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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 19.09.2002
Aktenzeichen: 1 BvR 1385/01
Rechtsgebiete: GG, ApoG
Vorschriften:
GG Art. 2 Abs. 1 | |
GG Art. 12 Abs. 1 | |
GG Art. 103 Abs. 2 | |
ApoG § 14 Abs. 4 | |
ApoG § 14 Abs. 4 Satz 2 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1385/01 -
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
gegen
a) das Urteil des Bayerischen Landesberufsgerichts für die Heilberufe vom 28. Mai 2001 - LBG-Ap 1/01 -,
b) das Urteil des Berufsgerichts für die Heilberufe bei dem Oberlandesgericht München vom 25. Oktober 2000 - BG - Ap 7/00 -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde
am 19. September 2002 einstimmig beschlossen:
Tenor:
1. Das Urteil des Bayerischen Landesberufsgerichts für die Heilberufe vom 28. Mai 2001 - LBG-Ap 1/01 - und das Urteil des Berufsgerichts für die Heilberufe bei dem Oberlandesgericht München vom 25. Oktober 2000 - BG - Ap 7/00 - verletzen Artikel 12 Absatz 1 und Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben.
Das Verfahren wird an das Berufsgericht für die Heilberufe bei dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen.
2. Der Freistaat Bayern hat der Beschwerdeführerin die ihr im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.
Gründe:
Die beschwerdeführende Apothekerin, die eine öffentliche Apotheke betreibt, wendet sich gegen die Verhängung einer berufsgerichtlichen Geldbuße wegen der - dem Rezept entsprechenden - Abgabe eines Medikamentes in einer Packungsgröße, die nur für die Versorgung von Krankenhäusern vorgesehen ist.
I.
1. Der Vertriebsweg und die Preisgestaltung sowie die Pflichten der Apotheker bei der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln unterliegen vielfältigen gesetzlichen Bestimmungen. § 78 des Arzneimittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1998 (BGBl I S. 3586; im Folgenden: AMG) ermächtigt das Bundesministerium für Wirtschaft zu einer Preis- und Preisspannenregelung für Arzneimittel durch Rechtsverordnung. Das Ziel dieser Regulierung des Arzneimittelmarktes ist eine Senkung des Arzneimittelpreisniveaus (vgl. BTDrucks 7/4557, S. 5). Im gesundheitspolitischen Interesse sei die Einheitlichkeit des Apothekenverkaufspreises je Produkteinheit geboten. Die hierauf beruhende Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) vom 14. November 1980 gilt nicht für Krankenhausapotheken (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 AMPreisV), so dass Krankenhäuser zu Preisen unterhalb der üblichen Apothekenabgabenpreise versorgt werden. Dies geschieht durch Krankenhausapotheken, die ihre Arzneimittel aber lediglich an Krankenhäuser und gleichgestellte Anstalten abgeben dürfen (§ 14 Abs. 4 des Gesetzes über das Apothekenwesen <im Folgenden: ApoG> in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 23. August 1994 <BGBl I S. 2189>). Durch diese Beschränkung soll eine nicht vertretbare Verzerrung des Verhältnisses zwischen öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken vermieden werden (vgl. BTDrucks 8/1812, S. 8).
Die Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Bayerischen Landesapothekerkammer vom 11. November 1992, geändert durch Beschluss vom 24. Juni 1998 (im Folgenden: BO), verpflichtet die Apotheker, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und die hierfür geltenden Rechtsvorschriften zu beachten (§ 1 Abs. 1 und § 3 BO). Nach § 8 Abs. 1 BO ist Wettbewerb verboten, wenn er unlauter ist.
2. Im Oktober 1999 verschrieb ein Arzt einem Patienten das Medikament SAB Simplex in einer Menge von 4 x 200 ml, die vom Hersteller nur an Krankenhausversorgungsapotheken geliefert werden darf, die den Nachweis eines behördlich genehmigten Versorgungsvertrags nach § 18 ApoG erbringen und mit dem Hersteller einen Vertriebsbindungsvertrag geschlossen haben. Die Beschwerdeführerin, die eine öffentliche Apotheke betreibt, verkaufte dem Patienten entsprechend der Verordnung die Anstaltspackung zum Preis von 208,10 DM. Sie hätte an sich größere Packungen als 4 x 30 ml des Medikamentes nicht abgeben können. Der Preis für eine solche Packung betrug damals 57,05 DM. Für die von der Beschwerdeführerin abgegebene Gesamtmenge von 800 ml hätte der Patient mehrere Packungen zu einem Gesamtpreis von etwa 380,00 DM erwerben müssen.
3. Das Berufsgericht für die Heilberufe bei dem Oberlandesgericht M. verurteilte die Beschwerdeführerin wegen einer Berufspflichtverletzung zu einer Geldbuße von 3.000,00 DM. Durch die Abgabe der Anstaltspackung habe sie ihre Berufspflichten verletzt, indem sie ihren Beruf nicht gewissenhaft ausgeübt und dem ihr entgegengebrachten Vertrauen nicht entsprochen habe (§ 1 Abs. 1 BO). Gleichzeitig habe die Beschwerdeführerin damit gegen ihre Berufspflicht verstoßen, die für die Ausübung ihres Berufs geltenden Rechtsvorschriften zu beachten (§ 3 BO). Das Medikament habe - auch wenn im Einzelnen nicht aufgeklärt sei, wie die Beschwerdeführerin es sich beschafft habe - nur unter Verstoß gegen die Vorschriften des § 14 Abs. 4 ApoG in ihren Besitz gelangt sein können. Durch die Abgabe einer im freien Handel nicht erhältlichen Medikamentenpackung habe sie auch unlauteren Wettbewerb betrieben und damit gegen § 8 Abs. 1 BO verstoßen.
Die Berufung der Beschwerdeführerin hat das Bayerische Landesberufsgericht als unbegründet verworfen. Die Beschwerdeführerin habe vorwerfbar ihre Berufspflichten verletzt (§ 1 Abs. 1, §§ 3 und 8 Abs. 1 BO). Es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse an einer nicht durch Wettbewerbsdenken beeinträchtigten Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten auf Grund einheitlicher Abgabepreise. Hieraus folge ein allgemeiner, von allen Apothekern zu beachtender Grundsatz, der seine Ausprägung unter anderem in § 14 Abs. 4 Satz 1 ApoG, § 78 AMG und den Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung gefunden habe und der neben dem genannten Anliegen eines einheitlichen Preisgefüges für öffentliche Apotheken eine Privilegierung der Krankenhäuser sicherstelle. Die Krankenhausapotheken und krankenhausversorgenden Apotheken dürften nach § 14 Abs. 4 Satz 1 ApoG nur solche Krankenhäuser mit verbilligten, im Einzelfall sogar kostenfreien Arzneimitteln versorgen, mit denen im Einzelfall rechtswirksame Verträge bestünden. Die Versorgung anderer Krankenhäuser und die Abgabe an andere Stellen oder Personen seien als Ordnungswidrigkeit zu ahnden (§ 25 Abs. 1 Nr. 3 ApoG). Die Vorschriften bezweckten, eine Verzerrung des Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Krankenhausapotheken und den anderen Apotheken zu vermeiden. Das Preisgefüge würde in verschiedener Hinsicht gestört, falls öffentliche Apotheken berechtigt wären, die billigeren, nur für den Krankenhausbedarf bestimmten Arzneimittel zu verkaufen. Ein solches Verhalten gefährde nicht nur das von der Rechtsordnung anerkannte Krankenhausprivileg, sondern führe unter Verstoß gegen den Gesetzeszweck des § 14 Abs. 4 und 5 ApoG zu einer Wettbewerbsverzerrung auf dem Arzneimittelmarkt. Deshalb sei es über den unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschriften hinaus öffentlichen Apotheken aus berufsrechtlichen Gründen untersagt, für den Krankenhausbedarf bestimmte Arzneimittel in einer öffentlichen Apotheke in einer nicht erhältlichen Packungsgröße und/oder zu verbilligtem Preis abzugeben.
Es entlaste die Beschwerdeführerin nicht, dass sie der Verschreibung eines Arztes gefolgt sei. Diese habe auf einem für Apotheker erkennbaren Irrtum beruht, soweit der behandelnde Arzt eine ausschließlich für den stationären Krankenhausbedarf bestimmte Großpackung verschrieben habe. Die Beschwerdeführerin hätte vor Abgabe mit dem Arzt Rücksprache nehmen müssen.
4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG jeweils in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie die Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG.
Beide Gerichte hätten die Bestimmung des § 14 Abs. 4 Satz 2 ApoG weit über ihren Anwendungsbereich hinaus ausgedehnt, um zu einer Verurteilung zu gelangen. § 14 Abs. 4 ApoG regele nur Verhaltenspflichten der Krankenhausapotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln und gelte gemäß Absatz 5 auch noch für krankenhausversorgende Apotheken entsprechend. Gegen diese Bestimmungen habe sie indessen nicht verstoßen, da sie weder eine Krankenhausapotheke noch eine krankenhausversorgende Apotheke betreibe. Die Verurteilung entbehre einer gesetzlichen Grundlage.
Darüber hinaus verletze das Urteil des Berufsgerichts Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Es habe ohne weitere Feststellungen unterstellt, dass die Beschwerdeführerin die Anstaltspackung von einer Krankenhausapotheke erworben habe, obwohl sie sich die Packung auch auf der Grundlage der ausdrücklichen ärztlichen Anordnung vom Hersteller selbst beschafft haben könne. Die Vertriebsbindung werde ohnedies nicht von allen Herstellern eingehalten. Im Übrigen sei die Einheitlichkeit der Preise von ihr gewahrt worden. Die Arzneimittelpreisverordnung verpflichte die Apotheken bezogen auf bestimmte Arzneimittel und bestimmte Packungsgrößen zu festen Aufschlägen auf den jeweiligen Abgabepreis der Hersteller. Diese Vorschrift habe sie eingehalten und keinen besonderen finanziellen Vorteil aus der Abgabe bezogen.
5. Zu den Verfassungsbeschwerden haben sich der Bundesgerichtshof, die Bundesapothekerkammer, die Bayerische Landesapothekerkammer sowie der Bundesverband der Betriebskrankenkassen geäußert, die teilweise auch auf die Praxis der Naturalrabatte eingegangen sind.
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 BVerfGG sind gegeben. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen Art. 103 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 1 GG.
1. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf.
Das Bundesverfassungsgericht hat schon geklärt, dass auch berufsgerichtliche Sanktionen Vorschriften über die Strafbarkeit im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG betreffen (vgl. BVerfGE 26, 186 <203 f.>; 33, 125 <164>; 45, 346 <351>; 60, 215 <233 f.>). Das nach Art. 103 Abs. 2 GG bestehende Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit schließt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine analoge oder gewohnheitsrechtliche Strafbegründung aus (vgl. BVerfGE 14, 174 <185>; 25, 269 <285>; 26, 41 <42>; 71, 108 <115>; 92, 1 <12>). Dabei ist unter Analogie jede Rechtsanwendung zu verstehen, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht (vgl. BVerfGE 71, 108 <115>; 92, 1 <12>).
Des Weiteren ist geklärt, dass berufsgerichtliche Verurteilungen Eingriffe in die Berufsausübung darstellen, die an Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu messen sind (vgl. BVerfGE 60, 215 <229>; 94, 372 <389>). Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der von der Verfassung gewährleisteten Rechte der Beschwerdeführerin aus Art. 103 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt.
Die Auslegung der Regelungen in § 1 Abs. 1, §§ 3 und 8 BO in Verbindung mit § 14 Abs. 4 ApoG, § 78 AMG und § 1 AMPreisV durch die Berufsgerichte verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 103 Abs. 2 GG. Die Gerichte haben die Verurteilung der Beschwerdeführerin auf Normen gestützt, die eine berufsgerichtliche Sanktion nicht rechtfertigen. Die analoge Anwendung der hier herangezogenen Normen kann gemäß Art. 103 Abs. 2 GG nicht als Rechtsgrundlage dienen. Auch die Vorschriften der Berufsordnung sind nicht geeignet, eine Verurteilung wegen unlauteren Wettbewerbs zu tragen. Darin liegt zugleich ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, für den es keine gesetzliche Grundlage gibt.
a) Auch wenn die Gerichte keinen unmittelbaren Verstoß gegen § 14 Abs. 4 ApoG infolge der Abgabe der Klinikpackung festgestellt haben oder feststellen wollten, haben sie doch aus dem Gesetzeszweck der Vorschrift in Verbindung mit § 78 AMG und § 1 AMPreisV ein Verbot für öffentliche Apotheken entnommen, Anstaltspackungen an Kunden weiterzugeben. Das Verbot ist jedoch für den Normadressaten - hier die Beschwerdeführerin - nicht hinreichend deutlich erkennbar.
Art. 103 Abs. 2 GG zieht der Auslegung von Straf- und Bußgeldvorschriften eine verfassungsrechtliche Schranke. Da Gegenstand der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen immer nur der Gesetzestext sein kann, erweist dieser sich als maßgebendes Kriterium: Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Wenn Art. 103 Abs. 2 GG Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der Straf- und Bußgeldandrohung für den Normadressaten verlangt, so kann das nur bedeuten, dass dieser Wortsinn aus der Sicht des Bürgers zu bestimmen ist (vgl. BVerfGE 71, 108 <115>; 92, 1 <12>). Gesetzliche Normen, die sich an einen bestimmten und umgrenzten Personenkreis richten - hier: Betreiber von Krankenhausapotheken und krankenhausversorgenden Apotheken -, werden nicht durch die in anderen Gesetzen enthaltenen Vorschriften zur Preisgestaltung zu solchen, die auch öffentliche Apotheken betreffen. Das gilt insbesondere, wenn kein Verstoß gegen die Regelungen der Preisbildung festgestellt worden ist. So liegt es hier.
Die Norm des § 14 Abs. 4 ApoG richtet sich nur an Krankenhausapotheken. Das Apothekengesetz legt hingegen nicht fest, dass öffentliche Apotheken Anstaltspackungen nicht an Patienten verkaufen dürfen. Die von den Gerichten im Übrigen genannten Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung treffen lediglich Bestimmungen darüber, in welcher Höhe durch Aufschläge auf den Hersteller- und Großhandelspreis der Apotheker den Verkaufspreis zu bilden hat. Dies hat die Beschwerdeführerin nach ihrem Vortrag auch eingehalten. Die angegriffenen Entscheidungen enthalten keine abweichenden Feststellungen.
b) Unter Berücksichtigung der wertsetzenden Bedeutung von Art. 12 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip kann der Beschwerdeführerin auch unlauterer Wettbewerb nicht angelastet werden.
Allerdings hat sie den Preisvorteil an den Patienten weitergegeben, was nicht geschieht, wenn die Apotheker von den Herstellern oder dem Großhandel so genannte Naturalrabatte erhalten, die nach dem veröffentlichten Meinungsstand stillschweigend geduldet werden (vgl. Ärzte Zeitung vom 14. September 2001; Deutsche Apotheker Zeitung Nr. 34 vom 22. August 2002, S. 3; Apotheker Zeitung Nr. 35 vom 26. August 2002, S. 2; Der Tagesspiegel vom 12. April 2002; Der Spiegel Nr. 27/2002, S. 40), obwohl die einheitliche Preisbildung der §§ 2, 3 AMPreisV ersichtlich nicht nur den Preisaufschlag verbindlich festlegt, sondern auch von einem einheitlichen Herstellerabgabepreis ausgeht. Der Durchschnittspreis für die Beschaffung von Fertigarzneimitteln verringert sich durch jede Art von Rabatt, gleichgültig, ob er auf den Einzelpreis der Packung gewährt wird, oder ob zusätzliche Packungen als Naturalrabatte kostenlos geliefert werden. Rabatte beeinflussen die Struktur des Wettbewerbs.
Dem Bayerischen Landesberufsgericht ist darin zuzustimmen, dass § 14 Abs. 4 ApoG auch eine wettbewerbsrechtliche Zielrichtung hat. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Apothekengesetzes soll durch die Beschränkung der Abgabe von Arzneimitteln durch Krankenhausapotheken eine nicht vertretbare Verzerrung des Verhältnisses zwischen öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken, insbesondere im Verhältnis zu krankenhausversorgenden Apotheken, vermieden werden (vgl. BTDrucks 8/1812, S. 8). Auch die Arzneimittelpreisverordnung zielt mit ihren Vorschriften auf Verminderung von Preiswettbewerb unter den Apotheken (vgl. Kloesel/Cyran, Kommentar zum Arzneimittelrecht, 3. Aufl. mit 76. Ergänzungslieferung, Stand: Januar 2001, Materialien M 34). Wettbewerbsvorteile entstehen aber noch nicht durch die einmalige Abgabe eines preisgünstigeren Medikaments an einen Patienten. Wird der Preis korrekt gebildet, ergibt sich aus dem konkreten Verkauf kein Umsatz- oder Gewinnvorsprung. Eine Wettbewerbsverzerrung würde sich erst ergeben, wenn ein solches Verhalten vermehrt Kunden anlockte, was wiederum voraussetzte, dass sich auch Ärzte finden, die Anstaltspackungen an ihre Privatpatienten verordnen. Indessen entstehen Wettbewerbsvorteile verdeckt, gleichwohl für den einzelnen Apotheker fühlbar, durch die preisgebundene Abgabe von Medikamenten bei ganz unterschiedlichen Einkaufspreisen.
Unter solchen tatsächlichen Marktverhältnissen können die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen, die vom Gesetzgeber möglicherweise missbilligt, aber nicht in klare Normen gefasst sind, nicht zur Grundlage der berufsrechtlichen Verurteilung gemacht werden. Es besteht keine klare und eindeutige Wettbewerbssituation, die es erlaubte, das Verhalten unter § 1 Abs. 1 und die §§ 3 und 8 BO zu subsumieren. Wird der Wettbewerb in einem Segment des gesetzlich regulierten Marktes durch eine gesetzlich nicht vorgesehene, aber nennenswertere Rabattpraxis verändert, kann die Weitergabe der Preissenkung an den Kunden nicht als schuldhafter Verstoß gegen ungeschriebene Regeln des Wettbewerbs mit einer Geldbuße belegt werden, solange weiterhin als Ziel staatlicher Reglementierung die Senkung des Arzneimittelpreisniveaus und die Herstellung einer preislichen Transparenz angestrebt werden (vgl. BTDrucks 7/4557, S. 5).
3. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem dargelegten Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 1 GG. Die Urteile sind aufzuheben. Bei verfassungskonformer Auslegung bleibt kein Raum für eine berufsgerichtliche Sanktion.
4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Gegenstandswertes auf § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO.
Ende der Entscheidung
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