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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 27.10.2006
Aktenzeichen: 1 BvR 1320/04
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 93 a Abs. 2
BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 14 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1320/04 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 12. Mai 2004 - 10 S 38/04 -

und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungs- gerichts durch den Präsidenten Papier, die Richterin Hohmann-Dennhardt und den Richter Hoffmann-Riem gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 27. Oktober 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird unbeschadet des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anbringung einer Parabolantenne durch die Mieter einer Wohnung.

1. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens, türkische Staatsangehörige, haben eine Parabolantenne an der von ihnen gemieteten Wohnung angebracht, um weitere türkischsprachige Programme zu empfangen, die sie über die im Haus verfügbare Kabelanlage nicht empfangen können. Die Beschwerdeführerin und Klägerin des Ausgangsverfahrens ist Eigentümerin und Vermieterin dieser Wohnung.

2. Annahmegründe gemäß § 93 a Abs. 2 BVerfGG sind nicht gegeben. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, weil das angegriffene Urteil des Landgerichts Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht verletzt. Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts sind Sache der Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht prüft nur, ob die Grundrechte hierbei gewahrt bleiben (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 18, 85 <92 f.>). Das ist hier der Fall.

Das Landgericht hat zwischen dem Eigentümerinteresse aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG an der auch optisch ungeschmälerten Erhaltung des Wohnhauses und dem von der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Interesse ständig in Deutschland lebender Ausländer am Empfang von Rundfunkprogrammen ihrer Heimatländer abgewogen. Diese Abwägung genügt im Ergebnis den verfassungsrechtlichen Maßstäben (vgl. BVerfGE 90, 27 <31 ff.>).

a) Die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst zum einen als staatsgerichtetes Grundrecht das Recht, die Beschränkung des Zugangs einer allgemein zugänglichen Information durch den Staat abwehren zu können. Nicht darum geht es hier, sondern um die Reichweite der Ausstrahlung des Gehalts der Informationsfreiheit auf den Inhalt privatrechtlicher Verträge, hier eines Mietvertrages. Die Informationsfreiheit beansprucht auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Antennen an Mietwohnungen, insbesondere zum Empfang ausländischer, in Deutschland empfangbarer Programme, Beachtung (vgl. BVerfGE 90, 27 <32 f.>). Da die Informationsfreiheit den Schranken der allgemeinen Gesetze unterliegt (Art. 5 Abs. 2 GG) ist ein Ausgleich zwischen den rechtlich geschützten Interessen des Mieters und dem Eigentumsrecht des Vermieters vorzunehmen (vgl. BVerfGE 90, 27 <33>).

Können die Interessen des Mieters durch Anschluss an einen Kabelanschluss, der Zugang zu Programmen der Heimatsprache ermöglicht, nicht angemessen befriedigt werden, kann auch eine Pflicht des Vermieters zur Duldung der Anbringung einer Parabolantenne gegeben sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. September 1995 - 1 BvR 1471/94 -, JURIS, Rn. 11 ff.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Januar 2005 - 1 BvR 1953/00 -, NJW-RR 2005, S. 661 <662 f.>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. März 2005 - 1 BvR 42/03 -, BayVBl 2005, S. 691 <691 f.>). Ist zwar der Empfang von Programmen in der gewünschten Sprache durch Anschluss an eine Kabelanlage in der Wohnung möglich, will der Mieter aber weitere fremdsprachige Programme mit Hilfe einer Parabolantenne empfangen, dann ist zu prüfen, ob das Recht des Vermieters auf eine optisch angemessene Gestaltung des in seinem Eigentum befindlichen Hauses oder das Informationsinteresse des Mieters zurückzutreten hat.

b) Haben schon mehrere Mieter Parabolantennen angebracht, verstößt es nicht gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn die Zivilgerichte bei der Frage, ob der Vermieter die Zustimmung zur Anbringung einer Parabolantenne verweigern darf, berücksichtigen, inwieweit er den anderen Mietern die Anbringung einer Parabolantenne an der Fassade des Hauses untersagt und dies auch durchsetzen kann. Das Landgericht hat mithin in verfassungsrechtlich tragfähiger Weise darauf abgestellt, dass außer den Beklagten noch fünf weitere Mieter Parabolantennen von vergleichbarer Art und Größe nach außen gut sichtbar am Haus montiert hätten, und die Beschwerdeführerin nicht ausreichend vorgetragen habe, gegen diese anderen Mieter einen Rechtsanspruch auf Beseitigung der Parabolantennen zu haben und solche Ansprüche zu verfolgen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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