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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 1 BvR 1351/06
Rechtsgebiete: GG, BVerfGG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
BVerfGG § 93 a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1351/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 27. April 2006 - 16 VA 1/06 -

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier und die Richter Steiner, Gaier gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 19. Juli 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer begehrt die Aufnahme in eine beim Amtsgericht geführte Auswahlliste für Insolvenzverwalter.

1. Der Beschwerdeführer ist selbständiger Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht. Seine Bewerbung um Aufnahme in die beim Amtsgericht H. geführte "Liste der Insolvenzverwalter/innen und Treuhänder/innen" wurde abschlägig beschieden. Es würden nur solche Personen in die Liste aufgenommen, die, anders als der Beschwerdeführer, über praktische Erfahrungen in der Abwicklung von Insolvenzverfahren verfügten. Praktische Erfahrungen zumindest in kleineren bis mittleren Verfahren seien auch für die Beauftragung als Gutachter und für die Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter unverzichtbar.

Den hiergegen gerichteten Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung wies das Oberlandesgericht zurück. Die vom Amtsgericht angelegten Kriterien seien sachgerecht. Der Zweck der Insolvenzordnung sei nicht die gleichmäßige Verteilung von Erwerbschancen an die als Insolvenzverwalter tätigen Personen, sondern - im Interesse der Gläubiger und auch des Schuldners - die wirkungsvolle Insolvenzverwaltung.

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Es fehle bereits an der erforderlichen gesetzlichen Regelung des Vorauswahlverfahrens. Darüber hinaus komme ein genereller Ausschluss von fachlich geeigneten Bewerbern nicht in Betracht, weil es auch einfach gelagerte Verfahren gebe, die ohne Erfahrung bewältigt werden könnten.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere durch den Beschluss des Ersten Senats vom 23. Mai 2006 (1 BvR 2530/04) geklärt, so dass der Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG); denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers fehlt es nicht an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage für das im vorliegenden Fall durchgeführte Vorauswahlverfahren. Bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters (§ 56 Abs. 1 InsO), eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 56 Abs. 1 InsO) oder eines Gutachters (§ 5 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 404 Abs. 1 Satz 1 ZPO) räumt das Gesetz dem zuständigen Insolvenzrichter ein weites Auswahlermessen ein. Die fehlerfreie Ausübung dieses Ermessens können die Bewerber um ein solches Amt auf Grund des Art. 3 Abs. 1 GG beanspruchen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 -, Umdruck S. 18 f.). Es ist Aufgabe der Fachgerichte, Kriterien für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers sowie für eine sachgerechte Ermessensausübung zu entwickeln. Soweit die Bewerber in Auswahllisten aufgenommen werden, bleibt den Fachgerichten deren Gestaltung überlassen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 -, Umdruck S. 26).

2. Der angegriffenen Entscheidung des Oberlandesgerichts, die die Verweigerung der Aufnahme in die Vorauswahlliste bestätigt hat, ist auch keine grundsätzliche Verkennung des Bedeutungsgehalts der als verletzt gerügten Grundrechte zu entnehmen.

a) Mit Blick auf die Chancengleichheit der Bewerber muss allerdings in eine Auswahlliste jeder Bewerber eingetragen werden, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das erstrebte Amt im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfüllt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 -, Umdruck S. 26). Dies hat das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall beachtet; denn es hat den Beschwerdeführer als generell nicht geeignet angesehen und aus diesem Grund die Nichtaufnahme in die Auswahlliste nicht beanstandet.

b) Auch das Kriterium, auf dessen Grundlage das Oberlandesgericht die generelle Eignung des Beschwerdeführers für das Amt des Insolvenzverwalters, des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Gutachters verneint hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verfassungsverstoß ist nicht schon dann gegeben, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist; der Fehler muss vielmehr auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 100, 214 <222>).

Zwar erscheint es nicht sachwidrig, auch einen Bewerber ohne praktische Erfahrung, jedoch mit ausreichendem theoretischem Wissen zum Insolvenzverwalter in einfach gelagerten Verfahren, namentlich im Bereich von Verbraucherinsolvenzen, zu bestellen. Das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Recht des Beschwerdeführers auf chancengleichen Zugang namentlich zum Insolvenzverwalteramt ist jedoch nicht verletzt, wenn die fachliche Eignung von Bewerbern um das Insolvenzverwalteramt - wie im vorliegenden Fall - davon abhängig gemacht wird, dass praktische Erfahrungen durch Tätigkeiten in Insolvenzverfahren nachgewiesen sind. Insbesondere wird dem Beschwerdeführer hierdurch der Zugang zum Insolvenzverwalteramt nicht gänzlich verstellt oder in unzumutbarer Weise erschwert. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers können die verlangte Qualifikation nicht nur solche Personen erwerben, die bei einem Insolvenzverwalter angestellt sind oder angestellt waren. Vielmehr ist es auch dem Beschwerdeführer mit eigener Kanzlei möglich, die geforderten praktischen Erfahrungen zu sammeln. Die selbständige Berufsausübung hindert ihn nicht daran, mit einem Insolvenzverwalter zusammen zu arbeiten und auf diesem Weg die vom Oberlandesgericht geforderte "federführende Bearbeitung" von Insolvenzverfahren unter Aufsicht und Verantwortung eines Insolvenzverwalters zu erbringen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).



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