum hauptamtlichen Verbandsvorsteher eines Kommunalen Abfallentsorgungsverbandes. In einem Vorprozess war rechtskräftig festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet ist, dem Kläger denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch einzelne in dem Artikel enthaltene Behauptungen bereits entstanden war und künftig noch entstehen wird. In dem der Verfassungsbeschwerde zu Grunde liegenden Rechtsstreit nahm der Kläger die Beschwerdeführerin erfolgreich auf den ihm durch den Nichterhalt der Stelle entstandenen sowie noch entstehenden Verdienstausfallschaden in Anspruch.

II.

Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt.

1. Soweit die Beschwerdeführerin in der Nichterhebung des angebotenen Beweises ihre Grundrechte insbesondere aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt sieht, greift dies nicht durch. Das Oberlandesgericht hat die von der Beschwerdeführerin begehrte Vernehmung des von ihr benannten Zeugen als unerheblich angesehen. Art. 103 Abs. 1 GG schützt jedoch nicht davor, dass ein Gericht aus Gründen des formellen oder prozessualen Rechts von einer Beweiserhebung absieht (vgl. BVerfGE 69, 141 <143 f.>).

2. Auch im Hinblick auf die gerügte Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG liegen die Annahmevoraussetzungen nicht vor. Die Beschwerdeführerin hat nicht in einer den Begründungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG genügenden Weise die Möglichkeit einer Verletzung ihres Grundrechts auf Pressefreiheit dargelegt.

a) Dass die Beschwerdeführerin durch die Höhe des dem Kläger zuerkannten Schadensersatzanspruchs unter Umständen in ihren wirtschaftlichen Grundlagen berührt wird, begründet als solche keine Verletzung der Pressefreiheit, da Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG den Presseunternehmen keine Bestandsgarantie gewährt.

b) Auch soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, das Oberlandesgericht sei wegen der Ausstrahlungswirkung des Grundrechts der Pressefreiheit und zur Vermeidung einschüchternder Wirkungen gehalten gewesen, im Rahmen der Kausalitätsprüfung von der Anwendung des die Beweisführung des Geschädigten erleichternden Vorschrift des § 287 Abs. 1 ZPO abzusehen, fehlt es an einer hinreichenden Begründung. Es ist nämlich nicht dargetan, dass die Entscheidung anders ausgefallen wäre, wenn das Oberlandesgericht - entsprechend dem Begehren der Beschwerdeführerin - im Rahmen der Kausalitätsprüfung § 286 ZPO angewendet hätte. Das Oberlandesgericht ist im Rahmen seiner Überzeugungsbildung bei der Feststellung der streitgegenständlichen Kausalität ausweislich der Urteilsgründe von einem so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit der (Mit-)Ursächlichkeit der rechtswidrigen Äußerungen der Beschwerdeführerin für die Nichternennung des Klägers ausgegangen, dass er den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen. Mit dieser Formulierung hat das Gericht die klassische Definition für das Vorliegen einer vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO aufgegriffen (vgl. hierzu die auch von dem Oberlandesgericht zitierte Grundsatzentscheidung in BGHZ 53, 245 <256>).

c) Schließlich lässt sich allein auf Grund der Verfassungsbeschwerde auch nicht verlässlich entscheiden, ob das Oberlandesgericht wegen der Ausstrahlungswirkung der Pressefreiheit auf die Anwendung einfachrechtlicher Vorschriften möglicherweise von Verfassungs wegen gehindert war, der Beschwerdeführerin den von dem Kläger beanspruchten Verdienstausfallschaden zuzurechnen. Einfachrechtlich ist insoweit entscheidend, ob der geltend gemachte Schaden im inneren Zusammenhang mit der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage steht, oder ob er zu dieser eine bloß zufällige äußere Verbindung aufweist und deshalb nicht mehr unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl. 2001, Vorbem. vor § 249 Rn. 62, 88 m.w.N.). Die Haftung für Schäden, die nicht wegen, sondern nur gelegentlich einer rechtswidrigen Presseberichterstattung entstanden sind, könnte unter Umständen aber auch verfassungsrechtlich bedenklich sein, wenn und soweit hiermit eine unverhältnismäßige Einschränkung der Pressefreiheit verbunden wäre. Die Beschwerdeführerin hat jedoch weder das in dem Vorprozess ergangene Feststellungsurteil noch die in dem Wahlanfechtungsverfahren ergangenen Entscheidungen vorgelegt oder ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben. Wenn jedoch der genaue Haftungsgrund nicht bekannt ist, kann auch die Reichweite der Haftung nicht festgelegt und die geschaffene Gefahrenlage nicht präzisiert werden. Ohne genaue Kenntnis der in dem Wahlanfechtungsverfahren ergangenen Entscheidungen lässt sich nicht entscheiden, ob und wenn ja welche Bedeutung der rechtswidrigen Berichterstattung der Beschwerdeführerin bei der Frage der Wirksamkeit der Wahlanfechtung zukam. In der Verfassungsbeschwerde und in dem angegriffenen Urteil findet sich lediglich ein Hinweis auf ein "unzulässiges Stimmensplitting", ohne dass jedoch die Einzelheiten des Verfahrens, das immerhin zwei verwaltungsgerichtliche Rechtszüge durchlaufen hat, mitgeteilt wurden.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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