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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 26.02.1998
Aktenzeichen: 1 BvR 1342/91
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 14 Abs. 1 Satz 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1342/91 -
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. der Frau R...,
2. der Frau G...
1. unmittelbar gegen
a) das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 6. November 1991 - 4 U 16/82 -,
b) das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Juli 1991 - V ZR 117/90 -,
2. mittelbar gegen
a) § 5 Abs. 1 Satz 1 des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG) vom 28. Februar 1983 (BGBl I S. 210),
b) § 5 des Bundeskleingartengesetzes in der Fassung des Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes (BKleingÄndG) vom 8. April 1994 (BGBl I S. 766)
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Seidl und die Richter Grimm, Hömig
gemäß § 93 c in Verbindung mit § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 26. Februar 1998 einstimmig beschlossen:
Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 6. November 1991 - 4 U 16/82 - und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Juli 1991 - V ZR 117/90 - verletzen die Beschwerdeführerinnen in ihren Grundrechten aus Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Urteile werden aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Freie und Hansestadt Hamburg und die Bundesrepublik Deutschland haben den Beschwerdeführerinnen die notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerde-Verfahren je zur Hälfte zu erstatten.
G r ü n d e :
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Pachtzinsbegrenzung im Kleingartenrecht.
1. Die Beschwerdeführerinnen sind Eigentümer eines größeren Geländes in Hamburg-Harburg, das zur Zeit des Ausgangsverfahrens an einen Kleingartenverein verpachtet war und als Kleingartenanlage genutzt wurde. In dem mit dem Rechtsvorgänger des Vereins geschlossenen Pachtvertrag von 1934 war ein Pachtzins von jährlich 2,5 Pfennig/qm vereinbart worden.
Auf der Grundlage des § 1 der Kleingarten- und Kleinpacht-landordnung vom 31. Juli 1919 (RGBl S. 1371; im folgenden: KGO) setzte der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg durch Verordnung vom 18. Februar 1969 (GVBl S. 22; im folgenden: Verordnung von 1969) den höchst zulässigen Pachtpreis für Kleingärten, getrennt nach zwei Bodenklassen, auf jährlich 0,06 und 0,08 DM/qm fest. Der Kleingartenverein (Beklagter des Ausgangsverfahrens) zahlte für die Zeit bis 1980 jährlich einen Pachtzins von 0,08 DM/qm zuzüglich 0,005 DM/qm für Grundsteuer und ab 1981 jährlich 0,20 DM/qm.
2. Im Ausgangsverfahren begehrten die Beschwerdeführerinnen eine nach Zeiträumen gestaffelte Erhöhung des Pachtzinses auf jährlich 0,60 bis 0,80 DM/qm für die Zeit vom 1. Juli 1977 bis 31. März 1983.
Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, gab ihr das Oberlandesgericht im wesentlichen statt. Es ging davon aus, daß die Pachtzinsfestsetzung in der Verordnung von 1969 für den Klagezeitraum nicht mehr verfassungsgemäß gewesen sei und danach die Beschwerdeführerinnen den Pachtzins nach § 316 BGB bestimmen dürften.
Dieses Urteil hob der Bundesgerichtshof in der angegriffenen Revisionsentscheidung auf und verwies die Sache an das Oberlandesgericht zurück. Zur Begründung führte er aus: Da im Pachtvertrag ein Pachtzins fest vereinbart worden sei, liege kein Fall des § 316 BGB vor. Vielmehr komme vor allem eine Anpassung des Pachtzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht. Ein derartiger Anspruch fände allerdings der Höhe nach seine Begrenzung an der durch die Verordnung von 1969 festgesetzten Höchstpacht, wenn diese Verordnung verfassungsgemäß wäre. Für diese Prüfung sei nicht ausschließlich das Verhältnis des festgesetzten Höchstpachtzinses zum Verkehrswert des Grundstücks von Bedeutung. Die Vorschrift des § 5 BKleingG (a.F.), deren Verfassungsmäßigkeit der Bundesgerichtshof bereits bejaht habe, biete dabei eine Orientierungshilfe. Wenn sich nämlich nach dieser Vorschrift selbst unter der Geltung des Bundeskleingartengesetzes kein höherer Pachtzins ergäbe als der durch die Verordnung von 1969 festgesetzte Preis, dann könne die Preisfestsetzung für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Bundeskleingartengesetzes schwerlich verfassungswidrig sein.
Das Oberlandesgericht wies daraufhin die Klage in dem ebenfalls angegriffenen abschließenden Berufungsurteil in vollem Umfang ab und führte dazu aus: Das Berufungsgericht sei an die Auffassung des Bundesgerichtshofs gebunden, da sich die Prüfung, ob die Pachtzinsbegrenzung in der Verordnung von 1969 verfassungswidrig sei, an der Regelung des § 5 BKleingG (a.F.) zu orientieren habe. Nach dieser Vorschrift ergebe sich hier für die fragliche Zeit ein Höchstpachtzins von jährlich 0,17 DM/qm. Da der durch die Verordnung von 1969 festgesetzte Höchstpachtzins mehr als 40 vom Hundert dieses Preises betrage, sei die Schwelle für eine Verletzung der Eigentumsgarantie nicht erreicht.
3. a) Mit der Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführerinnen gegen die genannten Urteile und mittelbar gegen die Pachtzinsbegrenzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG in der ursprünglichen Fassung. Sie rügen im wesentlichen eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und machen dazu geltend, die Beschränkung auf derart niedrige Pachtzinsen, die es ihnen nicht einmal erlaube, die öffentlichrechtlichen Lasten des Grundstücks aus dessen Ertrag aufzubringen, stelle eine unverhältnismäßige und damit nicht mehr verfassungsmäßige Belastung der Eigentümer und Verpächter dar.
b) Die Begrenzung des Pachtzinses in § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. ist vom Bundesverfassungsgericht - nach Erlaß der angegriffenen Entscheidungen - mit Beschluß vom 23. September 1992 (BVerfGE 87, 114 ff.) für mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt worden, soweit sie Pachtverhältnisse mit privaten Verpächtern betrifft; die Pachtzinsbegrenzung ist dabei in ihrem Ausmaß als für die Eigentümer unzumutbar erachtet worden (BVerfG, a.a.O., S. 146 ff.).
Daraufhin wurde die Vorschrift des § 5 BKleingG durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes (BKleingÄndG) vom 8. April 1994 (BGBl I S. 766) dahin abgeändert, daß der Höchstpachtzins auf den vierfachen Betrag des ortsüblichen Pachtzinses im erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau erhöht wurde (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG n.F.) und der Verpächter daneben vom Pächter die Erstattung öffentlichrechtlicher Lasten verlangen kann, die auf dem Grundstück ruhen (§ 5 Abs. 5 BKleingG n.F.).
Die Beschwerdeführerinnen haben ihren Beschwerdeangriff innerhalb der Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG auch auf diese Neuregelung erstreckt.
4. Der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hat mit Rücksicht auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 23. September 1992 von einer Stellungnahme abgesehen. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg, soweit sie sich gegen die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen richtet und sich dabei mittelbar auf die Verfassungswidrigkeit der Pachtzinsbegrenzung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. beruft. Insoweit ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung der Kammer liegen vor (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. insbesondere BVerfGE 87, 114 <146 ff.>).
a) Beide angegriffenen Entscheidungen stützen sich in einer für das Ergebnis erheblichen Weise auf die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG in seiner ursprünglichen Fassung.
Der Bundesgerichtshof hat diese Vorschrift, deren Verfassungsmäßigkeit er ausdrücklich bejaht hat, als Orientierungshilfe für die als notwendig erachtete Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Pachtpreisfestsetzung in der Verordnung von 1969 herangezogen und es für möglich erachtet, daß die Pachtzinsbegrenzung nach dieser Verordnung nicht niedriger war als diejenige, die sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. ergeben werde. Damit hat er für das weitere Verfahren einen Maßstab vorgegeben, der - wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat - mit Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist. Es kann darüber hinaus nicht ausgeschlossen werden, daß das Revisionsurteil auch in der Urteilsform selbst für die Beschwerdeführerinnen ganz oder teilweise günstiger ausgefallen wäre, wenn der Bundesgerichtshof von der Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. ausgegangen wäre.
Das Urteil des Oberlandesgerichts beruht insofern auf § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F., als es das Unterschreiten von 40 vom Hundert des sich nach dieser Vorschrift ergebenden Höchstpachtzinses als Voraussetzung einer Pachtzinsanpassung angesehen und danach eine solche Anpassung abgelehnt hat. Auch dieses Ergebnis beruht auf der Heranziehung des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F., da das Oberlandesgericht den sich nach dieser Vorschrift ergebenden Höchstpachtzins als Vergleichsgröße für die Anpassung herangezogen hat.
Beide Entscheidungen beruhen danach auf der Anwendung einer gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßenden Vorschrift und verletzen damit auch selbst diese Grundrechtsnorm.
Da beide Urteile schon aus diesem Grunde keinen Bestand haben können, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob das Urteil des Oberlandesgerichts auch deshalb gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen hat, weil es die (auch in der zurückverweisenden Revi-sionsentscheidung des Bundesgerichtshofs als erforderlich angesehene) Prüfung, ob die in der Verordnung von 1969 vorgenommene Pachtpreisbegrenzung verfassungsmäßig war, nicht vorgenommen hat.
b) Soweit es im weiteren Verfahren darauf ankommt, ob die in der Verordnung von 1969 festgesetzte Pachtzinsbegrenzung für die in Frage stehende Zeit noch verfassungsmäßig war, kann diese Prüfung unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsgrundsatzes (vgl. BVerfGE 71, 305 <337 f.>) zunächst den Zivilgerichten überlassen bleiben. Die Maßstäbe für diese Prüfung sind dieselben, die das Bundesverfassungsgericht der Prüfung des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. zugrundegelegt hat (vgl. BVerfGE 87, 114 <146 ff.>). Die Gerichte können insoweit, auch wenn sie zur Annahme der Verfassungswidrigkeit dieser Festsetzung gelangen, ohne Vorlage an das Bundesverfassungsgericht entscheiden, weil es sich bei der Verordnung nicht um ein Gesetz im formellen Sinne handelt und die Regelung des § 1 KGO, auf der die in der Verordnung getroffene Höchstpachtfestsetzung beruht, vorkonstitutionelles Recht ist (vgl. BVerfGE 68, 319 <326>; 70, 126 <129>, jeweils m.w.N.; stRspr). Ergibt die Prüfung, daß die festgesetzte Pachtzinsbegrenzung nicht oder nicht mehr verfassungsmäßig war, ist sie im Lichte des Art. 14 Abs. 1 GG unbeachtlich. Es bedarf dann der Prüfung, welche Rechtslage sich infolge des Fehlens einer Pachtpreisfestsetzung für die fragliche Zeit ergibt.
2. Soweit die Beschwerdeführerinnen ihre Verfassungsbeschwerde auch auf die im Laufe des Verfahrens durch Art. 1 Nr. 4 BKleing-ÄndG erfolgte Neufassung des § 5 BKleingG erstreckt haben, liegen die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde nach § 93 a Abs. 2 BVerfGG, die nach Art. 8 des Gesetzes vom 2. August 1993 (BGBl I S. 1442) auch für bereits vor dieser Regelung anhängig gewordene Verfahren gelten, nicht vor.
Eine mittelbare Beschwer durch die Neuregelung ist für die hier in Frage stehende Zeit von den Beschwerdeführerinnen weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die Neuregelung ändert - auch in der Überleitungsvorschrift des Art. 3 BKleingÄndG - nur die einschlägige frühere Regelung des Bundeskleingartengesetzes ab, um deren verfassungsrechtlichen Makel, zum Teil rückwirkend, zu beseitigen. Von dieser Zielsetzung her kann der zeitliche Anwendungsbereich der Neuregelung, wie in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt ist (vgl. BGH, LM BKleingG Nr. 11, a.E.), jedenfalls nicht weiter zurückreichen als derjenige des Bundeskleingartengesetzes überhaupt.
Ob die Zulässigkeit für eine unmittelbar gegen die Neuregelung gerichtete Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfGE 90, 128 <135>, m.w.N.; stRspr) zu bejahen ist, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn die Verfassungsbeschwerde insoweit zulässig wäre, lägen die Annahmevoraussetzungen nicht vor. Zur Begründung wird insoweit auf den Beschluß der Kammer vom 25. Februar 1998 - 1 BvR 207/97 - Bezug genommen, der ebenfalls eine (unter anderem) gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG n.F. gerichtete Verfassungsbeschwerde betraf. Von weiteren Ausführungen wird insoweit nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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