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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 17.02.1999
Aktenzeichen: 1 BvR 1579/95
Rechtsgebiete: BVerfGG, VermG
Vorschriften:
BVerfGG § 93 b | |
BVerfGG § 93 a | |
BVerfGG § 93 a Abs. 2 Buchstabe a | |
BVerfGG § 93 a Abs. 2 Buchstabe b | |
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3 | |
VermG § 4 Abs. 1 Satz 1 | |
VermG § 5 Abs. 1 Buchstabe b und c | |
VermG § 1 Abs. 6 | |
VermG § 1 Abs. 6 Satz 1 | |
VermG § 5 | |
VermG § 5 Abs. 1 | |
VermG § 4 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1579/95 - - 1 BvR 495/96 -
In den Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
I. des Herrn S...,
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Andreas Rübsam und Karl-Heinz Hintz, Fritzenwiese 42, Celle -
gegen
a) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Mai 1995 - BVerwG 7 C 19.94 -,
b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 1993 - VG 31 A 19.93 -
- 1 BvR 1579/95 -,
II. 1. der Frau D...,
2. der Frau F...,
3. der Frau W...,
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Andreas Rübsam und Karl-Heinz Hintz, Fritzenwiese 42, Celle -
gegen
a) den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Januar 1996 - BVerwG 7 B 17.96 -,
b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Oktober 1995 - 22 A 191.94 -
- 1 BvR 495/96 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richter Grimm, Hömig gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 17. Februar 1999 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Geltung des Restitutionsausschlusses nach § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c des Vermögensgesetzes (VermG) für Rückübertragungsansprüche von Verfolgten des NS-Regimes nach § 1 Abs. 6 VermG.
I.
Die Beschwerdeführer begehren als Rechtsnachfolger jüdischer Eigentümer nach § 1 Abs. 6 VermG die Rückgabe je eines im Ostteil Berlins belegenen Grundstücks.
1. Nachdem die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer wegen der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen, denen sie ausgesetzt waren, Deutschland verlassen hatten, wurden die Grundstücke von der Geheimen Staatspolizei auf der Grundlage der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl I S. 83) beschlagnahmt. Gemäß § 2 und § 3 Abs. 1 der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 (RGBl I S. 722) verfielen sie dem Deutschen Reich.
Nach 1945 wurden das Grundstück des Verfahrens 1 BvR 1579/95 auf der Grundlage der Verordnung über den Aufbau Berlins vom 18. Dezember 1950 (Verordnungsblatt für Groß-Berlin I S. 379), das Grundstück des Verfahrens 1 BvR 495/96 nach dem Aufbaugesetz der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. September 1950 (GBl S. 965) in Anspruch genommen und - ohne Festsetzung einer Entschädigung - in Volkseigentum überführt. Später wurden sie zu Gemeingebrauchszwecken und im komplexen Wohnungsbau verwendet.
2. Die Anträge der Beschwerdeführer auf Rückübertragung der Grundstücke wurden abgelehnt. Auch mit ihren Klagen vor den Verwaltungsgerichten hatten die Beschwerdeführer keinen Erfolg.
a) Im Verfahren 1 BvR 1579/95 hat das Bundesverwaltungsgericht die Revision gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts (VIZ 1994, S. 353 = ZOV 1994, S. 210) im wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen (vgl. BVerwGE 98, 261):
Zwar sei die Konfiskation des streitgegenständlichen Grundstücks eine Maßnahme im Sinne von § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG. Der Anwendung dieser Vorschrift stehe nicht entgegen, daß der durch die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz angeordnete Vermögensverfall als unwirksam anzusehen sei. Das Vermögensgesetz wolle auch derartige Vermögensentziehungen des NS-Staats wiedergutmachen und erfasse auch solche Vermögenswerte, die dem Rechtsinhaber zumindest faktisch entzogen worden seien. Der Restitutionsanspruch sei aber nach § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c VermG ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht die Ausschlußgründe der Widmung zum Gemeingebrauch und der Verwendung im komplexen Wohnungsbau bejaht. Sie seien auch auf Ansprüche nach § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG anwendbar. Diese Vorschrift begründe erstmals Rückübertragungsansprüche für diejenigen, denen durch NS-Verfolgungsmaßnahmen auf dem Gebiet der späteren Deutschen Demokratischen Republik und des sowjetischen Sektors von Berlin Vermögen entzogen worden sei. Dort habe es bis zum Erlaß des Vermögensgesetzes keine Wiedergutmachungsgesetzgebung gegeben, die den in den westlichen Besatzungszonen und Sektoren Berlins und später in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Wiedergutmachungsgesetzen gleichwertig gewesen wäre. Deshalb habe das Vermögensgesetz mit § 1 Abs. 6 auch nicht an bereits bestehende Rückübertragungsansprüche anknüpfen können, sondern solche konstitutiv begründet. Dabei habe der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien zwar eine möglichst weitgehende Anlehnung an die alliierten Rückerstattungsregelungen, aber nicht deren generelle Übernahme gewollt.
Der durch § 5 VermG angeordnete Restitutionsausschluß sei auch insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich, als er Entziehungsmaßnahmen im Sinne von § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG betreffe. Ein enteignender, nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG zulässiger Eingriff in das Eigentum sei darin nicht zu sehen. Beim Inkrafttreten des Vermögensgesetzes und dessen anschließender Übernahme in die gesamtdeutsche Rechtsordnung seien keine durchsetzbaren vermögenswerten Rechtspositionen mehr vorhanden gewesen, die in den Schutzbereich des Art. 14 GG hätten gelangen können. Gegenteiliges könne nicht aus der Nichtigkeit der durch die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz herbeigeführten Konfiskationen abgeleitet werden. Die alliierten Rückerstattungsgesetze hätten sich ausschließliche Geltung für alle in Betracht kommenden Rückerstattungsansprüche zugemessen, unabhängig von der etwaigen Nichtigkeit der Entziehungsmaßnahme. Im ordentlichen Rechtsweg hätten Ansprüche auf Herausgabe von Vermögenswerten nur geltend gemacht werden dürfen, wenn sie auf nicht verfolgungsbedingte Gründe gestützt gewesen seien. Entscheidend sei gewesen, daß die Entziehungsmaßnahme dem Reich zumindest den Schein des Eigentums verschafft und den Vermögensgegenstand dem Verfolgten tatsächlich entzogen gehabt habe. Von diesen Grundsätzen habe der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHZ 16, 350 lediglich für den besonderen Fall eine Ausnahme zugelassen, daß der durch eine nichtige Verfallserklärung entzogene Vermögensgegenstand ohne jede Veränderung der ihn betreffenden tatsächlichen Verhältnisse erhalten geblieben sei und der Verfolgte deshalb auf ihn habe zugreifen können. Eine solche Situation sei bei Vermögensgegenständen, die sich bei Kriegsende auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone befunden hätten, nicht gegeben gewesen. Der außerhalb dieses Gebiets lebende NS-Verfolgte habe keinerlei Möglichkeit gehabt, auf sein Vermögen zuzugreifen.
Auch sonst bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 5 VermG. Im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums und im Hinblick auf die Erfüllung der neuen Aufgaben, die sich aus dem Wiederaufbau in den neuen Bundesländern ergäben, habe der Gesetzgeber mit dem Restitutionsausschluß gemäß § 5 Abs. 1 VermG sicherstellen dürfen, daß bestimmte tatsächliche oder rechtliche Veränderungen in der Nutzung der entzogenen Grundstücke, die nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden könnten, aufrechterhalten bleiben.
b) Im Anschluß an diese Entscheidung hat das Verwaltungsgericht auch die Klage der Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 495/96 abgewiesen. Die daraufhin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen, weil die aufgeworfenen Rechtsfragen mit Rücksicht auf das Urteil BVerwGE 98, 261 keinen Klärungsbedarf ergäben.
II.
Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen des Verwaltungs- und des Bundesverwaltungsgerichts.
1. Sie verletzten Art. 14 Abs. 1 und 3 GG.
Zu Unrecht hätten die Gerichte die Rückübertragung der streitgegenständlichen Grundstücke mit der Begründung abgelehnt, die Restitution sei gemäß § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c VermG ausgeschlossen. Diese Regelungen stellten bei NS-Ge-schädigten einen unzulässigen Eingriff in bestehende Eigentumsrechte dar.
§ 1 Abs. 6 VermG habe Ansprüche für NS-Verfolgte nicht konstitutiv begründet. Ein materieller Eigentumsverlust sei durch NS-Verfolgungsmaßnahmen nicht eingetreten. Soweit eine Beschlagnahme nach der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 erfolgt sei, bestehe im Unrechtsgehalt kein Unterschied zu Entziehungen nach der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz, die zu keinem wirksamen Eigentumsverlust geführt hätten. Auch im Zusammenhang mit den Rückerstattungsgesetzen der drei Westalliierten, die in der sowjetischen Besatzungszone und späteren Deutschen Demokratischen Republik nicht gegolten hätten, seien die Eigentumsansprüche ihrer Rechtsvorgänger nicht untergegangen. Durch die Inanspruchnahmen nach dem Aufbaugesetz sei das Grundeigentum ebenfalls nicht entzogen worden, weil sie sowohl nach dem Recht der Bundesrepublik als auch nach DDR-Recht nichtig seien.
Aus dem Fortbestand der Eigentumsrechte folge, daß der Gesetzgeber bei der Regelung über Vermögensschäden von NS-Verfolgten die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG habe berücksichtigen müssen. Für die Wiedergutmachung von NS-Unrecht im Hinblick auf noch vorhandene Vermögenswerte habe ein Anspruch auf Rückgabe schon aufgrund der alliierten Rechtsvorschriften bestanden. In der Vereinbarung vom 27./28. September 1990 mit den drei Westmächten habe sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die Grundsätze der inneren Rückerstattung fortgelten zu lassen. Die Interpretation der §§ 4 und 5 VermG durch die Verwaltungsgerichte stehe dazu in eklatantem Widerspruch und führe für die Beschwerdeführer zu einer Enteignung. Diese sei wegen Fehlens einer ausreichenden Entschädigungsregelung unzulässig.
2. Art. 3 Abs. 1 GG sei ebenfalls verletzt. Es sei nicht sachgerecht, NS-Verfolgte und DDR-Geschädigte gleichzubehandeln und die §§ 4 und 5 VermG auf beide Gruppen anzuwenden. Dabei werde verkannt, daß es sich vom Ausmaß und Grad des erlittenen staatlichen Unrechts her um völlig verschiedene Schädigungssachverhalte handele.
III.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie werfen weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen auf (vgl. § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt (vgl. § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
1. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
Die Ansicht der Verwaltungsgerichte, beim Inkrafttreten des Vermögensgesetzes und dessen anschließender Übernahme in die gesamtdeutsche Rechtsordnung hätten die Beschwerdeführer keine durchsetzbaren vermögenswerten Rechtspositionen innegehabt, in die durch die Regelungen dieses Gesetzes hätte eingegriffen werden können, und § 1 Abs. 6 VermG habe für Restitutionsansprüche des darin genannten Personenkreises konstitutive Bedeutung, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Im einzelnen ergibt sich dies aus den Ausführungen im Beschluß der Kammer vom 21. Oktober 1998 - 1 BvR 179/94 - (EuGRZ 1998, S. 689).
Ebenfalls keinen Bedenken begegnet die Annahme der Verwaltungsgerichte, daß es nicht gegen das Eigentumsgrundrecht verstößt, Grundstücke und Gebäude, deren Verlust auf Maßnahmen im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG beruht, gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c VermG von der Rückübertragung auszunehmen, wenn sie nach ihrer Inanspruchnahme - wie hier - dem Gemeingebrauch gewidmet oder im komplexen Wohnungsbau oder Siedlungsbau verwendet wurden.
Zwar geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, daß Restitutionsansprüche nach dem Vermögensgesetz unbeschadet ihrer rechts- und sozialstaatlichen Wurzeln (vgl. BVerfGE 84, 90 <126>) den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen (vgl. BVerfGE 95, 48 <58>). Das gilt auch für Ansprüche nach § 1 Abs. 6 VermG. In eine danach bestehende vermögenswerte Rechtsposition ist jedoch durch § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c VermG nicht eingegriffen worden. Diese Vorschriften waren wie § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG schon in der Ursprungsfassung des Vermögensgesetzes enthalten und sind infolgedessen gleichzeitig mit der Anspruchsnorm des § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG in Kraft getreten. Der Rückübertragungsanspruch nach dieser Regelung ist deshalb von vornherein nur mit den Beschränkungen in den Schutzbereich des Art. 14 GG gelangt, die sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c VermG ergeben. Die Annahme einer nachträglichen Einschränkung des Anspruchs durch diese Vorschriften, sei es auf der Grundlage des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, sei es nach Art. 14 Abs. 3 GG, ist danach ausgeschlossen.
2. Die angegriffenen Entscheidungen stehen auch im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß das Verwaltungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht in den Ausgangsverfahren auf die Rückübertragungsansprüche der Beschwerdeführer die Ausschlußregelungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 und des § 5 Abs. 1 VermG angewandt und damit NS-Geschädigte und ihre Rechtsnachfolger wie Personen behandelt haben, die ihren Restitutionsanspruch aus Maßnahmen des DDR-Unrechts herleiten.
a) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>). Dies gilt auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Das Bundesverfassungsgericht prüft dann im einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 82, 126 <146>; 88, 87 <96 f.>).
Bei der Wiedergutmachung von Unrecht, das - wie dasjenige im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG und das unter der Herrschaft der Deutschen Demokratischen Republik erlittene - eine dem Grundgesetz nicht verpflichtete Staatsgewalt zu verantworten hat, hat der Gesetzgeber allerdings einen besonders weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 13, 31 <36>; 13, 39 <43>; 84, 90 <125 f., 130 f.>; vgl. außerdem zur Bewältigung von Kriegsfolgelasten BVerfGE 71, 66 <76>). Das entbindet ihn zwar bei der näheren Ausgestaltung der von ihm beabsichtigten Wiedergutmachungsregelungen nicht schlechthin von der Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (vgl. BVerfGE 13, 39 <43 ff.>; 84, 90 <128 ff.>). Doch ist die Gleichheitsbindung nicht in der selben Weise strikt und eng, wie dies bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen sonst regelmäßig der Fall ist. Es reicht vielmehr aus, wenn die Wiedergutmachung wenigstens in ihrer grundsätzlichen Ausgestaltung dem Gerechtigkeitsgebot entspricht (vgl. BVerfGE 27, 253 <286>).
b) Gemessen daran begegnet es im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, daß der Gesetzgeber die vermögens-rechtliche Wiedergutmachung des NS-Unrechts im Beitrittsgebiet unter den Vorbehalt des Restitutionsausschlusses nach § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 VermG gestellt und insoweit zum Teil anders geregelt hat, als dies in der Nachkriegszeit im alliierten Rückerstattungsrecht und im Bundesrückerstattungsgesetz für die nach diesen Regelungen Berechtigten geschehen ist.
Ziel des Gesetzgebers des Vermögensgesetzes war es, für den Verlust von Vermögenswerten aufgrund von Maßnahmen einerseits der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und andererseits der DDR-Staatsgewalt eine möglichst einheitli-che Regelung zu treffen (vgl. BTDrucks 12/2480, S. 36; 12/2944, S. 50). Das galt auch hinsichtlich der in § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 VermG geregelten Ausschlußtatbestände, bei deren Vorliegen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 des Entschädigungsgesetzes und § 1 Abs. 1 des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes, beide vom 27. September 1994 (BGBl I S. 2624 und 2632), statt Naturalrestitution Entschädigung verlangt werden kann. Motiv für dieses Regelungskonzept war ersichtlich nicht, NS- und DDR-Unrecht qualitativ zu bewerten oder gar auf eine Stufe zu stellen. Der Grund für die im wesentlichen übereinstimmende Behandlung der beiden Betroffenengruppen mit der Folge einer vom westlichen Rückerstattungsrecht der Nachkriegszeit teilweise abweichenden Wiedergutmachungsregelung lag vielmehr in der besonderen politischen und wirtschaftlichen Lage Deutschlands im Zeitpunkt der Wiedervereinigung. Sie unterschied sich von derjenigen nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches, mehr als 40 Jahre nach diesem Ereignis, elementar dadurch, daß zwei grundlegend verschiedene Rechts-, Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme zusammenzuführen waren.
Dieser Zusammenschluß konnte nach den Grundsätzen, die die beiden deutschen Regierungen in der Gemeinsamen Erklärung zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (BGBl II S. 1237) für den Bereich des Vermögensrechts vereinbart haben (vgl. Präambel Abs. 2 der Erklärung), nur auf der Grundlage einer sozial verträglichen Lösung gelingen, die die im Beitrittsgebiet gewachsenen rechtlichen und sozialen Strukturen nicht unberücksichtigt ließ, sondern in den notwendigen Interessenausgleich einbezog (vgl. Neuhaus, in: Fieberg/Rei-chenbach/Messerschmidt/Neuhaus, Vermögensgesetz <Stand: August 1997>, § 1 Rn. 131; Fieberg/Reichenbach, ebd., § 4 Rn. 11; Wasmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Band II <Stand: Januar 1998>, § 1 VermG Rn. 148). Dies gilt nicht nur im Fall des redlichen Erwerbs rechtsstaatswidrig entzogener Vermögenswerte durch Dritte, dem der Gesetzgeber nach Maßgabe der Regelungen in § 4 Abs. 2 und 3 VermG den Vorrang vor dem Restitutionsin-teresse der früheren Eigentümer und ihrer Rechtsnachfolger eingeräumt hat (vgl. dazu BVerfGE 95, 48 <58 f.>). Es trifft vielmehr auch auf die hier in Rede stehenden Ausschlußtatbestände des § 4 Abs. 1 Satz 1 und des § 5 Abs. 1 Buchstaben b und c VermG zu, durch die der Eckwert in Nr. 3 Buchstabe a der Gemeinsamen Erklärung konkretisiert worden ist. Auch sie bringen nach der ihnen zugrunde liegenden, verfassungsrechtlich unbedenklichen Vorstellung des Bundesgesetzgebers die widerstreitenden Interessen der Alteigentümer einerseits und der Verfügungsberechtigten sowie der Allgemeinheit andererseits in einen sozialen, auf die Schaffung von Rechtsfrieden gerichteten Ausgleich, indem sie in der Zeit der Deutschen Demokratischen Republik entstandene Fakten, wie sie die Inanspruchnahme von Grundstücken und Gebäuden zu Gemeingebrauchszwecken oder für den komplexen Wohnungsbau darstellen, nicht rückgängig machen und die Betroffenen auf Entschädigungsansprüche verweisen (vgl. Hellmann, in: Fieberg/Reichenbach/ Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 5 Rn. 1 f.; Dietsche, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, § 1 VermG Rn. 288 <Stand: Oktober 1997>; Wasmuth, a.a.O., § 5 Rn. 4 und 6; Koch, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 4 VermG Rn. 2 <Stand: April 1995>; Spielmann, ebd., § 5 VermG Rn. 4 <Stand: April 1995>). Es liegt im Rahmen der legislativen Gestaltungsfreiheit und ist wegen der gleichen tatsächlichen Betroffenheit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Bundesgesetzgeber diese Einschätzung auch für Grundstücke und Gebäude vorgenommen hat, auf die sich Ansprüche nach § 1 Abs. 6 VermG richten. Wie der in § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 VermG geregelte Restitutionsausschluß selbst ist deshalb die Entscheidung, an dem Personenkreis des § 1 Abs. 6 VermG begangenes NS-Unrecht nicht allgemein nach den Regeln des alliierten und westdeutschen Rückerstattungsrechts, sondern grundsätzlich wie DDR-Unrecht nach den auf die spezifischen Bedürfnisse der Wiedervereinigung zugeschnittenen Regelungen des Vermögensrechts wiedergutzumachen, sachlich ausreichend gerechtfertigt.
3. Im übrigen wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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