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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 21.08.2002
Aktenzeichen: 1 BvR 1444/02
Rechtsgebiete: GG, BörsG, BVerfGG


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
BörsG § 10 Abs. 2
BörsG § 64 Abs. 5
BVerfGG § 93 a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1444/02 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen Änderungen des Börsengesetzes durch Artikel 1 des Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 21. Juni 2002 (BGBl I S. 2010)

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde

am 21. August 2002 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Der Beschwerdeführer zu 1) - ein ehemaliger Kursmakler - und seine Kursmaklergesellschaft, die Beschwerdeführerin zu 2), wenden sich gegen das Erlöschen der Bestellung des Beschwerdeführers zu 1) als Kursmakler und die Abschaffung des Vorranges des Präsenzhandels durch Art. 1 des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes.

I.

1. Die amtliche Feststellung des Börsenpreises erfolgte bislang durch Kursmakler, die von der Börsenaufsichtsbehörde bestellt wurden. Kursmakler waren selbständige Handelsmakler, die am Börsenhandel teilnahmen und denen für den Parketthandel ein bestimmtes Segment ausschließlich zugeteilt war; in diesem Segment waren sie zur Feststellung des amtlichen Börsenpreises zuständig. Für diese Feststellung erhielten sie keine gesonderte Vergütung. Grundlage ihrer Einnahmen waren vielmehr die in einer Gebührenordnung festgelegten Provisionen aus den getätigten Vermittlungsgeschäften. Traf der Auftraggeber für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren keine Bestimmung darüber, ob der Auftrag im Präsenzhandel oder im elektronischen Handel auszuführen ist, ordnete § 10 Abs. 2 des Börsengesetzes a.F. (im Folgenden: BörsG) an, dass der Auftrag im Präsenzhandel auszuführen ist, es sei denn, das Interesse des Auftraggebers gebietet eine andere Ausführungsart.

Das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz gibt die amtliche Preisfeststellung auf. Die Ermittlung des Börsenpreises erfolgt künftig an Wertpapierbörsen im elektronischen Handel oder durch zur Feststellung des Börsenpreises zugelassene Unternehmen (Skontroführer, § 25 Satz 1 BörsG n.F.). Hierdurch wird die Tätigkeit der Kursmakler beendet. Die Bestellungen als Kursmakler erloschen am 1. Juli 2002 (§ 64 Abs. 5 BörsG n.F.). Außerdem entfällt der Vorrang des Präsenzhandels. Die Kursmakler können jedoch nach § 64 Abs. 4 BörsG n.F. weiterhin als Skontroführer tätig sein. Wer am 1. Juli 2002 über eine Bestellung zum Kursmakler verfügte, für den gilt die Zulassung zum Skontroführer als erteilt; für die Dauer von drei Jahren hat weiterhin die Feststellung des Börsenpreises durch den Skontroführer in seinem Bereich zu erfolgen. Die Börsen dürfen den Präsenzhandel für die Aktien formal auch erst nach Ablauf von drei Jahren beenden.

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung des Art. 12 Abs. 1 und des Art. 14 Abs. 1 GG durch § 64 Abs. 5 BörsG und durch die Streichung des § 10 Abs. 2 BörsG. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz erlaube den Börsen, künftig ausschließlich einen elektronischen Handel anzubieten. Hierdurch würden sie in ihren Grundrechten verletzt.

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die Beschwerdeführer werden nicht in ihren Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 oder Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.

a) Die angegriffenen Vorschriften sind mit der Eigentumsgarantie vereinbar. Sie greifen schon nicht in durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschütztes Eigentum ein. Vermögenswerte subjektive öffentliche Rechte sind nur dann in diesen Schutzbereich einbezogen, wenn der Einzelne eine Rechtstellung erlangt hatte, die der des Eigentümers entspricht. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz ist jedenfalls solchen öffentlichrechtlichen Positionen zu versagen, bei denen zu der einseitigen Gewährung des Staates keine den Eigentumsschutz rechtfertigende Leistung des Einzelnen hinzutritt (vgl. BVerfGE 18, 392 <397>; 45, 142 <170>). Trifft die Rechtsordnung Regelungen, durch die wirtschaftliche Lagen und Verhaltensweisen verrechtlicht werden, die ohne eine rechtliche Regelung der getroffenen Art innerhalb der allgemeinen Rechtsordnung bloße Erwerbschancen darstellen, kann eine Einbeziehung in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie allenfalls dann in Betracht kommen, wenn schon bislang in den Schutzbereich des Art. 14 GG fallende Rechtsstellungen inhaltlich umgestaltet werden und die öffentlichrechtliche Position als Ausgleich für den Verlust einer privaten Rechtsstellung begriffen werden könnte (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NVwZ 2002, S. 197).

Nach diesen Maßstäben sind die Umgestaltungen des Börsenrechts im Lichte des Art. 14 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. Die öffentlichrechtliche Befugnis, den Börsenpreis amtlich festzustellen, war eine dem Kursmakler zusätzlich eingeräumte Rechtsposition, die lediglich auf staatlicher Gewährung beruhte; im Übrigen war er Handelsmakler mit gewerberechtlicher Erlaubnis, freiem Zugang zu den Börseneinrichtungen bei ungehinderter Teilnahme am dort stattfindenden Handel. Für die Übernahme der Funktion stand dem Kursmakler kein Entgelt zu. Seine eigentliche Erwerbsgrundlage war der Handel in dem ihm zugeteilten Geschäftsbereich. Sie besteht im Rahmen der Tätigkeit als Skontroführer nach Maßgabe der hierfür geltenden Regelungen fort.

b) Auch in ihrer Berufsfreiheit werden die Beschwerdeführer nicht verletzt. Bei öffentlichrechtlich eingeräumten Berufspositionen gewährleistet die Verfassung den Inhabern nicht den Bestand der gesetzlichen Rahmenbedingungen (vgl. BVerfGE 1, 264 <274 f., 276 ff.>; 73, 280 <292>). Gründe, die die Regelung vor Art. 14 GG rechtfertigen, genügen auch den Gemeinwohlerfordernissen des Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 21, 150 <160>).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber befugt, im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG Berufsbilder zu fixieren (vgl. BVerfGE 34, 252 <256>; 59, 302 <315>; 75, 246 <265>). Durch die Fixierung von Berufsbildern wirkt der Gesetzgeber gestaltend auf bestimmte Erwerbszweige ein und setzt hierbei seine wirtschafts-, berufs- und gesellschaftspolitische Zielvorstellung durch. Dabei macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob der Gesetzgeber nach seinen Zielvorstellungen höhere Anforderungen an den Beruf stellt oder ob er sich bei der Fixierung des Berufsbildes von einer Tendenz zur Liberalisierung leiten lässt. Im ersten Fall schränkt er die Berufsausübung ein und muss sich für die Restriktionen mit Gemeinwohlbelangen vor Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen; die Einschränkungen müssen erforderlich und verhältnismäßig sein. Liberalisiert der Gesetzgeber einen Wirtschaftsbereich und senkt er die Anforderungen, die ihm für die Berufsausübung erforderlich erscheinen, liegt der Gemeinwohlbelang bereits in der vergrößerten Berufsausübungsfreiheit für alle Personen, die den Beruf künftig ergreifen. Soweit zuvor Berufsausübungsregelungen und Monopole eine konkurrenzschützende Wirkung entfaltet haben, steht dieser Effekt nicht unter dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG. Das Grundrecht gewährleistet keinen Anspruch auf Beibehaltung eines bestimmten Geschäftsumfangs und auf Sicherung bestehender Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerfGE 24, 236 <251>; 34, 252 <256>; BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2000, S. 1779 <1780>; NJW 2000, S. 1939).

2. Aus dem Rechtsstaatsgebot in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG folgt allerdings die Verpflichtung des Staates, angemessene Übergangsregelungen für diejenigen vorzusehen, welche eine künftig zu beendende Tätigkeit in der Vergangenheit in erlaubter Weise ausgeübt haben (vgl. BVerfGE 75, 246 <279>; 98, 265 <309> m.w.N.). Dies ist vorliegend geschehen.

Zwar wird infolge der Aufgabe von amtlichen Preisfeststellungen, die bisher ausschließlich durch Kursmakler zu erfolgen hatten, die dem Kursmakler vorbehaltene Tätigkeit beendet. Diese öffentliche Aufgabe im engeren Sinne war jedoch nicht die Grundlage seines wirtschaftlichen Erfolges. Die Gebühren hat auch der Kursmakler im Vermittlungsgeschäft erwirtschaftet.

Der Gesetzgeber hat aber im Rahmen der Neuordnung des Börsenrechts das bisherige Berufsfeld der Kursmakler im Übrigen erhalten. Sie dürfen nach der Übergangsregelung in § 64 Abs. 4 BörsG n.F. in ihrer Tätigkeit als Skontroführer fortfahren. Außerdem wird auch weiterhin für eine Übergangszeit von drei Jahren in den Wertpapieren, in denen am 1. Juli 2002 der Preis durch Kursmakler festgestellt wurde, die Preisermittlung durch Skontroführer erfolgen. Als Handelsmakler können die Beschwerdeführer also uneingeschränkt weiterhin tätig sein. Für eine Übergangszeit bleiben ihnen auch noch Privilegien erhalten.

Diese werden allerdings an Bedeutung verlieren, weil der Vorrang des Präsenzhandels abgeschafft worden ist. Die Übergangsregelungen sind dennoch angemessen; denn der Gesetzgeber hat nicht erst mit dem angegriffenen Gesetz auf den Strukturwandel an den Kapitalmärkten reagiert. Schon durch das Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22. Oktober 1997 (BGBl I S. 2567) hat er den Kursmaklern Chancen eröffnet, sich zu Finanzdienstleistungsinstituten und Wertpapierhandelshäusern weiterzuentwickeln. Auf dieser Rechtsgrundlage konnte die Beschwerdeführerin zu 2) tätig werden. Gleichzeitig behielten die Kursmakler noch alle Sonderrechte im Parketthandel, die faktisch bereits schrittweise an Bedeutung verloren in dem Maße, in dem sich der Anteil des elektronischen Handels vergrößerte. Angesichts dieser tatsächlichen Entwicklung konnten die Beschwerdeführer ohnedies nicht darauf vertrauen, aus dem Vorrang des Präsenzhandels auf Dauer Nutzen zu ziehen. Die Änderung der Rechtsstellung wiegt demnach nicht so schwer, dass festgestellt werden könnte, der Gesetzgeber sei den Anforderungen des Vertrauensschutzes nicht gerecht geworden.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

Ende der Entscheidung

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