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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 10.03.2003
Aktenzeichen: 1 BvR 1617/97
Rechtsgebiete: WoGSoG, BVerfGG, GG


Vorschriften:

WoGSoG § 10 Abs. 3 Nr. 2
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 93 a Abs. 2
BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1617/97 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

I. unmittelbar gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 17. Juli 1997 - 3 A S 58/97 -,

II. mittelbar gegen § 10 Abs. 3 Nr. 2 WoGSoG

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, den Richter Steiner und die Richterin Hohmann-Dennhardt gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 10. März 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Einkommensermittlung im Wohngeldrecht im Jahr 1994 nach einer für die neuen Länder geltenden Regelung des Wohngeldsondergesetzes.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist - unbeschadet ihrer Zulässigkeit - nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen von § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder § 10 Abs. 3 Nr. 2 des Wohngeldsondergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1992 (BGBl I S. 2406; im Folgenden: WoGSoG) noch die auf seiner Grundlage ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen verletzen den allgemeinen Gleichheitssatz.

1. Es war durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht geboten, im Wohngeldsondergesetz bei der Ermittlung des für die Bemessung von Wohngeld maßgebenden Jahreseinkommens den Abzug der tatsächlich zu erwartenden Werbungskosten von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit wie in den alten Ländern zuzulassen. Der pauschale Abzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 WoGSoG als übergangsweise Sonderregelung für die neuen Länder ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Für den Gesetzgeber gab es hinreichende sachliche Gründe, für die neuen Länder zunächst einen Pauschalabzug einzuführen. Aufgrund mietrechtlicher Anpassungsregelungen war dort zum 1. Oktober 1991 mit einer erheblichen Erhöhung der Wohnkosten zu rechnen. Man musste sich auf mehrere Millionen Wohngeldanträge - eingereicht binnen kurzer Zeit - einstellen (vgl. BTDrucks 12/495, S. 24). Der Gesetzgeber ging davon aus, die erst im Aufbau befindliche Wohngeldverwaltung werde diese große Zahl von Anträgen und eine entsprechend hohe Zahl von Wiederholungsanträgen nur mit Hilfe radikal vereinfachter Vorschriften in angemessenem Zeitraum bewältigen können (vgl. a.a.O., S. 24/25). Eine entscheidende Vereinfachung sah er im Verzicht auf komplizierte Vorschriften über die Einkommensermittlung (vgl. a.a.O., S. 26). Im Hinblick auf den weiten Gestaltungsspielraums, der dem Gesetzgeber bei der Lösung der aus der Deutschen Einheit erwachsenen Aufgaben zukam (vgl. BVerfGE 85, 360 <377>; 95, 267 <308 f.>; 103, 310 <324 f.>), ist die Pauschalierung gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 WoGSoG verfassungsrechtlich hinzunehmen. Dies gilt auch für die Lage in dem hier maßgeblichen Jahr 1994 (vgl. BRDrucks 182/92), S. 6 f.). Ob der Gesetzgeber bei Erlass des Wohngeldsondergesetzes den bei den Wohngeldbehörden zu erwartenden Verwaltungsaufwand richtig eingeschätzt hat, entzieht sich einer näheren Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Die darin liegende Prognoseentscheidung des Gesetzgebers erscheint zumindest nachvollziehbar und vertretbar.

2. Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich auch nicht gehalten, eine Härtefallregelung vorzusehen, die der Beschwerdeführerin den Abzug der tatsächlich zu erwartenden Werbungskosten ermöglicht hätte. Denn mit der Vereinfachungsregelung in § 10 Abs. 3 Nr. 2 WoGSoG wurde das Ziel verfolgt, während einer gewissen Übergangszeit die Wohngeldbehörden mit keinerlei konkreten Berechnungen von Werbungskosten zu belasten. Diesem legitimen Ziel hätte eine Härtefallregelung entgegengewirkt. In Anbetracht der schwierigen Aufgabe, die der Gesetzgeber bei der Anpassung des im Beitrittsgebiet vorgefundenen Mietensystems zu bewältigen hatte, mussten die Betroffenen auch eine gröbere Pauschalierung ohne Ausnahmeregelung hinnehmen. Zudem war die Pauschalierung von vornherein zeitlich befristet. Auch kann - soweit es um den Vergleich mit den alten Ländern geht - berücksichtigt werden, dass die Leistungen nach dem Wohngeldsondergesetz insgesamt günstiger bemessen waren als die nach dem Wohngeldgesetz (vgl. BTDrucks 12/2356, S. 6 und 8).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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