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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 25.05.1999
Aktenzeichen: 1 BvR 1402/92
Rechtsgebiete: BVerfGG


Vorschriften:

BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 93 a Abs. 2
MedienStV § 4
MedienStV § 3
MedienStV § 3 Abs. 2
MedienStV § 3 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1402/92 - - 1 BvR 1403/92 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerden

1. des S., Anstalt des öffentlichen Rechts, vertreten durch den Intendanten,

- Bevollmächtigter: Professor Dr. Herbert Bethge, Innstraße 40, Passau -

gegen § 1 des Gesetzes des Landes Berlin vom 22. April 1992 zu dem Staatsvertrag vom 29. Februar 1992 über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks i.V.m. § 3 Abs. 2 und § 4 dieses Staatsvertrags (GVBl S. 150)

- 1 BvR 1402/92 -,

2. des O., Anstalt des öffentlichen Rechts, vertreten durch den Intendanten,

- Bevollmächtigter: Professor Dr. Herbert Bethge, Innstraße 40, Passau -

gegen Art. 1 des Gesetzes des Landes Brandenburg vom 29. April 1992 zur Regelung der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks, i.V.m. § 3 Abs. 2 und § 4 des Staatsvertrags über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks (Medienstaatsvertragsgesetz - MedienStVG) (GVBl S. 142)

- 1 BvR 1403/92 -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richter Grimm, Hömig gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 25. Mai 1999 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerden richten sich unmittelbar gegen gesetzliche Regelungen, mit denen die Länder Berlin und Brandenburg dem Staatsvertrag vom 29. Februar 1992 über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks (nachfolgend: MedienStV) zugestimmt haben. Die Beschwerdeführerinnen, S und O., sehen sich in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dadurch verletzt, daß ihnen im Staatsvertrag eine Kooperationspflicht im Programmbereich auferlegt (§ 3 Abs. 2) und die Summe der bisher für beide Anstalten bestehenden Übertragungsmöglichkeiten reduziert wird (§ 4). Beide Beschwerdeführerinnen sind nach übereinstimmendem Vorbringen prinzipiell kooperationswillig und haben sich inzwischen auf freiwilliger Basis auf gemeinsam verantwortete Programme im Rundfunk- und Fernsehbereich verständigt. Gegen die von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg im Gefolge des Staatsvertrags vorgenommenen Frequenzzuweisungen haben die Beschwerdeführerinnen den Verwaltungsrechtsweg beschritten.

II.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) nicht vorliegen. Diese sind gemäß Art. 8 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 2. August 1993 (BGBl I S. 1442) auch auf vorher anhängig gewordene Verfahren anzuwenden. Die Verfassungsbeschwerden haben keine Erfolgsaussicht (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerden gegen § 4

MedienStV richten, sind sie unzulässig. Eine Sachprüfung scheitert am Grundsatz der Subsidiarität.

Gegen die Frequenzzuteilung durch die Medienanstalt steht den Beschwerdeführerinnen der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen, der von ihnen nach ihrem Vorbringen zwischenzeitlich auch beschritten worden ist. Die Verwaltungsgerichte haben die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage der Zuteilungsentscheidung zu prüfen und gegebenenfalls die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Ist die Zuteilungsentscheidung auf § 4 MedienStV gestützt und halten die Verwaltungsgerichte die Regelung namentlich in Ansehung der den Beschwerdeführerinnen obliegenden Erfüllung des Grundversorgungsauftrages für vereinbar mit dem Grundgesetz, so müssen sie bei Auslegung und Anwendung das Grundrecht der Beschwerdeführerinnen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beachten. Die Norm läßt für eine Berücksichtigung dieses Grundrechts ausreichend Spielraum. Denn es ist lediglich die Gesamtzahl der Frequenzen limitiert, nicht aber die konkrete Zuordnung vorgegeben. Demgemäß werden die Gerichte zu klären haben, in welchem Umfang die den Beschwerdeführerinnen obliegende Wahrnehmung der Grundversorgung unter Berücksichtigung der je maßgeblichen Verhältnisse unter Einbeziehung der auf freiwilliger Basis erfolgten Kooperation Übertragungsmöglichkeiten erfordert.

Der Verweis auf die fachgerichtliche Klärung ist den Beschwerdeführerinnen auch zumutbar. Es ist nicht ersichtlich, daß bereits aufgrund der in § 4 MedienStV enthaltenen Frequenzlimitierung nicht mehr zu korrigierende Dispositionen von den Beschwerdeführerinnen getroffen worden sind oder werden müßten. Namentlich die Kooperation im Programmbereich basiert nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen auf Freiwilligkeit und ist nicht als notwendige Konsequenz der Frequenzlimitierung erfolgt.

2. Soweit die Verfassungsbeschwerden sich gegen das Kooperationsgebot in § 3 MedienStV richten, haben sie in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Für einen Verstoß der angegriffenen Vorschrift gegen die Rundfunkfreiheit der Beschwerdeführerinnen ist nichts hervorgetreten.

Die Rundfunkfreiheit ist in erster Linie Programmfreiheit (vgl. BVerfGE 59, 231 <258>). Als solche soll sie gewährleisten, daß die Programmgestaltung Sache der Rundfunkveranstalter bleibt und sich an publizistischen Kriterien ausrichten kann. Eine Indienstnahme des Rundfunks für außerpublizistische Zwecke, seien sie politischer oder wirtschaftlicher Natur, ist damit unvereinbar (vgl. BVerfGE 87, 181 <201>; 90, 60 <87>).

Das Kooperationsgebot des § 3 Abs. 2 MedienStV verletzt die Programmfreiheit nicht. Dabei kann die noch nicht entschiedene Frage offen bleiben, ob die Programmfreiheit auch dann beeinträchtigt ist, wenn weder dem Staat noch einer rundfunkfremden gesellschaftlichen Gruppe Einfluß auf die Programmgestaltung eingeräumt wird, sondern zwei Rundfunkanstalten, die gleichermaßen Träger der Rundfunkfreiheit sind, die Pflicht zur Kooperation im programmlichen Bereich haben. Denn die Kooperationspflicht des § 3 MedienStV ist nicht so ausgestaltet, daß eine Rundfunkanstalt der anderen Programme oder Programmteile aufzwingen könnte, die deren publizistischen Vorstellungen widersprechen.

Zwar stellt § 3 Abs. 2 MedienStV den Beschwerdeführerinnen die Kooperation nicht frei. Sie ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht nur ihr Recht, sondern auch ihre Pflicht. Zur Erfüllung der Pflicht werden die Beschwerdeführerinnen aber gemäß § 3 Abs. 4 MedienStV auf den Weg der Vereinbarung gewiesen. Das Ergebnis der Kooperation, das sich in einem gemeinsam entwickelten und verantworteten Programm niederschlägt, ist damit vom Konsens der Beschwerdeführerinnen abhängig gemacht. Ein staatliches Einstands- oder Bestimmungsrecht bei fehlschlagendem Konsens sieht der Medienstaatsvertrag nicht vor. Auch Maßnahmen der staatlichen Rechtsaufsicht über die Rundfunkanstalten könnten sich danach nur auf die Kooperationsbereitschaft, nicht auf das Kooperationsergebnis beziehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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