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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 15.08.2007
Aktenzeichen: 1 BvR 1560/05
Rechtsgebiete: BVerfGG, SGG, SGB VI, 2. AAÜG-ÄndG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2
BVerfGG § 90 Abs. 2 Satz 1
BVerfGG § 92
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3
SGG § 160a Abs. 2 Satz 3
SGB VI § 307a Abs. 2 Satz 1
SGB VI § 307b
SGB VI § 307b Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 n.F.
2. AAÜG-ÄndG Art. 2 Nr. 5
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1560/05 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

1. unmittelbar gegen

a) den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 8. Juni 2005 - B 4 RA 190/04 B -,

b) das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2004 - L 17 RA 2/95 W 01 -

2. mittelbar gegen die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Rechtsvorschriften

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Steiner, Gaier, Schluckebier gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 15. August 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Überleitung von Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften, die im staatlichen Alterssicherungssystem der Deutschen Demokratischen Republik erworben wurden.

I.

Der 1921 geborene Beschwerdeführer war in der Deutschen Demokratischen Republik als Kammermusiker und Kammervirtuose bei der Deutschen Staatsoper tätig. Er war in die zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen einbezogen. Ab Februar 1986 bezog er eine Rente aus der Sozialpflichtversicherung und eine Rente aus der zusätzlichen Altersversorgung. Mit seinem Begehren, eine höhere Altersrente, unter anderem durch Ermittlung einer Vergleichsrente aufgrund eines 20-Jahreszeitraums ohne Begrenzung des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens für Zeiten vor dem 1. März 1971 auf 600 M sowie durch höhere Rentenanpassungen ab dem 1. Juli 2000, zu erhalten, hatte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren keinen Erfolg. Zuletzt verwarf das Bundessozialgericht seine Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig, weil der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung keinen der in § 160a Abs. 2 Satz 3 SGG genannten Zulassungsgründe in der gebotenen Weise dargetan habe.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die sein Begehren zurückweisenden Gerichtsentscheidungen und macht eine Verletzung seiner Grundrechte geltend.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

a) Der Rechtsweg wurde nicht gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ordnungsgemäß erschöpft. Eine Verfassungsbeschwerde ist in der Regel unzulässig, wenn - wie hier - ein an sich gegebenes Rechtsmittel, durch dessen Gebrauch der behauptete Grundrechtsverstoß ausgeräumt werden könnte, aus prozessualen Gründen erfolglos bleibt (vgl. BVerfGE 74, 102 <114>; BVerfGK 1, 222 <223>). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Bundessozialgericht an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde überhöhte Anforderungen gestellt hat.

b) Zudem entspricht die Verfassungsbeschwerde nicht den Anforderungen an eine substantiierte Begründung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, aus undifferenziert aneinandergereihten Textbausteinen aus Schriftsätzen aus anderen Verfahren einen auf den individuellen Sachverhalt der konkreten Verfassungsbeschwerde bezogenen verfassungsrechtlich relevanten Vortrag zu konstruieren (vgl. BVerfGE 80, 257 <280>; 83, 216 <228>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. September 1999 - 2 BvR 1343/99 und 2 BvR 1355/99 - im Internet unter www.bundesverfassungsgericht.de veröffentlicht).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist im Übrigen auch in der Sache ohne Aussicht auf Erfolg, weil eine Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden kann.

a) Soweit sich der Beschwerdeführer durch die gemäß Art. 2 Nr. 5 des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-Änderungsgesetz - 2. AAÜG-ÄndG) vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1939) erfolgte Begrenzung des im Rahmen der Ermittlung der Vergleichsrente aufgrund eines 20-Jahreszeitraums zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens für Zeiten vor dem 1. März 1971 auf 600 M wendet (§ 307b Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 SGB VI n.F.), ist ein Verfassungsverstoß nicht ersichtlich.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 104 <134 ff.>) festgestellt, es sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, dass bei der Neuberechnung von Bestandsrenten aus Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem der Deutschen Demokratischen Republik für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) die während der gesamten Versicherungszeit bezogenen tatsächlichen Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen zugrunde gelegt würden, während für die sonstigen Bestandsrentner im Beitrittsgebiet nach § 307a Abs. 2 Satz 1 SGB VI ein 20-Jahreszeitraum maßgeblich sei. Diese gleichheitswidrige Rechtslage hat der Gesetzgeber durch die Neufassung von § 307b SGB VI durch das 2. AAÜG-Änderungsgesetz in einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise beseitigt. Das Bundesverfassungsgericht hat eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der so genannten zusatzversorgten Rentner in der Deutschen Demokratischen Republik nur im dargestellten Umfang im Vergleich zu den sozialpflichtversicherten Rentnern angenommen (vgl. BVerfG, a.a.O.). Gegenüber dieser Vergleichsgruppe wäre es ohne die Bestimmung des § 307b Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 SGB VI n.F. zu einer verfassungsrechtlich jedenfalls nicht gebotenen Begünstigung der zusatzversorgten Rentner gekommen, wenn im Rahmen der nunmehr auch bei ihnen durchzuführenden Vergleichsberechnung Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen in Zeiträumen vor dem 1. März 1971 uneingeschränkt berücksichtigt würden. Dies hat schon das Bundessozialgericht zutreffend festgestellt (Urteil vom 31. März 2004, B 4 RA 11/03 R, JURIS Nr. 36 ff.). Vor Einführung der allgemeinen Freiwilligen Zusatzrentenversicherung zum 1. März 1971 (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. August 2005 - 1 BvR 616/99 u.a. -, SozR 4-2600 § 256a Nr. 1 Rn. 5) gab es in der Sozialpflichtversicherung der Deutschen Demokratischen Republik keine Möglichkeit, Verdienste über 600 M zu versichern (vgl. BVerfGE 100, 1 <3>). Würde man im Rahmen der Vergleichsberechnung aufgrund eines 20-Jahreszeitraums bei zusatzversorgten Rentnern auf eine entsprechende Begrenzung für Zeiten vor dem 1. März 1971 verzichten, würde dieser Personenkreis gegenüber den sozialpflichtversicherten Rentnern eine Begünstigung erfahren, die durch die Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 nicht veranlasst ist.

b) Hinsichtlich der Dynamisierung des besitzgeschützten Zahlbetrags wird auf den Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 15. September 2006 - 1 BvR 799/98 - (NJ 2006, S. 553) verwiesen.

c) Hinsichtlich der Rentenanpassung zum 1. Juli 2000 und der Aussetzung der Rentenanpassung zum 1. Juli 2004 wird auf den Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 824/03 und 1 BvR 1247/07 - (im Internet unter www.bundesverfassungsgericht.de veröffentlicht) verwiesen.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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